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Die Notenbanken haben weltweit mit einer Ausweitung ihrer Bilanzen auf das Scheitern der Kreditwirtschaft in der Finanz- und Schuldenkrise reagiert. Allerdings bleibt offen, wie sie in ein tragbares Regime der traditionellen Geld- und Kreditabsicherungsbeziehungen zurückgelangen können. Das Vertrauen in das internationale Finanzsystem könnte wiederhergestellt werden, wenn ein neuer Standard für ein globales Geldsystem entstehen würde. Das könnte die chinesische Währung, die an Gold oder einen Rohstoffkorb gebunden ist, sein.

In seiner umfangreichen Geschichte der Verschuldung zeigt der Anthropologe David Graeber auf, dass die Wirtschaftsbeziehungen in primitiven und antiken Gesellschaften auf Kredit und nicht auf Tauschhandel beruhten.1 Letzterer kam nur dann ins Spiel, wenn der wirtschaftliche Austausch in einem feindlichen Umfeld erfolgte, z.B. unter verschiedenen Stämmen und nicht unter Mitgliedern desselben Stamms. In einem späteren Entwicklungsstadium wurde Geld zu einem Mittel, um politische Macht auszuüben. Die Machthaber bezahlten ihre Soldaten mit von ihnen geprägten Münzen und verlangten von der Landbevölkerung, Steuern in Münzen zu entrichten. So konnte militärische Macht systematischer finanziert werden als durch das Gestatten von Plünderungen. Laut Graeber wurde Geld erst zu einem späteren Zeitpunkt als Mittel genutzt, um mehrfachen Tauschhandel unter Individuen, die ihr jeweils eigenes Interesse verfolgen, zu erleichtern. Dies ist jedoch der zentrale Punkt in Adam Smiths Analyse des Wohlstands der Nationen.

Die Kreditwirtschaft

Durch die Informations- und Kommunikationstechnologie und durch Financial Engineering ist es gelungen, die Geldwirtschaft à la Adam Smith zu überwinden und eine moderne Kreditwirtschaft aufzubauen: eine dialektische Synthese zwischen der vormodernen Kredit- und der jüngeren Geldwirtschaft. Das Vertrauen, das für den Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen notwendig ist, wurde durch technokratische Zentralbanken und komplizierte Produkte und nicht mehr durch zwischenmenschliche Beziehungen wie in den vormodernen Gesellschaften geschaffen. In letzteren traten Kreditblasen immer wieder auf, und nach ihrem Platzen wurden die Schulden regelmäßig erlassen. Laut Michael Hudson fand in Babylonien zwischen 1880 und 1636 v.u.Z. im Durchschnitt alle 16 Jahre ein Schuldenerlass statt.2 Dies hätte in der Expansionsphase der modernen Kreditwirtschaft als Warnung dienen sollen. Das Vertrauen in das moderne Finanzwesen und die moderne Wirtschaftswissenschaft war jedoch so groß, dass kein Raum für Zweifel blieb. Daher entwickelte sich der Kreditzyklus ungehindert so, wie es der verstorbene Ökonom Hyman Minsky beschrieben hat.3 Auf die konservative Phase der „abgesicherten Kreditaufnahme“, in der von einer Rückzahlung der Kredite mitsamt Zinsen ausgegangen wurde, folgte eine Phase der „spekulativen Kreditaufnahme“, in der Kredite in der Regel prolongiert wurden, und zuletzt eine Phase der „Schneeball-Kreditaufnahme“, bei der sowohl die ursprünglichen Kredite als auch die Zinsen prolongiert wurden. Der Zyklus verlief also nach bewährtem Muster, aber sein Volumen war größer als je zuvor. Durch modernes Financial Engineering konnten Sparer am einen Ende der Welt Geld an Kreditnehmer am anderen Ende verleihen, ohne dass beide Parteien auch nur die leiseste Ahnung von der Kreditwürdigkeit ihres Gegenübers hatten.

