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Die kommunale Straßensanierung wird in der Regel von den Anliegern finanziert. Widersprüche dagegen haben Verwaltungsgerichte mit der Begründung, die Hauseigentümer hätten durch die Sanierung besondere Vorteile, abgewiesen. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht muss die Erhebung von Beiträgen danach beurteilt werden, ob es diese Vorteile wirklich gibt und das Äquivalenzprinzip überhaupt anwendbar ist.

Die Sanierung des kommunalen Straßennetzes wird gegenwärtig über die sogenannten Straßenbau- oder Straßenausbaubeiträge finanziert. Kommunale Satzungen auf Grundlage von länderspezifischen Kommunalabgabengesetzen legen Straßenklassifikationen mit unterschiedlich hohen Beitragssätzen fest. Nur in Baden-Württemberg und Berlin werden keine Straßenbaubeiträge erhoben. Berlin hat sein Straßenbaubeitragsgesetz im August 2012 aufgehoben. Die Beiträge zahlen nicht alle Nutzer der Straße, sondern nur die Hauseigentümer, deren Grundstücke an der sanierten Straße liegen. Das empfinden nicht nur die betroffenen Anlieger als willkürlich, sondern es stellt sich auch die Frage, ob diese Beitragsfinanzierung wirklich den Anforderungen genügt, die insbesondere die finanzwirtschaftlichen Prinzipien und Regeln für öffentliche Abgaben stellen und die damit zugleich aus verfassungsrechtlicher Sicht an eine öffentliche Abgabe gestellt werden müssen.

Im Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holsteins beispielsweise heißt es im § 8: „Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung öffentlicher Einrichtungen sind nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern ... zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen.“ Es ist zwar eigentlich überraschend, dass für die Sanierung des öffentlichen Straßennetzes der Kommunen, das von allen Bürgern genutzt wird oder – als Angebot – genutzt werden kann, eine Beitragsfinanzierung nur der Hausbesitzer vorgesehen ist. Die Logik würde erwarten lassen, dass sich alle Straßennutzer an den Kosten beteiligen müssen, wenn die Nutzung dem Einzelnen oder unterschiedlichen Gruppen von Nutzern zugerechnet werden könnte. Die Verwaltungsgerichte folgen allerdings einer anderen Logik, die nur schwer nachzuvollziehen ist und die deshalb in diesem Beitrag überprüft werden soll. Die Gesetzesformulierung lässt zwar offen, ob es im konkreten Fall Vorteile für die Hauseigentümer gibt, die eine Beitragsfinanzierung rechtfertigen könnten. De facto wird jedoch davon ausgegangen, dass besondere Vorteile für die Hauseigentümer bestehen, die diese Beiträge rechtfertigen können.

Äquivalenzprinzip als „fundamentale Gerechtigkeitsnorm“

Die Bindung von Beiträgen an bestehende Vorteile für den Beitragszahler ist Ausdruck des Äquivalenzprinzips, das neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip eines der beiden Fundamentalprinzipien für die öffentliche Abgabenerhebung ist. Das Äquivalenzprinzip hat zwar nicht die gleiche Bedeutung wie das Leistungsfähigkeitsprinzip, es ist aber ebenfalls, wie der Finanzwissenschaftler Wolfgang Scherf es formuliert, eine „fundamentale Gerechtigkeitsnorm“.1 Das bedeutet, dass der Beitragszahler nur dann und nur insoweit einen Beitrag zahlen soll, als er einen konkreten Vorteil von der öffentlichen Maßnahme hat. Der Steuerrechtler Joachim Lang formuliert das wie folgt: „Der Aufwandsersatz wird erhoben, weil (kausale Verknüpfung!) eine konkrete Gegenleistung, ein konkreter wirtschaftlicher Vorteil, in Anspruch genommen werden kann, die Möglichkeit hierzu geboten wird.“2 Der fiskalische Zweck des Aufwandsersatzes ist also an die Gerechtigkeitsbedingung „Beitrag gegen Vorteile“ gebunden. Der Vorteil muss konkret vorhanden sein und der Beitrag in einem angemessenen Verhältnis zum Vorteil stehen. Die Beziehung zwischen Vorteil und Beitrag darf nicht so weit gelockert werden, dass eine Äquivalenz zwischen beiden Größen gar nicht mehr bestehen kann.

