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Lebensversicherung: Transparenzoffensive gescheitert

Von Dorothea Mohn

Bei der Reform der Lebensversicherung sollen Provisionen nun doch nicht offengelegt werden. Einen entsprechend geänderten Gesetzentwurf beschloss der Bundestag am 4.7.2014. Stattdessen soll zukünftig eine Kennziffer ausgewiesen werden, die den Anteil der Gesamtvertriebskosten an der Rendite abbildet. Im Versicherungsvertrieb wird allerdings ausdrücklich mit einer Beratungsleistung geworben. Die Provision wird explizit als Gegenleistung für die erfolgte Beratung gerechtfertigt. Aber wenn es um die Transparenz von Provisionen geht, also dem Geld, das Verbraucher für die vermeintliche Beratungsleistung zu Versicherungen zahlen müssen, geht der Puls einer ganzen Branche – der Versicherungsvermittler – in die Höhe. Häufig muss dann der Vergleich zur Autobranche, zum Elektronikhandel oder zum Milchhändler herhalten. Kritisiert wird, dass auch diese Händler nicht verpflichtet wären, ihre Marge offenzulegen. Insgesamt wird versucht, die Debatte als eine Neiddebatte abzutun. Nur stellt sich die Frage, warum hier ein Vergleich zum Handel mit sogenannten Erfahrungsgütern gezogen wird? Warum vergleichen die Versichungsunternehmen ihre Leistungen nicht mit der Beratungsleistung von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Psychotherapeuten? Dann wäre das Ergebnis ein ganz anderes. Auch hier geht es um Beratungsleistungen, bei denen es ganz selbstverständlich ist, den Preis für diese Leistung klar auszuweisen und überdies separat abzurechnen. Und man mag staunen, aber die Welt geht trotz dieser Preistransparenz nicht unter. Der Markt bricht hier nicht ein.

Die provisionsbasierte Versicherungsvermittlung, die gegenüber dem Verbraucher fälschlicherweise kostenlos erscheint, steht im unmittelbaren Wettbewerb mit Honorarberatern, deren Gebühr direkt vom Verbraucher beglichen wird und damit für ihn ersichtlich ist. Die Honorarberatung unterliegt keinem Interessenkonflikt, der sich aus der provisionsbasierten Vergütung immer ergibt. Die Chance auf eine gute Beratung ist daher auf Honorarbasis am höchsten. Gleichzeitig ist das Entgelt eines Honorarberaters in aller Regel deutlich geringer als die ansonsten bei Abschlüssen fällig werdende Provision. Damit überhaupt und endlich ein Wettbewerb zwischen Honorar- und Provisionsberatung entsteht, ist die Preistransparenz unerlässlich, die es Verbrauchern ermöglicht, die Beratungsleistung der beiden Modelle zu vergleichen.

Wir stehen vor dem Problem zahlreicher provisionsgetriebener Falschberatungen, in deren Folge immense Vermögenswerte von Kleinanlegern vernichtet, zumindest aber nicht ausreichend effizient und angemessen angelegt werden. Die Konsequenzen werden nicht unbedingt und unmittelbar heute sichtbar. Wenn aber die Altersvorsorge derer, die zusätzlich vorgesorgt haben, nicht reichen wird, dann auch, weil so mancher das falsche Vorsorgeprodukt erworben hat. Um Verkaufsgespräche und individuelle Beratungen unterscheiden zu können, ist eine Offenlegung der Provisionen notwendig – so wie es im Anlagebereich bereits gesetzlich Pflicht ist. Ist der Preis für die Beratung bekannt, können Verbraucher ein Gefühl dafür entwickeln, ob dieser der Beratungsleistung adäquat ist. So ließe sich auch erkennen, ob vielleicht gezielt hoch provisionierte Produkte Favoriten des Vermittlers sind. Gleichzeitig ist erst mit dieser Transparenz ein Vergleich zu anderen Ansparformen, wie beispielsweise Investmentfonds, möglich.

Die Offenlegung von Provisionen wäre also auch notwendig gewesen, um einen Gleichklang mit anderen Anlageprodukten zu erreichen. Da Lebensversicherungen und Anlageprodukte nahe Substitute sind, also potenziell für dasselbe Anlageziel erworben werden, ist eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt und ein starker Eingriff in den Wettbewerb. Absehbar sind Ausweichmanöver, in dem Anlageprodukte im Versicherungsmantel vertrieben werden, um die „leichtere“ Gesetzgebung zu nutzen. Ein „level playing field“ ist wichtig – also eine Wettbewerbsgleichheit im gesamten Anlagemarkt.

