Im März hat die Bundesregierung beschlossen, die gezielte Anwerbung von IT-Spezialisten aus Nicht-EU-Ländern zu erleichtern, um der Wirtschaft die Deckung ihres akuten Fachkräftebedarf zu ermöglichen. Ist die Green Card das geeignete Mittel, den Mangel an EDV-Experten zu beheben? Sollte sie auch für andere Bereiche eingeführt werden?
Das Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs
Mitte März haben die Bundesregierung und die Informations- und Kommunikationstechnologie-Wirtschaft das „Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs in Deutschland" vereinbart. Dieses Programm dient zum einen der kurzfristigen Deckung des akuten Bedarfs an IT-Spitzenfachkräften, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt zur Zeit nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Zum anderen wurden ergänzende Maßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung vereinbart, die den mittel- und langfristigen Bedarf von IT-(Spitzen-)Fachkräften decken sollen.
Deckung des akuten IT-Spitzenkräftebedarfs
Zur Zeit sind in der Informationswirtschaft ca. 1,74 Mill. Arbeitnehmer beschäftigt. Nach Angaben der Wirtschaft fehlen momentan ca. 75.000 IT-Fachkräfte in Deutschland, vorwiegend Spitzenfachkräfte. Die EU hat bereits 1998 das Fehlen von europaweit ca. 500.000 IT-Fachkräften berichtet; im Jahre 2003 sollen sogar bis zu 1,7 Mill. IT-Fachkräfte fehlen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. In Deutschland sind zwar ca. 30.000 EDV-Fachleute arbeitslos gemeldet, darunter finden sich aber viele Berufsgruppen, die von der Qualifizierung her nicht zu den Spitzenfachkräften zu rechnen sind, etwa Datenverarbeitungskaufleute, EDV-Vertriebsfachleute etc. Auch stehen vielfach die heute benötigten Kenntnisse nicht zur Verfügung.
Dringend fehlen hingegen Informatiker mit Hoch- oder Fachhochschulabschluss, die vor allem im Bereich der Softwareentwicklung benötigt werden. Hier werden vielfach auch zusätzliche Kompetenzen aus anderen Wissenschaftsbereichen erwartet, also z.B. gute Kenntnisse im Bereich der Wirtschaft oder der Technik. Für die Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Software wäre es hervorragend, wenn der Bewerber nicht nur die modernen Programmiersprachen beherrscht, sondern auch noch über gute betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Kenntnisse verfügt. Im Bereich der technischen Softwareentwicklung werden hingegen beispielsweise tiefgehende Kenntnisse aus dem Bereich der Elektronik verlangt. Die Hoch- und Fachhochschulen, die zur Zeit jährlich deutlich unter 10.000 Informatik-Absolventen in den Arbeitsmarkt entlassen, können den akuten Bedarf nicht decken. Viele dieser Fachkräfte haben bereits vor dem förmlichen Abschluss ihres Studiums einen Arbeitsvertrag in der Tasche und treten auf dem freien Stellenmarkt erst gar nicht in Erscheinung. Die ca. 36.000 Umschulungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen pro Jahr seitens der Bundesanstalt für Arbeit führen meistens nur zu Qualifikationen aus dem unteren und mittleren Fachbereich.
Wegen des Fachkräftemangels ist es denn auch tatsächlich so, dass viele Unternehmen momentan auf die Annahme von zusätzlichen Aufträgen verzichten müssen. Diese Aufträge werden daher teilweise von Wettbewerbern im Ausland wahrgenommen, auch viele eigene geplante Innovationen und Vorhaben können von den Unternehmen nicht realisiert werden. Einige Unternehmen verlassen aus diesem Grunde sogar den Standort Deutschland oder gründen stattdessen Niederlassungen im Ausland, wo sie leichter an das benötigte Personal gelangen können. Wenn wir also mit Hilfe der ausländischen IT-Spitzenfachkräfte die Möglichkeit erlangen, in Deutschland mehr Aufträge zu bearbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu stärken und unser Bruttosozialprodukt zu steigern, warum sollten wir dies nicht tun? Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass eine neue IT-Spitzenfachkraft zusätzliche IT-Arbeitsplätze dort entstehen lässt, wo (zur Zeit arbeitslose) IT-Fachkräfte der unteren und mittleren Qualifikationsstufe benötigt werden.
