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Zum 1. Mai 2011 hat auch Deutschland seine Grenzen für Arbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländern geöffnet. Um die erwartete „Flut“ zuwandernder Arbeitskräfte einzudämmen, wird die Einführung eines Mindestlohns in den betroffenen Branchen gefordert. Die Befürworter dieser Idee gehen davon aus, dass dies dazu beiträgt, die einheimischen Arbeitnehmer vor Lohndumping durch Arbeitsmigranten zu schützen. Die Erfahrungen der liberaleren EU-Mitgliedsländer bestätigt eine solche Sichtweise allerdings nicht.

Als letztes Land der EU-15 muss Deutschland zum 1. Mai Arbeitskräfte aus fast allen mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern „freizügig“ zuwandern lassen.1 Das sehen Gewerkschaften und große Teile der Politik als akute Gefahr für die deutschen Arbeitnehmer an, denen Lohndumping und Arbeitslosigkeit drohe – der Gedanke an flächendeckende Mindestlöhne als Protektionsersatz liegt daher nahe. Ob wirklich eine Überflutung des deutschen Arbeitsmarkts mit Billigarbeitern aus Mittel- und Osteuropa droht, können die Erfahrungen von EU-15-Staaten zeigen, die schon seit längerer Zeit die Zuwanderung freizügig handhaben. Da einige dieser liberalen Länder über Erfahrungen mit flächendeckenden Mindestlöhnen verfügen, können die Lehren für Deutschland umso wertvoller sein. Es soll letztendlich die Frage beantwortet werden, ob die Risiken der Arbeitnehmerfreizügigkeit die damit verbundenen Chancen überwiegen oder umgekehrt. Sind verbindliche Mindestlöhne notwendig, um eine Flut billiger Arbeitskräfte abzuwehren? Oder bedarf es besonderer Anreize, damit qualifizierte Arbeitskräfte aus den Beitrittsländern nach Deutschland wandern, statt nach Großbritannien, in die Niederlande oder nach Italien?

Entwicklungslinien der Freizügigkeit

Schon im Vorfeld der Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 27 Mitglieder sind in einer Reihe von „alten“ Mitgliedstaaten Befürchtungen aufgekommen, dass die Freizügigkeit, d.h. die freie Wahl des Arbeitsplatzes in der gesamten Union, zu einer Schwemme von Arbeitskräften aus Mittel- und Osteuropa führen könnte. Daher wurden insbesondere auf Betreiben Deutschlands und Österreichs bereits 2001 im Rahmen des „Göteborger Kompromisses“ Übergangsregelungen vereinbart: Die Protektion der Arbeitsmärkte einiger sich für besonders schutzbedürftig haltender Länder gegenüber Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten war die dabei gefundene Kompromisslösung. Dieser Schutz sollte allerdings vorübergehend sein; das „2+3+2-Modell“ unterschied in einem Zeitraum von sieben Jahren nach der Osterweiterung drei Phasen:

  1. In einer ersten zweijährigen Phase bestimmten nationale Regelungen bzw. bilaterale Vereinbarungen mit den Neumitgliedern, in welchem Umfang der nationale Arbeitsmarkt geöffnet wurde.
  2. In einer anschließenden dreijährigen Phase galt bereits die Arbeitnehmerfreizügigkeit entsprechend dem Gemeinschaftsrecht, sofern nicht ein Mitgliedstaat weiterhin Zugangsbeschränkungen wünschte.
  3. Gleiches galt auch für eine letzte zweijährige Phase, in der die Beschränkungen aufrecht erhalten werden konnten, sofern eine schwerwiegende Störung des Arbeitsmarktes bzw. die Gefahr einer solchen als Begründung angeführt wurde.2

Das „2+3+2-Modell“ der EU ging also von zwei nicht unproblematischen Annahmen aus: Erstens können Zugangsbeschränkungen die Arbeitsmarktsituation verbessern; Liberalisierung würde diesem Modell zufolge die Arbeitsmarktlage verschlechtern. Und zweitens ist die Arbeitsmarktsituation der Neumitglieder weniger wichtig als die der Altmitglieder.

Die einzelnen EU-15-Staaten haben allerdings die Möglichkeit des „Göteborger Kompromisses“ zur vorübergehenden Ausgrenzung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern sehr unterschiedlich genutzt (vgl. Tabelle 1). Vorreiter eines liberalen Europas waren Irland, Schweden und Großbritannien, die auf Beschränkungen schon in der ersten Phase verzichteten. Und zu Beginn der zweiten Phase im Mai 2006 öffneten fünf weitere EU-15-Staaten ihre Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa, denen im Verlauf der Phase II drei weitere Länder folgten. Schleppender verlief die formale Liberalisierung der Arbeitsmärkte in Frankreich und Dänemark. Bemerkenswert ist jedoch, dass nur zwei EU-15-Staaten die Protektionsmöglichkeiten bis zuletzt nutzten: Deutschland und Österreich.