Genau diese Auflösung der Beziehung zwischen Vorteil und Beitrag unternehmen Verwaltungsrechtler durch eine Uminterpretation des Vorteilsbegriffs. Sie behaupten, dass der gesetzlich geforderte Vorteil gar kein wirklicher Vorteil sein müsse. In einer kommunalen Veröffentlichung, in der die verwaltungsrechtliche Sicht dargestellt wird, heißt es: „Dieser ´besondere´ oder ´wirtschaftliche´ Vorteil hat aber i.d.R. nichts mit Vor- und Nachteilen im umgangssprachlichen Sinne zu tun, sondern ist ein Rechtsbegriff. So kann die Bedingung für das Vorliegen eines Sondervorteils im gesetzlichen Sinne sehr wohl auch dann erfüllt sein, wenn sich für die betreffenden Grundstücke nach der grundhaften Erneuerung der Verkehrsanlage überhaupt kein Wertzuwachs oder eine Verbesserung der Lebenssituation ergibt“. Auf die in diesen Ausführungen dann genannten zwei besonderen Merkmale der verwaltungsrechtlichen Vorteilsdefinition – die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Straße und die Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße – wird später in der Analyse des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Schleswig näher eingegangen.

Hier ist festzuhalten, dass der Vorteilsbegriff durch die Verwaltungsrechtler seines eigentlichen Inhalts völlig entleert wird, wenn sie behaupten, dass der sogenannte umgangssprachliche Vorteilsbegriff mit dem verwaltungsrechtlichen Vorteilsbegrif nichts zu tun habe. Die Leerformel der Verwaltungsrechtler, derzufolge ihr Vorteilsbegriff ein Rechtsbegriff sei, der nicht wirklich einen Vorteil ausdrücken müsse, sagt gar nichts mehr aus und definiert auch keinen Vorteil. Mit dieser verwaltungsrechtlichen Logik verwandeln sie nicht nur den Vorteil in einen Nicht-Vorteil, sondern das Äquivalenzprinzip auch in ein Non-Äquivalenzprinzip. Damit verletzen sie eine „fundamentale Gerechtigkeitsnorm“. Verwaltungsrechtler sind nicht befugt, Fundamentalprinzipien der öffentlichen Abgabenerhebung, in denen sich grundrechtliche Ansprüche der Verfassung niederschlagen, willkürlich zu manipulieren. Der Vorteilsbegriff, der im Äquivalenzprinzip verwendet wird, ist der umgangssprachliche; er ist der Vorteil, der dem normalen Verständnis von Vorteilen entspricht. Diese nicht zu rechtfertigende Manipulation der Verwaltungsrechtler setzt sich – wie noch zu zeigen sein wird – in weiteren sachlogisch nicht nachvollziehbaren Schritten fort, die zu einer unhaltbaren Vorteilskonstruktion führen.

Ausgehend von den echten Vorteilen, die das Äquivalenzprinzip zugrunde legt, stellen sich weitere Fragen. Können Hauseigentümer wirklich gegenüber den übrigen Straßennutzern, den „Fremdnutzern“, einen solchen besonderen Vorteil von der Straße und der Straßensanierung haben, dass der Vorteil der Fremdnutzer dagegen verschwindend gering ist? Da die Fremdnutzer keinen Beitrag zahlen, müsste ihr Vorteil gleich Null sein. Können die Hauseigentümer überhaupt einen besonderen Vorteil haben, wenn sie die Straße nicht anders nutzen als alle anderen Verkehrsteilnehmer auch? Und wie ist ihr vermeintlicher Vorteil zu sehen, wenn sie als Gruppe die Straße in der Regel sogar weniger nutzen als die Gruppe der Fremdnutzer? Schließlich ist zu beachten, dass das öffentliche Straßennetz der Kommunen allen Bürgern zur möglichen Benutzung offen steht.

