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Man könnte meinen, dass an Entwicklungsbanken kein Mangel besteht: Jeder Geberstaat hat eine Entwicklungsbank. In Deutschland ist dies die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Auf multilateraler Ebene gibt es neben der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (englisch IBRD), die zur Weltbankgruppe gehört, fünf regionale Entwicklungsbanken für Afrika, Asien, Lateinamerika und die Karibik, sogar eine für Europa. Die fünf Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), die am 15. Juli 2014 in Fortaleza/Brasilien eine eigene Entwicklungsbank („New Development Bank“), zunächst mit einem zu gleichen Teilen gezeichneten Einlagekapital von 50 Mrd. US-$ (das später verdoppelt werden soll), gründeten, sind in ihren Regionen Teilhaber an den jeweiligen regionalen Entwicklungsbanken. Sie beklagen aber, dass ihr Einfluss in diesen Banken auf die Kreditvergabe und die Projekte gegenüber den etablierten OECD-Staaten gering sei. Offenkundig ist dies bei der IBRD, in der die Regeln der Bretton-Woods-Institutionen gelten, der Fall: Stimmrechte sind wie beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Kapitalanteilen gewichtet, und hier haben die OECD-Staaten ökonomisch und politisch sinnvolle Stimmrechtsreformen zugunsten der Schwellen- und Entwicklungsländer stets hinausgezögert. Dahinter stand, dass sie sich nicht auf den Abbau der Stimmrechte der europäischen Staaten und den Verzicht auf die Vetoposition der USA einigen konnten. Weniger offenkundig ist das beklagte Mitsprachedefizit bei den regionalen Entwicklungsbanken. Die der Region zugehörigen Länder verfügen dort über die Mehrheit der Stimmrechte, aber diese sind historisch geprägt und reflektieren nicht mehr den heutigen Stand der Wirtschaftskraft der Länder. So besitzen China und Indien bei der Asiatischen Entwicklungsbank nur einen Stimmrechtsanteil von jeweils knapp über 5% gegenüber fast 13% jeweils von Japan und den USA als nicht-regionalen Mitgliedern. Daraus erklärt sich auch die führende Rolle Japans bei der Vergabe von Mitteln und im Management der Bank. Bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank, die ihren Sitz bezeichnenderweise in Washington und nicht in einem lateinamerikanischen Staat hat, sieht es ähnlich aus. Brasilien hält einen Stimmrechtsanteil von knapp 11% (den gleichen Anteil übrigens wie das ökonomisch und politisch weitaus schwächere Argentinien) gegenüber 30% der USA.

Mit der Gründung ihrer Bank und gleichzeitig eines Reservefonds (Contingent Reserve Allocation – CRA) von 100 Mrd. US-$ zur Unterstützung bei Zahlungsbilanzproblemen haben die fünf Staaten ein politisches Signal gegen die beiden Bretton-Woods-Institutionen und die Dominanz der OECD-Staaten in deren Management zum Ausdruck gebracht. Das Signal hat auch eine Vorgeschichte, die mit der Asienkrise 1997 begann. Damals wurde dem IWF vorgeworfen, zu harte und bis ins Detail reichende Vorbedingungen für die Bewilligung von Zahlungsbilanzhilfen formuliert zu haben. Mit dem Ergebnis, dass die Hilfe zu spät kam, die Löschzüge also sehenden Auges das Haus abbrennen ließen. Seither sind die Konditionierung von Hilfe und das angebliche Messen mit zweierlei Maß bei Hilfen von politischen Gefolgschaften der USA einerseits und deren „Widersachern“ andererseits ständige Kritikpunkte der BRICS-Staaten gegenüber dem IWF und auch der Weltbank. De facto richtete sich die Kritik gegen die OECD-Mitgliedstaaten und weniger gegen das Management der beiden Institutionen, denen vorgeworfen wird, nicht Herr im eigenen Hause zu sein. Das Entscheidungsproblem über Zahlungsbilanzhilfen ließe sich aber auch beim CRA nicht umgehen. China mit einem Einlagegewicht von 41% und als einziges Land ohne Zahlungsbilanzprobleme hätte stets ein gewichtiges Wort bei Hilfen mitzureden und wäre zudem auch ständig in der Geberrolle, sozusagen ein „lender of last resort“ innerhalb der Gruppe. Ein Konflikt zwischen den fünf Staaten, die auch untereinander politische Probleme haben, wäre vorprogrammiert, es sei denn, China würde aus übergeordneten Solidaritätserwägungen heraus die Rolle des wohlwollenden Hegemons spielen und auf sein politisches Gewicht verzichten.