Tabelle 1
Unterschiede bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit in den EU-15-Staaten im „2+3+2-Modell“1
Land Phase I: Phase II: Phase III:
  1.5.2004 - 30.4.2006 1.5.2006 - 30.4.2009 1.5.2009 - 30.4.2011
Frühe Liberalisierung
Irland Freier Zugang seit 1.5.2004 Weiterhin freier Zugang Weiterhin freier Zugang
Schweden Freier Zugang seit 1.5.2004 Weiterhin freier Zugang Weiterhin freier Zugang
Großbritannien Freier Zugang mit Meldesystem bei Beschäftigungs­aufnahme seit 1.5.2004 Weiterhin freier Zugang mit Meldesystem bei Beschäftigungs­aufnahme Weiterhin freier Zugang mit Melde­system bei Beschäftigungs­aufnahme
Schrittweise Liberalisierung
Finnland Bisheriges Arbeitserlaubnis­system Freier Zugang seit 1.5.2006 Weiterhin freier Zugang
Griechenland Bisheriges Arbeitserlaubnis­system Freier Zugang seit 1.5.2006 Weiterhin freier Zugang
Portugal Arbeitserlaubnis­system mit Quoten­regelung Freier Zugang seit 1.5.2006 Weiterhin freier Zugang
Spanien Bisheriges Arbeitserlaubnis­system Freier Zugang seit 1.5.2006 Weiterhin freier Zugang
Italien Bisheriges Arbeitserlaubnis­system mit einer speziellen Zugangsquote Freier Zugang seit 27.7.2006 Weiterhin freier Zugang
Niederlande Bisheriges Arbeitserlaubnissystem mit Arbeitsmarkt­prüfung, Ausnahmen für einzelne Branchen und Berufe Freier Zugang seit 1.5.2007 Weiterhin freier Zugang
Luxemburg Bisheriges Arbeitserlaubnis­system Freier Zugang seit 1.11.2007 Weiterhin freier Zugang
Belgien Bisheriges Arbeitserlaubnis­system Beschleunigtes Zulassungsverfahren für Mangelberufe seit 1.6.2006; Aufhebung aller Beschränkungen vor Ende der Phase II Weiterhin freier Zugang
Schleppende Liberalisierung
Frankreich Bisheriges Arbeitserlaubnis­system mit Ausnahme für Forscher Teilweise Öffnung in Bereichen mit Personal­knappheiten (u.a. soziale Dienste, Gastronomie, Bau, Transport); vollständige Liberalisierung seit 1.7.2008 Freier Zugang seit 1.7.2008
Dänemark Arbeitserlaubnis für Vollzeitbeschäftigte nach Tarif- und Branchenstandards; Aufenthalts­genehmigung vorausgesetzt Schrittweise Aufhebung der Übergangsregelungen bis 2009 Freier Zugang seit 1.5.2009
Keine Liberalisierung
Deutschland Bisheriges Arbeitserlaubnissystem; spezielle Beschränkungen für entsandte Arbeitnehmer in Bau, Reinigung, Dekoration, Leiharbeit Beibehaltung der Restriktionen (mit Ausnahmen für ausgewählte Fachkräfte) Beibehaltung der Restriktionen (mit Ausnahmen für ausgewählte Fachkräfte)
Österreich Bisheriges Arbeitserlaubnis­system; spezielle Beschränkungen für entsandte Arbeitnehmer in Bau, Reinigung, Soziales, diverse private Dienstleistungen Beibehaltung der Restriktionen Beibehaltung der Restriktionen

1 Regelungen für Arbeitnehmer aus den acht mitttel- und osteuropäischen Beitrittsländern, die der EU zum 1.5.2004 beitraten; Reihenfolge der Ländergruppen und Reihenfolge innerhalb der Ländergruppen nach dem Grad der Freizügigkeit.

Quelle: EU-Kommission: Beschäftigung, Soziales und Integration: Freizügigkeit – EU-Bürger, Brüssel 2011, via Internet am 30.3.11, http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=25&landId=de; H. H. Glismann, K. Schrader, a.a.O., S. 319; eigene Zusammenstellung.

Auf dem abgeschotteten deutschen Arbeitsmarkt konnte sich daher die Osterweiterung der EU nicht bemerkbar machen. Arbeitskräfte aus den Beitrittsländern konnten nur bedingt, wenn überhaupt, tätig werden. Ausgeschlossen von einer Beschäftigung waren generell Leiharbeiter, und auch der Zugang von entsandten Arbeitnehmern wurde in geschützten Bereichen restriktiv gehandhabt. So gab es neben dem Bestimmungslandprinzip eine Kontingentierung von entsandten Arbeitnehmern im Bausektor sowie im Reinigungs- und Innendekorationsgewerbe. Damit war in Deutschland, wie auch in Österreich, nicht nur die Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern auch die Dienstleistungsfreiheit eingeschränkt.