Unterschiedliche Sicht auf die Beitragsfinanzierung

Während die verwaltungsrechtliche Sicht, eher beschränkt, auf das fiskalische Ziel gerichtet ist, kennen und berücksichtigen Finanz- und Steuerrechtswissenschaft auch die höherrangigen Ziele, die in den Prinzipien und Regeln der öffentlichen Abgabenerhebung ihren Niederschlag finden und die dem Fiskalzweck übergeordnet sind.

Die Verwaltungsgerichte haben die Straßenbaubeiträge seit Jahrzehnten gutgeheißen. Sie sehen „besondere Vorteile“ der Hauseigentümer und rechtfertigen damit die Beitragserhebung. Da die Verwaltungsgerichte in strittigen Fällen und auf dem üblichen Verwaltungsgerichtsweg das letzte Wort haben, werden Straßenbaubeiträge gegenwärtig im Allgemeinen unkritisch als eine nicht zu beanstandende Finanzierungsform der Straßensanierung angesehen. Politikern, Verwaltungsbeamten und Verwaltungsrechtlern ist es unvorstellbar, dass diese seit Jahrzehnten „gültige“ Sicht falsch sein könnte. Sie lassen sich bislang auch nicht von der Empörung der Betroffenen beeindrucken, die es intuitiv als willkürlich empfinden, dass sie die Sanierung bezahlen sollen, die wesentlich wegen der fremden Abnutzung notwendig wird.

Die öffentliche Empörung über die aus Sicht der Betroffenen ungerechte Beitragsfinanzierung der Straßensanierung hält sich in Grenzen, weil die meisten Bürger gar nicht wissen, dass sie irgendwann Straßenbaubeiträge werden zahlen müssen. Denn die Grundsanierung fällt nur alle 20, 30 oder 40 Jahre – je nach Belastung der Straße – an. Ferner ist sie durch die Abnutzungsrhythmen zeitlich gestaffelt, so dass zu einer gegebenen Zeit relativ wenige Bürger betroffen sind. Sie werden erst aufmerksam, wenn die Sanierung ansteht oder wenn der Beitragsbescheid ins Haus flattert.

Abgabenrechtliche Gleichbehandlung ist Fiskalzweck übergeordnet

Die Beitragsfinanzierung der Straßensanierung ist trotz der Verwaltungsrechtsprechung sachlich falsch, worauf schon die Manipulation des Vorteilsbegriffs hindeutet. Sie verstößt auch gegen zentrale verfassungsrechtliche Bestimmungen. Die Finanzwissenschaft, die das öffentliche Einnahmen- und Abgabensystem sowohl als positive als auch als normative Wissenschaft behandelt, beurteilt die Straßenbaubeiträge notwendigerweise auch unter normativen Gesichtspunkten. Sie fordert genauso wie die Steuerrechtswissenschaft, dass die öffentlichen Abgaben übergeordneten Zielen gerecht werden müssen. Diese normativ-ethische Seite der öffentlichen Abgaben ist insbesondere von den deutschen Finanzwissenschaftlern Fritz Neumark und Heinz Haller sowie von dem amerikanischen Finanzwissenschaftler Richard A. Musgrave herausgearbeitet worden. Heinz Haller weist mit der folgenden Aussage darauf hin: „Es wird das Ziel verfolgt, der praktischen Finanzpolitik Richtlinien für eine systematische, sinn- und zweckadäquate Gestaltung der Steuern in die Hand zu geben.“3 Der Steuerrechtler Joachim Lang formuliert die umfassendere Sicht – in diesem Fall der Wissenschaft vom Steuerrecht – für alle öffentlichen Abgaben mit den Worten: „Der Staat hat für die gerechte Austeilung der Steuerlasten zu sorgen. Er hat rechtsstaatlich und nicht fiskalisch zu agieren.“4 Etwas später fährt er fort: „Je höher jedoch der Finanzbedarf des Staates ist, der von seinen Bürgern zu tragen ist, desto gerechter muss die Verteilung der Steuerlasten sein, desto strikter ist die Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung zu handhaben. Wer viel Steuern zu zahlen hat, erwartet, dass er nicht auch noch die Steuern der anderen mitbezahlt.“5 Schließlich weist Lang besonders auf „die überragende Bedeutung des Gleichheitssatzes (Gleichmäßigkeit der Besteuerung)“6 hin. Diese Aussagen zu den Steuern gelten natürlich auch für die spezielle öffentliche Abgabe der „Beiträge“.