Europäische Zentralbank: Rotation des Stimmrechts

Von Carsten Hefeker

Im Mai 2003 hat die Europäische Zentralbank einen Vorschlag gemacht, wie in einer größer werdenden Europäischen Währungsunion effiziente Entscheidungen sichergestellt werden könnten. Wenn jedes Land ein Mitspracherecht bei der gemeinsamen Geldpolitik hat und zudem ein Direktorium mit sechs Personen beteiligt ist, wird irgendwann die Zahl der Beteiligten für eine schnelle und effiziente Entscheidungsfindung zu groß. Alle Mitgliedsländer haben diesen Vorschlag akzeptiert. Spätestens ab einer Mitgliederzahl von 19 Ländern wird ein zweistufiges Rotationsverfahren eingeführt, das die Mitglieder in zwei Gruppen teilt; ab einer Mitgliederzahl von 23 werden es drei Gruppen sein. Die Gruppe der fünf größten Länder, zu denen Deutschland gehört, wird vier Stimmen erhalten, sodass jedes große Land bei 80% der Entscheidungen stimmberechtigt ist. Die mit der Erweiterung um Litauen nächstes Jahr in Kraft tretende Regel orientiert sich an Verfahren, die beim Internationalen Währungsfonds und bei der Fed praktiziert werden. Beide Institutionen scheinen generell ganz gut damit zu fahren.

Die Änderung ist vor allem ein Kompromiss und keine konsequente Lösung des Problems. Wollte man wirklich effizient und schnell entscheiden, wäre eine viel stärkere Zentralisierung angebracht, indem man dem Direktorium die alleinige Entscheidungsmacht ließe. Einiges spräche dafür, dass dann die Partikularinteressen einzelner Länder weniger stark einfließen würden und es für die EZB leichter würde, Geldpolitik ganz unabhängig von den Interessen einzelner einflussreicher Länder zu betreiben. Vermutlich würde es auch den politischen Druck auf die EZB reduzieren. Diese Lösung ist aber politisch nicht durchsetzbar.

Offenbar ist die Neuregelung erst jetzt in der deutschen Wahrnehmung angekommen und hat zu einer nicht ganz nachvollziehbaren Aufregung geführt. Es wird moniert, Deutschland verliere seinen Einfluss, wenn Bundesbankpräsident Weidmann nicht bei allen Entscheidungen beteiligt sei. Ob die Änderung im Verfahren aber substanzielle Auswirkungen haben wird, hängt davon ab, ob sie die tatsächliche Entscheidungsfindung in der EZB beeinflusst. Das ist schwer abzuschätzen, weil man nicht genau weiß, wie die EZB ihre Entscheidungen trifft und Protokolle nicht veröffentlicht werden. Unter EZB-Präsident Trichet hieß es, man entscheide im Konsens, während unter Draghi offen von Abstimmungen gesprochen wird. Unklar bleibt, ob einzelne Stimmen mehr Einfluss haben und ob immer abgestimmt wird.

Nur bei Abstimmungen aber spielt das Rotationsverfahren überhaupt eine Rolle. Denn tatsächlich werden weiterhin alle nationalen Präsidenten an den Sitzungen teilnehmen, Mitspracherecht haben und ihre Argumente einbringen. Dass Weidmann im neuen Verfahren keinen Einfluss hat, setzt also voraus, dass es Abstimmungen zu den Entscheidungen gibt und diese rein nationalen Interessen folgen. In jedem anderen Fall wird die Entwicklung der größten europäischen Volkswirtschaft berücksichtigt werden und somit auch die deutschen Interessen. Dass die aktuelle Politik nicht vollständig im deutschen Interesse ist, hat eher mit der zwischen dem Großteil der Eurozone und Deutschland unterschiedlichen Entwicklung zu tun als mit irgendwelchen Entscheidungsverfahren und liegt im Wesen der Währungsunion. Die Aufregung über das neue Verfahren ist unbegründet und ein deutsches Sonderrecht, wie es von einigen gefordert wird, ist nicht zu rechtfertigen.