Der „Minsky-Moment“

Ist der Kreditzyklus nun in der Phase der „Schneeball-Kreditaufnahme“ angekommen, reichen schon kleine Veränderungen im Leitzins oder in den Erwartungen für die weitere Wirtschaftsentwicklung, um die Kreditblase platzen zu lassen. Es kommt dann zum „Minsky-Moment“.Als das Unvermeidliche geschah und zahlreiche deutlich überschuldete US-Immobilienbesitzer Anfang 2007 ihre Subprime-Hypotheken nicht mehr bedienen konnten, platzte die weltweite Kreditblase. Die erste Welle, die vom US-Hypothekenmarkt ausging und sich schließlich auf die privaten Kreditmärkte weltweit auswirkte, kulminierte im Konkurs von Lehman Brothers, der die ganze Welt erschütterte. Der Vertrauensverlust in die Kreditwirtschaft schlug sich in einem kräftigen Anstieg der Risikoprämien für Interbankenkredite nieder: der Spread zwischen unbesicherten (Euribor-) und besicherten (OIS-)Zinssätzen weitete sich aus (vgl. Abbildung 1) und die Prämien für Kreditversicherungen erhöhten sich (zu erkennen am Anstieg der Credit Default Swap Spreads, vgl. Abbildung 2). Von der zweiten Welle wurden öffentlich-rechtliche Kreditnehmer in Mitleidenschaft gezogen. Sie begann Ende 2009, als Griechenland ein sehr viel höher als erwartetes Haushaltsdefizit für 2009 bekanntgab und einräumte, dass die veröffentlichten Haushaltsdaten für das gesamte vergangene Jahrzehnt fehlerhaft gewesen waren. Sie kulminierte Ende 2011, als ein Vertrauensverlust in den italienischen Staat zu einem Anstieg der Zehn-Jahres-Renditen italienischer Staatsanleihen auf 7½% führte (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 1
Risikoprämien für Interbankenkredite
Euribor Overnight Index Swap (3M – EONIA), in %
Mayer Abb-1.ai

Quelle: Deutsche Bank.

Abbildung 2
Credit Default Swap Spreads für Staatsanleihen
Fünf-Jahres-CDS (Basispunkte)
Mayer Abb-2.ai

Quellen: Bloomberg Finance LP, Deutsche Bank.

Abbildung 3
Italienische Anleiherenditen
Renditen von Zehn-Jahres-Staatsanleihen, in %
Mayer Abb-3.ai

Quellen: Reuters, Haver Analytics, Deutsche Bank.

Die Zentralbankgeld-Wirtschaft

Der Zusammenbruch der Kreditwirtschaft hätte zu einer ähnlichen Depression und Deflation führen können wie Anfang der 1930er Jahre. Damals hatte ein Vertrauensverlust in Kredite zu einem Zusammenbruch sowohl der tragfähigen als auch der nicht tragfähigen Wirtschaftsbeziehungen geführt, was wiederum eine ungewöhnlich deutliche Kontraktion ausgelöst hatte. Ein wichtiger Grund für die damalige wirtschaftliche Depression besteht darin, dass Kredite nicht durch Geld ersetzt wurden, um tragfähige Wirtschaftsbeziehungen aufrecht zu erhalten. Damals war es schwierig, Kredite durch Geld zu ersetzen, denn wegen der Goldbindung konnte das Zentralbankgeldvolumen nur schwer merklich erhöht werden. Erst als die Goldbindung abgeschafft und reichlich Geld in die Wirtschaft gepumpt wurde, um die verloren gegangenen Kredite zu ersetzen und so die Wirtschaftsbeziehungen wiederzubeleben, erholte sich die Konjunktur. In der jetzigen Krise verlief die Entwicklung anders: Die Zentralbanken pumpten reichlich Zentralbankgeld in die Wirtschaft, um wirtschaftliche Beziehungen zu stützen, die in Gefahr geraten waren, weil aufgrund des Vertrauensverlusts keine Kredite mehr gewährt wurden. Sie sprangen als Kreditgeber für Banken ein, denen der Zugang zum Kapitalmarkt verwehrt war, und stützten die Kapitalmärkte, indem sie verbriefte Kredite aufkauften. Daher fiel die Kontraktion im Vergleich zum Abschwung Anfang der 1930er Jahre gering aus.