Das gegenüber dem Fiskalziel höherrangige Gerechtigkeitsziel der Gleichbehandlung, das bei der öffentlichen Abgabenbelastung eine hervorragende Rolle zu spielen hat, haben die Verwaltungsrichter nicht wirklich im Blick. Das lässt sich besonders gut an der willkürlichen Konstruktion des „besonderen Vorteils“ ablesen, der die zentrale Begründung für die behauptete Rechtmäßigkeit der Beiträge darstellt und die eigentlich nur den Zweck haben kann, das Fiskalziel unter allen Umständen zu erreichen.

Die verwaltungsrechtliche Vorteilskonstruktion

Am Beispiel eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Schleswig soll dies aufgezeigt werden. Der Passus dieses Urteils, in dem der „besondere Vorteil“ als sogenannter Rechtsbegriff konstruiert wird, lautet: „Nach der Rechtsprechung des Senats knüpft die Beitragspflicht im Ausbaubeitragsrecht – anders als im Erschließungsbeitragsrecht – nicht an den durch die Erschließung und damit die Bebaubarkeit vermittelten, sondern an den Vorteil an, der dem Grundstück durch den Ausbau der öffentlichen Einrichtung Straße deshalb zuwächst, weil es zur Straße in einer besonderen räumlich engen Beziehung steht. Im Ausbaubeitragsrecht ist diese besondere Beziehung darin begründet, dass diese bestimmten Grundstücke sich von allen anderen darin unterscheiden, dass aufgrund ihrer räumlich engen Beziehung zur Einrichtung erfahrungsgemäß angenommen werden kann, dass von ihnen aus die Verkehrseinrichtung in stärkerem Umfang in Anspruch genommen werden kann als von anderen Grundstücken und dass dies zu einer Steigerung ihres Gebrauchswertes führt, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt.“7

Der entscheidende Fehler dieser Vorteilskonstruktion besteht in der falschen Wahl der Vergleichsgruppen und des Vergleichsmaßstabs, mit dem der „besondere Vorteil“ einer der beteiligten Gruppen ermittelt wird. Da der Vorteil eine Ungleichbehandlung der Anlieger-Straßennutzer gegenüber den Fremdnutzern bei der Belastung mit öffentlichen Abgaben rechtfertigen soll, muss die Frage der berechtigten Ungleichbehandlung oder der Verletzung der Gleichbehandlung auf der Ebene des Grundrechts in Art. 3 GG geprüft werden. Ob die Gleichbehandlungsforderung gemäß Art. 3 GG verletzt wird, ist – da es um den Aufwandsersatz geht – deshalb erstens zwischen den Gruppen zu prüfen, die die Kostenentstehung verursacht haben. In die Nutzung/Abnutzung verwickelt sind beide Gruppen. Nur sie kommen als potenzielle Kostenträger in Frage. Nur sie können gleichbehandelt oder diskriminiert werden. Deshalb müssen sie verglichen, müssen ihre Vorteile geprüft und muss festgestellt werden, ob eine der beiden Gruppen einen „besonderen Vorteil“ hat. Der „besondere Vorteil“ ist zweitens mit einem Maßstab (Differenzierungskriterium) zu ermitteln, der sich aus der Sache ergibt, um die es geht. Die Sache, um die es geht, ist die Sanierung der Straße, die durch Nutzung/Abnutzung verschlissen wurde. Deshalb käme als Maßstab nur die Nutzung/Abnutzung der Straße in Frage – wenn Nutzung/Abnutzung zurechenbar wären.

