Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

HSH Nordbank: Verkauf – ein Schlussstrich?

Von Martin Hellwig

Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein verkaufen die HSH Nordbank für 1 Mrd. Euro an private Investoren. Damit ziehen sie einen Schlussstrich unter diesen Skandal. Oder auch nicht. Über die Einzelheiten des Vertrags schweigen sich die Landesregierungen aus, dem Vernehmen nach auch gegenüber den eigenen Parlamenten. Die Omertà der Regierenden und ihrer Parteien hat Vorrang vor dem Informationsanspruch der Parlamente und der Bürger, um deren Geld es geht. Es heißt, man habe mit den Käufern Vertraulichkeit vereinbart. Dieses Argument hat schon die Bundesregierung bei der Deutschen Industriebank (IKB) gebraucht. Vor einigen Monaten erklärte das Bundesverfassungsgericht die damalige Geheimhaltung für grundgesetzwidrig. Bei der IKB ging es um den Verkaufspreis. Bei der HSH Nordbank ist der Verkaufspreis bekannt, aber Parlamente und Bürger können sich kein Bild von den Risiken machen.

Wenn private Investoren 1 Mrd. Euro aufwenden, erwarten sie eine Rendite. Man fragt sich hier, wo diese herkommen soll. Eine Möglichkeit bietet die eigentumsrechtliche Trennung zwischen der Abbaubank, die das Portefeuille an Problemkrediten abwickelt, und der Kernbank, die das aktive Bankgeschäft betreibt. Beide Banken werden eigentumsrechtlich voneinander getrennt. Die Abbaubank soll faule Kredite im Nennwert von über 6 Mrd. Euro bekommen, abgeschrieben auf 1 Mrd. Euro. Die Abschreibung wird auf die Verlustgarantie der Länder für die HSH Nordbank angerechnet. Die Höhe der Abschreibung macht stutzig. Die faulen Kredite im Nennwert von 5 Mrd. Euro, die die Länder Mitte 2016 von der HSH Nordbank übernommen haben, standen Ende September 2017 noch mit über 1,6 Mrd. Euro in den Büchern. Akzeptiert man diesen Wertansatz und unterstellt man, dass diese Kredite, deren Übertragung an die Länder die HSH Nordbank für den Verkauf aufhübschen sollte, nicht besser waren als die, die bei der Bank verblieben, dann ist der Wertansatz von 1 Mrd. Euro für die Kredite in der Abbaubank deutlich zu niedrig, und die Investoren werden schon bei der Abbaubank auf ihre Kosten kommen. Die eigentumsrechtliche Trennung von Abbaubank und Kernbank schädigt die Kernbank. Die Abschreibungen gehen zwar zulasten der Länder als Garantiegeber, aber die Garantien fallen weg und die Überschüsse aus der Verwertung der Kredite in der Abbaubank stehen der Kernbank nicht zur Verfügung, sondern kommen den Investoren unmittelbar zugute.

Die Verantwortlichen reden gerne über die Erfolge der Kernbank bei der Neukreditvergabe. Über Profitabilität und Risiken dieser Kredite wird kaum etwas gesagt. Vor 2008 sprach man auch nicht über die Risiken von Schiffskrediten, sondern war nur stolz auf die Erfolge bei der Vergabe. Eine im Vergleich zu anderen Banken überdurchschnittlich starke Neukreditvergabe in einer Zeit, in der alle Banken über niedrige Margen klagen, macht misstrauisch, zumal sich die Konzentration auf erneuerbare Energien als neues Klumpenrisiko erweisen könnte. Dabei steht noch die Frage im Raum, ob nach der Abtrennung der Abbaubank wirklich keine Altlasten aus der Vergangenheit mehr in den Büchern sind. Sollte die Kernbank in Schwierigkeiten kommen, so werden die Investoren froh sein, dass sie ihre Schäfchen bei der Abbaubank ins Trockene gebracht haben. Ein Nachschuss eigener Mittel ist dann nicht zu erwarten. Bei hohem Insolvenzrisiko möchte man lieber Mittel ausschütten als neue Mittel zuschießen. Die jetzt vermiedene Abwicklung könnte dann doch noch kommen, mit neuen Kosten für die Länder (aufgrund verbleibender Verpflichtungen aus Gewährträgerhaftung und Anstaltslast). Die Kosten für die Länder wären geringer als bei einer Abwicklung zu einem früheren Zeitpunkt, dafür wären die Gläubiger stärker betroffen und die Sicherungseinrichtung des Verbands öffentlicher Banken, die noch für mehr als drei Jahre für die HSH Nordbank zuständig ist. Sollte diese überfordert sein, dürfte der Vorgang auf dem Schreibtisch des neuen Bundesfinanzministers landen. Er kennt ihn schon.

