Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Sechseinhalb Jahre nach Beginn der schwersten Finanzkrise seit der Großen Depression scheint die akute Krise der europäischen Banken endlich überstanden zu sein. Selbst in den am schwersten betroffenen Ländern hört man erste positive Meldungen über die Gewinnsituation der Banken. Doch der Eindruck könnte täuschen. Denn die Aufräumarbeiten der vergangenen Krise und die Vorsorgemaßnahmen gegen zukünftige Krisen sind noch lange nicht abgeschlossen. Trotz umfangreicher Abschreibungen rechnen Experten mit zahlreichen schlummernden Risiken in den Bankbilanzen.

Große Fortschritte wurden beim Aufbau einer neuen europäischen Aufsichtsarchitektur – der Europäischen Bankenunion – erzielt. Die erste Säule der Bankenunion, der einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM), tritt im November 2014 in Kraft. Vorgeschaltet werden eine umfangreiche Prüfung der Bankbilanzen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und ein gemeinsamer Stresstest der Banken durch die EZB und die European Banking Authority (EBA). Bis zur Implementierung der zweiten Säule, des einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism), sind noch einige politische Hürden zu überwinden. Doch auch hier zeichnen sich erste Kompromisse ab. Die dritte Säule, die einheitliche Einlagensicherung (Single Deposit Guarantee Scheme), wurde – nicht zuletzt aufgrund von Widerständen aus Deutschland – zunächst auf die lange Bank geschoben. Damit ist ihre Implementierung unwahrscheinlich geworden.

Es spricht einiges dafür, dass die Europäische Bankenunion helfen kann, zukünftige Krisen zu verhindern und insbesondere den Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen zu durchbrechen. Sie ist jedoch ein langfristig angelegtes Konstrukt, das weniger dazu dient, bestehende Probleme zu lösen, als auf lange Sicht stabile Strukturen zu schaffen. Daher wird in diesem Artikel beleuchtet, welchen Problemen sich das europäische Bankensystem kurz- bis mittelfristig gegenübersieht. Diese resultieren nur teilweise aus der Krise und der damit einhergehenden konjunkturellen Schwäche. Sie sind auch eine Folge der Krisenmaßnahmen, die zwar die Situation erfolgreich stabilisieren konnten, aber mit Nebenwirkungen einhergingen. Hinzu kommt eine Reihe struktureller Probleme, die bereits vor der Krise bestanden und bislang nicht gelöst wurden.

Bestandsaufnahme

Die Bilanzen der europäischen Banken sind noch immer in großem Maße durch notleidende Kredite belastet. Dies gilt vor allem für die Banken in den Krisenländern (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien), in denen sich der Anteil der notleidenden Forderungen am Bruttokreditvolumen seit 2007 mehr als verfünffacht hat.1 Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in stabileren Ländern wie Deutschland nicht beobachten. Allerdings bestehen in diesen Ländern trotz eines massiven Abbaus immer noch erhebliche Forderungen gegenüber den Krisenländern.2 Hinzu kommt, dass die Bankbilanzen die tatsächlichen Risiken unterschätzen. Ein Indikator hierfür sind die geringen Marktwerte europäischer Banken, die seit Jahren unterhalb der Buchwerte liegen.3 Interessanterweise gilt dies nicht nur für Banken in Krisenländern, sondern auch für solche in Ländern wie Deutschland. Das deutet darauf hin, dass die Bilanzen der europäischen Banken aus Sicht der Investoren noch immer versteckte Verluste enthalten. In Deutschland betrifft dies beispielsweise die Schiffskredite, die laut Einschätzung von Experten für einige Banken erhebliche Risiken bergen, sowie die drohenden Verluste aus Rechtsstreitigkeiten. Die tatsächliche Höhe dieser Risiken ist mit großer Unsicherheit behaftet. Dies erschwert eine Finanzierung der Banken über den Kapitalmarkt.