Das Oberverwaltungsgericht vergleicht nicht diese beiden betroffenen Gruppen, die bei einer Gleichbehandlungsprüfung zu beachten sind, und es wählt auch nicht den Vergleichsmaßstab „Straßennutzung/Abnutzung“. Es vergleicht vielmehr die Gruppe der an der sanierten Straße liegenden Hausgrundstücke mit den „anderen“ Grundstücken, die also nicht an der sanierten Straße liegen. Diese „anderen“ Grundstücke haben als solche weder die sanierte Straße abgenutzt noch können sie einen relevanten Vorteil haben und zur Kostentragung herangezogen werden. Weshalb nach Meinung des Oberverwaltungsgerichts ein angeblicher Vorteil der Hauseigentümer an der sanierten Straße gegenüber den Hauseigentümern an den nicht sanierten Straßen die Kostenfreistellung einer ganz anderen Gruppe, der Gruppe der Fremdnutzer der sanierten Straße, rechtfertigen soll, ist schleierhaft. Das Oberverwaltungsgericht wählt auch nicht den Vergleichsmaßstab Nutzung/Abnutzung der Straße, sondern einen Gebrauchswert der Grundstücke, der zudem nicht nachvollziehbar konstruiert wird. Auf diese Weise ermittelt das Gericht einen Vorteil gegenüber einer Gruppe, die mit der Mitverursacher-Gruppe der Straßenabnutzung nichts zu tun hat. Dieser vermeintliche Vorteil kann weder rechtfertigen, die Fremdnutzer von der Erstattung des Aufwandsersatzes freizustellen, noch die sich daraus ergebende Diskriminierung der Hausbesitzer an der sanierten Straße begründen.

Die Unhaltbarkeit der verwaltungsrechtlichen Vorteilskonstruktion ergibt sich aber nicht nur daraus, dass die Gleichbehandlungsforderung vernachlässigt wird. Die „besondere räumlich enge Beziehung“ des Grundstücks zur Straße wird benutzt, um eine Besonderheit zu behaupten, die auf einen Vorteil der Hauseigentümer hinauslaufen soll. Dieser Zugang zur Straße wurde allerdings schon mit der Erschließung des Baugebietes geschaffen und damals mit dem Erschließungsbeitrag abgegolten. Er wurde durch die Sanierung nicht verändert. Deshalb muss das Gericht eine besondere Qualität dieses Zugangs zur Straße entdecken, die erst durch die Sanierung geschaffen wurde. Diese Besonderheit sieht das Gericht darin, dass die Straße nach der Sanierung angeblich häufiger genutzt werden kann als von anderen Grundstücken aus. Die Behauptung allerdings, dass die Straße nach der Sanierung häufiger genutzt wird, ist unrealistisch. Straßen werden genutzt, weil der Arbeitsplatz angefahren werden soll; weil eingekauft werden muss; weil Besuche abgestattet werden usw. Diese Fahranlässe sind grundsätzlich völlig unabhängig vom Straßenzustand. Die behauptete gesteigerte Nutzungshäufigkeit bewirkt in der Sicht des Gerichts eine Steigerung des „Gebrauchswertes“ des Grundstücks, die an den nicht sanierten Straßen nicht eintritt. Damit ist angeblich ein besonderer Vorteil aufgezeigt, der an den Grundstücken an nicht sanierten Straßen nicht eintritt. Nach dem unlogischen Vergleich mit den Grundstücken an nicht sanierten Straßen stellt sich auch noch die Frage, ob der Gebrauchswert die Bedingungen des Äquivalenzprinzips für eine Vorteilskonstruktion erfüllen kann.

Als erstes muss festgestellt werden, dass nicht der Gebrauchswert der Grundstücke, sondern der der Straße gesteigert wird. Zweitens kann – wenn ein solcher Gebrauchswert überhaupt objektivierbar wäre – seine angebliche Steigerung nicht als Vorteil gelten. Denn die Steigerung durch die Sanierung der Straße setzt voraus, dass die Abnutzung der Straße den Wert gemindert hat, also ein Nachteil entstanden ist. Der behauptete Vorteil gleicht dann nur den zuvor entstandenen Nachteil aus, so dass selbst eine Gebrauchswertsteigerung per Saldo keinen Vorteil ausweisen kann.

