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In der Januarausgabe 2023 veröffentlichte der Wirtschaftsdienst einen Aufsatz mit dem Titel „Dürrezeit für das Elektroauto steht bevor“ von Ferdinand Dudenhöffer und Helena Wisbert. Robert Seiler und Dieter Wermuth vertreten in einer Replik eine andere Auffassung, im Anschluss erläutern Ferdinand Dudenhöffer und Helena Wisbert ihren Standpunkt in einer Erwiderung.

Replik: Aufbau von E-Auto-Kapazitäten keine Fehlinvestitionen

Von Robert Seiler, Dieter Wermuth

Im Wirtschaftsdienst vom Januar 2023 sagen Ferdinand Dudenhöffer und seine Kollegin Helena Wisbert vom Duisburger CAR – Center Automotive Research – für die deutschen Neuzulassungen von E-Autos einen starken Rückgang in diesem und im nächsten Jahr voraus. Der Boom sei erst einmal zu Ende. Wir sind uns jedoch sicher, dass es sich nur um eine Delle handelt und der Markt ab Mitte 2024 wieder kräftig expandieren wird, vor allem weil immer mehr Regierungen aus Umweltgründen entschlossen sind, Autos mit Verbrennungsmotor Schritt für Schritt zu verbieten. Ab 2035 werden in der EU keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Bald haben die Käufer daher keine Wahl mehr – sie müssen auf Stromer umsteigen. Die skandinavischen Länder machen uns vor, wohin die Reise geht.

Für die kommende Delle nennen die CAR-Autoren drei Gründe: 1. Ab 2023 würden die diversen Kaufprämien für Elektroautos gekappt. Dadurch stiegen die Preise für die Käufer bis 2024 im Vergleich zu 2022 je nach Modell um 11 % bis 33 %. Bei den kleineren – und damit bisher erschwinglicheren – Autos seien die Preissprünge am größten. Ihre Nachteile beim Kaufpreis nähmen damit weiter zu. Vor allem Hybride würden einen Einbruch erleben. 2. Die Strompreise dürften für Haushalte von nun an bei etwa 60 Cent, an Ladestationen sogar bei 70 Cent je Kilowattstunde liegen und hätten sich so gegenüber der Zeit vor der Energiekrise verdoppelt; ein E-Auto zu fahren sei nicht mehr unschlagbar billig. 3. Die Produktionskosten von Batterien, den wichtigsten Kostenkomponenten, stiegen deutlich an, weil sich Rohstoffe wie Lithium-Hydroxid, Kobalt, Nickel, Mangan und Phosphor stark verteuert haben.

Nachdem 2022 in Deutschland insgesamt rund 833.000 E-Autos zugelassen wurden, ein Anstieg um das 7,6-Fache innerhalb von drei Jahren, werden es nach der Prognose von Dudenhöffer und Wisbert im Jahr 2024 nur noch 455.000 sein, ein Rückgang um 45 %. Davon sollen 394.000 auf reine Stromer und 61.000 auf Hybride entfallen.

Der bei weitem wichtigste Akteur auf diesem Markt ist China. Weil das Land bei Verbrennern realistischerweise im internationalen Wettbewerb nicht mithalten kann und die Umwelt in einem katastrophalen Zustand ist, setzt die Regierung voll auf Elektroautos. Global entfällt auf das Land inzwischen mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen. Wenn die europäischen, US-amerikanischen, japanischen und koreanischen Autofirmen überleben wollen, müssen sie sich danach richten, was dort geplant ist. Die Erkenntnis ist offenbar, dass die Zukunft den batteriegetriebenen Autos gehört. Die Investitionen, die in dieses Segment fließen, sind jedenfalls inzwischen enorm.

Die starke Reduzierung der deutschen Kaufprämien ist zweifellos ein wichtiger Grund, warum es in diesem und im nächsten Jahr hierzulande nicht gut laufen dürfte. Aber auch in Ländern, in denen Kaufprämien keine Rolle spielen, dürfte die Expansion des E-Marktes etwas ins Stocken geraten, weil die Autohersteller zurzeit oft schlicht nicht liefern können. Stichworte sind hier etwa der Hafen von Schanghai und der Krieg in der Ukraine (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Neu zugelassene E-Autos im Jahr 20211
  in 1.000 pro 100.000 Einwohner
Norwegen 148 2.737
Schweden 136 1.306
Dänemark 66 1.127
Deutschland2 690 829
Schweiz 54 620
Belgien 70 604
Finnland 30 541
Niederlande 94 536
Vereinigtes Königreich 310 462
Frankreich 310 454
China 3.300 234
Italien 138 233
Kanada 87 227
Neuseeland 10 201
USA 630 190
Südkorea 91 176
Spanien 68 144
Australien 20 79
Griechenland 7 66
Polen 18 47
Japan 45 36
Mexiko 4 3
Brasilien 7 3
Indien 12 1
Welt 6.600 84

1 batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und Plug-in Hybride (PHEV).  2 Im Jahr 2022 wurden 833.000 E-Autos neu zugelassen, das entspricht etwa 988 pro 100.000 Einwohner.

