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Die Europäische Union hat sich verpflichtet, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 20% zu reduzieren. Für dieses Ziel ist die EU-Verordnung zu den Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen von besonderer Bedeutung. Sie hat dazu beigetragen, dass die CO2-Emissionen pro Neuwagen in der EU bereits deutlich gesunken sind. Allerdings ist in jüngster Zeit eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Die niedrigen Treibstoffpreise befördern den Kauf von PS-starken SUV und lassen den Verkauf von elektroangetriebenen und Hybrid-Fahrzeugen verkümmern. Wenn diese Entwicklung nicht aufgehalten wird, werden die deutschen Autohersteller Schwierigkeiten haben, ihre Emissionsnormen zu erfüllen.

Die niedrigen Preise für Benzin und Dieselkraftstoff lösen bei den Neuwagenkäufern eine Verhaltensänderung weg von nachhaltiger Mobilität aus. Gekauft werden vermehrt Fahrzeuge mit höherer Motorleistung, größere Fahrzeuge – wie die sportlichen Geländewagen (SUV) – während alternative Antriebe wie Erdgas oder Flüssiggas und Elektroantriebe zu „Mauerblümchen“ degenerieren. Für die deutschen Autobauer könnte diese Entwicklung trotz aller heutigen Gewinne morgen zum Problem werden, denn nach dem Jahr 2020 fordert die EU-Kommission in ihrer Regulierung deutlich CO2-ärmere Neuwagen.

Bereits 2009 hatte sich die Europäische Union verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2020 um 20% gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren.1 Ein wichtiges Teil des Programms ist die Verringerung der CO2-Emissionen aus dem Pkw-Verkehr, der 2012 etwa 12% der gesamten CO2-Emissionen in der EU verursachte. Eine entscheidende Maßnahme zur Erreichung des Ziels im Pkw-Verkehr stellt die EU-Verordnung Nr. 443/2009 vom 23. April 2009 zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen dar. Danach muss der Durchschnitts-CO2-Verbrauch von in der EU verkauften Neuwagen bis zum Jahr 2015 die Grenze von 130 g/km erreichen. Für CO2-Emissionen oberhalb dieses Grenzwerts fallen für die Autobauer je nach Gewicht des Fahrzeugs empfindliche Strafzahlungen an.2 Durch diese Verordnung wurde eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen bei Neuwagen erreicht, wie Abbildung 1 zeigt. So lag die CO2-Emission eines in der EU-verkauften Neuwagens 2013 bei 127,6 g/km. Der Zielwert wurde damit deutlich vor dem Jahr 2015 unterschritten.

Abbildung 1
CO2-Emissionen pro Neuwagen in der EU27
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Hinweis: 95 g CO2/km entspricht 3,6 l Diesel/100 km oder 4,0 l Benzin/100 km.

Quelle: EU-Kommission; eigene Berechnungen.

Die Regulierungsmaßnahme hat die gesetzten Ziele deutlich vor dem Zieldatum erreicht. Getrübt wird diese positive Bilanz allerdings durch zwei Faktoren. Erstens spiegelt die Messmethode für CO2-Emissionen nach dem sogenannten NEFZ (neuer europäischer Fahrzyklus) nicht den realistischen Alltags-CO2-Verbrauch wider, sondern misst „zu optimistisch“. Mit einem neuen Messverfahren, dem WLTP-Test (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure), soll dies zukünftig verbessert werden. Die Verhandlungen zur Umsetzung des WLTP sind EU-weit noch nicht endgültig abgeschlossen. Erwartet wird allerdings, dass bis zum Jahr 2017 mit der Einführung des neuen Messverfahrens gerechnet werden kann.

Der zweite Faktor, der die schöne Bilanz der Abbildung 1 trübt, ist die Entwicklung der sogenannten alternativen Antriebe. Darunter fallen alle Antriebsarten, die weder ausschließlich Ottokraftstoff noch Dieselkraftstoff als Energie nutzen. Zusammengefasst sind dies Erdgas-, Flüssiggas-, Hybridantriebe sowie reine Elektroantriebe, die entweder Batterien oder Brennstoffzellen als Stromlieferanten nutzen. Die EU-Regulierung konnte nicht dazu beitragen, dass sich der Anteil dieser alternativen Antriebe erhöhte. So wurden sowohl in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 als auch 2014 mehr als 98% aller Pkw-Neuwagen in Deutschland entweder als reine Benziner (50% Marktanteil) oder Diesel (48% Marktanteil) zugelassen. Die klassischen konventionellen Antriebe Benzin und Diesel prägen den Markt, ein Umschwenken zu CO2-ärmeren Antriebsarten wurde durch die Regulierung nicht bewirkt.