Die ca. 4 Mill. Arbeitslosen in Deutschland können also leider nur sehr begrenzt dabei helfen, den akuten Bedarf an IT-Spitzenfachkräften zu decken. Die einreisenden Fachkräfte können aber sehr gut dabei helfen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland stärker abzubauen!
Interessenten können bis zu fünf Jahre ihre Tätigkeit in Deutschland verrichten und dabei wertvolle Erfahrungen für ihr eigenes berufliches Fortkommen erwerben. Mit der Verabschiedung einer eigens hierfür vorgesehenen Verordnung soll der IT-Spitzenfachkraft eine erleichterte Einreise nach Deutschland ermöglicht werden. Dabei ist vorgesehen, zunächst 10.000 Spitzenkräften die Einreise zu ermöglichen. Die Bundesregierung wird die Entwicklung beobachten und das Kontingent bei Bedarf kurzfristig auf 20.000 erhöhen. Die USA behelfen sich übrigens schon seit einigen Jahren mit dieser Möglichkeit, den auch dort vorherrschenden akuten Fachkräftemangel zu lindern. Bereits 1998 wurden dort die vergleichbaren Visa von 65.000 auf 115.000 erhöht. Diese Visa ermöglichen ebenfalls einen temporären Arbeitsaufenthalt im Land (im Gegensatz zur Green Card, die eine uneingeschränkte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in den USA ermöglicht; die Bezeichnung „Green Card" ist daher für das deutsche Vorhaben nicht so ganz passend). Kürzlich wurde in den USA gar eine Gesetzesinitiative eingebracht, wonach diese Visa, die einen Aufenthalt bis maximal sechs Jahren erlauben, auf 195.000 erhöht werden sollen.
Hiermit zeigt sich also deutlich, dass IT-Spitzenkräfte in der Welt umworben sind und dass es somit überhaupt nicht selbstverständlich sein wird, dass diese Kräfte nun ohne weiteres in ausreichendem Umfang nach Deutschland kommen werden. Eine negative, ausländerfeindliche Stimmungsmache, wie sie zur Zeit von der Opposition in NRW betrieben wird, ist da sicher nicht hilfreich. Für mein Empfinden verlieren wir zu viel hervorragende Studienabgänger ins Ausland und gewinnen parallel dazu immer weniger ausländische geistige Eliten zu Leben und Mitarbeit in unserem Land.
Ergänzende Maßnahmen
Mit der Einreise von ausländischen Fachkräften können wir nur kurzfristige Engpässe abdecken. Vorrangiges Ziel ist es natürlich, die Kapazitäten im eigenen Land signifikant zu erhöhen, um auch mittel- und langfristig über das erforderliche Personal zu verfügen. Die Bundesregierung wird daher im Zusammenwirken mit den Bundesländern im Hochschulbereich eine Offensive mit dem Ziel starten, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, zusätzliche Lehrkapazitäten in den Universitäten und Fachhochschulen zu schaffen, die Studiengänge noch stärker zu internationalisieren und im Ausland intensiver für den Studienstandort Deutschland zu werben. Ziel ist die schnellstmögliche Verdoppelung der Zahl der Hochschulabsolventen im IT-Bereich. Zu dieser Offensive gehört es ebenfalls, das Interesse junger Menschen für Studium und Ausbildung in IT-Berufen zu fördern und dazu auch besondere Akzente bei der Aus- und Weiterbildung von Schul- und Berufsschullehrern zu setzen.
Daneben wurde eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, die insbesondere im Bereich der unteren und mittleren Berufsqualifizierung von Bedeutung sind:
- Die Bundesanstalt für Arbeit wird ihre IT-Weiterbildungsmaßnahmen kurzfristig von der bisher schon erreichten Teilnehmerzahl von 36.000 auf 40.000 erhöhen.