Der Zugang für Gastarbeitnehmer aus den Beitrittsländern war in Deutschland ebenfalls reguliert: Ihnen stand zwar prinzipiell eine unbefristete Arbeitserlaubnis offen, allerdings waren die Hürden aufgrund der Inländerbevorzugung, des Nachweises eines konkreten Stellenangebots und der Ungewissheit des Genehmigungsverfahrens durch die Bundesanstalt für Arbeit nach wie vor hoch. Die Beschäftigung als Saisonkraft war von vornherein auf vier Monate und bestimmte Branchen beschränkt, wobei der Umfang der Beschäftigungsmöglichkeiten bilateral geregelt war. Und selbst die vergleichsweise liberalen Zugangsbestimmungen für Selbständige, dem Prinzip der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU geschuldet, waren aufgrund des Bestimmungslandprinzips (Qualifikationsnachweise) in Deutschland protektionistisch angelegt.3

Deutsche Blickwinkel zur Arbeitnehmerfreizügigkeit

Ab dem 1. Mai 2011 gewährt Deutschland gezwungenermaßen – wenn auch als letztes Land neben Österreich – Arbeitskräften aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern der EU Freizügigkeit – die Übergangsfristen wurden vollständig ausgeschöpft. Positiv betrachtet, erlaubt die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit deutschen Unternehmen, auf dem europäischen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähiger zu werden: Der Arbeitskräftemangel in manchen Branchen und Berufen kann leichter behoben werden, da der relevante Arbeitsmarkt größer und flexibler wird. Diese Sichtweise besagt auch, dass sich Länder wie auch Unternehmen in einem Wettbewerb um knappe Arbeitskräfte bewähren müssen, indem sie (Einkommens-)Anreize für die Zuwanderung nach Deutschland setzen. Allgemeiner gesagt: Das (relative) Lohn- und Einkommensniveau eines Landes ist Ausdruck seiner Attraktivität für ausländische Arbeitskräfte – analog der (relativen) erzielbaren Rendite auf Investitionen, die die Attraktivität eines Landes für ausländisches Kapital beschreibt. So könnte selbst der Gedanke nicht abwegig sein, durch einen hohen Mindestlohn auf die Attraktivität des Standortes Deutschland hinzuweisen, der wie ein Leuchtturm auf potenzielle Zuwanderer wirkt.

Die deutschen Initiativen zur Einführung flächendeckender Mindestlöhne, wie sie von weiten Teilen der Politik und den Gewerkschaften getragen werden, zielen allerdings nicht darauf ab, Deutschland für ausländische Arbeitskräfte sichtbar attraktiver zu machen. Die deutschen Mindestlohn-Befürworter sind durchweg protektionistisch eingestellt und sehen in der Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Bedrohung von Arbeitsplätzen am Standort Deutschland. Unter dem formalen Vorwand, Lohndumping verhindern zu wollen, soll ein möglichst hoher Mindestlohn als Barriere für die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte dienen. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer soll auf diese Weise für die Arbeitgeber unattraktiv gemacht werden, ein Mindestlohn soll Beschäftigung verhindern. Denn die Unternehmen stellen weniger Arbeitskräfte ein, wenn die Mindestlöhne „zu hoch“ sind – dies gilt allerdings nicht nur für ausländische, sondern auch für heimische Arbeitskräfte, was gerne übersehen wird.

„Bollwerk Mindestlohn“?

Es gibt gute ökonomische Argumente dafür, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn gesamtwirtschaftlich schadet. So verhindert er, dass Arbeitswillige, deren Produktivität („Wertgrenzprodukt“) zu gering ist, einen Arbeitsplatz finden. Das bedeutet, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion („Bruttosozialprodukt“) unter Mindestlohnbedingungen niedriger ist, als sie es sein könnte. Die Nationalität der Arbeitnehmer spielt dabei keine Rolle. Hinzu kommt, dass die Unzufriedenheit auf dem Arbeitsmarkt steigt, da die aufgrund des Mindestlohns zusätzlich auf den Markt drängenden Arbeitskräfte auch unbeschäftigt bleiben. Diese Unzufriedenheit wird nicht geringer, wenn die zum Mindestlohn tatsächlich Beschäftigten eine – ökonomisch gesehen – zusätzliche Regulierungsrente erhalten.

Dies ist (neo-)klassisches Gedankengut. Zu fragen ist allerdings, ob nicht angesichts eines hochgradig reglementierten Arbeitsmarktes, wie dem deutschen, zusätzliche Regulierungen denkbar sind, die auf ganz (neo-)klassische Weise die Gesamtsituation verbessern würden. Anders ausgedrückt: In einer Welt, in der die Ist-Situtation durch eine Ansammlung von dritt-, viert- oder fünftbesten Lösungen gekennzeichnet ist, könnte eine zusätzliche Maßnahme dieser Kategorie die Gesamtsituation womöglich verbessern.4 Diese zusätzliche – (neo-)klassisch sicherlich indiskutable – gesamtwirtschaftlich sinnvolle Maßnahme könnte ein Gesetz zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns sein.