Dennoch hat sich die Kapitalisierung der europäischen Banken in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.4 Bereits jetzt liegen die regulatorischen Eigenkapitalquoten im Schnitt oberhalb der neuen Basel-III-Anforderungen.5 Auch die ungewichteten Eigenkapitalquoten sind gestiegen, allerdings längst nicht in gleichem Maße.6 Dies bedeutet, dass die Erhöhung der regulatorischen Eigenkapitalquoten überwiegend durch einen Abbau der Risikoaktiva erreicht wurde.7 Unklar ist, inwiefern es sich hierbei um einen tatsächlichen Abbau von Risiken handelt oder um regulatorische Arbitrage (d.h., ein Ausnutzen regulatorischer Schlupflöcher), z.B. durch eine Umschichtung von Aktiva in Staatsanleihen, die regulatorisch begünstigt werden. Tatsächlich haben große europäische Banken eher in Anleihen (eingeschlossen Staatsanleihen) investiert als in Kredite.8 Damit unterschied sich die Entwicklung deutlich von derjenigen in den USA.9

Der Anstieg der Eigenkapitalquoten resultierte auch aus einem Anstieg des Eigenkapitals, allerdings in geringerem Maße.10 Interessanterweise spielten einbehaltene Gewinne hierbei anders als in anderen Regionen eine untergeordnete Rolle.11 Dies lässt sich durch die niedrige Profitabilität der europäischen Banken im internationalen Vergleich erklären. Die geringen Margen im Bankgeschäft erschweren den Aufbau von Eigenkapital durch einbehaltene Gewinne. Dies ist nur teilweise eine Folge der Krise und der anhaltenden Niedrigzinsphase, sondern ist vielmehr ein strukturelles Problem. Besonders stark betroffen ist Deutschland, das seit 30 Jahren fallende Margen im Bankgeschäft aufweist.12 Die schlechte Ertragslage der europäischen Banken deutet auf eine hohe Wettbewerbsintensität hin, die ein Hinweis auf Überkapazitäten sein könnte.

Ein charakteristisches Merkmal der europäischen Krisen war die enge Verbindung zwischen Banken und staatlichen Schuldnern. Tatsächlich hat sich dieser Verbund in den vergangenen Jahren nicht etwa gelockert, sondern verstärkt. Beispielsweise ist der Anteil der heimischen Staatsanleihen an der Bilanzsumme in Italien von 6,6% im Januar 2011 auf 10,2% im September 2013 angestiegen und in Spanien von 4,9% auf 9,5% in demselben Zeitraum.13 Dies stand teilweise in unmittelbarem Zusammenhang mit den Langfristtendern (LTRO) der EZB: Die günstig verfügbare Liquidität der EZB wurde in relativ hochverzinsliche Anleihen des eigenen Landes investiert, was von Acharya und Steffen14 als „'greatest' carry trade ever“ bezeichnet wurde. So stützten die Langfristtender der EZB die Bondmärkte der Krisenländer und ermöglichten den Banken zugleich den Aufbau von Eigenkapital durch zusätzliche Gewinne. Gleichzeitig verstärkten sie jedoch die Verbindung zwischen Banken und Staaten in den Krisenländern und verzögerten eine Anpassung nicht tragfähiger Geschäftsmodelle durch die Banken. Aus den Krisenmaßnahmen sind also neue Risiken entstanden.

Schließlich beobachtete man in den vergangenen Jahren eine zunehmende Fragmentierung des europäischen Finanzsystems. Beispielsweise ist die grenzüberschreitende Kreditvergabe insbesondere im Euroraum deutlich zurückgegangen.15 Dies betraf auch in erheblichem Maße die Interbankenmärkte.16 Teilweise dürfte dies eine Reaktion auf EU-Vorgaben im Rahmen von Beihilfeverfahren gewesen sein. Beispielsweise wurde den gestützten deutschen Landesbanken auferlegt, sich auf ihr Kerngeschäft zu besinnen, was insbesondere mit der Schließung zahlreicher Filialen und Töchter im Ausland und damit vermutlich mit einem Rückgang des Auslandsgeschäfts verbunden war. Dennoch sind die Auslandsforderungen innerhalb der Eurozone noch immer recht hoch (auch in Deutschland), und es ist unklar, ob eine übermäßige Reduzierung des Auslandsgeschäfts stattgefunden hat oder lediglich eine Rückführung des Volumens auf ein volkswirtschaftlich sinnvolles Niveau.

Herausforderungen

Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die europäischen Banken noch immer geschwächt sind und dass von einer Überwindung der Krise nicht gesprochen werden kann. Daher stehen die Banken vor erheblichen Herausforderungen, aus denen sich auch für die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger ein Handlungsbedarf ableitet. Folgende Problemfelder sind wesentlich:

  • die anhaltende Niedrigzinsphase,
  • strukturelle Probleme im europäischen Bankensystem,
  • der Risikoverbund zwischen Banken und Staaten und
  • die Fragmentierung des europäischen Bankensystems.

