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Reform der Bankenaufsicht: Vertane Chance?

Von Thomas Hartmann-Wendels

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Konzentration der Bankenaufsicht bei der Bundesbank ist mit dem kürzlich gefassten Beschluss zur Reform der Bankenaufsicht zu Grabe getragen worden, statt der großen Reform gibt es nur ein „Reförmchen“. Im Wesentlichen bleibt es bei der bisherigen Aufgabenteilung, wonach die Bundesbank vorrangig für die Sachverhaltsaufklärung, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin dagegen für die Anordnung aufsichtlicher Maßnahmen zuständig ist. Die Bundesbank erhält zusätzliche Kompetenzen bei der Überwachung der Finanzmarktstabilität, die BaFin erhält eine neue Organisationsstruktur sowie zusätzliches Personal. Ist mit dieser Mini-Reform die Chance auf eine bessere Bankenaufsicht vertan?

Der Plan der Regierungskoalition fußte auf der Annahme, dass die Aufteilung der Bankenaufsicht auf zwei Institutionen zu Kompetenzgerangel und einer Lähmung der Bankenaufsicht führe. Diese Ansicht ist zwar geläufig, aber nirgends belegt. Die Zuständigkeiten von Bundesbank und BaFin sind in der Aufsichtsrichtlinie geregelt. Eine gewisse Rivalität zwischen den beiden Institutionen ist zwar durchaus gegeben, es gibt aber keine Hinweise darauf, dass die beiden Institutionen gegeneinander arbeiten und die Bankenaufsicht unter Ineffizienz und Kompetenzgerangel leidet. Im Gegenteil, Konkurrenz spornt an, und zwei unabhängige Meinungen zu einem komplexen Sachverhalt sind bisweilen besser als das Verdikt einer allmächtigen Instanz. Insofern ist der Verzicht auf die Zusammenführung der Bankenaufsicht keine vertane Chance, sondern eher die folgerichtige Konsequenz aus einem Plan, der von vorneherein zum Scheitern verurteilt war.

Haupthindernis war von Anfang an die Frage der Unabhängigkeit der Bundesbank. Die BaFin untersteht der Fach- und Rechtsaufsicht des Finanzministeriums. Diese Unterstellung ist zum einen notwendig, da die BaFin hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, zum anderen ist sie auch sinnvoll: Da die Aufgabe, systemrelevante Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren, letztlich dem Staat zufällt und zu Lasten der öffentlichen Haushalte geht, kann der Staat nicht darauf verzichten, Einfluss auf die Bankenaufsicht auszuüben. Der Gegensatz zwischen der Unabhängigkeit der Bundesbank und der Einflusswahrung des Staates konnte auch durch noch so kreative Konstruktionen nicht überwunden werden. Ein weiteres Problem ergab sich aus dem Konzept der Allfinanzaufsicht: Die BaFin übt auch die Aufsicht über Versicherungen und Wertpapiermärkte aus. Diese Bündelung macht Sinn: Sowohl bei der Versicherungs- als auch bei der Bankenaufsicht geht es darum, die Übernahme von Risiken zu überwachen. Da die Methoden ähnlich sind, ist eine Bündelung der Fachkompetenz sinnvoll. Bei der BaFin ist dies durch einen Querschnittsbereich, der sich um die konzeptionellen Fragestellungen bei der Risikobeurteilung kümmert, organisatorisch verankert. Eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank hätte bedeutet, entweder auf die Synergieeffekte einer Allfinanzaufsicht zu verzichten oder aber die Aufsicht über die Versicherungen mit auf die Bundesbank zu übertragen. Ersteres hätte die Kompetenz der Aufsicht geschwächt, letzteres scheiterte am Widerstand der Versicherungen.

Die nun beschlossenen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Die Bedeutung systemischer Risiken ist unterschätzt worden, eine Stärkung dieser Funktion ist daher notwendig. Auch sollte diese Aufgabe bei der Bundesbank angesiedelt sein. Ebenso notwendig ist eine personelle Verstärkung der BaFin. Dabei geht es nicht nur um die Zahl der Mitarbeiter, sondern auch um deren Qualität. Aufgrund der Besoldungsstruktur im öffentlichen Dienst und wegen mangelnder Aufstiegsmöglichkeiten ist es für die BaFin schwer, qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu halten. Hier muss in der Zukunft Abhilfe geschaffen werden.

