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Goldpreis: Stabilität durch Goldstandard?

Von Gerhard Illing

Seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich der Goldpreis mehr als verdoppelt; Anfang letzter Woche stieg er auf den Rekordwert von 1575,79 US-$ pro Feinunze. Nicht nur immer mehr Privatanleger flüchten auf der Suche nach sicheren Anlagen zum Gold. Auch Zentralbanken in Schwellenländern – etwa in Indien, China und Russland – bauen verstärkt ihre Goldreserven aus; erst im Februar und März dieses Jahres hat die Zentralbank von Mexiko fast 100 Tonnen Gold gekauft. Offensichtlich zweifeln viele Anleger an der Stabilität moderner Papierwährungen. Die unkonventionellen Rettungsmaßnahmen westlicher Zentralbanken haben bei manchen gar die Furcht vor einer drohenden Hyperinflation in den hoch verschuldeten westlichen Industrienationen geschürt. Die Beliebtheit von Gold ist ein Indiz für die Sehnsucht nach einem festen Anker, einem sicheren Vermögenswert, der nicht durch Politiker oder Zentralbanker manipuliert werden kann. Schließlich können – im Gegensatz zu den Bilanzen der Zentralbanken – die weltweit verfügbaren Goldbestände nicht mit einem Federstrich ausgeweitet oder reduziert werden.

Die Suche nach einem solchen stabilen Anker ist aber eine gefährliche Illusion. Die Tragik vieler risikoscheuer Anleger liegt darin, dass gerade sie auf der Suche nach einem vermeintlich sicheren Vermögenswert in eine hoch spekulative Anlageform investiert haben, die starken Preisschwankungen unterliegt. Die Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten in der vergangenen Woche liefern ein eindrucksvolles Beispiel für die hohe Volatilität dieser Märkte.

Die Sehnsucht nach einem stabilen Anker lässt vermehrt Rufe nach einer neuen internationalen Währungsordnung mit der Rückkehr zum Goldstandard laut werden. Gerade die aktuelle Finanzkrise zeigt aber, wie fatal ein solcher Schritt wäre: Er hätte den Verzicht auf die Stabilisierung durch die Geldpolitik bedeutet. In der globalen Finanzkrise setzte eine massive Flucht aus riskanten Vermögenswerten hin zu sicheren Anlageformen wie Staatspapieren, Geld und Gold ein. Indem Zentralbanken weltweit diese Nachfrage durch Schaffung zusätzlicher Liquidität befriedigten, trugen sie maßgeblich zur Stabilisierung der Wirtschaft bei. In einem System mit Goldstandard hätten dagegen bei einer Verdoppelung des Goldpreises alle Preise und Löhne um die Hälfte sinken müssen – gemessen in den Einheiten der Währung, die an Gold gekoppelt wird. Dieser massive Deflationsdruck hätte die reale Schuldenlast verschuldeter Unternehmen und Haushalte dramatisch ansteigen lassen und so eine unvorstellbare Bankrottwelle ausgelöst. Anfang der 30er Jahre war gerade das Festhalten am Goldstandard ein wesentlicher Faktor für die fatale Dynamik der weltweiten Depression.

Die Flucht in Geld und Staatsanleihen erfolgte im Vertrauen darauf, dass Zentralbanken für Preisstabilität sorgen, dass sie bei einer Erholung des Wirtschaftswachstums die expansive Geldpolitik wieder rückgängig machen. Zweifellos kann Vertrauen immer missbraucht werden. Die Tatsache aber, dass sowohl im Euroraum wie in den USA sowohl Inflationserwartungen wie langfristige Zinsen weiterhin außergewöhnlich niedrig bleiben, zeigt, dass die Mehrheit der Anleger die Gefahr einer Deflation höher einschätzen als die einer Hyperinflation und darauf vertrauen, dass die Zentralbanken verantwortungsvoll handeln. Gold-Investoren (Goldbugs) dagegen spekulieren auf einen Staatsbankrott. Es wäre aber naiv zu glauben, bindende Fesseln eines Goldstandards könnten mehr Sicherheit bieten als moderne Geldpolitik: Zwar kann man den Bestand an Gold nicht per Federstrich verändern. Aber die gesetzliche Verankerung einer Goldbindung kann jederzeit per Federstrich aufgehoben werden.

