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Veranstaltungsrückblick: Gerhard Schick und Adelheid Sailer-Schuster: Machtwirtschaft - nein danke!

Dienstag, 27.05.2014

18:00 – 19:30 Uhr

ZBW, Raum 519
Neuer Jungfernstieg 21
Hamburg

Gerhard Schick ist ein Fan von Walter Euckens Ordoliberalismus. Dies bekannte er bei der Vorstellung seines Buches zur „Machtwirtschaft“ am 27. Mai 2014 in der Diskussion mit Adelheid Sailer-Schuster, der ehemaligen Chefin der hamburgischen Niederlassung der Bundesbank. Schick fürchtet, dass die Wirtschaft zunehmend weltweit von großen Konzernen, die sich nicht scheuen, der Politik ihre Interessen aufzudrücken, dominiert wird.

Buchcover: Machtwirtschaft - nein danke!

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gerhard Schick, ist ein Fan von Walter Euckens Ordoliberalismus. Dies bekannte er bei der Vorstellung seines Buches zur „Machtwirtschaft“ am 27. Mai 2014 in der Diskussion mit Adelheid Sailer-Schuster, der ehemaligen Chefin der hamburgischen Niederlassung der Bundesbank. Schick fürchtet, dass die Wirtschaft zunehmend weltweit von großen Konzernen, die sich nicht scheuen, der Politik ihre Interessen aufzudrücken, dominiert wird. „Die Marktwirtschaft hingegen setzt auf die Vielfalt von Anbietern, wo jeder einzelne nicht den Markt bestimmen kann, sie setzt also auf Leistungswettbewerb. Für die sich mittlerweile herausgebildete Machtkonzentration zählt Leistung aber nicht.“ Schick nennt beispielhaft für den Agrarbereich den internationalen Konzern Monsanto und die Strukturen in der Finanzindustrie, die er für verantwortlich für die aktuelle Krise hält.

Der normale Bürger oder Steuerzahler hat Schicks Auffassung nach jedenfalls keine Verantwortung für die Finanzkrise, er sollte in Finanzdingen, auch weil er an die Altersvorsorge denken muss, gut beraten werden. Schick führt das wie folgt aus:

„Aber warum zwingen wir denn die Menschen in einen Finanzmarkt, den sie nicht verstehen?

Und nehmen dabei in Kauf, dass sie Beratern, Vermittlern viel Geld lassen, letzten Endes, da gibt es interessante empirische Untersuchungen dazu, die Qualität der Anlageentscheidung nicht verbessern.

Und warum müssen wir Menschen dazu zwingen, die keine Ahnung haben und keine Lust, dass sie sich damit beschäftigen, wenn sie doch den guten Willen haben, Altersvorsorge zu betreiben, und genau deswegen ist mein Vorschlag: lassen Sie uns einen Standardweg machen, den jeder automatisch macht.“

Dass der Staat bereit ist, große Banken (too big to fail) zu stützen, hält er für falsch: „Ich schaue sehr kritisch auf die Rolle des Staates.“ Die Finanzkrise hält er für das Ergebnis eines eklatanten Staatsversagens, denn das Funktionieren des Marktes sei nur so gut, wie die staatliche Regelsetzung es möglich mache.

Was muss aber getan werden, um die Machtwirtschaft wieder in eine Marktwirtschaft zu verwandeln? Der Ordoliberalist verschmähe ja nicht den Staat, meint Schick; dieser habe die Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit eine wettbewerbliche Marktwirtschaft funktioniert. Man solle aber nicht glauben, dass Regeln auf nationaler Ebene etwas nützen, Großkonzerne seien international organisiert und bedürfen insofern zumindest einer Behandlung auf europäischer Ebene. So müsse die EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde für eine Entflechtung sorgen. Schick ist zuversichtlich, dass sich eine strengere Kartellgesetzgebung durchsetzen lässt. Er sieht ein Vorbild in der amerikanischen Bürgerbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, des „progessive movement“, die letztlich im Kampf gegen den Monopolkapitalismus die Antitrustgesetzgebung in den USA durchsetzte. Zuversichtlich ist er auch, weil die Finanzkrise manche festgefügte Vorstellung von Politikern und Ökonomen ins Wanken gebracht hat. Die Forderung nach hohen und nicht an risikogewichteten Werten orientierten Eigenkapitalquoten für Banken wird mittlerweile von vielen erhoben. Und das klassische Prinzip, dass derjenige, der ein Angebot macht, auch für dessen Folgen haften muss, hat in der Finanzkrise, die auch eine „Banker-Krise“ ist, an Überzeugungskraft gewonnen.

Adelheid Sailer-Schuster hatte Gerhard Schick mit pointierten Fragestellungen durch sein Buch geführt. In der Analyse lagen beide nicht weit auseinander, in Hinblick auf die zu ziehenden Konsequenzen gab es im Detail geringe Diskrepanzen.

Die folgende Diskussion leitete Brigitte Preissl. Dabei ging es um ganz konkrete Fragestellungen, etwa darum, wie man denn einen Konzern wie Google zerschlagen könne. Schick vertritt die Auffassung, der Konzern ließe sich nach Regionen oder auch nach Sparten trennen. Diskutiert wurde auch über die Bedeutung von EU-Institutionen, die Besteuerung in Deutschland und weitere Themenfelder.

Anschließend setzten die Zuhörer bei Wasser, Wein und Häppchen die Gespräche fort.

 

Machtwirtschaft - nein danke! Für eine eine Wirtschaft, die uns allen dient

Es läuft etwas grundsätzlich schief: Die Wirtschaft ist nicht mehr für die Menschen da. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick erklärt, wie es soweit kommen konnte und was jetzt passieren muss.

In was für einer Wirtschaft leben wir eigentlich? Großunternehmen streben nach Finanzkraft und Marktmacht, anstatt sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren. Leistungen werden nicht mehr im Sinne der Kunden, sondern allein für den Profit erbracht. Wie sinnvoll ist eigentlich ein Wirtschaftssystem, mit dem wir die ökologischen Lebensgrundlagen zerstören, das wiederkehrende Finanzkrisen erzeugt und die Gesellschaften durch wachsende Ungleichheit zerreibt? Eigentlich ist es Aufgabe des Staates, Machtstrukturen zu verhindern und als Interessenvertreter des Gemeinwohls zu handeln. Doch Wirtschaft und Politik stehen in einer symbiotischen Beziehung, als dass der Staat die großen Unternehmen kontrollieren oder die Finanzmärkte regulieren würde – das Vertrauen ist verspielt.

Marktversagen auf der einen, Staatsversagen auf der anderen Seite – diese Konstellation bezeichnet der Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte als „Machtwirtschaft“. Deshalb geht es auch nicht mehr um die Auseinandersetzung zwischen Staat oder Markt, links oder rechts. Der zentrale Gegensatz ist der zwischen Gemeinwohl und Machtwirtschaft.

Adelheid Sailer-Schuster, frühere Präsidentin der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, diskutierte am 27.5.2014 mit Gerhard Schick über „Machtwirtschaft“.

Das Buch „Machtwirtschaft - nein danke!“ ist im Februar 2014 beim Campus Verlag erschienen. Weitere Literatur von Gerhard Schick finden Sie im Wirtschaftsdienst-Archiv und bei EconBiz, dem Online-Katalog der ZBW.

Dr. Gerhard Schick, Mitglied des Bundestages, ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.