Klimagipfel: Faites vos jeux! – die Würfel fallen
Am Ende der 15. Weltklimakonferenz wurde die Kopenhagen-Vereinbarung in letzter Minute verlautbart. Von vielen Besorgten geschmäht, ist sie der erste Schritt der Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert zur Bekämpfung des Klimawandels. Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass eine Stabilisierung des Weltklimas nur mit einschneidenden Verringerungen der Treibhausgasemissionen zu erreichen ist. Im Kern haben sich 193 Länder darauf verständigt, die globale Erwärmung nicht über 2° C ansteigen zu lassen. Die globalen Treibhausgasemissionen sollen dazu bis 2050 um 50% (bezogen auf 1990) sinken, in Industrieländern sogar um 80%. Die Kopenhagen-Vereinbarung wurde allerdings ohne formale Abstimmung lediglich verlesen und zur Kenntnis genommen. Damit ist die Weltgemeinschaft noch weit davon entfernt, die notwendige Reduktion der Treibhausgasemissionen auch tatsächlich zu erreichen. In einem Kraftakt ist es US-Präsident Obama gelungen, das Ruder noch mit Hilfe von China, Indien, Brasilien, Südafrika sowie 180 kurzfristig zu Zaungästen degradierten weiteren Ländern (inklusive der EU-27) in Richtung Minimalkonsens herumzureißen. Damit war die für die Fortsetzung des Kyoto-Prozesses entscheidende Vertragsstaatenkonferenz zumindest nicht vollends gescheitert. Klar wurde dabei, dass eine Beteiligung von 193 Ländern am Verhandlungsprozess kein effizientes Konzept darstellt. Globale Klimapolitik in kleineren Gruppen, wie z.B. ein Abkommen der 10 oder 20 Länder mit den weltweit größten Treibhausgasemissionen, erscheint hilfreicher. Die UNO muss daher ihre zukünftige Rolle und neue Verhandlungsverfahren überdenken.
Die EU, die für rund 14% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, hat sich mit ihrem Reduktionsziel bis 2020 von mindestens 20% gegenüber 1990 bereits vor dem Klimagipfel klar positioniert. Dennoch konnte sie sich nicht ohne Hilfe der USA gegen die Interessen von Indien, China und anderen Schwellenländern durchsetzen.
China, mit 21% mittlerweile der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen, wollte sich im Rahmen der Kopenhagen-Vereinbarung nicht festlegen. Das Land verhielt sich weitgehend passiv. Das Verhalten machte jedoch deutlich, dass sich wichtige Schwellenländer nicht gerne vorschreiben lassen, ob und in welchem Umfang sie Klimaschutz betreiben sollen. Lieber lassen sie sich als Entwicklungsland mit Aufholbedarf darstellen. Dabei investiert gerade China jährlich viel in saubere Energien und Energieeffizienz und versucht gemäß dem gültigen 5-Jahresplan die Emissionsintensität der Wirtschaft 2020 um bis zu 45% gegenüber 2005 zu reduzieren. Während dies ein klares Bekenntnis zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch bedeutet, rechnen Experten damit, dass die Treibhausgasemissionen Chinas aufgrund des rasanten Wachstums nicht vor 2020 bis 2030 stabilisiert und erst danach reduziert werden können.
Die USA haben sich bereit erklärt, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 17% zu senken (gegenüber 2005), während andernfalls bis 2050 mit einer Steigerung um 18% zu rechnen wäre. Im Vergleich dazu sieht der Entwurf des Klimagesetzes eine Reduktion um satte 83% vor. Die USA haben dennoch gezeigt, dass sie bereit und in der Lage sind, eine federführende Rolle im Post-Kyoto-Prozess einzunehmen. Allerdings hat der Kongress, anders als das Repräsentantenhaus, bisher noch nicht das von Regierungsseite mit allen Mitteln angestrebte Klimaschutzgesetz verabschiedet. Die Wende in der US-Klimapolitik ist also noch nicht vollzogen. Das Tauziehen der verschiedenen Interessengruppen wird 2010, in einer schwierigen wirtschaftlichen Phase und mit wenig Priorität für den Klimaschutz, fortgesetzt.