Ein Mindestlohn würde:

  1. ein Signal für die Attraktivität deutscher Arbeitsplätze sein und so den vielen negativen Signalen, die zuletzt von der in Deutschland praktizierten „Göteborger Protektion“ ausgingen, gegensteuern;
  2. verhindern, dass allzu viele gering qualifizierte Arbeitssuchende in Deutschland einen Arbeitsplatz erhalten;
  3. dem häufig geäußerten (politischen) Verlangen entgegenkommen, dass ein Arbeitnehmer auch in der Lage sein sollte, von seinem Lohn „zu leben“.

Erfahrungen mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Die schrittweise Öffnung der EU-15-Arbeitsmärkte für Arbeitskräfte aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern hat von 2005 bis 2009 zu einer Verdoppelung der Beschäftigung dieser Arbeitnehmer geführt (vgl. Tabelle 2).5 Damit ergab sich zum einen ein gänzlich anderes Bild im Vergleich zur Beschäftigungsentwicklung von EU-15-Arbeitnehmern: Deren Anzahl wuchs im gleichen Zeitraum lediglich um knapp 10%. Zum anderen war auch der Beschäftigungsanstieg von Nicht-EU-Bürgern in den alten EU-Staaten mit etwas mehr als 20% wesentlich geringer. Der gesamte Anstieg der Beschäftigung ist offensichtlich auch auf die positive Wirtschaftsentwicklung im Beobachtungszeitraum zurückzuführen. Der ungewöhnliche Zuwachs der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern resultiert jedoch fraglos aus dem höheren Maß an Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU.

Tabelle 2
Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern in den EU-15-Staaten, 2005-2009
1000 Personen
  2005 2006 2007 2008 2009 2005 - 20091
EU-15 1180 1613 1984 2333 2427 105,6
Belgien 12 13 22 27 34 170,2
Dänemark 4 6 7 8 12 167,4
Deutschland 261 292 326 356 390 49
Irland n.v. 113 158 164 121 n.v.
Griechenland 46 47 49 54 66 43
Spanien 365 453 527 582 531 45,6
Frankreich 23 24 33 43 38 65,9
Italien 188 251 282 415 533 184,2
Luxemburg 1 2 3 3 3 433,3
Niederlande 9 11 14 16 20 119,1
Österreich 64 60 65 71 73 14
Portugal 9 10 13 14 11 21,1
Finnland 7 8 9 9 10 52,3
Schweden 13 11 12 17 20 61,9
Großbritannien 179 314 465 555 566 216

1 Veränderung in %.

Quelle: Eurostat: Statistiken: Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, Luxemburg, via Internet am 16.3.2011, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/employment_unemployment_lfs/data/database; eigene Zusammenstellung und Berechnungen.

Die Verteilung der Arbeitskräfte aus den Beitrittsländern auf die EU-15-Staaten hängt nicht zuletzt von der Größe des aufnehmenden Landes und von der Höhe der Ausgangsbeschäftigung ab – eine Verfünffachung der Beschäftigtenzahl wie in Luxemburg allein sagt wenig aus. Aussagekräftiger ist daher Abbildung 1, in der die Beschäftigungsentwicklung in jenen EU-15-Volkswirtschaften dargestellt ist, in die zu Beginn des Beobachtungszeitraums jeweils mindestens 1% der Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern kam. Hier ragt mit einer Verdreifachung der Beschäftigtenzahl Großbritannien heraus, das nicht nur früh liberalisierte, sondern auch einen der größten Arbeitsmärkte in der EU-15 aufweist. Von den einzelnen Ländern weisen nur noch Italien und Belgien überdurchschnittliche Zuwächse auf, während die größte Volkswirtschaft in der EU – Deutschland – weit hinter dem Durchschnitt der EU-15 zurückbleibt. Die Beschäftigung von Nicht-EU-Ausländern hat sich seit dem Beginn der Liberalisierung hingegen in allen betrachteten Ländern weit weniger dynamisch entwickelt; unter den großen EU-15-Staaten zeigt nur Italien einen überdurchschnittlichen Zuwachs.6

Abbildung 1
Ausländerbeschäftigung in den EU-15-Staaten, 2005-20091
Veränderung in %
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1 EU-15-Staaten mit einem Anteil an der Gesamtbeschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern von mindestens 1% im Jahr 2005; d.h. ohne Dänemark, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Finnland; für Irland liegen für das Basisjahr keine Daten vor.

Quelle: Eurostat: Statistiken: Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, Luxemburg, via Internet am 16.3.2011, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/employment_unemployment_lfs/data/database; eigene Darstellung und Berechnungen.