Der Gebrauchswert selbst ist jedoch eine sehr fragwürdige Größe. Er ist ein subjektiver Wert, der die individuelle Nützlichkeit für eine Person ausdrückt. Diese Nützlichkeit ist naturbedingt für unterschiedliche Personen sehr verschieden und kann nicht objektiviert werden. Er ist nur für qualitative Argumentationen geeignet. Der Vorteil, den das Äquivalenzprinzip fordert, muss aber in den Worten des Steuerrechtlers Joachim Lang „eine konkrete Gegenleistung, ein konkreter wirtschaftlicher Vorteil“ sein. Diese Anforderung kann der Gebrauchswert nicht erfüllen. Er besagt alles oder auch nichts und kann deshalb unmöglich als Äquivalent für einen Beitrag dienen. Es ist nicht möglich, ihn als konkrete Zurechnungsgrundlage für die Bestimmung eines Beitrags anzunehmen. Er kann die relativ strengen Anforderungen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip ergeben, nicht erfüllen und ist schon deshalb für die Vorteilsermittlung ungeeignet. Es ist zu vermuten, dass die Verwaltungsrichter einen Gebrauchswert der Grundstücke nicht aus sachlichen Erwägungen gewählt haben, sondern in Anlehnung an die Rechtfertigung des Erschließungsbeitrags. Ein Baugebiet wird durch Straßenbau erschlossen. Dadurch steigen die Grundstückswerte, bei denen es sich um Markt- oder Verkehrswerte, nicht um Gebrauchswerte handelt. Da es bei der Straßensanierung auch um Straßenbau geht, wird für die Vorteilsermittlung analog eine Wertsteigerung gebraucht. Da eine Verkehrswertsteigerung schwer zu begründen ist, wählen die Verwaltungsrichter den Gebrauchswert. Sie übersehen dabei, wenn die Vermutung über die Analogkonstruktion richtig ist, dass es sich bei der Erschließung eines Baugebiets um einen ganz anderen Sachverhalt handelt als den bei der Sanierung einer Straße.

Diese Konstruktion, die eine Ungleichbehandlung der relevanten Betroffenen gemäß Art. 3 GG nicht rechtfertigen kann, weist darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht das Problem der Ungleichbehandlung und das des Grundrechtsverstoßes gar nicht im Blick hat. Es wird aber auch noch deutlich, dass der Versuch, das Äquivalenzprinzip anzuwenden, misslungen ist. Denn wenn die Hauseigentümer allein den Aufwandsersatz tragen sollen und die Fremdnutzer der Straße von den Kosten freigestellt werden, dann kann das gemäß der Vorteilslogik nur bedeuten, dass die Fremdnutzer der Straße keinen Vorteil haben oder nur einen Vorteil, der gegen Null geht. Einen Vorteil haben dann nur die Hausbesitzer. Sie haben also einen Sondernutzen, von dem andere ausgeschlossen sind. Wie leicht einzusehen ist, ist das theoretisch zwar möglich. Die Straßen des kommunalen Straßennetzes werden normalerweise aber auch von fremden Verkehrsteilnehmern genutzt oder können von ihnen genutzt werden, so dass auch sie einen Vorteil haben. Die Nutzung und Abnutzung der Straße auch durch Fremdnutzer bedeutet, dass das Äquivalenzprinzip nicht die Beitragserhebung als Aufwandsersatz rechtfertigen kann, sondern die Gebührenerhebung notwendig macht.

Nach dem Äquivalenzprinzip wäre also eigentlich eine Gebührenerhebung notwendig. Dies lässt ein anderes Problem sichtbar werden, das bedeutet, dass eine gerechte Gestaltung der Gebührenerhebung gemäß dem Äquivalenzprinzip nur schwer praktikabel umsetzbar ist. Denn es würde eigentlich eine Erfassung der Nutzungshäufigkeit und -intensität erforderlich machen. Die Erfassung der Nutzungsintensität ist besonders wichtig, weil die Straßenabnutzung eine Funktion der Achslast ist und die Straße in der vierten Potenz der Achslast abgenutzt wird. Eine pauschale Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren (Maut) würde beispielsweise den gravierenden Unterschied zwischen beladenen und unbeladenen LKW vernachlässigen. Wenn außerdem jede Kommune ein eigenes Erhebungssystem einführte, verursachte das sowohl bei den Straßennutzern als auch in den Kommunen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Ein technisch unterstütztes Erhebungssystem in jeder Kommune würde nicht nur umfangreiche Investitionen erfordern. Seine kleinteilige örtliche Anwendung würde die Gefahr heraufbeschwören, das Verkehrssystem lahmzulegen. Auch die Verwendung von Indikatoren für Nutzungshäufigkeit und -intensität – z.B. den Kraftstoffverbrauch – führt für die Vielzahl der Kommunen praktisch zu schwierigen Feststellungs- und Zurechnungsproblemen. Das bedeutet, dass das Äquivalenzprinzip als Grundlage einer Finanzierungsform der Straßensanierung ungeeignet ist. Weder lässt sich die Beitragsfinanzierung mit Vorteilen rechtfertigen noch können Gebühren praktikabel erhoben werden.