Korruptionsbekämpfung: Es bleibt viel zu tun

Von Sebastian Wolf

Nach einer kürzlich veröffentlichen Studie von Transparency International sind 70% der Deutschen der Auffassung, die Korruption in Deutschland habe in den letzten drei Jahren zugenommen. Lediglich 21% erachten die Maßnahmen der Bundesregierung zur Korruptionsbekämpfung als effektiv. Es gibt aber auch Zahlen, die eine andere Sprache sprechen: So bezahlten nur 2% in den vergangen zwölf Monaten Schmiergeld, um eine öffentliche Dienstleistung zu erhalten. Nach einem Wahrnehmungsindex, der auf den Einschätzungen von Länderexperten beruht, ist das Korruptionsniveau in Deutschland in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben und tendenziell etwas niedriger als Anfang der 2000er Jahre. Die Zahl der polizeilich registrierten Ermittlungsverfahren wegen Bestechungsdelikten hat 2009 leicht zugenommen, dafür wurden deutlich weniger Korruptionsstraftaten festgestellt als im Vorjahr.

Aus diesen Zahlen lässt sich kein Trend ablesen. Bemerkenswert ist allerdings die hohe allgemeine Sensibilität für Korruption in der Bevölkerung. Sie erklärt das relativ hohe Niveau der gefühlten Korruption, das stark kontrastiert mit den vergleichsweise niedrigen Zahlen persönlich erlebter Korruption. Wie auch immer man jedoch die Korruptionsbelastung in Deutschland bewertet – Korruption lässt sich ohnehin kaum verlässlich messen –, so ist zu konstatieren, dass im Bereich der Korruptionsbekämpfung mehr getan werden könnte. Der durch die Siemens-Korruptionsaffäre ausgelöste „Compliance-Boom“ hat bislang vor allem sehr große Unternehmen erfasst. Es spricht vieles dafür, dass Antikorruptionsmaßnahmen in den unzähligen kleinen und mittleren deutschen Betrieben noch immer eine eher untergeordnete Rolle spielen und dort nur in begrenztem Umfang Regelungen und Beauftragte zur Prävention und Aufdeckung von Korruption geschaffen werden.

Auch die Politik könnte deutlich mehr tun. Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats veröffentlichte Ende 2009 zwei sehr kritische Evaluierungsberichte, in denen sie u.a. eine Verschärfung zahlreicher Bestechungsstraftatbestände und striktere Regelungen zur Parteienfinanzierung anmahnte. Ob diese Anregungen kurzfristig umgesetzt werden, ist mehr als fraglich: Ein von der schwarz-roten Bundesregierung 2007 eingebrachter Gesetzentwurf, der u.a. eine Verschärfung bestimmter Straftatbestände für Auslandskorruption und Bestechung im privaten Sektor vorsah, wurde vom Bundestag nicht abschließend behandelt und verfiel am Ende der letzten Legislaturperiode. Hintergrund ist, dass die Abgeordneten die Vorlage nur gemeinsam mit einem eigenständigen Gesetz zur Verschärfung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung beschließen wollten, auf das sie sich aber nicht einigen konnten. Deshalb gehört Deutschland weiterhin zu den sehr wenigen Staaten, welche die UN-Konvention gegen Korruption noch nicht ratifiziert haben.

Jenseits des Strafrechts gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten zur Intensivierung der Korruptionsbekämpfung. Gegen korrupte Unternehmen ließe sich mit flächendeckenden Korruptionsregistern bei einer zentralen Behörde oder bei verschiedenen Einrichtungen auf Bundes- und Landesebene mit wechselseitigem Informationsaustausch und mit Ausschlüssen von der öffentlichen Auftragsvergabe vorgehen. Hinweisgeber sollten auch in der Privatwirtschaft besser geschützt werden. Einige Bundesländer haben noch keine Informationsfreiheitsgesetze erlassen und keine Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Korruption eingerichtet. Es dürfte kein Zufall sein, dass in Bayern, wo eine der besten deutschen Schwerpunktstaatsanwaltschaften ihren Sitz hat, die meisten Korruptionsverfahren registriert werden.