Die Zuwanderungsdynamik im Gefolge der Osterweiterung und die frühe Liberalisierung in Großbritannien und etwas später in Italien schlagen sich auch in der Verteilung der Beschäftigten aus den Beitrittsländern in der EU-15 nieder (vgl. Abbildung 2). Es zeigt sich, dass im Jahr 2009 mit mehr als 23% der größte Anteil auf Großbritannien entfiel, dicht gefolgt von Italien und auch Spanien. Damit stieg der britische Anteil an der Zuwanderung aus den Beitrittsländern um mehr als 8 Prozentpunkte seit 2005, der italienische Anteil wuchs um mehr als 6 Prozentpunkte. Spanien und Deutschland weisen zwar keine hohen Zuwächse auf, allerdings war schon vor der Osterweiterung der Bestand an Arbeitskräften aus den Beitrittsländern relativ hoch. Ohne die Zuwanderungsdynamik, wie etwa in Großbritannien, schrumpft jedoch der Anteil dieser Länder.7

Abbildung 2
Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern in den EU-15-Staaten 20091
Anteile in %
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1 Arbeitnehmer aus den 12 EU-Beitrittsländern; nachrichtlich: Anteil der EU-12-Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung der Aufnahmeländer: Großbritannien 2,0%, Italien 2,4%, Spanien 2,8%, Deutschland 1,0% und sonstige EU-15-Staaten 1,4%.

Quelle: Eurostat: Statistiken: Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, Luxemburg 2011, via Internet am 16.3.2011, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/employment_unemployment_lfs/data/database; eigene Darstellung und Berechnungen.

Es stellt sich die Frage, ob in den beiden EU-15-Volkswirtschaften mit den höchsten Zuwanderungsraten – in Großbritannien und in Italien – einheimische Arbeitskräfte durch Zuwanderer verdrängt wurden. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote kann bei der Beantwortung dieser Frage Aufschluss bringen:

  • In Großbritannien sank die ohnehin niedrige Arbeitslosenquote von etwa 5% nach der Gewährung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2004 bei gleichzeitig verstärkter Zuwanderung noch leicht und pendelte sich bis zum Krisenjahr 2009 bei etwa 5,5% ein. In der Krise nahm die Zuwanderung aus den EU-Neumitgliedsländern ab, die Zahl der Beschäftigten aus Nicht-EU-Ländern ging sogar zurück.
  • In Italien war die Arbeitslosenquote seit dem Jahr 2000 im Trend rückläufig, trotz Zunahme der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern im Zuge der schrittweisen Liberalisierung. Während der Krise waren in Italien die Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern besonders stark von der Arbeitslosigkeit betroffen, da sie dort im konjunkturreagiblen Bausektor überdurchschnittlich stark beschäftigt waren.8
  • Spanien, das einen ähnlichen Liberalisierungsverlauf wie Italien aufweist, hatte im Beobachtungszeitraum mit einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen, die nur in den Aufschwungsjahren 2005 bis 2007 unter die 10%-Schwelle sank und sich bis 2010 mit 20% mehr als verdoppelte.9 Entsprechend der schwachen Arbeitsnachfrage kam es nur zu einem geringen Zuwachs bei den Arbeitskräften aus den Beitrittsländern und zu einem Rückgang der gesamten Ausländerbeschäftigung mit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise.
  • In Deutschland, das bis zum Ende der letzten Übergangsphase keine Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährte, war hingegen bei sinkender Arbeitslosigkeit seit 2005 nur eine geringe Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte zu beobachten, was eine Folge der deutschen Integrationsverweigerung war.

Das heißt: In den betrachteten Ländern gab es keinen Zusammenhang zwischen Freizügigkeit und heimischer Arbeitslosigkeit. Vor allem in den Ländern mit dem höchsten Beschäftigungszuwachs bei Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern ist keine Verdrängung heimischer Arbeitskräfte zu beobachten. Vielmehr spricht die empirische Evidenz dafür, dass in den Aufschwungsjahren ausländische Arbeitnehmer benötigt wurden, um Knappheiten auf den Arbeitsmärkten zu begegnen. Entsprechend sank der Bedarf an Zuwanderern mit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise. Diesen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsentwicklung und Arbeitskräftenachfrage zeigt unter umgekehrten Vorzeichen auch das Beispiel des weniger erfolgreichen Spaniens. Nur Deutschland hat sich von diesem Mechanismus entkoppelt und auf die Vorteile einer konjunkturgerechten Beschäftigung von Zuwanderern weitgehend verzichtet.