Herausforderung 1: Niedrigzinsphase

Die niedrigen Zinsen machen es den Banken schwer, im traditionellen Bankgeschäft (d.h. durch Fristentransformation) hinreichende Margen zu erzielen, um ihre Kosten zu decken.17 Dies erhöht den Anreiz der Banken, in profitablere, aber riskantere Anlagen zu investieren und dadurch neue Risiken aufzubauen (search for yield), und birgt die Gefahr der Blasenbildung in bestimmten Marktsegmenten (beispielsweise im Immobilien- und Aktienmarkt). Eine restriktivere Geldpolitik wäre im derzeitigen Umfeld, das durch die Angst vor einer deflationären Entwicklung geprägt ist, kein angemessenes Mittel zur Bekämpfung blasenhafter Entwicklungen. Makroprudenzielle Instrumente, beispielsweise die Regulierung von Beleihungsgrenzen (loan-to-value ratios) oder eine sektorspezifische Anhebung von Risikogewichten bei der Eigenkapitalregulierung, wie sie beispielsweise in der Schweiz praktiziert wird, könnten blasenhaften Preisentwicklungen in bestimmten Marktsegmenten entgegenwirken. Eine wirksame makroprudenzielle Aufsicht erfordert allerdings eine Distanz zur Politik. Diese ist durch die derzeitige institutionelle Struktur teilweise nicht gewährleistet. In Deutschland manifestiert sich dies durch die dominante Rolle des Bundesfinanzministeriums im neugegründeten Ausschuss für Finanzstabilität (AFS), der für die makroprudenzielle Aufsicht zuständig ist. Begrüßenswert ist daher die zukünftige starke Rolle der EZB im Rahmen der einheitlichen Bankenaufsicht. So sieht Artikel 5 der SSM-Verordnung vor, dass die EZB zur Wahrung der systemischen Stabilität höhere makroprudenzielle Eigenkapitalpuffer verlangen kann als die nationalen Aufsichtsbehörden. Dies könnte dabei helfen, politisch motivierte Entscheidungen der nationalen Entscheidungsträger zu korrigieren.18

Auch durch Fristentransformation, den Kern des traditionellen Bankgeschäfts, können sich Risiken aufbauen, die sich allerdings erst in einigen Jahren materialisieren dürften. So haben die Banken derzeit den Anreiz, Kredite mit langen Zinsbindungen zu vergeben, um überhaupt auskömmliche Margen zu erzielen. Hieraus ergibt sich ein erhebliches Zinsänderungsrisiko, wenn die Refinanzierung kurzfristig erfolgt. Bei steigenden Zinsen könnte es leicht zu negativen Zinsspannen kommen. Zinsänderungsrisiken aus dem Anlagebuch werden derzeit in der ersten Säule der Eigenkapitalregulierung nicht berücksichtigt, sondern im Rahmen der zweiten Säule fallweise entschieden. Eine einheitliche Eigenkapitalregulierung der Zinsänderungsrisiken im Handels- und Anlagebuch und über verschiedene Länder und Banken hinweg sind daher derzeit nicht gewährleistet.

Gerade Banken, die überwiegend im traditionellen Bankgeschäft tätig sind (wie z.B. die deutschen Sparkassen und Genossenschaften) sind verletzlich gegenüber Zinserhöhungen. Hierbei handelt es sich um ein nicht-diversifizierbares Risiko, das alle Banken trifft. Daher ist auch eine Institutssicherung über einen Bankenverbund, wie sie bei den deutschen Sparkassen oder Genossenschaften besteht, kein effektiver Schutz gegen ein solches makroökonomisches Risiko, da eine Zinserhöhung alle Banken des Verbunds gleichzeitig treffen würde. Ein Szenario wie bei den US-amerikanischen Sparkassen in der Savings-and-Loan-Krise der 1980er Jahre ist daher für Europa nicht rein hypothetisch. Vor diesem Hintergrund muss die weit verbreitete These hinterfragt werden, gemäß derer das nicht-traditionelle Bankgeschäft generell riskanter einzuschätzen ist als das traditionelle Bankgeschäft, wie häufig in den Diskussionen zur Trennbankenproblematik suggeriert wird.

