Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

EZB: Richtige Entscheidung

Von Sebastian Dullien

Nach langer Diskussion hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Januar den Einstieg in das „Quantitative Easing“ beschlossen. Über die kommenden anderthalb Jahre sollen nun mehr als 1000 Mrd. Euro an Wertpapieren aufgekauft werden, davon ein beträchtlicher Teil Staatsanleihen. Während im Rest der Eurozone (und wohl auch im Rest der Welt) die Entscheidung der EZB fast einhellig begrüßt wird, ist das Unbehagen in Deutschland groß. Doch wenn man die Argumente genau betrachtet, wird klar: Quantitative Easing ist auch in der Eurozone richtig.

Ein gerade in Deutschland gerne geäußertes Argument dagegen ist, dass durch die Geldpolitik die Zinsen auf Anlagen weiter gedrückt werden. Damit würden die Sparer quasi enteignet, weil es kaum noch Rendite auf Staatsanleihen und Bankeinlagen gäbe. Doch woher kommt die Annahme, dass es ein Grundrecht auf arbeitsloses Einkommen aus Geldvermögen gäbe? Gesamtwirtschaftlich ist derzeit das Angebot an Ersparnissen größer als der Wunsch nach Investitionen. In solchen Fällen richtet es der Markt normalerweise ein, dass Renditen auf null oder sogar darunter fallen. Quantitative Easing hilft nur, dieses Marktergebnis zu erreichen.

Ein anderer Einwand ist, dass die EZB mit Quantitative Easing ihr Mandat überschreite – ein Argument, was jenseits der deutschen Grenze großes Unverständnis hervorruft. Die EZB soll einen kontinuierlichen gemessenen Preisanstieg von knapp unter 2% garantieren. Von diesem Ziel sind wir derzeit weit entfernt. Zuletzt sind die Verbraucherpreise sogar gefallen. Zudem rechnen Umfragen zufolge immer weniger Menschen damit, dass es schnell wieder Preiszuwächse nahe dieser Grenze gibt. Historisch und theoretisch ist wohlbekannt, wie gefährlich eine echte Deflation sein kann: Bei fallenden Preisen wächst der Druck durch – private wie öffentliche – Verschuldung, Investitionen schwächeln, und eine Rückkehr zu einem normalen Wachstumspfad wird zunehmend schwerer. Die EZB hat länger als andere große Zentralbanken gewartet, bevor sie trotz deflationärer Tendenzen mit Quantitative Easing begann. Der Refinanzierungszinssatz ist nahe null, der Einlagenzinssatz schon negativ. Es ist kaum glaubhaft zu behaupten, dass die EZB nicht alle anderen Instrumente ausgeschöpft hätte.

Zu guter Letzt wird oftmals bezweifelt, ob Quantitative Easing in der Eurozone überhaupt funktionieren kann. Skeptiker führen an, die Geschäftsbanken würden damit auch nicht mehr Kredite vergeben. Dies übersieht zwei wichtige Kanäle, wie Quantitative Easing die Wirtschaft (und die Preise) beeinflusst. Zum einen führt es zu einer deutlichen Abwertung des Euro, wie man sie bereits in Vorwegnahme auf die Entscheidung in den vergangenen Wochen beobachten konnte. Diese Abwertung kurbelt zum einen die Exporte an, erhöht zum zweiten die Profite der Exportunternehmen und gibt ihnen damit mehr Mittel für Investitionen und bremst zudem den Verfall der Verbraucherpreise durch höhere Importpreise. Zum anderen entlastet Quantitative Easing die Staatshaushalte und erlaubt mehr Staatsausgaben. Sobald Staatsanleihen von den Notenbanken aufgekauft worden sind, werden die Zinsen auf diese Schuldtitel vom Finanzministerium an die Notenbank überwiesen. Dies erhöht die Notenbankgewinne, die am Jahresende zurück an den Staatshaushalt fließen. De facto bedeutet dies, dass auf die aufgekauften Staatsanleihen per Saldo keine Zinszahlungen mehr fällig werden. Damit bleibt den Regierungen – gerade in Zeiten fortgesetzter Austerität – mehr Geld für andere Ausgaben. Das kurbelt das Wirtschaftswachstum an und begrenzt deflationäre Gefahren.