Verschuldung und Vermögen: Zwei Seiten einer Medaille!

Von Manuel Rupprecht

Mit Schlagzeilen wie „Die Last der Schulden“ oder „Die Welt versinkt in Schulden“ wird in letzter Zeit intensiv über die globale Verschuldung diskutiert. Im Fokus stehen gleichermaßen Höhe und Entwicklungsdynamik der privaten und öffentlichen Schulden; beides wird zunehmend kritisch gesehen. Häufig werden Beeinträchtigungen des Wachstums befürchtet, vereinzelt sogar die Vorboten einer neuen Finanzkrise erkannt. Am Tatbestand selbst lässt sich freilich wenig rütteln: Angaben des Internationalen Währungsfonds zufolge summierten sich die Schulden der privaten und öffentlichen Sektoren weltweit im Herbst 2017 auf ca. 230 Billionen US-$, was in etwa 320 % des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Der Großteil davon entfiel auf die G20. Deren am BIP gemessenen Schulden haben seit Ausbruch der Finanzkrise im Durchschnitt um rund 35 Prozentpunkte zugenommen, was vor allem (aber nicht nur) auf erhebliche Zuwächse in China zurückzuführen ist. Rückgänge gab es allein in Deutschland und Argentinien. Nebenbei: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass genau dieser Länderkreis, der nach Ausbruch der – auch verschuldungsbedingten – Finanzkrise besonders eng zusammenstand, um die Krise besser zu bewältigen, heute durch ein kräftiges Schuldenwachstum auffällt.

Unabhängig davon sind die Befürchtungen berechtigt, dass diese Entwicklungen ein ernstzunehmendes Risiko für das Finanzsystem, das Wachstumspotenzial und damit letztlich die gesamtwirtschaftliche Stabilität der betroffenen Volkswirtschaften darstellen. Die Erfahrungen der Banken- und Schuldenkrise in (Süd-)Europa wirken bis heute nach. Noch immer sind viele Regionen durch hohe Arbeits- und Perspektivlosigkeit geprägt, allen – teils beachtlichen – Fortschritten bei der Bewältigung der Altlasten sowie der jüngsten wirtschaftlichen Belebung zum Trotz. Zusätzliches Öl ins Feuer goss zuletzt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die in ihrem jüngsten Quartalsbericht fundiert darauf hinwies, dass eine vergleichsweise hohe Verschuldung und die damit verbundenen Tilgungslasten grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit neuer Krisen erhöht und die Wirtschaftsaktivität schwächt. Dennoch: Bei aller Berechtigung einer ernsthaften Diskussion dieser Entwicklungen wirkt die Debatte bisweilen seltsam losgelöst vom sonstigen Wirtschaftsgeschehen. Dies gilt insbesondere für die Diskussion über die Entwicklung der weltweiten Vermögen. Auch darüber wird derzeit mit ähnlicher Leidenschaft und vergleichbaren Schlagzeilen debattiert. Allein, Verbindungen zwischen diesen beiden Aspekten werden meist nicht hergestellt. Im Gegenteil: Während einerseits der wachsende Schuldenberg mit zunehmender Skepsis betrachtet wird, wird die Zunahme der Vermögen andererseits kaum kritisiert und stattdessen primär (isoliert) deren Verteilung diskutiert.

So verständlich und begründet beide Positionen für sich genommen auch sein mögen, die Vernachlässigung dieses offensichtlichen Widerspruchs ist es nicht. Vermögen und Verschuldung sind zwei Seiten einer Medaille. Eine fundierte Auseinandersetzung mit der einen Seite erfordert deswegen die Berücksichtigung der anderen – vor allem dann, wenn man mit wirtschaftspolitischen Mitteln die Entwicklung einer Seite zu ändern sucht. Forderungen nach einer Begrenzung oder gar Senkung der Verschuldung sollten also berücksichtigen, dass auf der anderen Seite Anleger stehen. Zentral ist letztlich die Verteilung der Nettovermögen und weniger die Höhe oder Dynamik der einen oder anderen Seite. Bleibt dieser Aspekt bei der Entscheidung über wirtschaftspolitische Maßnahmen unberücksichtigt, sind unbeabsichtigte Nebenwirkungen vorprogrammiert, die auch gut gemeinte Maßnahmen im Zweifel ins Gegenteil verkehren können.

Strommärkte: Zurück zum Monopol?