Herausforderung 2: Strukturelle Probleme

Wie bereits skizziert wurde, setzt der starke Wettbewerb im europäischen Bankensystem die Margen unter Druck und erschwert den Aufbau von Eigenkapital durch einbehaltene Gewinne. Eine mögliche Ursache sind Überkapazitäten im Bankensystem. Anders als in anderen Indus­trien werden solche Überkapazitäten nicht durch Marktmechanismen abgebaut, weil Marktaustritte nicht wettbewerbsfähiger Marktteilnehmer typischerweise durch staatliche Interventionen verhindert werden. So wurden in Europa während der Krise nur wenige Banken geschlossen, anders als beispielsweise in den USA.19 Das Problem der Überkapazitäten kann nur dadurch gelöst werden, dass Marktaustritte zugelassen werden, anstatt nicht profitable Banken durch Staatshilfen am Leben zu halten.

Eine wichtige Rolle bei der Lösung der beschriebenen strukturellen Probleme kommt der Prüfung der Banken durch die EZB im Rahmen des Comprehensive Assessment vor Beginn des SSM zu. Dieses besteht aus einer Risikoprüfung, einer Bilanzprüfung (Asset Quality Review) und einem gemeinsam mit der EBA durchzuführenden Stresstest. Die Asset Quality Review sollte dafür genutzt werden, versteckte Verluste bilanzwirksam zu erfassen und schwache Banken entweder zu schließen oder zwangsweise zu rekapitalisieren. Allerdings obliegt die Entscheidung über die Abwicklung einer Bank derzeit noch den nationalen Autoritäten und kann durch die EZB nicht erzwungen werden. Außerdem versucht eine Reihe von Ländern, das Eigenkapitalpolster der Banken durch kreative Buchführung künstlich zu erhöhen. Hierzu gehören die Umwandlung von steuerlichen Verlustvorträgen in hartes Kernkapital in Spanien und die Neubewertung der Anteile italienischer Banken an der Banca d’Italia.20 Solchen Bestrebungen sollte die EZB entschieden entgegentreten.

Grundsätzlich sollen die beim Comprehensive Assessment zu Tage tretenden Altlasten durch die Heimatländer der Banken getragen werden. Bei grenzüberschreitend tätigen Banken sollten bereits im Vorfeld Vereinbarungen zur Lastenteilung getroffen werden. Außerdem sollte Vorsorge für den Fall getroffen werden, dass einzelne Mitgliedsländer nicht in der Lage sein könnten, die entstehenden Lasten zu tragen. Denkbar ist beispielsweise eine Abfederung durch den ESM.

Bedauerlich ist die Einschränkung des Comprehensive Assessment auf die 124 größten europäischen Bankengruppen. Die Krise hat gezeigt, dass Probleme nicht nur bei großen Banken auftreten können. Eine Marktbereinigung ist auch bei den kleineren Banken dringend erforderlich. Eine Ergänzung des Comprehensive Assessment durch vergleichbare Maßnahmen für kleinere Banken auf nationaler Ebene wäre daher wünschenswert. Idealerweise würde eine solche Prüfung durch die EZB koordiniert, um einheitliche Prüfungsstandards zu gewährleisten.

Herausforderung 3: Risikoverbund zwischen Banken und Staaten

Das Problem des Risikoverbunds zwischen Banken und Staaten wurde bislang nicht gelöst. Es besteht nach wie vor die Gefahr eines Wiederauflebens der europäischen Schuldenkrise mit direkten Auswirkungen auf die Qualität der Bankaktiva. Die hohen Positionen der Banken in Staatsanleihen beruhen nicht zuletzt auf der regulatorischen Bevorzugung dieser Anlageform. Diese Bevorzugung ist ökonomisch nicht begründbar und sollte angesichts der drohenden Risiken für die Systemstabilität korrigiert werden. Wie vielfach von der Deutschen Bundesbank gefordert wurde,21 sollten die Risikogewichte für Staatsanleihen in der Eigenkapitalregulierung mittelfristig angepasst werden. Eine Begrenzung von Konzentrationen in Staatsanleihen in Anlehnung an die Großkreditvorschriften ist ebenfalls sinnvoll. Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Anheben der Risikogewichte aufgrund des erheblichen zusätzlichen Kapitalbedarfs der Banken und der Verteuerung der Finanzierung für die Krisenländer problematisch. Wünschenswert wäre eine Regulierung mit angemessenen Übergangsfristen, um den Banken einen Anreiz zu geben, ihre Engagements in Staatsanleihen allmählich abzubauen oder zusätzliches Eigenkapital aufzubauen, und um es den staatlichen Schuldnern zu ermöglichen, sich auf höhere Zinsen einzustellen.