- Die Bundesanstalt für Arbeit wird ihre Vermittlungs- und Weiterbildungsanstrengungen darauf richten, die Zahl der etwa 32.000 arbeitslosen IT-Fachkräfte deutlich zu reduzieren; auch die Zahl der etwa 60.000 arbeitslosen Ingenieure soll nachhaltig verringert werden.
- Die Wirtschaft wird im IT-Bereich bis zum Jahr 2003 mindestens weitere 20.000 über die bereits im Bündnis für Arbeit zugesagten 40.000 Ausbildungsplätze hinaus, also insgesamt 60.000 Plätze, anbieten.
- Die Wirtschaft sagt zu, die innerbetriebliche Weiterbildung in Hinsicht auf internetrelevante Technologien erheblich und nachweisbar zu steigern. Dazu wird die Wirtschaft ein Konzept für die innerbetriebliche Weiterbildung entwickeln, das auch ältere Arbeitnehmer mit einbezieht.
- Die Wirtschaft wird durch geeignete Maßnahmen das Interesse der jungen Menschen an einer Ausbildung und Tätigkeit in der IT-Branche verstärken. Insbesondere soll der Frauenanteil deutlich erhöht werden.
Mit allen diesen Maßnahmen stellen wir gemeinsam mit der Wirtschaft sicher, dass Deutschland weiterhin die Chance behält, in der Entwicklung der Informationsgesellschaft einen Spitzenplatz einnehmen zu können. Bereits in fünf Jahren soll die Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche in Deutschland die 300-Milliarden-DM-Umsatz-Schwelle überspringen. Sie wird damit zum größten deutschen Wirtschaftszweig überhaupt.
Daher kann ich heute jedem Schüler, der an den neuen Technologien Interesse hat, durchaus raten, sich über ein Studium der Informatik bzw. artverwandter Studiengänge Gedanken zu machen.
Wird Deutschland ein Einwanderungsland?
Ausbildung und Einwanderung – so muss unsere Antwort auf den Fachkräftemangel in Deutschland lauten. Beides ist notwendig, um den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern in den deutschen Unternehmen mittelfristig zu decken. Umfragen der Industrie- und Handelskammern zeigen einen Fachkräftemangel, der nicht auf den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien beschränkt ist. Auch andere Branchen – von den Ingenieurberufen bis zu den Hotelbeschäftigten – haben Schwierigkeiten bei der Suche nach geeignetem Personal.
Insbesondere im IT-Bereich ist der Fachkräftemangel jedoch zu einem Engpass für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Branche geworden. Die stürmische Entwicklung der Internet-Ökonomie und die globale Vernetzung sind dafür verantwortlich, dass die Nachfrage nach IT-Spezialisten weltweit zugenommen hat – und zwar so schnell, dass die Bildungssysteme selbst bei guter Anpassungsfähigkeit nicht entsprechend reagieren konnten.
Dieses Wachstumshemmnis behindert generell die Beschäftigungsentwicklung im deutschen Dienstleistungssektor. Denn die Beschäftigung von EDV-Spezialisten schafft in Deutschland auch Arbeitsplätze in weiteren Unternehmensbereichen wie Vertrieb, Marketing, Verwaltung und Produktion. Auch andere Branchen – von der Automobilindustrie über die Kreditinstitute bis zu Handelsunternehmen – leiden unter diesem IT-Engpass, suchen sie doch für die entsprechenden Unternehmensbereiche ebenfalls händeringend Fachleute. Softwareentwicklung spielt in der Entwicklung von Autos und in der Abwicklung von Finanzdienstleistungen bereits heute eine zentrale Rolle; schon morgen wird es im Handel ähnlich sein.