Nicht alle Zentralbanken handelten dabei gleich schnell. Die Bank of England zögerte, zu umfassenden Maßnahmen zu greifen, was 2007 einen Run auf eine Bank auslöste. Die Regierungen im Euroraum und die EZB reagierten aufgrund der problematischen Strukturen verspätet auf die Eurokrise. Im Euroraum bestand die erste Verteidigungslinie darin, mit Hilfe von bilateralen (zu Beginn im Fall Griechenlands) bzw. multilateralen (Irland, Portugal und ebenfalls Griechenland) Krediten des öffentlichen Sektors die Kreditwürdigkeit der stärkeren Länder auf die schwächeren Länder zu übertragen. Obwohl ernsthafte Besorgnis wegen der Grenzen ihrer institutionellen Befugnisse bestand, stellte die EZB letztendlich reichlich finanzielle Unterstützung bereit, zunächst in Form begrenzter Käufe von Anleihen in Schwierigkeiten geratener Länder am Sekundärmarkt und danach in Form von Liquiditätsspritzen in Höhe von einer Billion Euro für das Bankensystem des Euroraums. Daher weiteten sich die Bilanzen aller Zentralbanken beträchtlich aus (vgl. Abbildung 4), und die Risikoprämien am Interbanken-Kreditmarkt gingen zurück (vgl. Abbildung 1). Durch die beträchtliche Ausweitung der Zentralbankbilanzen trat die „Zentralbankgeld-Wirtschaft“ an die Stelle der gescheiterten Kreditwirtschaft.

Abbildung 4
Zentralbankbilanzen
Mayer Abb-4.ai

Quellen: Bank of England, Fed, EZB, Deutsche Bank.

Das „Ausstiegsdilemma“

Es sieht zwar so aus, als ob der Übergang von der Kredit- zur Zentralbankgeld-Wirtschaft recht erfolgreich gemeistert worden wäre. Allerdings ist unklar, wie der Übergang vom Zentralbankgeldsystem zu einem dauerhaft tragbaren neuen Regime gestaltet werden soll, das sich auf traditionelle Geld- und konservative Kreditbeziehungen stützt. Bisher gibt es kein Beispiel für einen erfolgreichen Ausstieg aus einem Regime, bei dem eine Nullzinspolitik (Zero Interest Rate Policy, ZIRP) mit unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen (Non-Standard Monetary Policy, NSMP) kombiniert wurde. Es erscheint sogar recht unwahrscheinlich, dass ein problemloser Ausstieg aus einem solchen Regime organisiert werden kann.

ZIRP und NSMP führen voraussichtlich zu einer praktisch flachen Renditekurve, die nahe der Untergrenze von Null für den Zinssatz liegt. In einem solchen Umfeld bestehen keine Anreize, langfristig Kredite auszureichen, da langfristige Zusagen nicht finanziell belohnt werden. Daher müssen die Kreditnehmer auch bei der Finanzierung von langfristigen Investitionen auf kurzfristige Kredite zurückgreifen. Daraus ergibt sich ein ähnliches Zinsrisiko wie in der Spätphase des Kreditzyklus, wenn sich die Kreditnehmer darauf verlassen, dass sie sowohl fällige Rückzahlungen als auch aufgelaufene Zinsen prolongieren können. Wie in der Schneeball-Phase des Kreditzyklus werden die Kreditbeziehungen sehr anfällig und werden sehr rasch gelöst, sobald sich der Zinsausblick ändert. Langfristige Projekte, die auf der Grundlage von einem Zinssatz von Null finanziert wurden, werden plötzlich wirtschaftlich nicht mehr tragbar und werden abgebrochen, was die Wirtschaft in eine Rezession geraten lässt. Eine tiefe Kontraktion ist dann unvermeidlich, weil geldpolitische Maßnahmen nicht mehr greifen. Wenn die Investoren eine solche Entwicklung antizipieren, planen sie möglicherweise auch erst gar keine langfristigen Projekte. In diesem Fall wird das Wachstum durch einen Mangel an Investitionen gedämpft.