Niedrige Treibstoffpreise kontraproduktiv für Klimaziele

Abbildung 2 zeigt einen dritten Effekt, der sich in den letzten zwei Jahren kontraproduktiv zur Entwicklung der CO2-Emissionen bei den Pkw-Neuwagen in Deutschland entwickelt hat. Ausgangspunkt ist die Preisentwicklung konventioneller Kraftstoffe (Benzin, Diesel), illustriert am Beispiel der Entwicklung der Dieselkraftstoffpreise in Deutschland. So betrug im April 2014 der durchschnittliche Preis pro Liter Dieselkraftstoff an deutschen Tankstellen 1,22 Euro. Dies entspricht dem Preis des Jahres 2010. Deflationiert man die Dieselpreise mit dem Verbraucherpreisindex für Deutschland, ergibt sich für den April 2014 ein Dieselkraftstoffpreis von 0,98 Euro pro Liter. Dies entspricht dem Preis des Kraftstoffs des Jahres 2005. Mit anderen Worten, Dieselkraftstoffe kosten „deflationiert“ im Jahre 2015 genauso viel wie zehn Jahre zuvor. Für Autofahrer ist das eine Art „Preis-Paradies“, das deutliche Wirkung auf das Nachfrageverhalten bei Neuwagen zeigt.

Abbildung 2
Preisentwicklung für Dieselkraftstoff in Deutschland
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Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Die Analyse der Neuzulassungsdaten des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigt, dass sich das Nachfrageverhalten der Neuwagenkäufer ausgelöst durch die niedrigen Treibstoffpreise zuungunsten klimafreundlicherer Fahrzeuge ändert. Der Trend zu den sportlichen Geländewagen (SUV) wird deutlich verstärkt, während alternative Antriebe „verkümmern“. Vier Einzelergebnisse lassen sich zusammenfassen:3

  1. Neuwagenkäufer lassen die Hybride-, Plug-In-Hybride und Elektroautos der Autobauer links liegen. Pro Modell haben die deutschen Autobauer 2014 monatlich nur 14 Fahrzeuge an „echte“ Endkunden – also ohne Eigenzulassungen – verkauft. Zur Einschätzung dieser Zahl mag der Vergleich mit den Verkäufen des VW Golfs in der Diesel-Version in Deutschland hilfreich sein. Vom Golf Diesel wurden 2014 monatlich 6028 Fahrzeuge verkauft, dabei sind Eigenzulassungen des Herstellers und der Händler nicht berücksichtigt.
  2. Mit billigem Treibstoff steigt der Wunsch nach höherer PS-Leistung der Neuwagen. Mittlerweile beträgt die Motorstärke des Durchschnitts-Neuwagens in Deutschland 143 PS.
  3. Durch billigen Treibstoff setzt sich der Boom der SUV in einem bisher nicht gekannten Maße fort. In diesem Jahr wird nach unserer Prognose erstmals die Zulassungsgrenze von 600 000 SUV erreicht werden. Damit wäre fast jeder fünfte Neuwagen ein sportlicher Geländewagen.
  4. Das zögerliche Verhalten, Elektrofahrzeuge und/oder Plug-In Hybrid-Fahrzeuge zu kaufen, wird verstärkt. Bei Preisen konventioneller Kraftstoffe, die auf dem Niveau des Jahres 2005 liegen, verkümmert jeder Anreiz, lokal emissionslose Fahrzeuge zu kaufen. Für die deutschen Autobauer ist dieser Trend nicht ohne Risiko, denn ab dem Jahr 2022 brauchen die deutschen Hersteller, die größere Fahrzeuge verkaufen, die Plug-In-Hybride zur Erfüllung der von der EU-Kommission gesetzten CO2-Vorgaben (vgl. Abbildung 1).