Grenzen des Äquivalenzprinzips

Diese Erkenntnisse sind allerdings außerhalb des Verwaltungsrechts nicht neu. In der Finanzwissenschaft werden die Anwendungsmöglichkeiten und die Grenzen des Äquivalenzprinzips ausführlich behandelt. So schreibt Wolfgang Scherf: „Das Äquivalenzprinzip, auch Vorteils- oder Nutzenprinzip genannt, läuft darauf hinaus, öffentliche Ausgaben durch Entgelte oder entgeltähnliche Abgaben zu finanzieren. Dies wiederum setzt voraus, dass sich die Staatsleistungen technisch für eine Entgeltfinanzierung eignen; insbesondere muss es sich um zurechenbare Leistungen handeln.“8 In dem Abschnitt „Grenzen des Äquivalenzprinzips“ fährt er dann fort: „Wie die vorstehenden Überlegungen zeigen, gibt es einige gute Gründe für die Anwendung des Äquivalenzprinzips. Dennoch kann abseits der Sozialversicherung wahrscheinlich nur ein kleiner Teil der öffentlichen Aufgaben durch Entgelte finanziert werden. Aus technischen Gründen scheiden schon alle staatlichen Aktivitäten aus, die auf die Bereitstellung (reiner) öffentlicher Güter gerichtet sind. Die Nichtrivalität im Konsum und die Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips laufen darauf hinaus, dass eine individuelle Abgeltung durch die Nutzer kaum in Betracht kommt … Dem einzelnen Bürger kann in der Regel keine Leistungsmenge zugeordnet werden, die als Bemessungsgrundlage dienen könnte.“9

Zwar können Straßen die Eigenschaft der Nichtrivalität im Konsum, d.h. die Nutzungsmöglichkeit mehrerer Verkehrsteilnehmer zur gleichen Zeit, ohne dass diese sich gegenseitig stören, verlieren (wenn sich Staus bilden), aber es bleibt die Nichtausschließbarkeit bestehen, d.h. die „mehr oder minder große Unteilbarkeit der öffentlichen Güter“, die einen Ausschluss nicht zulassen „oder ihn als unzweckmäßig erscheinen“ lassen. Horst C. Recktenwald nennt als Beispiele dafür neben der inneren und äußeren Sicherheit das städtische Verkehrsnetz.10 Aus diesen Eigenschaften der öffentlichen Güter ergibt sich, dass Vorteile generell und „besondere Vorteile“ speziell den Hauseigentümern nicht zugerechnet werden können. Jede Konstruktion eines Vorteils muss deshalb scheitern. Daraus folgt, dass das öffentliche Gut „kommunales Straßennetz“ aus Steuern finanziert werden muss.