Die Verhandlungen der nun folgenden Klimakonferenzen in Bonn und Mexico City werden noch zäher werden als in Kopenhagen. Es wird wohl Jahre dauern, bis sich die Menschheit auf verbindliche Ziele und klare Regeln zur Erreichung einer Stabilisierung des Klimas einigen wird. Das Pokerspiel um die Zukunft unseres Planeten ist nicht zu Ende, sondern hat erst so richtig begonnen.
Kommunalfinanzen: Das Aufwachen nach dem Traum
Die Rezession in Deutschland hat zu einem starken Einbruch der kommunalen Steuereinnahmen geführt. Wie dramatisch der finanzielle Absturz der Städte und Gemeinden ist, lässt sich am kommunalen Finanzierungssaldo ablesen, der von +7,42 Mrd. Euro 2008 auf einen ähnlich hohen Defizit-Betrag 2009 abzustürzen droht. Nachdem die deutschen Kommunen in den Jahren 2007 und 2008 die höchsten Überschüsse in ihrer Geschichte realisieren konnten, testen sie nun einen neuen historischen Tiefstand an. Die Haushaltslöcher können in vielen Gemeinden nur durch die Aufnahme von Kassenkrediten gestopft werden. Deren Volumen ist zwischen September 2008 und 2009 um 15% (4,5 Mrd.) auf 33,8 Mrd. Euro geradezu explodiert. Da ihnen keinerlei Vermögenswerte gegenüberstehen, verschärfen die hierfür anfallenden Zinsausgaben die finanzielle Lage der betroffenen Kommunen weiter.
Bislang hat sich die Krise kaum auf die Ausgabenseite ausgewirkt. Dennoch sind die kommunalen Sozialausgaben in 2009 gegenüber dem Vorjahr um 3,9% angestiegen. Wenn die Krise den Arbeitsmarkt erreichen sollte, ist ein weiterer Einbruch vorprogrammiert. Angesichts der großen fiskalischen Bedeutung des Sozialbereichs dürften die kommunalen Haushalte dann weiter unter Druck geraten. Gefahr droht darüber hinaus von staatlicher Seite: Zusätzlich zu den bereits beschlossenen Haushaltsbelastungen, die u.a. vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz sowie von der nur unzureichend finanzierten Ausweitung der Betreuung der unter 3-Jährigen ausgehen, drohen den Städten und Gemeinden weitere Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe, wenn die neue Bundesregierung ihre steuerpolitischen Pläne wahr machen und die Einkommensteuer ab 2011 um 24 Mrd. pro Jahr senken sollte. Derartige fiskalische Einbrüche können nicht durch lokale Konsolidierungsmaßnahmen aufgefangen werden.
Eine zentrale Problematik der kommunalen Finanzsituation liegt in den massiven regionalen bzw. lokalen Unterschieden und damit in der Gefahr einer Abwärtsspirale für fiskalische Problemkommunen. Nicht zuletzt aufgrund massiver wirtschaftlicher und sozialer Probleme haben viele Problemkommunen es auch in den konjunkturell guten Jahren 2006 bis 2008 überwiegend nicht aus der Verlustzone geschafft. Angesichts der Höhe der Verschuldung befinden sich gerade strukturschwache Kommunen in einer „Vergeblichkeitsfalle“ (Erblastthese), aus der sie aus eigener Kraft häufig nicht ausbrechen können. Mit der gegenwärtigen Krise droht für sie ein Absturz ins Bodenlose.
Obwohl weitere Konsolidierungsanstrengungen der Städte und Gemeinden unvermeidlich sind, birgt ein harter Sparkurs in der gegenwärtigen Krise nicht unerhebliche stabilisierungspolitische Risiken, da der Nachfrageausfall des Privatsektors hierdurch weiter verschärft wird. Außerdem stellt sich in den sozioökonomisch und fiskalisch seit längerem gebeutelten Städten die Frage, was von der kommunalen Selbstverwaltung noch übrig bleibt, wenn auch die letzten freiwilligen Aufgaben dem Rotstift zum Opfer fallen. Zudem dürfte selbst dies nicht ausreichen, die Haushaltslücken zu schließen. In vielen Städten und Gemeinden sind die Kassenkredite mittlerweile höher als die Ausgaben für freiwillige Aufgaben.