Von Daniel Zimmer

Es war ein Paukenschlag: Am 13.3.2018 kündigten die Energiekonzerne E.ON und RWE eine grundlegende Umgestaltung ihrer Konzernstrukturen an: RWE werde die eigene Tochtergesellschaft Innogy an E.ON veräußern, die Netz- und Vertriebsaktivitäten von Innogy würden entsprechend E.ON zufallen. Umgekehrt werde RWE die Sparte der Grünstromerzeugung von E.ON übernehmen. Im Ergebnis läuft dies auf eine Spezialisierung beider Seiten hinaus: E.ON konzentriert sich auf das Geschäft mit Netzen und Vertrieb, RWE auf die Erzeugung elektrischer Energie, nunmehr unter Einschluss erneuerbarer Energien. Ist die deutsche Stromwirtschaft auf dem Weg „zurück zum Monopol“?

Bis in die 1990er Jahre bestanden tatsächlich großflächige Monopole in der deutschen Energiewirtschaft: Mit einem System von umfassenden Demarkationsverträgen grenzten die Versorger ihre Gebiete voneinander ab. Das wettbewerbsfeindliche System wurde durch neue Regeln zum europäischen Energiebinnenmarkt aufgebrochen. Die Liberalisierung hatte einen bis dahin ungekannten Wettbewerb zur Folge. Bei der Stromerzeugung herrscht heute reger Wettbewerb. Großunternehmen konkurrieren mit kleineren Erzeugern um die Gunst von Abnehmern – d. h. vor allem von Unternehmen, die mit elektrischer Energie handeln. Damit ist die zweite Ebene angesprochen: der Vertrieb. Auch zwischen den Vertreibern elektrischer Energie herrscht lebhafter Wettbewerb. Anders als zu Monopolzeiten können Endverbraucher zwischen einer großen Zahl von Anbietern wählen. Allerdings bleiben viele ihrem örtlichen Versorger treu und zahlen deutlich höhere Preise als im Fall eines Wechsels zu einem konkurrierenden Lieferanten. Bei den auf einer dritten Ebene liegenden Netzen bestehen meist nach wie vor Monopolstrukturen: Die Schaffung eines weiteren Netzes würde in den meisten Versorgungsgebieten nicht lohnen. Allerdings trägt eine sektorspezifische Regulierung dafür Sorge, dass Netzmonopolisten Strom durchleiten. Die von ihnen hierfür berechneten Entgelte unterliegen der Aufsicht der Bundesnetzagentur. Zwar halten manche die Netznutzungsentgelte, die teilweise zu Zeiten höherer Kapitalmarktzinsen festgesetzt wurden, für überhöht. Ein Vorstoß der Bundesnetzagentur zur deutlichen Senkung solcher Entgelte ist aber im März 2018 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gescheitert.

Inwiefern ändert sich die Lage nach der von E.ON und RWE ins Auge gefassten Umstrukturierung? Der bisher in einzelnen Hinsichten zwischen beiden Konzernen bestehende Wettbewerb wird infolge der geplanten Spezialisierung entfallen. Dass ein neues Monopol entsteht, ist nicht zu erwarten: Auf der Erzeugungs- und der Vertriebsebene herrscht Wettbewerb. Bei den Netzen bestehen ohnehin Monopolstrukturen; sie unterliegen der Regulierung. Freilich ist die von den Wettbewerbsbehörden durchzuführende Zusammenschlusskontrolle nicht nur auf die Verhinderung von Monopolen und von marktbeherrschenden Stellungen (unter Einschluss von Situationen kollektiver Marktbeherrschung) gerichtet. Seit einer im letzten Jahrzehnt erfolgten Erweiterung der Untersagungskriterien sowohl der europäischen als auch der deutschen Fusionskontrolle steht fest, dass auch die prognostizierte Entstehung unilateraler (oder: nicht-koordinierter) Effekte zur Untersagung eines Zusammenschlusses führen kann. Von solchen unilateralen Fusionswirkungen wird gesprochen, wenn ein Entfallen des zwischen den Beteiligten bestehenden Wettbewerbs zu höheren Verbraucherpreisen führen wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, inwieweit von dritten Unternehmen auf dem Markt Wettbewerbseffekte ausgehen. Hierauf werden die Wettbewerbshüter im Innogy-Fall ihre Aufmerksamkeit richten: Ist anzunehmen, dass auf Märkten, auf denen infolge der Spezialisierung zwischen E.ON und RWE Wettbewerb entfällt, von dritten Anbietern eine kompensierende Wirkung ausgeht? Auf den ersten Blick mangelt es heute – anders als bis in die 1990er Jahre – auf den Strommärkten nicht an Anbietern, die den an der Transaktion beteiligten Unternehmen Konkurrenz machen.