Sehr viel früher schon wies Heinz Haller in seiner Diskussion des Äquivalenzprinzips konkret auf die vermeintliche Sondernutzung der Hauseigentümer hin: „Einen speziellen Fall stellen diejenigen Sondernutzungen dar, die sich aus der Belegenheit eines Wohngebäudes oder eines Betriebsgebäudes(-grundstücks) ergeben. Hier liegen nicht einfach zu lösende Zurechnungsprobleme vor. Die Frage ist, wann ein Sondernutzen gegeben ist, der zur Erhebung eines Beitrages zur Finanzierung an sich allgemeiner Einrichtungen berechtigt. Sind das Straßennetz und das System der zugehörigen Versorgungsleitungen in einer Gemeinde gleichmäßig ausgebaut für den gesamten Siedlungsbereich, so hat es wenig Sinn, von Sondernutzungen zu sprechen ... Alle Gemeindebürger sind Nutznießer der gesamten Anlage ... Es ist berechtigt, zu ihrer Finanzierung Abgaben heranzuziehen, die alle Gemeindebürger belasten.“11 Zuvor hatte Haller auf die Unmöglichkeit hingewiesen, die jeweilige Inanspruchnahme des Straßennetzes durch die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer festzustellen.12

Fazit

Als Ergebnis der kritischen Analyse der verwaltungsrechtlichen Vorteilskonstruktion muss festgestellt werden, dass sie unhaltbar ist: Die Vergleichsgruppen und der Vergleichsmaßstab werden falsch gewählt, die häufigere Nutzung der Straße als Folge der Sanierung ist unrealistisch und die Gebrauchswerte sind für eine äquivalente Beziehung zwischen Vorteil und Beitrag ungeeignet. Die Vorteilskonstruktion kann eine Beitragserhebung nicht rechtfertigen. Die Willkür, die in diesen Begründungsschritten deutlich wird, lässt nur den Schluss zu, dass die Verwaltungsrichter unbedingt einen Beitrag und damit einen fiskalischen Zweck rechtfertigen wollten.

Das mangelnde Verständnis des Äquivalenzprinzips – gar seine Umdeutung zum Non-Äquivalenzprinzip –, die offensichtliche Unkenntnis wirtschaftlicher Gegebenheiten und die Vernachlässigung der grundrechtlichen Gleichbehandlungsanforderung an die öffentliche Abgabenerhebung sind die Elemente, die die Fehlkonstruktion des „besonderen Vorteils“ durch das Gericht verursachen.

Die Verwaltungsrichter überschreiten ihre fachliche Kompetenz und bewirken damit eine große Ungerechtigkeit und einen Verstoß gegen Art. 3, Art. 14 und Art. 2 GG. Die Erkenntnisse, Regeln und Prinzipien der zuständigen Wissenschaften dürfen nicht missachtet werden, wenn es um öffentliche Einnahmen und Abgaben geht. Es gibt für Hauseigentümer keine „besonderen Vorteile“ aus der Straßensanierung. Kommunale Straßennetze müssen als „öffentliche Güter“ aus Steuern finanziert werden.

  • 1 W. Scherf: Öffentliche Finanzen, Stuttgart 2009, S. 193.
  • 2 J. Lang, in: K. Tipke, J. Lang: Steuerrecht, 19. Aufl., Köln 2008, § 3, Rz. 23, S. 53.
  • 3 H. Haller: Die Steuern, Tübingen 1964, S. 1.
  • 4 J. Lang, a.a.O., § 1 Rz. 4, S. 2.
  • 5 Ebenda, § 1 Rz. 9, S. 3.
  • 6 Ebenda, § 1 Rz. 11, S. 4.
  • 7 Oberverwaltungsgericht Schleswig: Urteil vom 19.5.2010, Az. 2 KN 2/09.
  • 8 W. Scherf, a.a.O., S. 191.
  • 9 Ebenda, S. 194.
  • 10 H. C. Recktenwald: Wörterbuch der Wirtschaft, Stuttgart 1990, S. 438. Dort auch die beiden vorhergehenden Teilzitate.
  • 11 H. Haller, a.a.O., S. 27.
  • 12 Ebenda, S. 26.

Title:Street Renovations Must Be Financed by Tax Revenues and Not by Contributions from Home Owners

Abstract:The common German practice of financing the renovation of municipal streets via contributions from home owners is based on the assumption of special advantages for the home owners. But there are no such special advantages. These assumed advantages are wrongly constructed by the courts, and thus this form of financing is totally arbitrary. Generally, the charging of contributions and fees – based on the principle of equivalence – is not applicable for the financing of street renovations. Municipal streets are “public goods”. Renovating them must be financed by taxes.


DOI: 10.1007/s10273-013-1587-0