Google-Auto: Wohlfahrtsgewinne

Von Ferdinand Dudenhöffer

Die Vision vom unfallfreien Autofahren wird Realität. Mercedes hat im Sommer 2013 eine vollautomatische Mercedes S-Klasse auf die Strecke von Mannheim nach Stuttgart geschickt. Zwar saß ein Fahrer hinter dem Lenkrad, aber der war ein überflüssiger Kontrolleur. Um das Jahr 2020 will Volvo selbstfahrende Autos zum Kauf anbieten. Mercedes, BMW, GM, Toyota – alle arbeiten am Autopiloten. Google wird das selbstfahrende Auto noch vor dem Jahr 2020 anbieten. Entweder indem Google-Software die Neuwagen der Autobauer steuert oder – sollten die Autobauer kein Interesse an einem weiteren Google-Monopol haben – indem Google ein eigenes Auto auf den Markt bringt. Google bricht damit Konventionen und begibt sich auf neues Terrain. Ein Auto ohne Lenkrad, Bremse und Gaspedal mit Fahrgästen wurde im Juni 2014 per Video präsentiert. Geplant ist eine Testflotte von 100 Fahrzeugen. Das Unternehmen übt seit 2009 mit Computerautos und ist dabei mehr als 1,1 Mio. Testkilometer autonom gefahren.

Die Chance, dass die ersten Autopilot-Autos in Deutschland fahren, ist nahe Null. Deutsche Autobauer spielen zwar ganz vorne mit, aber die Verkehrspolitik verspielt den Innovationsvorsprung. In der letzten Legislaturperiode war ein neuer Punktekatalog das Nonplusultra. Derzeit läuft das Negativsummenspiel Ausländer-Maut mit Aufkleber. Anders in den USA: In Kalifornien, Florida und Nevada wurde im September 2012 das Verkehrsrecht angepasst und automatisch fahrende Autos erlaubt. Die deutschen Politiker laufen hinterher. Ähnliches galt schon für die Elektromobilität. Es wird viel über technischen Fortschritt geredet, aber zu oft bleibt es beim Reden.

Dabei sind die Wohlfahrtsgewinne von selbstfahrenden Autos beeindruckend. Im Jahre 2012 wurden nach dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 20,2 Mrd. Euro zur Schadensregulierung in der Kfz-Versicherung aufgewendet. Polizeilich wurden 2,4 Mio. Unfälle mit 384 000 Verletzten und 3600 Getöteten erfasst. Mehr als 95% der Unfälle werden durch Fehler von Menschen verursacht. Würden Autos bereits heute automatisch fahren, könnten pauschaliert 19 Mrd. Euro an Schäden vermieden werden. Dadurch ließe sich die Zahl der Toten um mehr als 3400 und die der Verletzten um mehr als 360 000 reduzieren. Nicht erfasst in dieser Rechnung sind etwa die Wohlfahrtsgewinne durch den Export der Autopilot-Fahrzeuge.

Um die Wohlfahrtsgewinne einzufahren, ist ein gesellschaftlicher und ökonomischer Rahmen notwendig. Dies betrifft das Verkehrsrecht, also die rechtliche Ausgestaltung, um das Computerauto im öffentlichen Raum fahren zu lassen. Eng damit verbunden ist die Haftungsfrage bei technischen Defekten. Heute haftet der Fahrer und versichert sich entsprechend mit einer Haftpflicht. Die Haftung des Autobauers bei technischen Defekten wird an den Rückrufaktionen sichtbar. In Zukunft ist es sinnvoll, dass die Fahrerhaftung deutlich eingeschränkt wird und bei automatischer Fahrt und technisch gepflegtem Fahrzeug auf Null gesetzt wird. Dann würde der Autobauer, analog zu Rückrufen, haften. Eine Fahrerhaftung würde in solchen Fällen die falschen ökonomischen Anreize setzen, denn hohe Versicherungssummen für den Hersteller sind ein Anreiz, die Fahrzeugsicherheit deutlich zu verbessern. Damit würden also auch die Eigentumsrechte neu definiert werden, wenn die Haftung vom Eigentümer auf den Hersteller übertragen wird. Ganz zu schweigen von ökonomischen Anpassungsprozessen, die sich etwa in heftigen Protesten der Bevölkerung gegen Fahrten ohne Fahrer zeigen könnten. Die Technik für die selbstfahrenden Autos ist auf gutem Wege. Politik und Wirtschaft haben Nachholbedarf.