Was ist angesichts dieser desolaten Situation zu tun? Einnahmenseitig ist die Konjunkturreagibilität des kommunalen Steuersystems zu verringen und die Dotierungsfrage im Kommunalfinanzausgleich zu lösen. Eine aufgabengerechte Finanzausstattung kann durch Mehreinnahmen, aber auch durch eine Aufgabenrückführung (Standardabbau etc.) erreicht werden. Das Problem der Soziallastenfinanzierung wird seit Jahrzehnten hinausgeschoben. Das Konnexitätsprinzip und die bedarfsgerechte Berücksichtigung der Soziallasten im Finanzausgleich bleiben hier auf der politischen Agenda. Dort wo all dieses nicht reicht, und die Kreditzinsen mittlerweile die Verschuldungsspirale stärken, sind auch staatliche Entschuldungshilfen notwendig. Diese müssen aber anreizpolitisch so angelegt sein, dass sie die Einsparbemühungen der Kommunen fördern. Nur wer parallel seinen laufenden Haushalt ausgleicht, darf in den Genuss staatlicher Entschuldungshilfen kommen.
Arbeitslosenversicherung: Wie weiter mit dem Beitragssatz?
Nahezu ungeachtet der schweren Rezession hat sich der deutsche Arbeitsmarkt im Jahr 2009 beachtlich geschlagen. Die Beschäftigung sank nur geringfügig und die Arbeitslosigkeit nahm kaum zu. Der Erfolg ist unter anderem auf den massiven Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente zurückzuführen. Doch die erfolgreiche Strategie hat ihren Preis: Trotz der nur moderaten Verschlechterung der Arbeitsmarktlage geriet der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Schieflage. Nachdem das Jahr 2008 mit nahezu ausgeglichenem Haushalt abgeschlossen werden konnte, ergab sich für 2009 ein Defizit von rund 14 Mrd. Euro. Insbesondere die stark steigenden Ausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik – einschließlich der Kurzarbeit – belasteten das Budget. Aber auch die Einnahmen blieben hinter dem Vorjahr zurück.
Für das laufende Jahr ist eine Verbesserung der Finanzlage der Arbeitslosenversicherung nicht absehbar. Die BA rechnet in ihrem vor wenigen Wochen aufgestellten Haushaltsplan mit einer Deckungslücke von knapp 18 Mrd. Euro. Aus heutiger Sicht könnte das Defizit etwas geringer ausfallen, da die zugrunde liegenden Erwartungen für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit mit 4,1 Mio. im Jahresdurchschnitt um einige 100 000 oberhalb der letzten Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute liegen. Dennoch ist absehbar, dass das Defizit nicht mehr wie 2009 aus der Rücklage finanziert werden kann, die zu Jahresbeginn nur noch 2,9 Mrd. Euro beträgt.
Zwar hat die Bundesregierung bereits signalisiert, dass das diesjährige Defizit durch einen Zuschuss des Bundes finanziert werden wird. Gleichwohl wird bereits über eine Anpassung des Beitragssatzes diskutiert. Grundsätzlich sollten die Einnahmen und Ausgaben der Bundesagentur über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen sein. Eine Notwendigkeit, auch in der Rezession ohne Defizit auszukommen, besteht nicht – sofern die Defizite in der Rezession mit Überschüssen aus dem Aufschwung kompensiert werden können. Die Frage ist daher, ob der gegenwärtige Beitragssatz dafür ausreicht. Dabei sollten drei Aspekte nicht unberücksichtigt bleiben. Erstens verausgabt die BA etwa 17 Mrd. Euro für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Vieles davon entfällt auf gesetzlich vorgesehene Leistungen wie das Kurzarbeitergeld. Dennoch hat die BA in dieser Hinsicht einen nicht unbeträchtlichen Gestaltungsspielraum. Zweitens wird der BA-Haushalt jährlich mit rund 5 Mrd. Euro durch den „Eingliederungsbeitrag“ unnötig belastet, der an den Bund abgeführt werden muss. Für diese Zwangsabgabe der Arbeitslosenversicherung gibt es keine überzeugende Begründung. Drittens resultiert eine Erhöhung des Beitragssatzes in höheren Arbeitskosten und letztlich einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften.