In der Bilanzprüfung der EZB und in den nachfolgenden Stresstests wird sich zeigen, wie groß die Risiken aus den Investitionen in Staatsanleihen sind, da diese explizit in die Stressszenarien einbezogen werden sollen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung einer angemessenen Erfassung dieser Risiken, der notwendig ist, um die Auswirkungen von Problemen der staatlichen Schuldner auf die Banken zukünftig begrenzen zu können. Um den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten wirksam zu durchbrechen, muss aber auch der umgekehrte Transmissionskanal verhindert werden, also eine Belastung der Staaten durch Probleme im Bankensystem. Durch die vorgesehene Verlustbeteiligung von Aktionären und Gläubigern (Bail-in) und die Schaffung eines gemeinsamen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund) im Rahmen der EU-Abwicklungsrichtlinie (BRRD) und des einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) werden hierfür erste Voraussetzungen geschaffen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, müssen die Mitgliedstaaten einspringen. Sehen sich diese dazu nicht in der Lage, kommt nur noch eine gemeinschaftliche Finanzierung, beispielsweise über den ESM, in Frage. Eine gemeinschaftliche Haftung in der Eurozone ist daher als letzte Absicherung (Backstop) unvermeidlich, da nur diese die Auswirkungen von Bankenproblemen auf die staatlichen Haushalte der betroffenen Länder wirksam abfedern kann. Die Vorstellung, dass man die Gemeinschaft durch Schaffung des SRM vollständig aus der Haftung entlassen könne, scheint zumindest im Falle einer erneuten systemischen Krise illusorisch. Eine wesentliche Aufgabe des SRM wird es sein, die hieraus entstehenden Anreizprobleme abzumildern.

Herausforderung 4: Fragmentierung

Als letzte Herausforderung soll auf die Fragmentierung des europäischen Finanzsystems eingegangen werden. Eine solche Fragmentierung ist mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden, wenn sie sinnvolle Kapitalflüsse zwischen den europäischen Ländern verhindert. Doch nicht jede Rückführung des Auslandsengagements ist schädlich, da diese auch die Reduzierung zuvor eingegangener übermäßiger Risiken widerspiegeln kann. Problematisch ist es, wenn Banken aus politischen Gründen von den heimischen Aufsehern gedrängt werden, sich auf das Geschäft des Heimatlandes zu konzentrieren (politisch motivierter „home bias“). Dies stellt vor allem für die Krisenländer ein Problem dar, da der Rückgang von Kapitalflüssen aus dem Ausland die Kreditklemme in diesen Ländern weiter verschärfen kann. Die Fragmentierung des europäischen Finanzsystems wird durch länderspezifische Regulierungen, z.B. im Bereich der Bankenabwicklung und der Trennbankenregulierung, verschärft. Eine regulatorisch induzierte Fragmentierung sollte vermieden werden, indem einheitliche europäische Regelungen angestrebt werden.

Die Finanzkrise hat aber auch gezeigt, dass die Abwicklung grenzüberschreitend tätiger Finanzinstitute mit erheblichen Problemen verbunden ist. Auch der SRM bietet zurzeit keine überzeugenden Lösungen für dieses Problem. Solange die Abwicklung grenzüberschreitender Banken nicht geklärt ist, bleibt offen, ob die Fragmentierung der europäischen Bankenmärkte nicht vielleicht sogar das kleinere Übel ist.

Fazit

Auch wenn die akute Finanzkrise überwunden zu sein scheint, hat die Bestandsaufnahme gezeigt, dass die Banken weiterhin erheblichen Risiken ausgesetzt sind. Diese resultieren zum einen direkt aus der Finanzkrise und den damit verbundenen konjunkturellen Entwicklungen, zum anderen aus strukturellen Problemen. Die Banken sind noch lange nicht hinreichend stabil, um eine erneute Krise zu überstehen. Die geringen Margen im Bankensystem erschweren den notwendigen Aufbau von Eigenkapital. Eine Marktbereinigung durch Austritte unprofitabler Institute ist dringend erforderlich. Die Asset Quality Review und der nachfolgende Stresstest durch EZB und EBA eröffnen die Chance, Risiken in den Bankbilanzen aufzudecken und die betroffenen Banken zu rekapitalisieren oder zu schließen. Doch auch kleinere Banken sollten ähnlichen Tests durch die nationalen Aufsichtsbehörden unterzogen werden, wobei die EZB eine koordinierende Rolle spielen sollte.

