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Die alte Bundesregierung hat als Ziel für die Energiewende im Wohnungssektor einen „nahezu klimaneutralen Wohnungsbestand“ bis 2050 festgelegt. Dazu wurde im Herbst 2013 die Energieeinsparverordnung (EnEV) novelliert und bereits Ende 2012 der Erfahrungsbericht über das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vorgelegt.1 Fördermaßnahmen für die energetische Gebäudesanierung fielen geringer aus als vielfach erhofft. Dennoch gehen Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen der Haushalte seit Jahren zurück, während der Anteil erneuerbarer Energien an der Hauswärmeerzeugung steigt.

Auch die neue Bundesregierung sieht einen „klimafreundlichen Wärmemarkt“ als mitentscheidend für eine erfolgreiche Energiewende an. Der Haushaltssektor ist mit etwa 25% einer der großen Endenergieverbraucher in Deutschland; 46% der Wärmeenergie wird in Privathaushalten eingesetzt. Ziel bleibt es, bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu realisieren. Dazu sollen der Energieverbrauch der Gebäude adäquat gesenkt und gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien zur Wärmenutzung vorangetrieben werden. Zur Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor haben die Regierungsparteien weitere Maßnahmen vereinbart; dazu gehört die Förderung von möglichst kosteneffizienten Sanierungsmaßnahmen über KfW- und Marktanreizprogramme, nicht aber die lange diskutierte steuerliche Förderung von Sanierungsmaßnahmen oder gar eine Nutzungspflicht für erneuerbare Energien.2 Wie geht es in den kommenden Jahren nun weiter mit der Energiewende im Wohnungssektor? Wurden die „richtigen“ Maßnahmen beschlossen? Wird sich die Energiewende im Wohnungssektor beschleunigen?

Hauswärmewende und Kosteneffizienz

Mit einer beschleunigten Energiewende im Wohnungssektor wären hohe Kosten verbunden. So würden für eine Verdopplung der energetischen Sanierungsrate von 1% auf 2% Investitionskosten in Höhe von 32,3 Mrd. Euro pro Jahr bzw. 744 Mrd. Euro bis 2030 anfallen.3 Dabei lassen sich die erforderlichen Investitionen nicht immer durch Energiekosteneinsparungen finanzieren. Umso mehr kommt es darauf an, möglichst kosteneffiziente und bezahlbare Maßnahmen, die von vielen Haushalten umgesetzt werden können, vorzunehmen. Im Vergleich der Sanierungsoptionen zeigt sich, dass Vollsanierungen, insbesondere bauliche Sanierungsmaßnahmen, in der Regel sehr teuer sind und sich nur über längere Zeiträume amortisieren; entsprechend klein(er) ist die Adressatengruppe. Die Heizungsmodernisierung ist dagegen deutlich günstiger und weist wesentlich kürzere Amortisationszeiträume auf. Auch von der neuen Bundesregierung wird der Energieeffizienz von Heizanlagen eine wichtige Rolle eingeräumt.

In einer neuen Hauswärme-Studie hat das HWWI in Zusammenarbeit mit Shell und dem Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik schwerpunktmäßig Optionen und Perspektiven der Heizungsmodernisierung im deutschen Wohnungsmarkt untersucht.4 Dazu wurde zusammen mit dem Institut für Technische Gebäudeausrüstung eine Analyse der Einspar- und Ausbaupotenziale der wichtigsten Heiztechniken vorgenommen. Außerdem wird mit Hilfe der Szenario-Technik untersucht, wie sich Heiztechniken und -energien im Wohnungssektor in den kommenden 20 Jahren entwickeln könnten und welchen Einfluss dies auf die Umsetzung aktueller Energie- und Klimapolitikziele für den Wohnungssektor hat.

Heizungen: Fakten, Trends, Potenziale

In den Wohngebäuden mit 40,3 Mio. Wohnungen (2010) in Deutschland stehen rund 21,3 Mio. Wärmeerzeuger; davon sind etwa 19,7 Mio. Zentralheizungen. Mit über 12,5 Mio. Heizkesseln hat Erdgas den größten und Heizöl mit 5,8 Mio. den zweitgrößten Anteil; daneben existieren noch 800 000 Holzkessel sowie 440 000 Wärmepumpen. Nur 21% der Gas- und Ölkessel sind Brennwertkessel und entsprechen damit dem Stand der Technik. Auf der anderen Seite stehen noch rund 2,5 Mio. veraltete Standardkessel in deutschen Kellern, obwohl diese seit etwa 15 Jahren nicht mehr eingebaut werden dürfen. Außerdem werden 1,1 Mio. Wohnungen mit Fernwärme versorgt sowie 620 000 Wohngebäude durch Nachtspeicheröfen beheizt.