Bundesagentur für Arbeit: Wem gehört die Insolvenzumlage?

Von Holger Schäfer

Wenn ein Arbeitgeber in das Insolvenzverfahren eintritt, dieses mangels Masse abgelehnt wird oder der Betrieb schließt, können Arbeitnehmer gegebenenfalls ausstehende Löhne als Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur erhalten. Die Besonderheit des Insolvenzgeldes besteht darin, dass es – anders als andere Leistungen der Arbeitslosenversicherung – nicht durch Beitragsmittel finanziert wird, sondern durch die so genannte Insolvenzgeldumlage.

Die Insolvenzgeldumlage wird allein von den Arbeitgebern finanziert. Im Jahr 2009 betrug die Umlage 0,1% des Arbeitsentgeltes, was in Einnahmen von 711 Mio. Euro resultierte. Die in jenem Jahr einsetzende Krise trieb die Ausgaben für das Insolvenzgeld aber massiv in die Höhe – sie stiegen von 654 Mio. Euro 2008 auf über 1,6 Mrd. Euro im Jahr 2009. Zum Ende des Jahres wurde die Umlage für 2010 daher drastisch auf 0,41% angehoben. Zu diesem Zeitpunkt wurde allgemein noch davon ausgegangen, dass sich die Arbeitsmarktlage im folgenden Jahr deutlich verschlechtern würde. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sagten im Herbst 2009 einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 4 Millionen voraus. Man musste mithin damit rechnen, dass auch 2010 hohe Ausgaben für das Insolvenzgeld anfallen würden.

Die Anhebung der Umlage führte zu einer deutlichen Einnahmesteigerung. Für 2010 können rund 2,9 Mrd. Euro erwartet werden. Die Ausgaben für das Insolvenzgeld blieben aufgrund der unerwartet positiven Wirtschaftsentwicklung aber deutlich unterhalb der Schätzungen. Voraussichtlich werden weniger als 800 Mio. Euro benötigt. In den Jahren 2009 und 2010 stehen Einnahmen aus der Umlage in Höhe von insgesamt 3,6 Mrd. Euro Ausgaben von nur 2,4 Mrd. Euro gegenüber. Die Ausgaben für 2011 könnten somit aus dem bis dato aufgelaufenen Überschuss finanziert werden. Folgerichtig hat das Bundesarbeitsministerium die Umlage für 2011 auf 0% gesenkt.

Dennoch unternimmt die Bundesregierung den Versuch, die Gelder in den eigenen Haushalt umzuleiten. Den Hebel dazu bietet der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit. Dieser weist im Jahr 2010 ein Defizit auf, das nicht mehr aus den Rücklagen finanziert werden kann, die im Aufschwung 2006 und 2007 aufgebaut wurden. Im Grundsatz gewährt der Bund Darlehen, um den Haushalt auszugleichen. Die krisenbedingten Lasten will er aber abweichend von dieser Regel im Jahr 2010 als Zuschuss gewähren. Um die Höhe des Zuschusses festzulegen, sollen die Rücklagen der Insolvenzgeldumlage nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit voll berücksichtigt werden. Im Ergebnis liegt der Bundeszuschuss um über 1 Mrd. niedriger, die Insolvenzgeldumlage wird faktisch vom Bund vereinnahmt.

Tatsächlich handelt es sich aber um Gelder, die von den Arbeitgebern eigens zum Zwecke der Insolvenzsicherung der Arbeitnehmer aufgebracht wurden. Würden sie zur Senkung des Bundeszuschusses verwendet, müssten sie erneut eingezahlt werden. Gegen diese sachfremde Entnahme wenden sich die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit zu Recht. Sie haben daher im Haushaltsentwurf für die Bundesagentur für Arbeit die Rücklagen aus der Insolvenzgeldumlage ins Jahr 2011 übertragen. Der Bund kann allerdings ihren Haushalt auch ohne Beteiligung des Verwaltungsrates feststellen, sofern er der Bundesagentur für Arbeit Liquiditätshilfen gewährt – was voraussichtlich der Fall sein wird.