Die Entwicklung in den 1930er Jahren kann so interpretiert werden (wenngleich damals auch eine Überregulierung der Wirtschaft eine Rolle spielte, die die Konjunktur dämpfte). Nach der Erholung in den Jahren 1934 bis 1936, die auf eine Stabilisierung des Bankensystems und eine expansive Geldpolitik sowie eine gewisse Unterstützung durch die Fiskalpolitik zurückzuführen war, geriet die Wirtschaft 1937 erneut in eine tiefe Rezession, als die Fed versuchte, aus der Politik des lockeren Geldes auszusteigen. Die Furcht vor einem solchen „Double Dip“ ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass die Fed derzeit einen Kurswechsel in der Geldpolitik erst für die ferne Zukunft anvisiert.

Das Dilemma wird jedoch nicht gelöst, wenn der Ausstieg aus der Nullzinspolitik und unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen immer weiter verschoben wird. Wenn die Zentralbank den Leitzins nahe Null festlegt und die Kapitalmarktzinsen durch Anleihekäufe niedrig hält, kann sie zwar das nominale, aber nicht das reale Zinsniveau steuern. Wenn die Inflationserwartungen irgendwann ansteigen und die Realzinsen negativ werden, fliehen die Anleger aus Bargeld in reale Vermögenswerte. Und da die Bank aus Furcht vor einem Konjunktureinbruch in der Nullzinspolitik gefangen ist, könnte das Vertrauen in den Geldwert verloren gehen und die Inflation könnte außer Kontrolle geraten. Dann ist ein neuer Regimewechsel erforderlich, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

Die Entwicklung in den 1970er Jahren zeigt, wie das Vertrauen in Geld schwinden kann. Ein Zahlungsbilanzdefizit aufgrund eines Überangebots an Liquidität veranlasste die Regierung Nixon dazu, die Goldbindung des US-Dollar am 15. August 1971 aufzugeben. Daher stieg der Goldpreis an (vgl. Abbildung 5). Als die Ölpreise 1973-74 aufgrund eines Konflikts im Nahen Osten in die Höhe schnellten, beschleunigte sich die Inflation stark. In den Siebzigerjahren kämpfte die Fed vergebens darum, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, und das Vertrauen in den US-Dollar schwand. In einem verzweifelten Versuch, das Vertrauen zurückzugewinnen und den Wechselkurs zu stabilisieren, begab die Regierung Carter sogar in D-Mark denominierte US-Treasuries. Die Inflation wurde jedoch erst dann unter Kontrolle gebracht, als die Fed unter ihrem neuen Vorsitzenden Paul Volcker Anfang der 1980er Jahre ihr Regime änderte und ein Geldmengenziel einführte. Die Zinssätze schnellten in die Höhe, und die Wirtschaft geriet in eine tiefe Rezession. Letztendlich wurde das Vertrauen in das Geld im Lauf der 1980er Jahre wiederhergestellt.

Abbildung 5
Goldpreis pro Feinunze
Mayer Abb-5.ai

Quelle: Deutsche Bank.

Bisher gibt es keine klaren Anzeichen dafür, dass bald mit einem Vertrauensverlust in das Zentralbankgeldregime zu rechnen ist. Einerseits ist der Goldpreis erneut stark angestiegen. Andererseits sind die Inflationserwartungen in den USA und im Euroraum bisher stabil (vgl. Abbildung 6). Für einen Anstieg der Inflationserwartungen wäre wahrscheinlich wie in den Siebzigerjahren ein exogener Inflationsschock notwendig, gegen den die Zentralbanken aus Furcht vor einem schmerzhaften Double Dip nicht ernsthaft einschreiten. Bei der Bank von England war bereits in den vergangenen beiden Jahren zu beobachten, wie ein solcher Schock zunächst als vorübergehend heruntergespielt wurde, so dass keine geldpolitischen Maßnahmen erforderlich wären. Die Bank hält an dieser Position fest, obwohl die Inflationserwartungen deutlich angestiegen sind. Höhere Inflationsraten und niedrige Nominalzinsen (auch als „finanzielle Repression“ bezeichnet) würden auch dazu beitragen, die übermäßige Schuldenlast zu verringern, die im Rahmen der modernen Kreditwirtschaft aufgebaut wurde. Eine finanzielle Repression könnte tatsächlich das moderne Äquivalent zum Schuldenerlass der vormodernen Kreditgesellschaften sein.