Quelle: IEA, eigene Berechnungen.

Zwar sind die Kosten für Li-Ionen-Batterien zuletzt leicht gestiegen, am langfristigen Abwärtstrend ändert das aber nichts. Er ist sehr stabil. In Preisen von 2020 kostete die Kapazität einer Kilowattstunde 2014 nach einer Studie von Bloomberg noch 600 US-$, 2024 dürften 94 US-$ erreicht werden, und 2030 sogar nur 59 US-$. Hier zeigen sich die Wunder der Forschungsinvestitionen und der Massenfertigung. Außerdem setzen Hersteller wie etwa Tesla bei ihren Batterien zunehmend auf Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) und benötigen daher weder Kobalt noch Nickel. Sie versuchen, den Einsatz der teuren seltenen Erden zu minimieren. Insgesamt wird der Anteil der Batteriekosten an den Gesamtkosten der E-Autos weiter zurückgehen und ist in Kürze nicht mehr der entscheidende Faktor: Im elektrischen Fiat 500 beispielsweise, der für etwa 35.000 Euro zu haben ist, kostet die 42 kWh-Batterie schon heute lediglich 6.000 Euro.

Was die Treibstoffkosten angeht, fallen bei einem Verbrenner mit einer Jahresleistung von 14.000 km, einem Durchschnittsverbrauch von 8 l/100 km und einem Spritpreis von 1,90 Euro insgesamt 2.128 Euro pro Jahr an. Ein E-Auto dagegen, kommt mit der gleichen Fahrleistung und einem Strompreis von 60 Eurocent/kWh auf 1.512 Euro, ein Unterschied von gut 600 Euro im Jahr oder 51 Euro im Monat. Soweit die Käufer von der Strompreisbremse profitieren können, zahlen sie nur 40 Cent pro Kilowattstunde und kommen dadurch auf jährliche Betriebskosten von nur 1.008 Euro, also pro Monat 93 Euro weniger als für einen Verbrenner. Berücksichtigt werden sollte auch, dass die Versicherung weniger kostet, die Steuern meist niedriger sind und der Wiederverkaufspreis relativ höher ist. Außerdem ist nicht unwahrscheinlich, dass die Strompreise demnächst wieder sinken – die Grenzkosten von Strom aus Erneuerbaren (die massiv weiter ausgebaut werden) liegen in der Nähe von null.

In China befinden sich die Anschaffungskosten von Elek­troautos im Übrigen seit Jahren im freien Fall. Von 2015 bis zum vergangenen Jahr sind sie nach einer Studie von JATO Dynamics von durchschnittlich 70.203 US-$ auf 33.440 US-$ gesunken, während sie sich in Europa in dieser Zeit von 51.424 US-$ auf 58.652 US-$ erhöht haben. Einige Modelle sind inzwischen billiger als vergleichbare Verbrenner. Wie belastbar diese Zahlen sind, ist vielleicht fraglich, auch ob wir es möglicherweise mit Qualitätsunterschieden zu tun haben, aber der Trend ist klar – China gibt ihn vor. Vom Preis und von den Unterhaltskosten her ist ziemlich sicher, dass Elektroautos immer attraktiver werden. Noch sind sie wegen der Probleme mit dem Laden und der Reichweite nicht jedermanns Sache, und wir wissen nicht, wann die Wasserstofftechnik marktreif sein wird, aber auf absehbare Zeit wird ihr Siegeszug weitergehen.

Es sieht also nicht danach aus, dass sich die Ausgaben für den Aufbau von E-Auto-Kapazitäten als teure Fehlinvestitionen erweisen werden. Es ist genau umgekehrt: Wer nicht investiert, wird im Wettbewerb nicht bestehen können.

Die Verfasser danken Uwe Richter für wertvolle Informationen und Unterstützung.