In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland jährlich etwa 600 000 bis 700 000 neue Heizanlagen installiert. Etwa ein Fünftel des Geräteabsatzes ging dabei in den Neubau, vier Fünftel dienten der Heizungsmodernisierung. Der Neubau spielt bei der Einführung neuer Baustandards und Heiztechniken eine wichtige Rolle, entscheidend für die Energiewende im Wohnungssektor ist jedoch die Gerätemodernisierung im Wohnungsbestand. Durch die Modernisierung des Heizkesselbestands auf den Stand der Technik wären für große Altanlagensegmente Effizienzgewinne von über 20% spezifisch möglich. Mittelfristig ist eine stärkere Diversifizierung von Heiztechniken und -energien zu erwarten; denn moderne Heizanlagen bieten vielfältige Möglichkeiten zur Kombination von Wärmeerzeugern (Hybridisierung) und zur Einkopplung erneuerbarer Energien (Solar- und Umweltwärme, Biomasse). Als neue Heiztechniken könnten sich brennstoffbetriebene Wärmepumpen, Mikro- und Mini-Kraftwärmekopplung sowie Brennstoffzellengeräte etablieren. Gleichwohl bilden effiziente Heiztechniken auf der Basis fossiler Energien weiterhin das technische Rückgrat der Hauswärmeversorgung. Eine immer wichtigere Rolle spielt schließlich die ganzheitliche Optimierung von Heizsystemen. Perspektivisch könnte es zu einer allmählichen Integration von Hauswärme und Stromerzeugung kommen (Smart Grid bzw. Smart Home).

Hauswärme-Szenarien bis 2030

Die Zahl der Wohnungen und damit auch der Haushalte wächst trotz zurückgehender Bevölkerung bis 2030 auf 41 Mio. Haushalte und 41,9 Mio. Wohnungen. Da pro Jahr nur etwa 0,5% aller Wohnungen neu gebaut werden, werden 2030 nur 12% aller Wohnungen neu sein. Auch baulich ist die Bestandssanierung entscheidend für die Hauswärmewende. Mit dem Wohnungsbestand steigt die Zahl der zentralen Heizanlagen von 21,3 Mio. auf 22,5 Mio. Einheiten – aufgrund des zunehmenden Anteils von Ein- und Zweifamilienhäusern sogar überproportional.

Aufbauend auf soziodemografischen und Heiztechnik-Trends kann mit Hilfe von Szenarien untersucht werden, wie sich Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen sowie Investitions- und Brennstoffkosten für Hauswärme künftig entwickeln. In einem Trendszenario werden wie bisher 1% aller Wohngebäude pro Jahr energetisch saniert; in der Folge bleiben auch 2030 noch etwa die Hälfte aller Wohngebäude unsaniert. Bei Fortschreibung der aktuellen Modernisierungsrate von Heizanlagen (3%) wird die Zahl der effizienten Heizungen, wie Brennwertkessel, bis 2030 von 4,1 Mio. auf 10,6 Mio. zunehmen. Alternative Heizsysteme, wie Elektro-Wärmepumpen und Holzkessel, wachsen überdurchschnittlich. Allerdings entsprechen auch 2030 ca. 7,6 Mio. Heizanlagen noch nicht dem Stand der heutigen Technik. Die Reduktion des spezifischen Endenergieverbrauchs ist im Trend mit gut einem Fünftel zwar substanziell, der Abstand der Gebäudeeffizienz zum Ziel annähernder Klimaneutralität ist jedoch noch erheblich. Die jährlichen Treibhausgasemissionen gehen im Trend um 22% zurück. Obgleich erneuerbare Energien deutlich zulegen, bestreiten Gas und Öl noch zwei Drittel der Hauswärmeversorgung.

Die Investitionen für die Sanierung von 3,8 Mio. bzw. einem Fünftel aller Wohngebäude belaufen sich bis 2030 auf knapp 250 Mrd. Euro, wovon nur ein Teil (ca. 50%) als energetisch bedingte Mehrkosten einzustufen wären. In die Modernisierung von 14,4 Mio. Heizsystemen werden bis 2030 insgesamt 170 Mrd. Euro investiert. Bei kon­stanten Energiepreisen würden die jährlichen Verbrauchskosten für Heizenergieträger um 20% auf 34 Mrd. Euro sinken. Bei steigenden Energiekosten wird der Kostenanstieg auf rund 40% begrenzt, ohne Einsparungen würden die Betriebskosten um 75% zunehmen.