Ergebnis 1: Hybrid- und Elektro-Modelloffensive der Deutschen ohne Wirkung

Am ernüchternsten fällt die Bilanz der Neuwagenverkäufe bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen der deutschen Autobauer aus. Tabelle 1 stellt die Details dar. Von den Fahrzeugen der Marken Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, Porsche und VW wurden 2014 insgesamt 1,880 Mio. Pkw in Deutschland neu zugelassen. Darunter waren – wie Tabelle 1 zeigt – 8463 Fahrzeuge mit Hybrid-, Plug-in-Hybrid- oder reinem Elektroantrieb. Ein Teil der Fahrzeuge lassen die Hersteller auf sich selbst zu – also etwa Testwagen oder Fahrzeuge für Mitarbeiter – oder es sind Zulassungen von den Händlerbetrieben. Zieht man diese sogenannten Eigenzulassungen ab, verbleiben 4814 Zulassungen auf Privatkunden oder Unternehmen, also „echte“ Neuwagen-Verkäufe. Tabelle 1 zeigt, dass sich die Situation in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 nicht verändert hat, obwohl zusätzliche Modelle, wie etwa die Mercedes S-Klasse und C-Klasse als Plug-In-Version, im Markt angeboten werden.

Tabelle 1
Pkw-Zulassungen deutscher Autobauer in Deutschland
  2010 2011 2012 2013 2014 Jan.- Mai 2015
Deutsche Autobauera 1 805 061 1 984 481 1 910 955 1 833 289 1 879 740 806 885
Elektro + Hybrid 1 381 1 772 3 234 4 983 8 463 4 995
Elektro + Hybrid (ohne Eigenzulassungen) 484 472 1 301 1 893 4 814 2 911
Modelle Elektro + Hybrid deutscher Autobauer 5 12 18 21 28 31
Monatliche Zulassungen pro Modell (ohne Eigenzulassung) 8 3 6 8 14 19

a Definiert als folgende Marken: Audi, BMW, Ford, Mercedes, Opel, Porsche und VW.

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt: Pkw-Neuzulassungsdaten für die Bundesrepublik Deutschland; eigene Berechnungen.

Gegenüber 2013 sind das immerhin 2,5-mal so viele Fahrzeuge wie im Jahr zuvor. „Markthochlauf-Phase“ nennt das gerne der Verband der Autobauer. Schaut man sich jetzt die Zahl der Modelle an (vgl. Tabelle 1), sieht man, dass die deutschen Autobauer im Jahr 2014 immerhin 28 unterschiedliche Fahrzeugmodelle angeboten haben. Pro Monat wurden damit von allen deutschen Autobauern im Durchschnitt pro Modell ganze 14 Neuwagen von „echten Kunden“ zugelassen. Die Zahl zeigt, wie schwierig derzeit das Geschäft mit alternativen Antrieben ist. Preisgünstiger Treibstoff macht Hybrid-, Plug-In-Hybrid- und Elektroautos für Autokäufer zu Ladenhütern. Der Dieselantrieb hatte bei den deutschen Autobauern im Jahr 2014 einen Anteil von 55%, d.h. 1,033 Mio. Diesel-Pkw standen 8463 Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und Elektro-Fahrzeugzulassungen gegenüber.

Einige Beispiele von Verkäufen von Plug-In-Hybriden illustrieren die Lage. So hat VW vom Modell Golf GTE – die Plug-In-Version – seit der Einführung 2014 bis Ende Februar 2015 in Deutschland knapp 900 Fahrzeuge in die Zulassung gebracht. Mehr als 800 Fahrzeuge davon – also 91% waren Eigenzulassungen. Beim E-Golf, also der rein Batterie angetriebenen Golf-Version, wurden von Anfang Januar 2014 bis Ende Februar 2015 etwas mehr als 1200 Fahrzeuge neu zugelassen, davon 62% Eigenzulassungen. Nicht viel besser ist die Bilanz des Audi A3 Plug-In-Hybrids. Seit der Einführung 2014 bis Ende Februar 2015 wurden von dem Fahrzeugmodell in Deutschland 675 Fahrzeuge zugelassen, davon waren 571 Eigenzulassungen, also 85%. Es sind damit keine „echten“ Kunden-Nachfragen, welche die Steigerungsraten bei den Neuzulassungszahlen bei Plug-In-Modellen generieren, sondern die Fahrzeuge sind nur „formal“ in der Statistik „verbucht“.