Abbildung 6
Inflationserwartungen – umfragebasierte Inflationsprognosen
in %
Mayer Abb-6.ai

Quellen: Zentralbankumfragen unter Prognoseexperten, Deutsche Bank.

Wie geht es weiter?

Wir können nur darüber spekulieren, was nach einem Vertrauensverlust in das Zentralbankgeldregime passieren wird. Es erscheint unwahrscheinlich, dass das Vertrauen durch einen „konservativen Zentralbanker“ (wie Ken Rogoff die Rolle von Paul Volcker bei der Inflationsstabilisierung Anfang der 1980er Jahre beschrieb) wiederhergestellt wird. Dafür könnte der Vertrauensverlust in das Fiat-Geldsystem zu tief sein. Dies würde darauf hindeuten, dass eher mit einer Umstellung von einem Fiat-Geldsystem auf ein auf realen Vermögenswerten basierendes Geldsystem zu rechnen ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein neues monetäres Regime auf der Grundlage des US-Dollar etabliert. Dessen Goldbindung war glaubhaft, da sich die USA nach dem Krieg zur weltweiten wirtschaftlichen und politischen Führungsmacht entwickelten. Analog dazu könnte möglicherweise eine chinesische Währung, die an Gold oder einen Rohstoffkorb gebunden ist, zum neuen Standard für ein globales Geldsystem nach der Krise werden, in dem China die Rolle der weltweit dominierenden Wirtschaftsmacht spielt.

Nachschrift zum Euro

Die Zukunft des Euro dürfte in einer Schlacht über die Position der EZB im neuen Geldsystem entschieden werden. Wird die EZB dem Beispiel der angelsächsischen Zentralbanken folgen und in einer Nullzinspolitik mit Liquiditätsspritzen gefangen bleiben, die zur finanziellen Repression und einer modernen Form des Schuldenerlasses durch Inflation führt? Oder hält sie an einem harten Geldstandard fest und zwingt die Schuldnerländer, ihre Schulden zu tilgen oder in Zusammenarbeit mit den Gläubigern umzuschulden? Die Schuldnerländer innerhalb der EWU werden auf den ersten Weg drängen, die Gläubigerländer auf den zweiten. Sofern die Vertreter der Schuldnerländer im EZB-Rat ihre Stimmenmehrheit nicht ausnutzen und die EZB zu einer Monetisierung ihrer Schulden zwingen, wird die Position der EZB letztendlich davon abhängen, ob die Schuldnerländer ihre Verschuldung ohne Hilfe der Inflation auf ein tragbares Niveau reduzieren können.

Solange es sich um kleine Länder handelt (z.B. Griechenland), sind sie möglicherweise letztendlich zu einem Austritt aus der Währungsunion gezwungen, weil sie schlicht nicht dazu in der Lage sind, innerhalb der EWU die notwendigen Wachstumsraten zu erzielen, um ihre Verschuldung auf ein Niveau zu reduzieren, bei dem sie ihren Kapitalbedarf am privaten Kapitalmarkt decken können.

Wenn jedoch große Länder (wie z.B. Italien oder Spanien) von den privaten Kapitalmärkten abgeschnitten bleiben, weil befürchtet wird, dass sie insolvent sind, wäre die EZB dazu gezwungen, die Rentenmärkte dieser Länder zu stützen, um eine systemische Finanzkrise zu vermeiden. In einem solchen Fall würde eine Monetisierung der Staatsverschuldung den Euro schwächen und die Inflation langfristig in die Höhe treiben. Dann könnten wirtschaftlich stärkere Länder, die eine harte Währung bevorzugen, letztendlich die EWU verlassen. Die bisherigen Reformfortschritte in Spanien und Italien lassen jedoch hoffen, dass die Länder Zugang zum Markt behalten werden.


DOI: 10.1007/s10273-012-1368-1