Erwiderung: Klarer Rückfall bei der Umsetzung der Elektromobilität in Deutschland in den nächsten Jahren

Von Ferdinand Dudenhöffer, Helena Wisbert

Wie immer prägen im Wesentlichen die Prämissen die Ergebnisse. Von daher einige Punkte:

Batteriepreise: Die Zellpreise hängen natürlich von den Angebotskapazitäten und der Nachfrage ab, und die ist in den nächsten Jahren deutlich höher als die Produktionskapazität für Lithium-Zellen. Insbesondere in Europa werden die Kapazitäten für Zellproduktion erst nach 2025 stehen. Zusätzlich ist die Zellproduktion, insbesondere die Elektrodenbeschichtung und die Trocknungsprozesse, sehr energieintensiv. Von daher muss mit den Energiekosten in Deutschland und Europa mit hohen Zellpreisen gerechnet werden. Also steigen die Batteriepreise in den nächsten Jahren. LFP ist nichts Neues, sondern wird etwa von BYD seit mehr als zehn Jahren als Kathodenmaterial genutzt. Der wirkliche Kostensprung kommt mit der Feststoffzelle, aber die Feststoffzelle wird vermutlich erst 2030 in der industriellen Fertigung sein.

Benzinpreise: Nach unserer Einschätzung gibt es keine Gründe, warum Rohöl nicht wieder zurück auf ein Preisniveau bei Brent bei 40 US-$ pro Barrel fallen sollte. Zur Info: Der Barrelpreis lag 2020 beim Tiefpunkt bei 25,20 US-$. 2020 lag der Preistiefpunkt in Deutschland bei Benzin Super E 10 bei 1,25 Euro. Von daher sind Modellrechnungen mit 1,90 Euro pro Liter heroisch. Gleiches gilt für den Treibstoffverbrauch von 8 l/km. Wir liegen heute bei der Kompaktklasse und unteren Mittelklasse eher bei 5 l/km und bei Kleinwagen bei 4 l/100km, eben weil es Hybride gibt. Unklar ist ebenfalls warum der Strompreis in den nächsten Jahren in Deutschland weiter sinken sollte, wenn man die geplanten Stromproduktionsprozesse – etwa Flüssiggas – betrachtet.

IRA und Endkundenpreise inklusive Incentives: Mit dem IRA wird die BEV-Nachfrage in USA mit Steuer-Credits seit 2023 von bis zu 7.500 US-$ deutlich gestärkt. Ähnliches gilt für China, wobei regionale Regulierungen/Incentives hier zusätzlich berücksichtigt werden müssen. In Deutschland ist ab 2025 die Umweltprämie null, sprich wie im Artikel gezeigt, wird der Preis für den Privatkäufer von Elektroautos in Deutschland deutlich steigen. Zusätzlich gilt, dass die Autobauer bereits mit Beginn des Jahres 2023 zum Teil deutliche Preissteigerungen bei BEV vorgenommen haben, so etwa VW ID3 mit dem Einstiegspreis von 38.500 Euro im Dezember auf jetzt knapp 44.000 Euro oder Skoda mit dem Enyac ebenfalls um 4.000 Euro Preissteigerung auf jetzt 48.900 €. Tesla hat seine Preise in Deutschland zwar gesenkt. Doch das dürfte temporär sein, denn in den USA und China hat man die dortigen Preissenkungen bei Tesla wieder zurückgenommen. Damit sind nicht nur die Annahmen der Benzinpreise, sondern auch der Fahrzeugpreise in der Erwiderung „mutig“ oder realitätsfern.

EU-Regulierung: Damit Autobauer die CO2-Vorgaben der EU erfüllen, ist der Durchschnittstreibstoffverbrauch in Deutschland zwar wichtig, aber nicht maßgebend. Damit kann die BEV-Nachfrage in Deutschland durchaus sinken, ohne dass die Autobauer in Strafzahlungen laufen. Was zählt, sind die CO2-Emissionen in der EU.

Fazit

In unserer Analyse gehen wir keineswegs von einem dauerhaften Sinken der EV-Nachfrage aus. Nirgends ist etwas über 2035 behauptet oder 2030. Von daher interpretieren die Anmerkungen in der Erwiderung Dinge, die nirgends behauptet wurden. Was wir allerdings deutlich sehen, ist ein klarer Rückfall bei der Umsetzung der Elektromobilität in Deutschland in den nächsten Jahren. Die vom Kraftfahrt-Bundesamt für den Januar gemeldeten EV-Zulassungszahlen und Anteile zeigen die Richtung.

Title:A Drought for Electric Cars Lies Ahead: Replica and Rejoinder

Abstract:Robert Seiler and Dieter Wermuth argue that electric vehicles continue to get more competitive, driven by the huge and dynamic Chinese market. To survive, car producers have to invest massively in EV capacities. Ferdinand Dudenhöffer and Helena Wisbert, on the other hand, see a sharp decline in electromobility in Germany in the next few years, although this could vary in the long term.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0056

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