Nicht viel besser sieht es bei dem ersten Modell der Plug-In-Technik, dem Opel Ampera, aus. Vom Opel Ampera wurden in oben genannten 14 Monaten – also bis Ende Februar 2015 – gerade 119 Fahrzeuge zugelassen, davon 64% Eigenzulassungen. Auch bei den Importeuren sieht die Bilanz trübe aus. So wurden etwa seit der Markteinführung im Jahr 2014 bis Ende Februar 2015 vom Mitsubishi Outlander in der Plug-In-Version 1300 Fahrzeuge in die Zulassung gebracht, davon waren knapp 850 Fahrzeuge oder 65% Eigenzulassungen. Und auch bei Porsche wachsen die Plug-In-Träume nicht in den Himmel. Seit Anfang 2014 bis Ende Februar 2015 wurden 201 Panamera Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge zugelassen, davon 65% Eigenzulassungen. Die Neugierde an der neuen Elektrofahrzeugtechnik ist durch die niedrigen Treibstoffpreise auf ein absolutes Minimum geschrumpft. Es wird schwer werden, Neuwagenkäufer selbst bei steigenden Treibstoffpreisen von einer im Markt nicht wahrnehmbaren Technik zu überzeugen.

Ergebnis 2: PS-Zahlen steigen weiter

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der PS-Zahlen der in Deutschland verkauften Neuwagen. Seit 1995 bewegen sich die PS-Zahlen der Neuwagen mit Ausnahme eines Jahres 2009 nach oben. 2009 galt die sogenannte Abwrackprämie, die einen Boom bei Kleinwagen auslöste. Während in den Jahren 2012 und 2013 mit jeweils 137 PS die PS-Zahlen stagnierten, haben sich die Neuwagen 2014 mit 140 PS und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 mit 143 PS deutlich nach oben bewegt. „Gerundet“ steigen die PS-Zahlen um jeweils 3 PS von 2013 auf 2014 und von 2014 auf 2015. Dies ist nach dem „Aufholprozess“ von 2009 bis 2012 eine deutliche Steigerung. Es scheint, als treibe der preisgünstige Treibstoff die Nachfrage nach Neuwagen mit höherer Motorleistung an.

Abbildung 3
Motorstärke von Pkw-Neuwagen in Deutschland
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Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt: Pkw-Neuzulassungsdaten für die Bundesrepublik Deutschland; eigene Berechnungen.

Ergebnis 3: verstärkter Boom der sportlichen Geländewagen SUV

Tabelle 2 zeigt, dass der Verkauf und die Verkaufsanteile von SUV in den letzten 17 Monaten einen deutlichen Sprung „nach oben“ gemacht haben. Mittlerweile sind 18,8% aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw sportliche Geländewagen. Im letzten Jahr kamen knapp 550 000 SUV neu auf Deutschlands Straßen. 2015 bewegt sich ihre Zahl in Richtung 600 000. Zwar werden vermehrt die sogenannten Kompakt-SUV verkauft, aber es gilt der Zusammenhang, dass der SUV aufgrund seiner Größe mehr Treibstoff verbraucht als die vergleichbare Limousine oder das vergleichbare Stufenheck. Der zusätzliche Treibstoffverbrauch einer SUV-Variante gegenüber etwa der vergleichbaren Stufenheckvariante liegt in der Größenordnung von 25%. Da das SUV-Segment in Deutschland boomt und die SUV derzeit im Durchschnitt mit 27 PS höher motorisiert sind als der „Durchschnitts-Neuwagen“, steigen mit den wachsenden SUV-Zulassungen auch die PS-Zahlen.

Tabelle 2
Zulassungen und Marktanteile von SUV in Deutschland
SUV 2010 2011 2012 2013 2014 Jan.- Mai 2015 Prognose 2015
Absolut 332 048 422 105 490 932 486 409 547 339 245 961 600 000
Anteil 11,4% 13,3% 15,9% 16,5% 18,0% 18,8% 19,0%

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt: Pkw-Neuzulassungsdaten für die Bundesrepublik Deutschland; eigene Berechnungen.