Gesundheitspolitik: Ordnungspolitisches Nirwana

Von Klaus Jacobs

Die Überraschung war groß, als das Gesundheitsministerium nach der letzten Bundestagswahl von der FDP übernommen und mit Philipp Rösler besetzt wurde. Kern der Gesundheitspolitik ist und bleibt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit ihren bekannten Dauerbaustellen: die Finanzierung, die nicht nur stabil und nachhaltig, sondern zugleich auch verteilungsgerecht, wettbewerbskompatibel und beschäftigungsfreundlich sein soll; der Leistungskatalog, der eine notwendige Versorgung einschließlich anerkannter Innovationen umfassen soll; und nicht zuletzt wirksame Leistungs- und Steuerungsstrukturen, um ein Höchstmaß an Qualität, Wirtschaftlichkeit und Präferenzgerechtigkeit der Versorgung zu ermöglichen. Von Anfang an war die Überraschung über einen liberalen Gesundheitsminister aber auch von Skepsis begleitet: Hat die FDP hierfür denn überhaupt ein Konzept? Für die GKV – ein vermeintlich marodes und zukunftsuntaugliches System – hatten sich die Liberalen doch nie wirklich interessiert, wenn man einmal vom Erhalt von Privilegien ihrer Stammklientel Ärzte, Apotheker und Privatversicherungen absieht.

Nach eineinhalb Jahren sieht sich die anfängliche Skepsis überwiegend bestätigt. Dabei war der Anfang mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) noch einigermaßen vielversprechend, auch wenn das vollmundige Reformversprechen Philipp Röslers („Ich breche das Preismonopol der Pharmariesen“) den Praxistest erst noch bestehen muss. Darauf sollten beim GKV-Finanzierungsgesetz keine großen Hoffnungen gesetzt werden, denn schon heute ist absehbar, dass die Finanzierung der GKV weder stabiler und nachhaltiger, noch verteilungs- und wettbewerbsgerechter werden dürfte. Offenbar traut die Bundesregierung ihrer Reform selbst nicht recht. Wie könnte sie sonst die pauschalen Zusatzbeiträge der Krankenkassen als maßgebliche Wettbewerbsparameter ausgeben, aber gleichzeitig alles tun – einschließlich einer satten Beitragssatzerhöhung um 0,6 Prozentpunkte –, damit Zusatzbeiträge GKV-weit noch möglichst lange vermieden werden.

Ordnungspolitisch mehr als unbefriedigend dürfte auch die nächste Reform werden, die zurzeit als „Versorgungsgesetz“ vorbereitet wird. Angesichts von Versorgungsengpässen auf dem Land bei gleichzeitiger Hoch- und Überversorgung in der Stadt hat das bestehende System der Sicherstellung mit sektoraler Bedarfsplanung und kollektiver Zulassung von Ärzten und Krankenhäusern offenkundig versagt. Doch was beabsichtigt die Bundesregierung? Sie will das gescheiterte Regelwerk „flexibel weiterentwickeln“ – als ob zentrale Planwirtschaft dann funktionieren würde! Vermutlich werden die künftig erweiterten Planungsgremien auf Bundes- und Landesebene mehr zusätzliches Personal binden, als Ärzte auf dem Land bei wirksamen Anreizen – nicht zuletzt auch zum Abbau der Überversorgung in Ballungszentren – jemals fehlen würden.

Mehr wettbewerbliche Gestaltungsfreiräume von Krankenkassen und Leistungserbringern sucht man in den Reformplänen der Bundesregierung dagegen vergeblich. Die heute noch mögliche Vielfalt bei der Trägerschaft von medizinischen Versorgungszentren soll sogar eingeschränkt werden, weil die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen in Aktiengesellschaften angeblich gefährdet sei – allerdings wohl nur in der ambulanten Versorgung, denn von einer Verstaatlichung börsennotierter Krankenhausketten ist zumindest bislang – noch? – keine Rede. Die Aussicht, dass der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr in der Kontinuität seines Vorgängers steht, kann man vor diesem Hintergrund eigentlich nur als Drohung empfinden.