Trotz der Fortschritte können die Energie- und Klimaziele im Trendszenario nicht erreicht werden. Um den Zielen näher zu kommen, müsste die Sanierung des baulichen Wärmeschutzes und/oder die Modernisierung der Heiztechnik (einschließlich Wandel im Energieträgermix) beschleunigt werden. Eine Analyse politischer Maßnahmenprogramme zeigt: Die Gebäudesanierung ist zwar eine effektive Maßnahme, die Heizungsmodernisierung stellt aber in der Regel die wirtschaftlichere und deutlich kosteneffizientere Maßnahme dar. Aus der Programm-Analyse wurde ein gestuftes Alternativszenario abgeleitet (vgl. Tabelle 1). Bei ambitionierterer Sanierungspolitik erfolgt als erster Schritt eine Beschleunigung der Heizungsmodernisierung (Alternativszenario A), in einem zweiten Schritt die Beschleunigung der Sanierung des baulichen Wärmeschutzes (Alternativszenario B).

Tabelle 1
Trend und Alternativszenarien für den Wärmemarkt
2011 2030 2030/2011 - Differenz in % Ziele
Endenergieverbrauch pro Jahr keine Ziele für End- energieverbrauch; Primärenergie- verbrauch -20% bis 2020, -50% bis 2050
Trend 515 Mrd. kWh 441 Mrd. kWh -15%
Szenario A 421 Mrd. kWh -18% (kumuliert 256 Mrd. kWh)
Szenario B 396 Mrd. kWh -23% (kumuliert 509 Mrd. kWh)
Spezifischer Endenergieverbrauch pro m2 und Jahr < 50 kWh/m2 (2050)
Trend 159 kWh/m2 126 kWh/m2 -21%
Szenario A 120 kWh/m2 -25%
Szenario B 114 kWh/m2 -28%
Treibhausgasemissionen pro Jahr -55% im Zeitraum 2030/1990; direkte Treibhaus- gasemissionen
Trend 119,3 Mio. t 93,4 Mio. t -22%
Szenario A 81,8 Mio. t -31% (kumuliert 139 Mio. t)
Szenario B 75,9 Mio. t -36% (kumuliert 195 Mio. t)
Erneuerbare-Energien-Anteil in % 14% Wärmebereich (bis 2020); 30% alle Sektoren (bis 2030)
Trend 13% 24% +11 Prozentpunkte
Szenario A 29% +17 Prozentpunkte
Szenario B 31% +19 Prozentpunkte

Quelle: HWWI.

Durch einen beschleunigten Austausch alter Heizkessel würde im Alternativszenario A die Zahl der Gas- und Öl-Brennwertanlagen gegenüber dem Trend auf dann 11,6 Mio. deutlich ansteigen. Ebenso könnten Elektro-Wärmepumpen und Holzkessel zulegen sowie über 7 Mio. Solarthermieanlagen 2030 eingekoppelt sein. Einen weiteren Beitrag zur Hauswärmewende können neue Heiztechniken, wie Gas-/Öl-Wärmepumpen (als Weiterentwicklung der Brennwerttechnik), Mikro-/Mini-Kraftwärmekopplung und Brennstoffzellengeräte, leisten. Durch verstärkte Heizungsmodernisierung kann der Endenergieverbrauch um zusätzliche gut 3 Prozentpunkte gesenkt werden. Der spezifische Endenergieverbrauch je m2 Wohnfläche geht um 25% und die jährlichen Treibhausgasemissionen um 31% zurück. Die erneuerbaren Energien verfehlen das Gesamtziel für alle Sektoren (30%) nur ganz knapp. Der Anteil von Gas und Öl am Heizenergiemix sinkt auf knapp drei Fünftel.

Für die Heizungssanierung müssten auf Basis aktueller Kosten bis 2030 rund 24,5 Mrd. statt 21,5 Mrd. Euro jährlich investiert werden; allerdings dürften die Kosten für neue Heiztechniken im Zeitverlauf noch sinken. Die jährlichen Verbrauchskosten sinken durch die beschleunigte Heizungsmodernisierung bei einer Energiepreissteigerung von 3% pro Jahr bis 2030 um 3,5 Mrd. Euro, bei konstanten Preisen um 1,5 Mrd. Euro. Zusätzliche Investitionen in Heiztechnik würden sich also rasch „rechnen“.