Zuwanderung nach Großbritannien

Großbritannien zog die meisten Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern an und demonstrierte damit beispielhaft den engen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und wirtschaftlichem Erfolg. In Abbildung 3 ist der Zustrom von Arbeitskräften aus den EU-Neumitgliedern im Vergleich zum realen Wirtschaftswachstum quartalsweise für die letzten neun Jahre abgetragen. Die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2004 erfolgte in einer Phase stabilen Wachstums und einem damit einhergehenden relativ hohen Arbeitskräftebedarf. Mit der Liberalisierung nahm der Zustrom an Arbeitskräften nach Großbritannien sprunghaft zu. Insbesondere Arbeitnehmer aus Polen erreichten rasch einen Anteil von mehr als 50%, mit Abstand folgten Arbeitskräfte aus der Slowakei und aus Litauen. Dieser Zustrom – es handelt sich hierbei um keine Bestandsgröße, zwischenzeitliche Rückwanderungen nach einem Arbeitsaufenthalt sind nicht berücksichtigt – nahm bis zum Jahr 2007 weiter zu. Erst mit dem Ende des Wirtschaftsbooms und der beginnenden Krise im Verlauf des Jahres 2008 sank auch die Zahl der neuregistrierten Arbeitskräfte. Der polnische Anteil hatte zeitweise bis zu 70% betragen, er ging aber in der Krise auf deutlich unter 40% zurück. Erst die konjunkturelle Erholung am aktuellen Rand hat zu einem Wiederanstieg der Zuwanderung geführt, auch mit einem erneut steigenden polnischen Anteil. Die Schlussfolgerung liegt daher nahe, dass die Zuwanderung aus den EU-Beitrittsländern sehr konjunkturreagibel ist und eng der Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs folgt, wobei der Zustrom polnischer Arbeitskräfte besonders konjunkturreagibel war. Festzuhalten ist allerdings auch, dass sich der Bestand an zugewanderten Arbeitskräften seit 2007 nur noch wenig erhöht hat – nur die Neuzugänge waren stark am Konjunkturverlauf orientiert.

Abbildung 3
Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Beitrittsländern und Wirtschaftswachstum in Großbritannien,1 2002-2010

1000 Personen (linke Achse), in % (rechte Achse)

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1 Linke Achse: Zuwanderung von Arbeitnehmern aus den zwölf EU-Beitrittsländern in 1000 Personen auf Basis der Registrierung bei der britschen Sozialversicherung (NINo-Registration) pro Quartal; rechte Achse: reales Wirtschaftswachstum als Prozentveränderug des BIP auf Quartalsbasis im Vorjahresvergleich.

Quelle: Department for Work and Pensions: National Insurance Number Allocations to Adult Overseas Nationals entering the UK, via Internet am 28.3.2011, http://research.dwp.gov.uk/asd/asd1/niall/index.php?page=nino_allocation; Eurostat: Statistiken: VGR, via Internet am 28.3.11, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/national_accounts/data/database; eigene Darstellung und Berechnungen.

Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nur dann zu einer nennenswerten Zuwanderung führt, wenn erstens ausreichend Arbeitsplätze verfügbar sind und zweitens die Entlohnung als attraktiv angesehen wird. In Großbritannien stiegen bei einer hohen Arbeitskräftenachfrage auch die Verdienste der Arbeitnehmer in den Jahren von 2000 bis 2009 stark an. Die britischen Jahresverdienste wuchsen real um fast 12%, während sie etwa in Deutschland im Vergleichszeitraum lediglich um 1% anstiegen.10

Welche Rolle aber spielt der in Großbritannien über den gesamten Beobachtungsraum geltende Mindestlohn? Abbildung 4 gibt Anhaltspunkte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass für die potenziellen Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa weniger der in britischen Pfund ausgedrückte Lohn bedeutsam ist, sondern der Lohn in Euro, der Währung der wichtigsten alternativen Arbeitsorte. Der Mindestlohn stieg von 6,60 Euro in den Jahren 2003/04 auf knapp 8 Euro in den Jahren 2006/07 und fiel danach auf das Ausgangsniveau zurück. Die Zuwanderung korrelierte in Großbritannien deutlich positiv mit dieser Mindestlohnentwicklung. Jedoch sollte man die Bedeutung des Mindestlohns nicht überschätzen: Er war etwa 2009 nur für, je nach Erfassungsmethode, 4 bis 6% aller Beschäftigten wirksam; bei den Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern betrug dieser Anteil ca. 9%. Das heißt, mehr als 90% der Zuwanderer waren zu höheren Löhnen als dem Mindestlohn in Großbritannien beschäftigt, und das, obwohl die Zuwanderer überwiegend Tätigkeiten im Niedriglohnbereich mit geringen Qualifikationsanforderungen wahrnahmen, während ihr Qualifikations- und Bildungsniveau oftmals höher war.11 So führte die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Großbritannien keinesfalls zu einer Schwemme von Geringqualifizierten mit nur geringer Produktivität, die zu jedem (Niedrig-)Lohn ihre Arbeitskraft angeboten hätten. Der Mindestlohn in Großbritannien kann offenbar keinesfalls als ein Instrument zur Verhinderung von Lohndumping durch Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern angesehen werden. Eher wirkt er wie ein Signal für die Attraktivität des britischen Arbeitsmarktes.