Dieselsteuer: Transparente EU-Besteuerung

Von Claudia Hermeling

Die aktuellen Pläne der EU-Kommission sehen eine Vereinheitlichung von Kraftstoffsteuern innerhalb Europas und zwischen verschiedenen Kraftstoffarten vor. Als Konsequenz würden die bestehenden Steuerprivilegien für Diesel, die in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich mehr als 20 Cent pro Liter ausmachen, wegfallen. In Zukunft sollen alle Kraftstoffarten nach den gleichen Grundlagen besteuert werden, die sich aus zwei Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit zusammensetzen: den CO2-Emissionen und dem Energiegehalt pro Liter. Dafür will die EU einen Mindeststeuersatz vorgeben. Die tatsächliche Besteuerung liegt jedoch weiterhin in den Händen der einzelnen europäischen Staaten, denen es frei steht, die Steuern höher anzusetzen und die Gewichtung der beiden Kriterien zu wählen.

Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Mindeststeuersatz liegt mit 41,2 Cent pro Liter deutlich unter dem in Deutschland erhobenen Energiesteuersatz von 47 Cent auf Diesel. Da jedoch alle Kraftstoffe nach den gleichen Grundlagen besteuert werden sollen, und Diesel eine höhere Energiedichte und höhere CO2-Emissionen pro Liter als Benzin aufweist, wird ein Liter Diesel nach Schätzungen der EU um 17% höher besteuert werden müssen als ein Liter Benzin. Bei gegebenem heutigen Energiesteuersatz von Benzin müssten somit die Steuern pro Liter Diesel auf 75 Cent steigen.

Für eine Panikmache, die derzeit in den Medien stattfindet, gibt es jedoch keine Grundlage, da eine vollständige Angleichung der Besteuerung erst bis zum Jahr 2023 erfolgen soll, so dass genug Zeit für Konsumenten und Autohersteller besteht, sich auf die neue Steuerstruktur einzustellen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Richtlinien in der jetzigen Form tatsächlich umgesetzt werden können, da die EU bei Steuerentscheidungen Einstimmigkeit benötigt und Angela Merkel bereits ihre Ablehnung angekündigt hat. Dies ist eigentlich sehr schade, da der EU-Ansatz eine erfreulich transparente und klare Besteuerung von Energie- und Kraftstoffen in Europa präsentiert, die durch die Einführung der Energiekomponente eine Steigerung der Energieeffizienz und durch die Kopplung der Steuersätze an den CO2-Ausstoß eine Förderung umweltfreundlicher Erzeugnisse und eine Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verfolgt. Der Ansatz ist sinnvoll in die europäische Klimapolitik eingebettet und orientiert sich bei der Mindesthöhe der CO2-Steuern an den Zertifikatpreisen des Emissionshandelssystems der EU, in dem der Verkehrssektor bisher nicht erfasst ist.

Da es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll ist, die Dieseltechnologie weiterhin steuerlich zu subventionieren, stellen die Pläne der EU einen schon längst überfälligen Vorstoß zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Tanktourismus dar. Wenn moderne Dieseltechnologien hohe Potenziale zur Leistungssteigerung und Energieeinsparung haben, wie die Automobilindustrie häufig argumentiert, dann werden Dieselfahrzeuge auch angesichts einer fairen Steuer mit anderen Fahrzeugtechnologien weiterhin konkurrieren können. Eine erhöhte Energieeffizienz schlägt sich schließlich direkt in niedrigerem Kraftstoffverbrauch pro Kilometer und damit niedrigeren Steuerzahlungen pro gefahrenem Kilometer nieder. Gleichzeitig bekämen auch Agrokraftstoffe wie z.B. Biodiesel eine faire Chance. Sie zählen derzeit aufgrund ihrer geringen Energieintensität zu den am höchsten besteuerten Energieträgern in der EU.