Quantitative Easing ist natürlich kein Allheilmittel und niemand kann garantieren, dass die Anleihekäufe schnell eine Rückkehr zu einem gesunden Preispfad herbeiführen. Da die Argumente gegen das Quantitative Easing aber schwach sind und die (gravierenden) Risiken einer Deflation wohlbekannt, sollte die Entscheidung der EZB begrüßt werden.

Ölmarkt: Niedrige Preise – ein Wunder?

Von Manuel Frondel

Der Preis für Rohöl fällt und fällt. Das ist für viele überraschend, am meisten wohl für die Peak-Oil-Pessimisten, die das Maximum der globalen Ölförderung in sehr naher Zukunft erreicht, wenn nicht gar bereits überschritten gesehen haben. Die innerhalb eines halben Jahres dramatisch gesunkenen Ölpreise widerlegen nun sowohl die Peak-Oil-Hypothese als auch Mutmaßungen über einen immer weiter steigenden Rohölpreis.

Diese Theorien verwundern doch sehr, da sich Rohstoffmärkte bekanntermaßen zyklisch verhalten. Sind die Preise niedrig, wird wenig in die Exploration und Erschließung neuer Ölfelder investiert. Das war besonders nach der Asienkrise 1998 der Fall, als der Preis unter 10 US-$ pro Barrel (159 Liter) Rohöl fiel. Trifft ein daraus resultierendes niedriges Angebot auf eine stark steigende weltwirtschaftliche Nachfrage, wie dies – nicht zuletzt befeuert durch das Wachstum Chinas – bis zur Finanzkrise 2008 der Fall war, steigen die Preise, bis zum bisherigen Allzeithoch von knapp 150 US-$ im Jahr 2008. Wenn sich das Preisniveau auf hohem Niveau als stabil erweist, wie z.B. in den Jahren 2010 bis 2013, werden immer mehr Investitionen und Projekte zur Erhöhung der Ölproduktion getätigt. Die Ausweitung des Angebots ist die Voraussetzung für wieder sinkende Preise.

Neben hohen Preisen hat auch der technologische Fortschritt Auswirkungen. Dieser ermöglichte die wirtschaftliche Gewinnung der als unkonventionelle Vorkommen bezeichneten Schieferölvorräte. Die USA konnten damit den Rückgang ihrer heimischen Ölproduktion stoppen und ihre Nettoimporte zwischen 2003 und 2013 deutlich von rund 11 Mio. auf 6,5 Mio. Barrel pro Tag verringern. Die dem Weltmarkt nun zusätzlich zur Verfügung stehenden 4,5 Mio. Barrel bedeuten einen Anteil von rund 5% des täglichen weltweiten Verbrauchs von aktuell rund 91 Mio. Barrel. Somit sind sowohl die lange Zeit als richtig erachteten Vorhersagen des Geologen Marion King Hubbert, nach denen die Erdölproduktion in den USA ihren Höhepunkt bereits Ende der 1960er Jahre erreicht hätte, als auch die sich darauf stützende Peak-Oil-Hypothese endgültig widerlegt.

Ungewöhnlich ist allerdings die Reaktion der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC), die auf nachhaltig fallende Preise üblicherweise mit Förderkürzungen reagierte. Vor allem der größte Ölproduzent der OPEC, Saudi-Arabien, hat seine bekannte Rolle als „Swing Producer“ vorerst aufgegeben und sein Angebot trotz fallender Preise nicht verringert. Womöglich hoffen die Saudis mit dieser Strategie zur Begrenzung des Marktpreises die wieder erstarkte Konkurrenz aus den USA schwächen zu können und den Markteintritt anderer potenzieller Anbieter von Schieferöl, wie China, Russland oder Kanada, zu verhindern.

Was die Staatshaushalte vieler OPEC-Mitglieder und auch Russlands derzeit massiv beeinträchtigt, freut die Verbraucher: Verglichen mit dem früheren Preisniveau von über 100 US-$ werden beim derzeitigen Preis von unter 50 US-$ übers Jahr gerechnet mehr als 1,66 Billionen US-$ umverteilt – zulasten der Produzenten. Während bedeutende Ölproduzenten, insbesondere die russische Wirtschaft, ins Schlingern geraten könnten, wirkt dies in den Verbraucherländern wie ein riesiges Gratis-Konjunkturprogramm. Von sehr langer Dauer dürfte dieser Zustand aufgrund der Zyklizität des Marktes aber nicht sein: Die niedrigen Preise von heute sind die Ursache für die hohen Preise von morgen.