Unbürokratische Umsetzung notwendig
Von einer Beseitigung des Engpasses bei IT-Spezialisten würden vor diesem Hintergrund positive gesamtwirtschaftliche Wirkungen ausgehen. Insofern ist das Sofortprogramm zur Deckung des IT-Fachkräftebedarfs, das die Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft umsetzen will, ein richtiger Schritt. Die vorgesehene Befristung der Arbeitsgenehmigung darf aber nicht das letzte Wort sein: Die Politik ist gefordert, den IT-Spezialisten eine weitergehende Perspektive zu eröffnen, wenn sich ihr Aufenthalt – wovon ich sicher ausgehe – als förderlich für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland erweist.
Jetzt kommt es aber in den nächsten Monaten zunächst entscheidend darauf an, dass die Erleichterungen bei der Anwerbung von IT-Spezialisten aus dem Nicht-EU-Ausland flexibel und unbürokratisch umgesetzt werden. Die grundsätzliche Entscheidung für eine Öffnung des inländischen Arbeitsmarktes darf nicht in der Umsetzungsphase durch bürokratische Hürden eingeschränkt werden.
In der Vergangenheit hat manche Schwerfälligkeit in den Arbeitsämtern und Ausländerbehörden bei der Anwendung der bestehenden Ausnahmeregelungen bei Unternehmen zu Verärgerung geführt – sind doch dadurch Anstrengungen zur Anwerbung von besonders qualifizierten Mitarbeitern gescheitert. In einer Branche, in der menschliches Wissen und unternehmerische Strategien ohnehin nur eine sehr kurze Halbwertzeit haben, ist es nicht vertretbar, dass Anträge auf Arbeitsgenehmigungen für besonders qualifizierte Spezialisten drei bis sechs Monate Bearbeitungszeit benötigen. Drei bis sechs Wochen wären die Obergrenze, um im internationalen Wettbewerb um IT-Fach- und Führungskräfte mithalten zu können.
Dazu müssen in Zukunft Arbeitsämter, Ausländerbehörden und vor allem auch die deutschen Botschaften im Ausland enger zusammenarbeiten, um im Interesse der deutschen Volkswirtschaft die notwendigen Fachkräfte ins Land kommen zu lassen. Denn es dürfte potenziellen Mitarbeitern aus dem Ausland nur schwer vermittelbar sein, warum sie in Deutschland zweimal – nämlich für die Arbeitsgenehmigung und für die Aufenthaltserlaubnis – ein ähnliches Verfahren durchlaufen müssen.
Die deutschen Auslandshandelskammern helfen bei der Suche nach ausländischen Computer-Experten. Spezielle Technologie-Experten des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), sogenannte Technologie Area Manager, stehen in den für Softwareentwicklung besonders interessanten Ländern Indien, Süd-Korea, China, Mexiko und Argentinien als Ansprechpartner für mittelständische deutsche Unternehmen zur Verfügung, um sie bei der Suche geeigneter IT-Fachkräfte zu unterstützen. Mit diesem Leistungsangebot ist gleichzeitig ein „Qualitäts-Check" verbunden. Aus einer möglichen hohen Zahl ausländischer Bewerber werden nur die vermittelt, die tatsächlich den Anforderungen deutscher Unternehmen entsprechen.
Kommt es zu einem Brain Drain?
Die öffentliche Diskussion vermittelt den Eindruck, als würden die Spezialisten in aller Welt nach einer deutschen „Green Card" – um diesen sachlich nicht ganz korrekten Begriff hier einmal zu verwenden – Schlange stehen. Richtig ist jedoch, dass andere Staaten – insbesondere die USA – im Wettbewerb um solche Spezialisten bessere Karten haben. Nicht nur Sprache oder Klima, sondern z.B. auch die stärkere Verbreitung von Aktienoptionen als attraktives Entlohnungssystem tragen dazu bei. Berichte über Ausländerfeindlichkeiten in Deutschland und die wenig sachlichen Äußerungen mancher deutscher Politiker helfen auch nicht, die Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes für ausländische Spezialisten zu steigern. Werden die Rahmenbedingungen für ausländische Fachkräfte nicht verbessert, so besteht die Gefahr, dass diese Experten weiterhin einen Bogen um Deutschland machen. Schon jetzt zeigt sich daneben ein „Brain Drain" der besonderen Art: Viele Top-Absolventen hiesiger Universitäten mit deutschem Pass suchen sich lieber einen Arbeitsplatz in einem anderen Land!