Bürgerarbeit: Ein Erfolgsmodell?

Von Anja Huth

Die politische Diskussion zum aktivierenden Sozialstaat wirft die Frage auf, was einem Bürger als Gegenleistung zugemutet werden kann, wenn dieser Transferleistungen des Staates bezieht. Sollte er im Sinne eines Forderns und Förderns für öffentliche Arbeiten herangezogen und dafür zusätzlich entlohnt werden? Wie kann Teilhabe am Arbeitsleben organisiert werden? Hilft sie Menschen, aus der sozialen Exklusion herauszukommen, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen und das Selbstwertgefühl zu stabilisieren? Das Konzept „Bürgerarbeit“ soll Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen, aber was steckt hinter der Etikettierung? Zusätzliche, im öffentlichen Interesse liegende Arbeit wird bereits heute in bedeutendem Umfang durch die Grundsicherungsstellen als Arbeitsgelegenheiten (häufig als Ein-Euro-Jobs bezeichnet) angeboten.

Die Grundidee der „Bürgerarbeit“ besteht in der konsequenten Aktivierung des gesamten Arbeitslosenbestandes bei gleichzeitigem Angebot von gemeinnütziger, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung für diejenigen, die trotz guter konjunktureller Lage auch mittelfristig keine Chance am ersten Arbeitsmarkt haben. In einem 2-Phasen-Modell soll „Bürgerarbeit“ Arbeitslose des SGB II in einer logischen Abfolge aktivieren, integrieren, fördern und gegebenenfalls in den sozialen (öffentlich-geförderten) Arbeitsmarkt eingliedern. Die dort angebotene Beschäftigung soll aber, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden, noch Spielraum für eigene Bewerbungsaktivitäten oder eine tätigkeitsnahe Qualifizierung lassen. Das Konzept „Bürgerarbeit“ der Phase 1 entspricht der Vorgehensweise der Integrationsfachkräfte, also dem üblichen Regelgeschäft, und ist nicht neu. Es fokussiert allerdings auf einen konkreten Produkteinsatz und stellt so eine Verengung der vermittlerischen Handlungsoptionen dar. Mit dem Angebot zusätzlicher, öffentlicher Beschäftigungsmöglichkeiten soll Arbeitslosen ihre Würde und ihre Teilhabe an der Gesellschaft zurückgegeben werden. Dabei bleibt anzumerken, dass die Hebung des Wohlbefindens ist keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal von „Bürgerarbeit“. Das heißt, entsprechende Regelinstrumente für Langzeitarbeitslose, die längerfristig angelegt sind und möglichst sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse anbieten, erreichen dieselben Effekte ohne das Markenzeichen „Bürgerarbeit“. Grundsätzlich ist eine Intensivbetreuung von Arbeitslosen natürlich zu begrüßen. Auch die derzeitige Regelorganisation der Jobcenter und Agenturen in getrennter Aufgabenwahrnehmung dürfte aber mit Hilfe eines verbesserten Betreuungsschlüssels in der Lage sein, die Phase 1 des Konzepts „Bürgerarbeit“ wesentlich kontaktintensiver auszugestalten. Auf ein mögliches Risiko der Verdrängung von regulärer Arbeit muss jedoch hingewiesen werden.

Der verstärkte Einsatz öffentlich geförderter Beschäftigung wird Wettbewerbsverzerrung nicht verhindern können und macht eine enge Abstimmung mit den örtlichen Arbeitgeberinstitutionen unbedingt erforderlich. Aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit sollte der Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung nicht weiter aufgebläht werden. Vielmehr sollte überlegt werden, wie mit den eingesetzten Mitteln noch passgenauer die Aufnahme regulärer Arbeit ermöglicht werden kann. Programme, welche die bereitgestellten Mittel der Bundesagentur für Arbeit filettieren, beschränken den Einfallsreichtum und die Handlungsoptionen der Akteure vor Ort.


DOI: 10.1007/s10273-011-1222-x