Gesetzliche Krankenversicherung: Kopfpauschale beerdigt

Von Jürgen Wasem

Rasch nach der letzten Bundestagswahl war klar: Der Ausflug der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die Welt der „kleinen Kopfpauschale“ geht zu Ende. Hatte die erste Koalition Merkel mit Errichtung des Gesundheitsfonds die Zusatzbeiträge eingeführt und schwarz-gelb sie dann als obligatorisch einkommensunabhängige Prämie ausgestaltet, sah der Koalitionsvertrag im Herbst 2013 die Überführung in einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag vor. Seit Anfang 2015 ist dieser umgesetzt. Wenn auch zahlreiche Ökonomen ihm hinterher trauern: So rasch wird es keinen Pauschalbeitrag mehr geben.

Die Rahmenbedingungen für die Pauschalbeiträge waren ungünstig: Die meisten Krankenkassen kamen ohne Zusatzbeitrag aus, weil die gute Konjunktur auskömmliche Zuweisungen aus dem reich gefüllten Gesundheitsfonds erlaubte. Die wenigen Kassen, die einen Zusatzbeitrag benötigten, standen sofort im öffentlichen Interesse und verloren bis zu 40% ihrer Versicherten. Dies auch, da Pauschalprämien ein leicht verständliches Preissignal sind. Außerdem wurden sie nicht vom Arbeitgeber einbehalten, sondern die Kassen mussten sie gesondert beim Versicherten erheben.

Seit 2013 konnten alle Krankenkassen aufgrund der guten Finanzlage auf einen Zusatzbeitrag verzichten. In der Öffentlichkeit wurde dies teilweise als „kein Preiswettbewerb“ beurteilt. Ich folge da eher der Bundesregierung, die von einem „Übermaß des Preiswettbewerbs“ sprach. Denn den Zusatzbeitrag zu vermeiden, war oberstes Ziel aller Kassenvorstände – die Qualität der Versorgung oder langfristige Effizienzüberlegungen mussten dahinter zurücktreten. Ziel der zum Jahresbeginn in Kraft getretenen GKV-Finanzreform war daher auch, das Gewicht des Preiswettbewerbs zu reduzieren. Entsprechend senkte der Gesetzgeber den Beitragssatz für den Gesundheitsfonds, womit sich die möglichen Zuweisungen aus dem Fonds an die Kassen um gut 11 Mrd. Euro reduzieren. Im Ergebnis benötigen jetzt nahezu alle Krankenkassen einen Zusatzbeitrag, er ist damit keine singuläre Erscheinung bei einzelnen Marktteilnehmern mehr.

Allerdings hat die Koalition im parlamentarischen Verfahren dann doch wieder dafür gesorgt, dass der Preiswettbewerb nicht zu sehr an Intensität verliert: Die Bundesregierung schätzt nunmehr jeweils den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das kommende Jahr. Krankenkassen, die im Vergleich dazu einen überdurchschnittlichen Beitragssatz erheben, müssen ihre Versicherten explizit darauf hinweisen, dass es günstigere Mitbewerber gibt, und wo man sich über diese informieren kann. Folglich versuchen doch wieder alle Krankenkassen, diesen Schwellenwert nicht zu überschreiten. 2015 können dies viele Kassen durch den Einsatz von Rücklagen realisieren. Wenn diese abgebaut sind, wird der Kampf um die Vermeidung jedes Zehntels Zusatzbeitrag wieder volle Fahrt aufnehmen.

Ärgerlich ist dies vor allen Dingen deswegen, weil die Zusatzbeitragssätze nur begrenzt Ausdruck von Effizienzunterschieden zwischen Krankenkassen sind. Denn Wettbewerbsparameter stehen nur sehr wenige zur Verfügung. So müssen die Krankenkassen nach wie vor mit allen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten kontrahieren. Hohe oder niedrige Zusatzbeiträge haben daher zu einem gewichtigen Teil auch andere Ursachen – etwa die regionale Zusammensetzung der Versicherten. Wer durch Preiswettbewerb die Effizienz verbessern will, muss bei den Wettbewerbsparametern für die Kassen nachschärfen.