Mit Blick auf das diesjährige Defizit sprechen diese drei Argumente gegen eine vorschnelle Beitragssatzanhebung. Erst im nächsten Aufschwung wird sich herausstellen, ob mit dem geltenden Beitragssatz die in der Rezession angefallenen Defizite durch Überschüsse kompensiert werden können. Gänzlich aussichtslos ist dies nicht – schließlich ist die strukturelle Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren deutlich gesunken. Bis dahin könnten etwaige Defizite durch den Bund finanziert werden. Immerhin wäre dies eher die Regel als die Ausnahme: 2006 war das erste Jahr seit Mitte der 80er Jahre, in dem die Arbeitslosenversicherung mit einem Überschuss aufwarten konnte.
Griechenland: Europas Dilemma
Griechenlands neue Regierung ist nicht zu beneiden. Gerade drei Monate im Amt, muss sie sich mit den Folgen der Finanzkrise für die Staatsfinanzen herumschlagen. Die Vorgängerregierung musste zugeben, die Zahlen für das Defizit manipuliert zu haben. Die aktuelle Regierung muss noch schlechtere Zahlen verkünden. Das Defizit im vergangenen Jahr belief sich auf nahezu 13% des BIP und hat die Staatsschuld damit auf sagenhafte 135% getrieben. Die Konsequenzen für Griechenland sind alles andere als angenehm. Die Ratingagenturen haben das Land von A- auf BBB+ heruntergestuft; es muss nun rund 2,5 Prozentpunkte mehr Zinsen zahlen als der deutsche Finanzminister. Mit der Herabstufung sind die griechischen Staatspapiere für Anleger und Banken noch weniger attraktiv geworden, denn sie fallen damit langfristig aus der Kategorie jener Papiere hinaus, die die Europäische Zentralbank anzukaufen bereit ist. Damit können Banken die Papiere nicht mehr zur Refinanzierung nutzen. Diese Regel, die momentan suspendiert ist, soll 2011 wieder in Kraft treten, was nur ein Jahr Zeit lässt, das Rating wieder auf mindestens A zu verbessern. Bei einem geschätzten Bedarf von mindestens 55 Mrd. Euro an neuen Krediten allein in diesem Jahr hat Georgios Papaconstantinou, der griechische Finanzminister, keine leichte Aufgabe.
Entsprechend sieht die Regierung eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Situation zu verbessern. Es wird Kircheneigentum besteuert und es werden die Mehrwertsteuer und die Steuern auf Benzin und Tabak steigen. Zudem werden Staatsangestellte mit dem Einfrieren der Gehälter oder sogar leichten Senkungen leben müssen, die Zulagen werden gekürzt und ab sofort regulär besteuert. Und all dies, obwohl die regierende Pasok vor den Wahlen üppige Gehaltssteigerungen im öffentlichen Sektor versprochen hatte. Das stößt auf Widerstand, was nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass im Land nicht mehr als 5000 Bürger offiziell mehr als 100 000 Euro im Jahr versteuern. Steuerhinterziehung und Korruption sind vom griechischen Premierminister angeprangert worden – dies auch gegenüber den EU-Partnern, deren Hilfe gebraucht wird, und die er sich wohl am ehesten mit Ehrlichkeit erhoffen kann. Wird der Plan zur Verbesserung der Staatsfinanzen, den das Land vorlegen muss, nicht von Brüssel akzeptiert, werden die Ratings sich weiter verschlechtern. Und natürlich hofft Griechenland auf einen Bail-out von den anderen Regierungen, wenn es hart auf hart kommt.
Europa ist dabei in einer schwierigen Situation. Sollte Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen, ist die Gefahr groß, dass die Märkte dies als Signal auch für Irland, Spanien und Italien sehen. Diskussionen über Herabstufungen auch für diese Länder haben bereits begonnen. Das wäre fatal, denn es ist nicht zu sehen, wie die jetzige Währungsunion den Staatsbankrott mehrerer Mitgliedsländer überstehen sollte. Und eine solche staatliche Insolvenz könnte tatsächlich eintreten. Eine Spekulationswelle gegen den Euro ist das Mindeste, was zu erwarten wäre. Wird Griechenland auf der anderen Seite geholfen, kann durchaus dasselbe passieren. Auch dies würden die Märkte kaum als Signal für das Vertrauen in die Stärke des Euro sehen, denn es wäre zu befürchten, dass einige Staaten dann jegliche Finanzdisziplin über Bord werfen. Griechenland wird sich also wohl erst einmal allein helfen müssen, da die anderen vorerst auf Abstand gehen. Das Jahr beginnt nicht gut für Griechenland, aber es kann auch für Europa schlecht enden.