Abbildung 4
Zuwanderung und Mindestlohn in Großbritannien1

1000 Personen (linke Achse), in Euro (rechte Achse)

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1 Linke Achse: Zustrom von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern aufsummiert für den Zeitraum vom IV. Quartal eines Jahres bis einschließlich des III. Quartals des folgenden Jahres; rechte Achse: Mindestlohn in Euro für über 22-Jährige jeweils gültig vom IV. Quartal eines Jahres bis zum Ende des III. Quartals des Folgejahres, Umrechung mit Euro-Wechselkurs auf Quartalsbasis. Vgl. Bank of England 2011: Statistical Interactive Database.

Quelle: Department for Work and Pension: National Insurance Number Associations to Adult Nationals entering the UK, via Internet am 28.3.2011, http://research.dwp.gov.uk/asd/asd1/niall/index.php?page=nino_allocation; Low Pay Commission: National Minimum Wage: Historical Rates, via Internet am 30.3.2011, http://www.lowpay.gov.uk/; eigene Darstellung und Berechnungen.

Lehren für Deutschland

Die Integration der europäischen Arbeitsmärkte seit der Osterweiterung hatte bislang weitgehend ohne Deutschland stattgefunden. Zum 1. Mai 2011 wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Deutschland nicht mehr zu verhindern sein, entsprechend werden Ängste vor einer Überflutung des deutschen Arbeitsmarktes mit „Billiglöhnern“ aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern geschürt. Der polnische Leiharbeiter, der mit einem Stundenlohn von 3 Euro zufrieden ist und deutsche Arbeitnehmer verdrängt, steht exemplarisch für die Folgen der Freizügigkeit. Ein gesetzlicher Mindestlohn, der nicht unter 7,50 Euro liegen dürfte, und allgemein verbindliche Branchenmindestlöhne werden als geeignetes Mittel gegen eine solche Überflutung des deutschen Arbeitsmarktes propagiert.

Vor dem Hintergrund der hier durchgeführten Analyse zur Zuwanderung aus den Beitrittsländern erscheinen diese Ängste allerdings unbegründet. Insbesondere das Beispiel Großbritannien, das bisherige Hauptaufnahmeland, macht deutlich, dass Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern helfen, konjunkturbedingte Arbeitskräfteknappheiten zu beseitigen und den chronischen Arbeitskräftemangel in einigen Dienstleistungsbranchen einzudämmen; sie waren zudem bereit, Tätigkeiten unterhalb ihres häufig guten Qualifikationsniveaus auszuüben. Diese Arbeitskräfte, vornehmlich aus Polen, wurden in der Regel zu Konditionen oberhalb des britischen Mindestlohns beschäftigt. Damit wurde auch ein Anspruchslohn für flexible und kulturell mobile Zuwanderer vorgegeben. Diese berücksichtigten bei ihrer Arbeitsplatzwahl die erzielbaren Löhne im Heimatland und in konkurrierenden Gastländern ebenso wie Lebenshaltungskosten, Sozialabgaben oder Wechselkursbewegungen. Für diese Arbeitnehmer stellt ein hoher Mindestlohn einen Zuwanderungsanreiz dar.

Wie in Großbritannien gibt es auch in Deutschland für arbeitswillige Zuwanderer Orientierungsmarken: Dies sind unter anderem die bisherigen Verdienste von zugewanderten Arbeitnehmern auf deutschen und britischen Arbeitsplätzen sowie bereits bestehende Branchenmindestlöhne. Der immer wieder herausgestellte Stundenlohn von 3 Euro stellt in diesem Vergleich keinen Zuwanderungsanreiz dar. Mit Blick auf den Nachbarn Polen bleiben daher nur Geringqualifizierte und Arbeitslose als potenzielle Niedriglohnbeschäftigte. Diese sind durch ein hohes Maß an Immobilität gekennzeichnet und selbst im polnischen Arbeitsmarkt schlecht integriert, obwohl dort während der letzten zehn Jahre die Arbeitslosigkeit halbiert wurde und in vielen Branchen und Regionen, trotz gerade überstandener Krise, Arbeitskräftemangel herrscht. Neben einer geringen Produktivität kommt bei dieser Klientel eine sehr begrenzte Integrationsfähigkeit in einem fremden Sprach- und Kulturraum hinzu.12 So ist es wahrscheinlich, dass Produktivität und Eignungsprofil vieler dieser Arbeitskräfte nicht einmal für eine längere Beschäftigung im deutschen Niedriglohnbereich ausreichen.