So klar das politische Signal ist, so unklar ist das gegenwärtige wirtschaftliche Geschäftsmodell der BRICS-Bank. Zum jetzigen Zeitpunkt ist sie keine Bank im eigentlichen Sinne, sondern lediglich ein Fonds, der aus Steuerzahlergeldern der Mitglieder gespeist wird. Alle Entwicklungsbanken verfügen aber neben diesem Fondsfenster, das für die ärmsten Entwicklungsländer auf Zuschussbasis gedacht ist, noch über ein Kapitalfenster: Sie legen Anleihen auf dem internationalen Kapitalmarkt auf, können dank der Bonität ihrer Mitglieder einen A-Level-Status beanspruchen und damit sehr günstige Konditionen erhalten und geben diese Vorteile als Kredite (nicht Zuschüsse!) für Projekte und Programme in Entwicklungsländern weiter. Über dieses Kapitalfenster verfügt die BRICS-Bank noch nicht. Sie braucht es aber dringend, um eine Multiplikatorrolle zu spielen und damit Wirkung zu erzielen. Sollte sie in diese Richtung gehen, stehen ihr aber erhebliche Probleme entgegen. Jedes der fünf Länder weist mindestens einen der folgenden Malus-Faktoren auf, die auf Kapitalmärkten mit Risikozuschlägen bepreist würden, wenn überhaupt Anleger bereit wären, diese Anleihen zu zeichnen: inkonvertible Währungen, ein nach außen geschlossenes Kapitalverkehrskonto, intransparente und teilweise unentwickelte heimische Finanzmärkte, fragile und verglichen mit OECD-Ländern unsichere Rechtssysteme sowie unter Abwertungsverdacht stehende und international wenig gehandelte Währungen. Würde die BRICS-Bank das aus ihren aufgelegten Anleihen eingeworbene Kapital kostengerecht an die Entwicklungsländer weitergeben, müssten ihre Kredite deutlich teurer als die der Weltbank oder der regionalen Entwicklungsbanken sein. Wären sie es nicht, müssten die Steuerzahler in den fünf Staaten dafür geradestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Empfängerländer wahrscheinlich Kredite in OECD-Währungen bevorzugen würden, um beim Kauf von Gütern die kostengünstigste Quelle nutzen zu können. Diese Währungen können aber von den Zentralbanken der BRICS-Staaten nicht geschaffen werden, und diese Kredite könnten teuer werden, sollte die heimische Währung abwerten. Für das Wechselkursrisiko müssten wiederum die BRICS-Steuerzahler aufkommen. Also dürfte die BRICS-Bank versuchen, auf internationalen Märkten Anleihen in ihren Währungen aufzulegen. Dagegen stünden aber die genannten Malus-Faktoren. Alternativ könnte versucht werden, Anleihen nur auf den BRICS-Märkten aufzulegen und die Empfänger dazu zu verpflichten, einen Teil der Mittel für Käufe in den Geberstaaten zu verwenden („gebundene Entwicklungshilfe“). De facto würde dies einem teilweisen Rücktransfer von Mitteln in die Geberstaaten nahekommen und für die Empfänger weitaus weniger attraktiv sein, als Kredite aus den traditionellen OECD-Quellen zu erhalten, die ungebundene Mittel vergeben.

Neben den Problemen auf der Aufbringungsseite stehen der Bank auch Probleme auf der Verwendungsseite entgegen. Sie will offensichtlich Projekte oder Programme unterstützen, die andere Geber nicht bereit sind zu finanzieren. Dies könnte auch an mangelnder Rentabilität der Projekte liegen. Damit würde die BRICS-Bank vielleicht zu einer „Bad Bank“, die wiederum von den Steuerzahlern in den BRICS-Staaten subventioniert werden müsste. Freundlich formuliert: Diese Bank müsste tiefere Taschen als andere Entwicklungsbanken haben. Die genannten Probleme können sich als Schwierigkeiten im Übergang erweisen. Mit zunehmender Entwicklung der Kapitalmärkte in diesen Ländern, mit der Öffnung der Länder zum internationalen Kapitalverkehr und mit zunehmendem Gewicht der Währungen als internationale Transaktions-, Fakturierungs- und Anlagewährungen würde die BRICS-Bank aus dem Stadium der Isolation und der Antihaltung herauskommen und ein weiteres komplementäres Angebot zu den etablierten Entwicklungsbanken machen, vielleicht auch in Kooperation mit ihnen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.


DOI: 10.1007/s10273-014-1710-x

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