Tabelle 3 zeigt, dass die in Deutschland neu zugelassenen SUV in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 148 g CO2/km emittierten während der Durchschnitts-Neuwagen nur 126 g CO2/km ausstößt. Der SUV emittiert damit 18% mehr CO2 oder Treibstoff als der Durchschnitts-Neuwagen. Damit steigt der Druck zur Erfüllung der CO2-Vorgaben auf die deutschen Autobauer, die überwiegend größere und schwere Fahrzeuge verkaufen als die Importeure. Da Hybrid-, Plug-In-Hybrid- und Elektroautos der deutschen Autobauer wegen des billigen Treibstoffs von den Kunden nicht angenommen werden, verschärft sich mit der boomenden SUV-Welle ein möglicher Konflikt zur Erreichung der CO2-Vorgaben nach dem Jahr 2021 für deutsche Autobauer.

Tabelle 3
CO2-Emissionen verkaufter SUV in Deutschland
CO2-Emissionen 2012 2013 2014 Jan.-Mai 2015
SUV (g CO2/km) 164 158 151 148
Durchschnitts-Pkw (g CO2/km) 138 133 129 126
Differenz absolut (g CO2/km) 26 25 22 22
Differenz 19% 19% 17% 18%

Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt: Pkw-Neuzulassungsdaten für die Bundesrepublik Deutschland; eigene Berechnungen.

Ergebnis 4: alle alternativen Antriebe „verkümmern“

Das Bild der alternativen Antriebe im Automarkt ist mehr als ernüchternd. Klammert man Toyota und Lexus sowie die Zulassungen der Autobauer auf sich selbst aus, dann wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in Deutschland 1,1% aller Neuwagen als alternative Antriebe – d.h. nicht Diesel und Benzin – neu zugelassen. Pkw-Neuwagen mit Gasantrieb – also Flüssiggas (LPG) und Erdgas (CNG) – machen 0,4% der Neuwagen-Zulassungen in Deutschland aus. Der Trend ist rückläufig, obwohl neue Modelle, wie etwa bei VW der Passat oder Golf angeboten werden – freilich zu hohen Preisen.

2014 wurden pro Monat zehn Fahrzeuge pro Gasantrieb-Modell zugelassen

So wurden 2014 im deutschen Automarkt 125 unterschiedliche Modelle an Erdgas- und Flüssiggas-Fahrzeugen angeboten. Insgesamt kamen 14 446 Fahrzeuge mit Gasantrieb, überwiegend Bi-Fuel, neu in den Markt. Monatlich haben die Autobauer 2014 damit pro Modell lediglich zehn Fahrzeuge verkauft. Es wird deutlich, dass auch diese Verkaufsbilanz enttäuschend und nicht tragbar defizitär ausfällt.

Nicht viel besser sieht es mit Hybriden und Elektroautos aus. Mittlerweile sind 59 unterschiedliche Fahrzeugmodelle (Hybrid-, Plug-In-Hybride, Elektro) von allen Automarken in Deutschland im Angebot. So hoch war die Angebotsvielfalt in diesem Segment noch nie. Im Jahr 2014 wurden trotz der profilierteren Toyota-Modelle pro Fahrzeug-Modell 281 Fahrzeuge zugelassen. Auch in den nächsten Monaten muss hier mit Stagnation gerechnet werden. Billiger Dieseltreibstoff erschwert deutlich die Markteinführung der sogenannten Plug-In-Hybride. Damit verstärkt der preisgünstige Treibstoff den Druck auf die Vermarktung der Elektromobilität. Für Neuwagenkäufer ist es ökonomisch wenig sinnvoll für Aufpreise von 10 000 Euro und mehr ein Plug-In-Fahrzeug zu kaufen, Stromladezeiten und Umstände in Kauf zu nehmen bei nahezu gleichem Treibstoffverbrauch wie beim Diesel. Statt der Plug-In-Fahrzeuge kauft der Kunde mehr PS und SUV.