Das entwicklungspolitisch motivierte Argument, Deutschland würde den asiatischen und mittel- und osteuropäischen Ländern ihre Spezialisten „wegnehmen", verkennt die Situation globaler Märkte. Wenn wir Deutschland für solche mobilen Arbeitskräfte verschlossen hielten, würden wir uns nur selbst schaden – den aufstrebenden Ländern in verschiedenen Weltregionen aber nicht damit helfen. Die Verantwortlichen in diesen Ländern wissen, dass sie von der internationalen Mobilität ihrer Fachkräfte profitieren. Denn solche Spezialisten kehren häufig als erfahrene Topkräfte ins eigene Land zurück und fördern die dortige Entwicklung. Oder aber sie bewirken, dass Aufträge in ihr Heimatland vergeben werden. In jedem Fall sind derartige Erfolgsstories qualifizierter Arbeitnehmer ein starker Anreiz für die nachwachsende Generation in diesen Ländern, den erfolgversprechenden Weg auf den IT-Arbeitsmarkt ebenfalls einzuschlagen. An einer solchen Aufbruchstimmung fehlt es hingegen in Deutschland!
Mängel des Bildungssystems
Die Diskussion um die Einwanderung von IT-Experten hat völlig zu Recht auch den Finger in die offenen Wunden des deutschen Bildungssystems gelegt. Nahezu naturbedingt besteht dabei das Dilemma, dass Bildungssysteme den Entwicklungen in der Wirtschaft hinterherhinken: Sie können nämlich künftige Entwicklungen in der Regel nicht voraussehen. Zu kritisieren ist jedoch das Tempo, mit dem Schule, Hochschule und Ausbildung hierzulande auf derartige Veränderungen reagieren:
- Die Schulen sind trotz guter Beispiele nach wie vor nicht flächendeckend auf die IT- und Mediengesellschaft vorbereitet. Die Lehrerausbildung widmet den Möglichkeiten der neuen IT-Techniken noch viel zu wenig Raum, und der aufgeschlossene Lehrernachwuchs kann sich mangels freier Stellen nicht entwickeln. Die Ausstattung der Schulen mit qualifiziertem Personal ist deshalb ebenso mangelhaft wie die Ausstattung mit aktueller Hard- und Software.
- Die Hochschulen haben die Bedeutung der Informations-, Kommunikations- und Medienwirtschaft zwar erkannt; jedoch sind auch hier die Kapazitäten nach wie vor unbefriedigend, und die Studiendauer ist zu lang. Ein Alarmsignal sollte auch sein, dass in den Informatik-Studiengängen fast jeder Zweite das Studium abbricht. Außerdem dauert es an den Hochschulen zu lange, bis die Studien- und Prüfungsordnungen an neue Entwicklungen in der Praxis angepasst werden. Die Hochschulen sollten deshalb den jetzigen Fachkräftemangel als Chance begreifen. Sie können durch die Einführung kürzerer Studiengänge – wie Bachelor- und Master-Programme – zu einer Entspannung der Situation beitragen. Auch die Informatik-Studiengänge der Berufsakademien stellen eine hervorragende Alternative dar.
- In der betrieblichen Ausbildung ist die Wirtschaft selbst in der Pflicht. Der DIHT hat seit 1995 – neben anderen zukunftsträchtigen Ausbildungsberufen im Medienbereich – vier neue IT-Berufe vorgeschlagen, die nach kurzer Entwicklungszeit in Kraft getreten sind. Diese Berufe wurden im Herbst 1997 erstmals angeboten; Ende dieses Jahres werden sich bereits 40.000 Jugendliche in einer Ausbildung zum IT-Systemelektroniker, zum Fachinformatiker, zum IT-Systemkaufmann oder zum Informatikkaufmann befinden. Im Herbst 1999 haben z.B. zuletzt mehr als doppelt so viele Schulabgänger die Ausbildung zum Fachinformatiker aufgenommen, als dies noch ein Jahr zuvor der Fall war. Die Wirtschaft will ihr Angebot an IT-Ausbildungsplätzen bis zum Ende des Jahres 2003 noch auf insgesamt 60.000 erhöhen. Voraussetzung dafür ist, dass Schulen und Arbeitsämter über die Chancen in diesen Bereichen hinreichend informieren.