Solidarisches Grundeinkommen: Für einen sozialen Arbeitsmarkt

Von Jürgen Schupp

Im November 2017 hat Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller erstmals öffentlich für seine Idee eines „solidarischen Grundeinkommens“ (SGE) geworben. Es solle eine Alternative zum passiven Leistungsbezug all derjenigen werden, die langzeitarbeitslos sind und Grundsicherung nach Sozialgesetzbuch II (SGB II) beziehen, aber den Wunsch haben, sich wieder aktiv am Erwerbsleben zu beteiligen. Bezieher eines SGE sollen zwar lediglich den gesetzlichen Mindestlohn verdienen, aber sie würden sozialversichert beschäftigt und könnten ohne Befristung in Vollzeit Tätigkeiten gemeinnütziger Arbeit ausüben (Passiv-Aktiv-Transfer – PAT). Gemäß Modellrechnungen des Müller-Vorschlags am Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) würden die ehemaligen Bezieher der Grundsicherung dabei ein rund 20 % höheres Nettoerwerbseinkommen erzielen als im vorherigen reinen Leistungsbezug. Hinsichtlich der fiskalischen Zusatzbelastungen durch einen solchen steuerfinanzierten Arbeitsmarkt wären jährliche Zusatzkosten je Passiv-Aktiv-Transfer zwischen 5000 und 7500 Euro erforderlich. Bei geschätzten 100 000 gelungenen Umwandlungen von passivem Leistungsbezug als Einstieg in den öffentlich finanzierten Arbeitsmarkt, wären dies pro Jahr zusätzliche Mittel in Höhe von 500 bis 750 Mio. Euro. Im Koalitionsvertrag wurden bereits Mittel in Höhe von jährlich etwa 1 Mrd. Euro zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen eingestellt. Profitieren würden beim SGE, das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil „sozialer Arbeitsmarkt“ genannt wird, sowohl diejenigen, deren Lebenssituation sich durch die neu geschaffenen Stellen direkt verbessert, als auch die ehemals Langzeitarbeitslosen, die wieder von ihrer Erwerbstätigkeit ein bescheidenes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einem auch tatsächlich ausgezahlten Mindestlohn bekommen.

Zur Umsetzung des Vorschlags wird es nun darauf ankommen, folgende Kernpunkte zu regeln. Erstens bedarf es einer Verständigung über eine „Positivliste“ an geförderten Tätigkeiten sowie Beschäftigungsorten, damit Befürchtungen zerstreut werden, dass es bei dem Vorschlag zu einem Abbau regulärer Stellen im öffentlichen Dienst kommen könnte oder auch Verdrängungen privater Dienstleister damit verbunden seien. Der Vorschlag des SGE richtet sich bewusst an alle Langzeitarbeitslosen und nicht ausschließlich an die Gruppe mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen oder besonders langer Arbeitslosigkeitsdauer und setzt Freiwilligkeit voraus. Ein Ablehnen wäre nicht mit Sanktionen oder Leistungskürzungen verbunden. Deshalb bedarf es zweitens der Festlegung des Kreises der Begünstigten eines SGE. Drittens müssen die Finanzierungsströme geklärt werden, denn bei den bisherigen Modellen eines Transfers von passivem Leistungsbezug hin zu aktiver Hilfe durch Erwerbstätigkeit fehlt eine Lösung für die notwendigen Finanzierungsströme sowie längerfristigen Bereitstellung der Mittel in den Kommunen. Als empirische Frage bleibt zudem: Sind Eingliederungs- und Integrationserfolge in die Gesellschaft beim SGE erfolgreicher als im derzeitigen System?

Eine Konsequenz des Vorschlags von Müller wäre, dass ein dauerhafter sozialer Beschäftigungssektor ehemals Langzeitarbeitsloser geschaffen würde. Hierzu könnten für die Aufbauphase der ersten Jahre sicherlich die Ausgaben des Eingliederungstitels des SGB II genutzt werden. Mittel- und langfristig macht ein SGE jedoch erforderlich, dass die Kommunen (wieder) deutlich mehr Mittel für Beschäftigte erhalten, um im Rahmen einer „kommunalen Daseinsfürsorge“ steuerfinanzierte Arbeitsangebote zu schaffen, die einerseits im Dienste der Allgemeinheit stehen und andererseits auch die verbreitete Angst vor drohender Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg abbauen können.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-018-2280-0

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.