Erneuerbare-Energien-Gesetz: Fördersysteme harmonisieren

Von Christian Growitsch

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat Anfang Juli 2014 entschieden, dass die Hersteller von im Ausland erzeugtem Strom aus Wind- oder Photovoltaikanlagen keinen Anspruch auf die nationale Erneuerbare-Energien-Förderung haben. Geklagt hatte ein finnisches Unternehmen, das Ökostrom in Finnland erzeugt, diesen Strom aber ausschließlich nach Schweden exportiert. Es wollte deshalb ebenso gefördert werden wie schwedische Stromproduzenten von erneuerbaren Energien.

Der Urteilsspruch des EuGH hat weit über den finnisch-schwedischen Einzelfall hinaus für die europäische Energiewirtschaft Bedeutung. Der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hat in der jüngeren Vergangenheit im Zusammenhang mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mehrfach die deutsche Ökostrom-Förderung kritisiert. Er sieht in der deutschen Weigerung, Importstrom, der im Ausland in Ökostromanlagen erzeugt worden ist, so zu behandeln wie nationalen Ökostrom, eine mögliche Verletzung der Wettbewerbsregeln innerhalb der Gemeinschaft.

Die europäischen Richter haben sich bei ihrem Urteil vor allem auf die Richtlinie 2009/28 der Europäischen Union berufen. Dort heißt es unter anderem in Abschnitt 25, dass „ein wichtiger Faktor bei der Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie“ darin bestehe, „das ungestörte Funktionieren der nationalen Förderregelungen, (…) zu gewährleisten, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt und die Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung der Ziele konzipieren können“.

Mit ihrem Urteil haben die Luxemburger Richter die Position der Regierung Schwedens, aber insbesondere auch Deutschlands gestützt. Zwar haben sie auch erkennen lassen, dass sie die Abschottung der nationalen Fördersysteme als wettbewerbsbehindernd betrachten. Mit ihrer Entscheidung, nationale Bedenken über die Idee des freien grenzüberschreitenden Warenaustauschs zu stellen, haben die Richter allerdings die ökonomisch sinnvolle stärkere Integration der europäischen Strommärkte ausgebremst. Mit dem Luxemburger Urteilsspruch wird verhindert, dass die sehr unterschiedlichen Fördersysteme für die erneuerbaren Energien in den einzelnen EU-Mitgliedsländern auf marktwirtschaftliche Weise unter Harmonisierungsdruck geraten. Die vorhandenen Ineffizienzen bleiben bestehen, mögliche Synergien werden nicht genutzt. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln hat in einer Studie bereits 2010 ermittelt, dass allein zwischen 2010 und 2020 mehr als 100 Mrd. Euro gespart werden könnten, wenn Windparks und Photovoltaikanlagen vorwiegend dort errichtet würden, wo sie den größten relativen Ertrag bringen – Solarkraftwerke im Süden Europas und Windkraftwerke an den Küsten Irlands und Großbritanniens. Diese Effizienzpotenziale bleiben nun vermutlich zumindest mittelfristig ungenutzt.

Der Urteilsspruch der EuGH-Richter darf nicht dazu führen, dass das Ziel eines EU-Binnenmarktes für Energie auf Dauer aus den Augen verloren wird. Bezogen auf die Förderung von Wind- und Sonnenenergie sollte er vielmehr Ansporn sein, die sehr unterschiedlichen nationalen Fördersysteme für erneuerbare Energien möglichst bald so zu harmonisieren, dass ein wettbewerbliches grenzüberschreitendes System entsteht. Die gerade beschlossene Reform des EEG sieht eine Überprüfung der Förderregeln in drei Jahren vor. Bis dahin sollte die Bundesregierung alle Anstrengungen unternehmen, um die Harmonisierung der europäischen Erneuerbarenförderung voranzutreiben und auch hier dem Wettbewerb mehr Raum zu geben. Am besten wäre es aber, auf die spezifische Förderung ganz zu verzichten und das europäische CO2-Emissionshandelssystem unverzerrt seine Wirkung entfalten zu lassen.


DOI: 10.1007/s10273-014-1698-2

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