Ein wesentlicher Vorteil der Verlagerung aufsichtlicher Kompetenzen auf die supranationale Ebene besteht darin, dass die politische Einflussnahme verringert – wenn auch nicht ausgeschlossen – werden kann. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn unpopuläre Entscheidungen zu treffen sind, beispielsweise die Schließung „nationaler Champions“ oder die Anwendung makroprudenzieller Instrumente in Wahljahren. Gleichzeitig kommt man an einer gemeinschaftlichen Haftung als letzter Absicherung (Backstop) im Falle einer systemischen Krise nicht vorbei, wenn der Teufelskreis zwischen Staaten und Banken glaubwürdig durchbrochen werden soll. Die Ausgestaltung der Abwicklungsmechanismen für grenzüberschreitende Banken und die Minimierung der Anreizprobleme aus den nationalen und europäischen Sicherheitssystemen bleiben die zentralen Herausforderungen für Politik und Regulierung in den kommenden Jahren.


Ich danke Markus Altmann für seine Unterstützung als studentische Hilfskraft sowie Florian Hett, Felix Rutkowski, Alexander Schäfer, Ulrich Schüwer, Christian Seckinger und Johannes Tischer für hilfreiche Kommentare.

  • 1 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik, Jahresgutachten 2013/14, Wiesbaden 2013, Schaubild 54, S. 211.
  • 2 Ebenda, Schaubild 52, S. 210.
  • 3 Ebenda, Schaubild 57, S. 214.
  • 4 Ebenda, Schaubild 55, S. 213.
  • 5 Vgl. B. H. Cohen: How have banks adjusted to higher capital requirements?, in: BIS Quarterly Review, September 2013, S. 28.
  • 6 Ebenda.
  • 7 Ebenda.
  • 8 Ebenda, S. 35.
  • 9 Ebenda.
  • 10 Ebenda, Schaubild 3, S. 31.
  • 11 Ebenda, Schaubild 4, S. 32.
  • 12 Sachverständigenrat, a.a.O., Schaubild 60, S. 228.
  • 13 Ebenda, Schaubild 53, S. 210.
  • 14 V. V. Acharya, S. Steffen: The 'greatest' carry trade ever? Understanding eurozone bank risks, in: CEPR Discussion Paper (2013), Nr. 9432.
  • 15 International Monetary Fund: European Union: Publication of Financial Sector Assessment Program Documentation – Technical Note on Financial Integration and Fragmentation in the European Union, IMF Country Report, Nr. 13/71, März 2013.
  • 16 European Central Bank: Financial Stability Review, Dezember 2012, S. 110.
  • 17 Eine ausführliche Darstellung der Situation der deutschen Banken im aktuellen Niedrigzinsumfeld findet sich bei Deutsche Bundesbank: Finanzstabilitätsbericht 2013, S. 51 ff.
  • 18 Natürlich können auch bei der EZB Interessenkonflikte entstehen, nicht zuletzt zwischen den geldpolitischen und aufsichtlichen Zielen. Auf diese Aspekte kann hier nicht näher eingegangen werden.
  • 19 Sachverständigenrat, a.a.O., S. 216.
  • 20 Zeitler kritisiert Bilanztricks: Ex-Notenbanker moniert Wettbewerbsverzerrung – Anteile an Banca d’Italia 'haben keinen Marktwert', in: Börsen-Zeitung vom 6.12.2013.
  • 21 Siehe beispielsweise J. Weidmann: Investitionen in Staatsanleihen nicht länger regulatorisch begünstigen, in: Financial Times vom 1.10.2013.

Title:The European Banking System: Status Quo and Challenges for the Future

Abstract:We discuss the current state of the European banking system and the major challenges for the future. The low interest rate environment may give rise to asset price bubbles and interest rate risk, which should be counteracted by macroprudential regulation. Overcapacities in banking should be reduced by resolving banks that do not pass the ECB’s comprehensive assessment. The link between banks and sovereigns could be alleviated by reforming the regulatory treatment of government bond holdings and by establishing a credible backstop for the Single Resolution Mechanism. Finally, the fragmentation of the European financial system may be tackled through greater harmonisation and by improving resolution procedures for cross-border banks.


DOI: 10.1007/s10273-014-1643-4

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.