Tarifpolitik: Leiharbeitsbranche – wie weiter?

Von Reinhard Bispinck

Das Bundesarbeitsgericht hat Klartext gesprochen: In seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 hat es festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Tarifverträge abschließen konnte. Sie erfüllte die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht. Das ist eine positive Nachricht für alle Beschäftigten in der Leiharbeit; fiel die CGZP doch vor allem durch Dumping-Tarifverträge auf. Es waren maßgeblich CGZP-Tarifverträge, die nach der Deregulierung der Leiharbeit im Jahr 2003 dazu beitrugen, dass von der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit vereinbarte Tariflöhne weiter nach unten gedrückt wurden und in den Folgejahren Tarifsteigerungen nur in sehr kleinen Schritten vereinbart werden konnten. Das Problem der Unterbietungskonkurrenz im Bereich der Leiharbeit ist damit jedoch nicht vom Tisch, weil hier nach wie vor verschiedene christliche Gewerkschaften, wie z.B. die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) und der DHV – Die Berufsgewerkschaft tarifpolitisch aktiv sind.

Es wäre zu hoffen, dass die Bundesregierung dieses Urteil als Signal gegen einen weiteren tarifpolitischen Dumping-Wettbewerb in der Branche versteht. Dieser könnte sich ab Mai 2011 verschärfen, wenn die vollständige Herstellung der Dienstleistungsfreiheit den Markt für neue Anbieter mit Sitz außerhalb der Bundesrepublik öffnet. Notwendig ist deshalb die rasche Verabschiedung allgemeinverbindlicher Mindestlöhne in der Leiharbeit über das Entsendegesetz. Im Frühjahr 2010 vereinbarte die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit mit dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) Tarifverträge mit einer Laufzeit bis Ende Oktober 2013, die eine schrittweise Anhebung der untersten Entgeltgruppen auf 8,19 Euro in Westdeutschland und 7,50 Euro in Ostdeutschland vorsehen. Für die übrigen Entgeltgruppen wurden unterschiedliche prozentuale Erhöhungen vereinbart. Die untersten Entgeltgruppen wurden als Mindestlohn festgeschrieben, der auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für die gesamte Branche allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Die politische Auseinandersetzung darum ist allerdings noch nicht beendet, weil trotz massiven Drucks seitens der Gewerkschaften wie auch der Arbeitgeberverbände innerhalb der Bundesregierung bislang keine Einigung über Form und Höhe eines Mindestlohnes in der Leiharbeitsbranche erzielt werden konnte. Die Zeit drängt, da der Termin für die vollständige Herstellung der Dienstleistungsfreiheit am 1. Mai 2011 näher rückt.

Mit der Festschreibung allgemeinverbindlicher tariflicher Mindestlöhne für die Leiharbeit wären keineswegs alle Probleme gelöst: Nach wie vor würden Beschäftigte in der Leiharbeit vielfach erheblich weniger verdienen, als in den Ausleihbetrieben für Stammbeschäftigte üblich ist. Eine gesetzliche Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ (Equal pay) ist derzeit nicht zu erwarten. Die DGB-Gewerkschaften streben eine solche Regelung gleichwohl an und wollen dies über die Tarifpolitik vorantreiben. Ein erster richtungweisender Durchbruch gelang der IG Metall 2010 in der Stahlindustrie. Auch in anderen Branchen (Chemie, Metall u.a.) sollen in den kommenden Tarifrunden solche Regelungen verhandelt werden. Eine tarifpolitische Gleichstellung wäre auch deshalb wichtig, damit Leiharbeit nicht zur Regelbeschäftigung wird und der bereits zu beobachtenden Verdrängung unbefristeter Beschäftigung entgegengewirkt wird.


DOI: 10.1007/s10273-011-1164-3

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