Fazit: niedrige Treibstoffpreise belasten den Umstieg in nachhaltige Mobilität

Billiger Treibstoff lässt den Automarkt in alte Muster zurückfallen. Alternative Antriebe verkümmern, Fahrzeuge mit hohen PS-Zahlen und große Autos – sprich SUV – stehen verstärkt auf der Shopping-Liste der Kunden. Für die deutschen Autobauer ist das eine risikoreiche Entwicklung. Bis zum Jahre 2022 müssen sie Plug-In-Hybride und Elektroautos in größerem Umfang verkaufen, um die von der EU vorgegebenen CO2-Ziele zu erreichen. Die neue Technik ist „ungewohnt“ für die Käufer. Ein Gewöhnungseffekt benötigt Zeit, d.h. die Zeit zur Einhaltung der zukünftigen CO2-Vorgaben wird eng. Damit könnten die deutschen Autobauer gezwungen sein, verstärkt eine Quersubventionierung ihrer Fahrzeuge vorzunehmen, um die Nachfrage nach alternativen Antrieben zu beleben. Quersubventionierung – also die konventionellen Antriebe künstlich teurer zu machen, könnte im Wettbewerb mit den Importeuren „Wettbewerbsnachteile im Kerngeschäft“ bedeuten. Es scheint sich durch den billigen Ölpreis und den Gewöhnungseffekt der Käufer an große, PS-starke Autos ein Dilemma für die deutschen Autobauer abzuzeichnen.

Neben den geschilderten Effekten verstärkt der preisgünstige Treibstoff ein der EU-Regulierung immanentes Wettbewerbsproblem. Konzerne, die in allen Fahrzeugklassen anbieten, wie etwa der VW-Konzern, haben nach 2022 die Möglichkeit strengere CO2-Auflagen bei den Premiummarken des Konzerns – also etwa Audi oder Porsche – leichter ausgleichen zu können als reine Premiumhersteller wie BMW oder Mercedes. Ein großer leistungsstarker SUV kann dann bei Porsche durch mehrere Skoda-Kleinwagen in seiner CO2-Wirkung für die EU-Regulierung balanciert werden. Bei BMW oder Daimler ist dieser Ausgleich weniger leicht möglich. Daher wird man gezwungen sein, einen höheren Anteil an kostentreibenden Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen zu vermarkten. Dies wirkt sich direkt auf die Gewinn-Vergleichssituation der Gruppen aus. Pooling-Möglichkeiten oder der Zukauf etwa von CO2-Einsparungen von anderen Konzernen wird eher eine theoretische Möglichkeit darstellen. Der preisgünstige Treibstoff hat damit erhebliche Konsequenzen für die nachhaltige Mobilität und den Wettbewerb im Automarkt. So schön der niedrige Benzin- und Dieselpreis für die Autofahrer auch sein mag, so schlecht ist er für die Entwicklung zu einer nachhaltigeren Mobilität.

  • 1 Vgl. Entscheidung, Nr. 406/2009/EG, des Europäischen Parlaments und Rates, vom 23.4.2009.
  • 2 Vgl. EU-Verordnung zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen, Nr. 443/2009, vom 23.4.2009.
  • 3 Die Ergebnisse basieren auf den Pkw-Neuzulassungsdaten des Kraftfahrt-Bundesamtes für die Bundesrepublik Deutschland.

Title:Low Oil Price Drives Demand to Bigger Cars

Abstract:Data from German car market shows that low oil prices are changing buying patterns for new cars. Whereas fuel consumption and CO2 emissions have been reduced substantially during the last ten years, decreasing fuel prices have reversed this trend. Four effects can be observed. First, engine horsepower is strongly increasing. Second, the market shares of larger cars, especially SUVs (sport utility vehicles) are rising. Third, despite the continuously increasing supply of hybrid and battery electric vehicles, their sales levels remain extremely low. Fourth, alternative powertrains are nearly completely ignored by new car buyers. This is a dangerous trend. After 2021 carmakers will have to fulfill stronger CO2 emission targets, which can only be reached with alternative powertrains. Pure premium carmakers like BMW or Daimler have in the current regulatory framework more disadvantages compared to Audi or Porsche because there are no tradeoff effects between volume and premium cars. Thus, regulation distorts competition.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1864-1

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