Frankenkurs: Zentral für Schweizer Wirtschaft

Von Alexander Rathke, Jan-Egbert Sturm

Die Aufhebung des Mindestkurses des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro am 15. Januar 2015 hat die Welt stark überrascht. Seit Dezember 2014 war der Druck auf die Untergrenze wegen der in Aussicht stehenden weiteren Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB), der Verunsicherung im Vorfeld der Wahlen in Griechenland und der Rubelkrise gestiegen. Seit Ende 2013 verlor der Euro nach mehreren Lockerungsschritten der EZB 15% seines Wertes gegenüber dem US-Dollar und zog den Schweizer Franken mit sich. Diese Entwicklungen trugen zur Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank bei, den Mindestkurs aufzuheben und mit der Hilfe von Negativzinsen die Zinsdifferenz zum Euroraum wieder zu erhöhen. Die Schweizerische Nationalbank ist somit der US-amerikanischen Zentralbank gefolgt und hat mit dem Ausstieg aus der „unkonventionellen“ Geldpolitik begonnen, während die EZB den geldpolitischen Ausnahmezustand nun vollends ausgerufen hat. Kurzfristig führte dies zu einer fast 20%igen Aufwertung des Frankens.

Zwar hat der Franken über Jahrzehnte hinweg gegenüber einem Korb von 41 Währungen von Handelspartnern stetig nominell aufgewertet. Gleichzeitig war aber auch die Inflationsrate in der Schweiz meistens tiefer als jene in den Partnerländern. Somit blieb der reale effektive Wert – abgesehen von den Krisenperioden in den 1970er Jahren und nach der Finanz- und Wirtschaftskrise – trotz Schwankungen über längere Zeiträume hinweg recht stabil. In internationalen Krisenzeiten, die gleichzeitig auch Kapitalfluchtzeiten sind, legt der Schweizer Franken beinahe traditionell inflationsbereinigt deutlich an Wert zu. Nach dem Schock der Aufgabe der Untergrenze lag der reale Wert des Frankens so hoch wie nie zuvor und war aus kaufkraftparitätischer Sicht klar überbewertet. Mittel- bis längerfristig, d.h. wenn die sogenannte Safe-Haven-Funktion wieder nachlässt, müsste also eine Abwertung möglich sein.

Wie würde sich eine andauernde Frankenstärke auf die Schweizer Wirtschaft auswirken? Eine Umfrage der KOF Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigt, dass der Effekt von „Wechselkursschocks“ stark von der Branchenzugehörigkeit abhängt. So büßt wenig überraschend die Tourismusbranche deutlich an Wettbewerbsfähigkeit ein. Die exportorientierten Industrieunternehmen sind ebenfalls stark betroffen und erwarten deutliche Umsatzrückgänge. Derartige Auswirkungen sind im Baugewerbe dagegen weitaus geringer. Auch wenn viele Unternehmen den negativen Effekt abdämpfen können, indem sie Vorleistungen importieren, wird die Schweizer Wirtschaft gemäß unserer jüngsten Institutsprognose vom 28. Januar 2015 in diesem Sommerhalbjahr eine Rezession durchmachen, wenn der Wechselkurs weiterhin nahe der Parität verbleibt.

Nach einer dreieinhalbjährigen „Ruhephase“ unter dem Schirm des Mindestkurses, in der sie die vorherige starke Aufwertungsphase zu verdauen hatte, muss sich die Schweizer Wirtschaft jetzt wieder, möglicherweise heftigen, Wechselkursschwankungen stellen. Bleibt der Franken nahe der Parität, stellt dies viele Firmen vor große Herausforderungen. Sie werden sich dann nochmals einer Rosskur unterziehen und sich den neuen Bedingungen anpassen müssen. Wie schnell ihnen das diesmal gelingt, welche strukturellen Änderungen das mit sich bringen wird und inwieweit auch diesmal die Binnenkonjunktur als Stabilisator auftreten kann, ist allerdings noch schwer abzuschätzen. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass der Franken in nächster Zeit wieder etwas an Wert verliert. Das würde die Notwendigkeit zu harten Strukturanpassungen naturgemäß reduzieren. Zentral für die Zukunft der Schweizer Volkswirtschaft wird also sein, auf welchem Niveau sich der Wert des Frankens in den nächsten Wochen und Monaten einpendeln wird.


DOI: 10.1007/s10273-015-1784-0

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.