Es bedarf daher keines hohen Mindestlohns zur Abwehr missliebiger Zuwanderer. Als ein reizvoller Gedanke bleibt vielmehr die positive Signalwirkung eines hohen Mindestlohns für begehrte Fachkräfte, denen attraktive Entlohnungsbedingungen angeboten werden müssen. Doch sollten wettbewerbsfähige Löhne nicht Ergebnis eines staatlichen Eingriffs sein. Die deutschen Arbeitgeber sollten selbst die notwendigen Anreize setzen und damit die Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Vorteil des Standorts Deutschland nutzen. Der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte dürfte angesichts demographisch bedingter Knappheiten auch in den Beitrittsländern weiter an Schärfe gewinnen. Deutsche Unternehmen müssen sich vor diesem Hintergrund verstärkt um eine leistungsgerechte Entlohnung bemühen, statt auf Lohndumping zu hoffen. Und die Politik sollte bedenken, dass die Setzung von Mindestlöhnen immer eine Gratwanderung ist: Mindestlöhne, die zu hoch angesetzt werden, führen zu einem Abbau von Arbeitsplätzen und diskriminieren dabei nicht zwischen deutschen und zugewanderten Arbeitnehmern. Dies zeigen exemplarisch die bereits 1997 zur Abwehr von mittel- und osteuropäischen Arbeitskräften eingeführten Mindestlöhne in der deutschen Bauwirtschaft. Der dadurch ausgelöste Rationalisierungsdruck hat nicht nur deutschen, sondern auch zugewanderten ausländischen Arbeitnehmern die Arbeitsplätze gekostet.13 Die deutsche Politik wäre daher gut beraten, Beschäftigungshindernisse für Arbeitnehmer aus Deutschland und den EU-Partnerländern zu beseitigen und konstruktiv am Aufbau eines europäischen Arbeitsmarktes mitzuwirken – Ausgrenzung, egal mit welchen Mitteln, würde Deutschland letztendlich nur schaden.

  • 1 Die Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien wird erst am 1.1.2014 vollständig umgesetzt sein.
  • 2 Vgl. H. H. Glismann, K. Schrader: Freiheit für Arbeitskräfte und Dienstleistungen in der EU: Protektion in Deutschland?, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik,  57. Jg. (2008), Nr. 3, S. 317 f.
  • 3 Vgl. EU Kommission: EURES – das europäische Portal zur beruflichen Mobilität: Freizügigkeit, 2011, Download vom 31.3.2011, http://ec.europa.eu/eures/main.jsp?acro=free&land=de&countryId.
  • 4 J. A. Schumpeter: Capitalism, Socialism, and Democracy, London 1943, S. 83.
  • 5 Berücksichtigt sind in Tabelle 2 auch Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien, Ländern, die am 1.1.2007 der EU beitraten. Für diese gelten jedoch längere Übergangsfristen bis zum 31.12.2013; bisher gewähren nur sechs EU-15-Staaten einen freien Zugang. Vgl. EU Kommission, wie in Tabelle 1.
  • 6 In Italien dürften die Sprachvorteile zusammen mit großzügigen Arbeitsgenehmigungen die Zuwanderung rumänischer Arbeitskräfte begünstigt haben. Vgl. European Migration Network EMN Italy: Satisfying Labour Demand Through Migration. The Italian Case, Rom 2010, S. 23.
  • 7 Schon in den 1990er Jahren kam es in Spanien zu einer starken Zuwanderung aus Lateinamerika und Nordafrika, aber auch aus Rumänien, das die drittgrößte Zuwanderergruppe stellt; die Beschäftigung konzentriert sich vor allem auf den Dienstleistungssektor und das Baugewerbe. Vgl. I. Isusi, A. Corral: Employment and working conditions of migrant workers – Spain. European Working Conditions Observatory, via Internet am 7.4.2011, http://eurofound.europe.eu/ewco.
  • 8 Vgl. EMN Italy, a.a.O.
  • 9 Zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit vgl. Eurostat: Statistiken: Arbeitslosenquoten, via Internet am 16.3.2011, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/employment_unemployment_lfs/data/database.
  • 10 Reiche Länder wie Irland und Schweden mit attraktiven Verdienstmöglichkeiten hatten zwar ebenfalls schon im Jahr 2004 ihre Arbeitsmärkte geöffnet, aufgrund des in absoluten Zahlen geringen Arbeitskräftebedarfs dieser kleinen Volkswirtschaften blieb die Zuwanderung jedoch begrenzt. Vgl. OECD: StatExtracts: Average annual wages, Paris, via Internet am 6.4.2011, http://stats.oecd.org/index.aspx.
  • 11 Vgl. Low Pay Commission: National Minimum Wage, LPC Report 2010, London 2010, S. 95-98.
  • 12 Vgl. S. Siebenhüter: Arbeitsmarkt Leiharbeit – Risiken und Chancen der künftigen Dienstleistungsfreiheit, WSI Mitteilungen 3/2011; S. 146-148; Frankfurter Rundschau: Dumping-Verträge sind längst entworfen, 2.11.2010.
  • 13 Vgl. R. Reuter: Auswirkung der EU-Erweiterung auf die deutsche Bauwirtschaft, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 4, S. 280-281.


DOI: 10.1007/s10273-011-1224-8

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