Fortschritte sind auch notwendig bei der Gestaltung der Weiterbildungsebenen für die Absolventen dieser Ausbildung. Es ist zu hoffen, dass sich Wirtschaft und Gewerkschaften auch hier sehr bald auf eine flexible Struktur der Weiterbildungsprüfungen einigen können.
Diskussion um ein Einwanderungsgesetz
Die Diskussion um die Zuwanderung ausländischer IT-Spezialisten hat nicht nur die Auseinandersetzung um die Bildungspolitik in Deutschland belebt. Sie hat auch dazu beigetragen, das Thema Einwanderungspolitik auf die Tagesordnung der öffentlichen Auseinandersetzung zu bringen. Die deutsche Politik kann deshalb nicht länger darüber hinwegsehen, dass der Arbeitsmarkt für Fach- und Führungskräfte – keineswegs nur im IT-Bereich – inzwischen ein weltweiter Markt ist. Dem müssen auch die deutschen Einwanderungsregeln künftig in viel stärkerem Maße Rechnung tragen.
Deutschland braucht deshalb neben den jetzt vorgesehenen kurzfristigen Maßnahmen in absehbarer Zeit ein Einwanderungsgesetz, das klare Spielregeln für die Zuwanderung enthalten muss. Nur so kann eine offene Gesellschaft der zunehmenden Mobilität der Menschen Rechnung tragen. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland ist es ebenso wichtig, dass unsere Grenzen auch für diejenigen Menschen geöffnet werden, die durch ihre qualifizierte Arbeit einen wichtigen Beitrag zu Wachstum und Innovation hierzulande beitragen können.
Die Diskussion um ein Einwanderungsgesetz, das die Belange sämtlicher Wirtschaftsbereiche berücksichtigen muss, hat bereits begonnen. Sie wird die politische Diskussion in den kommenden Jahren auf vielfältige Art und Weise beeinflussen. Die Debatte wird in jedem Fall kritische Anfragen an das heimische Bildungssystem und hinsichtlich der Regulierungen am deutschen Arbeitsmarkt auslösen: So klagt das Hotel- und Gaststättengewerbe seit Jahren über den Mangel an Mitarbeitern, gerade für einfachere Dienstleistungen – und das bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit in diesem Segment des Arbeitsmarktes. Die Einwanderungsdiskussion zwingt uns deshalb, auch Reformen in der Arbeitsmarktpolitik in Angriff zu nehmen.
Die demographische Entwicklung lässt darüber hinaus erwarten, dass sich im Bereich der privaten Pflegewirtschaft ebenfalls eine steigende Nachfrage nach Fachkräften entwickeln wird. Seit Jahren fordert der DIHT deshalb eigenständige Pflegeberufe in der dualen Ausbildung. Mehrfache Vorstöße in diese Richtung sind an der reservierten Haltung der zuständigen Ministerien sowie der Sozialverbände gescheitert. Keiner darf sich deshalb wundern, wenn die betroffenen Pflegeunternehmen bald auch die Zuwanderung ausländischer Mitarbeiter verlangen – wie die Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe bereits heute.
Fazit: Die sogenannte „Green-Card-Lösung" wird kurzfristig den IT-Unternehmen helfen, wenn sie unbürokratisch, flexibel und wirtschaftsnah gehandhabt wird. Wichtig ist aber auch, dass sie die Debatte um die mittelfristige Ausrichtung der Bildungspolitik einerseits und der Einwanderungspolitik andererseits vorantreiben wird.