Weitere Energie- und Treibhausgaseinsparungen lassen sich durch eine beschleunigte Gebäudesanierung erreichen. Im Alternativszenario B steigt die Gebäudesanierungsrate auf 2%, so dass 3,7 Mio. Wohngebäude zusätzlich saniert werden. Dadurch geht der Anteil unsanierter Wohngebäude auf nur noch 30% zurück. Der jährliche Endenergieverbrauch sinkt bis 2030 um 23%, der spezifische Energieverbrauch je m2 Wohnfläche um 28% und die Treibhausgasemissionen um 36%. Durch die Verdopplung der Sanierungsrate im Alternativszenario B würden fast zwei Fünftel des gesamten Wohnungsbestandes saniert. Hierdurch steigen auch die Investitionen auf etwa 36,5 Mrd. Euro. Allerdings wäre davon wiederum nur ein Teil (ca. 50%) als energetisch bedingte Mehrkosten einzustufen; zudem wäre ein großer Teil der Investitionen in Gebäudesanierung 2030 noch nicht abgeschrieben. Bei konstanten Energiepreisen würden die jährlichen Verbrauchskosten für Heizenergieträger um 3,6 Mrd. Euro sinken, bei um 3% jährlich steigenden Energiepreisen um 6,7 Mrd. Euro.

Politikempfehlungen

Es werden deutlich weniger Wohnungen energetisch saniert und Heizungen modernisiert als für die Erreichung der Energiewendeziele im Wohnungssektor erforderlich wären. Was läuft bisher falsch? Welche Eckpunkte sollte eine Hauswärmepolitik 2030 beinhalten, um die Energiewende im Wohnungssektor nachhaltig zu beschleunigen? Für eine schnellere Hauswärmewende sind grundsätzlich deutlich höhere private Investitionen in die energetische Sanierung und Modernisierung erforderlich. Immobilien sind für private Haushalte die größte Investition. Planungssicherheit spielt bei Immobilieninvestitionen daher eine wichtige Rolle – und diese ist durch die anhaltende Unsicherheit über wichtige Investitionsparameter (wie Ressourcenverfügbarkeit, Energiepreise, Regulierungen) kaum gegeben. Außerdem führt der Einsatz von Ordnungsrecht im Wohnungsbestand zu Investitionsattentismus; die Ausrichtung auf Freiwilligkeit im Gebäudebestand ist daher richtig. Dabei darf auch das Wirtschaftlichkeitsgebot des Energieeinspargesetzes (§5 Abs. 1 EnEG) bei Investitionsvorgaben nicht verletzt werden.

Zu einer signifikanten Erhöhung von Sanierungs- und Modernisierungsraten können verbesserte Informationen, aber auch Investitionshilfen beitragen. Förderprogramme müssen transparent sein und stabil ausgestaltet werden. Sie sollten sich an relevanten Kriterien, wie Förderwürdigkeit und -bedürftigkeit, Kosteneffizienz, Technologieneutralität sowie gesamtwirtschaftlichen Multiplikatoreffekten, orientieren. Die bisherigen Investitionsprogramme setzen aufgrund ihrer finanziellen Ausstattung jedoch (noch) nicht die erforderlichen Impulse. Schließlich bedarf es politischer Überzeugungsarbeit, um nachhaltige Verbraucherakzeptanz für eine beschleunigte Energiewende im Hauswärmebereich zu erreichen.

  • 1 Vgl. Bundesregierung: Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Berlin 28.9.2010, S. 22; Zweite Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung vom 18.11.2013, in: Bundesgesetzblatt, Jg. 2013, Teil I, Nr. 67, Bonn 21.11.2013; Bundesumweltministerium: Erfahrungsbericht Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, Berlin 12.12.2012.
  • 2 Vgl. Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Berlin 14.12.2013, S. 37 f.
  • 3 Vgl. J. Adolf, M. Bräuninger et al.: Shell Hauswärme-Studie. Nachhaltige Wärmeerzeugung für Wohngebäude. Fakten, Trends und Perspektiven, Hamburg 2011. Zu ähnlich hohen Investitionskosten gelangt Prognos: Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren, Berlin, Basel 8.3.2013, S. 4.
  • 4 Vgl. J. Adolf, M. Bräuninger et al.: Shell BDH Hauswärme-Studie. Klimaschutz im Wohnungssektor – Wie heizen wir morgen? Fakten, Trends und Perspektiven für Heiztechniken bis 2030, Hamburg, Köln 2013.

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DOI: 10.1007/s10273-014-1660-3

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