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Mit einem Impulsprogramm zur Verbesserung der Materialeffizienz von kleinen und mittelständischen Unternehmen will die Bundesregierung die Ressourcenproduktivität in Deutschland erhöhen. Franz-Georg Simon und Klaus Dosch zeigen, dass noch erhebliche Potenziale zur effizienteren Nutzung der Ressourcen vorhanden sind. Das Impulsprogramm allein reicht jedoch nicht aus, um die ökologisch notwendigen, aber auch ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung zu erfüllen.

Eine nachhaltige Wirtschaft erfordert den sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Bei steigenden Rohstoffpreisen ist der Materialverbrauch zudem ein Wettbewerbsfaktor. Die effiziente Materialnutzung ist daher ein Anliegen von Umwelt- und Industriepolitik. Das Impulsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums zur Verbesserung der Materialeffizienz unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei der Identifizierung von Potenzialen zur Senkung der Materialkosten durch Förderung von Beratungsdienstleistungen. Dabei wird sowohl das Ziel verfolgt, KMU bei der Erschließung von Effizienzpotentialen zu unterstützen als auch einen Beitrag zur nachhaltigen Materialnutzung und damit zur Schonung der Umwelt zu leisten. Es ist jedoch unsicher, ob diese Maßnahme allein dazu beitragen kann, die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung für die Verbesserung der Ressourcenproduktivität bis zum Jahr 2020 zu erreichen.

Der globale Materialverbrauch hat sich in den letzten 100 Jahren vervielfacht. Abbildung 1 zeigt die globalen Materialflüsse von 1900 bis 2005 für die Materialkategorien Baustoffe, fossile Rohstoffe, Mineralien (inklusive Abraum aus dem Bergbau) und Biomasse als einziger erneuerbarer Ressource in dieser Darstellung. Obwohl es bisher keine ernsten Versorgungsprobleme mit nicht-erneuerbaren Ressourcen gibt, sind die Auswirkungen der Rohstoffverknappung durch steigende Rohstoffpreise klar zu erkennen. Die Weltbevölkerung ist im betrachteten Zeitraum um den Faktor 4 angewachsen, so dass sich aus den Zahlen errechnen lässt, dass der Materialverbrauch pro Kopf um den Faktor 2 von 4,4 auf 9,2 t zugenommen hat.

Abbildung 1
Globaler Materialverbrauch von 1990 bis 2005
in Mio. t
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Quelle: F. Krausmann, S. Gingrich, N. Eisenmenger, K.-H. Erb, H. Haberl, M. Fischer-Kowalski: Growth in global materials use, GDP and population during the 20th century, in: Ecological Economics, 68. Jg. (2009), Nr. 10, S. 2696-2705.

Umweltauswirkungen der Rohstoffnutzung lassen sich nicht einfach quantifizieren.1 Eine Möglichkeit zur Beschreibung stellt die sogenannte IPAT-Formel dar, I = P x A x T. Diese Beziehung sagt aus, dass die Umweltauswirkungen (impact) I gleich dem Produkt aus Bevölkerungszahl (population) P, Wohlstand (affluence) A und einem Technologieterm (technology) T ist, wobei T als Kehrwert 1/e der Effizienz (efficiency, e) verstanden wird.2 Mit dem Maximalwert von 1 für die Effizienz erreicht T seinen Minimalwert von 1. Die Bevölkerungszahl steigt weltweit immer noch an, ist aber in den meisten wohlhabenden Industrienationen mehr oder weniger konstant. Der Wohlstand A kann über die Höhe des Bruttoinlandsproduktes (BIP) definiert werden. Hier ist der allgemeine Trend steigend. Die IPAT Formel zeigt, dass Effizienzsteigungen z.B. bei der Rohstoffgewinnung nur dann zu geringeren Umweltauswirkungen führen, wenn dadurch die Anstiege der beiden ersten Terme Wohlstand A und Bevölkerung P kompensiert werden können.

Das Konzept des Globalen Materialaufwands GMA (total material requirement, TMR) ist ein Versuch, die physische Basis einer Volkswirtschaft zu bestimmen. Aus Sicht der Umwelt ist der GMA eine Näherung zur Beschreibung von möglichen Umweltschäden, die mit der Nutzung von Rohstoffen verbunden sind, da Materialverbrauch früher oder später zu Emissionen und Abfällen führt. GMA ist die Summe von inländischen und importierten Primärrohstoffen (z.B. fossile Rohstoffe, Mineralien, Biomasse usw.) und die damit verbundene nicht verwertete Stoffentnahme wie z.B. Abraum oder Erosion (ökologische Rucksäcke).3 Hohe Werte für den GMA resultieren entweder aus einem hohen spezifischen GMA gemessen in Tonnen der entsprechenden Ressource (wie z.B. bei Edelmetallen und Metallen der Platingruppe) oder hohen Werten bei der Weltjahresproduktion (wie z.B. bei Steinkohle oder Eisen). Für die versteckten Flüsse von Metallen bei der Gewinnung aus Erzen findet man in der Literatur Zahlenwerte. Tabelle 1 listet die Werte für eine Reihe von verschiedenen Metallen zusammen mit den Daten für Mineralien und fossile Rohstoffe auf. Die „ökologischen Rucksäcke“ werden häufig nicht bilanziert, weil damit keine Kosten verbunden sind, zumindest keine für den Verursacher. Diese versteckten Materialflüsse wie Abraum aus dem Bergbau, Bodenaushub bei Baumaßnahmen und Erosion gehören zu den Hauptursachen für Umweltschäden. So werden zum Beispiel zur Gewinnung von 1 t Uran 11 000 t Material bewegt (vgl. Tabelle 1). Die Sanierungskosten für die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in Ostdeutschland sind mit 6,5 Mrd. Euro projektiert. Daraus ergibt sich ein Wert von 30 Euro pro kg Uran, das dort gewonnen wurde.4 Die Kosten werden vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert.

In den 1990er Jahren lag der GMA in den USA zwischen 80 t und 100 t pro Kopf, in der Europäischen Union (EU-15) ungefähr bei 50 t pro Kopf.5 Zum Vergleich, in China stieg der GMA von 28,5 im Jahr 1990 auf 38,6 t pro Kopf im Jahr 1996.6 Obwohl das Konzept des GMA allgemeine Zustimmung findet, gibt es bisher keine ökonomischen Anreize zur Reduktion des GMA. Es steht allerdings außer Frage, dass derart hohe Verbrauchsraten gar nicht für alle Länder der Welt realisierbar sind.

Tabelle 1
Globaler Materialaufwand einiger Materialien
Material Spezifischer GMA (t/t Material) Weltjahres­produktion (t) GMA (Mio. t/Jahr)
Sand und Kies 1,18 8 000 000 000 9440
Steinkohle 2 3 740 000 000 8826
Phosphate 34 130 000 000 4420
Gold 1 800 000 2445 4401
Rohöl 1,22 3 485 000 000 4252
Kupfer 300 12 900 000 3870
Eisen 5,1 571 000 000 2912
Silber 7500 160 000 1200
Uran 11 000 45 807 504
Blei 95 2 980 000 283
Platin 1 400 000 178 249
Aluminium 10 23 900 000 239

Quellen: F. Schmidt-Bleek: Das MIPS-Konzept, München 1998; K. Halada, K. Ijima, N. Katagiri, T. Ohkura: An approximate estimation of total materials requirement of metals, in: Journal of the Japan Institute of Metals, 65. Jg. (2001), Nr. 7, S. 564-570.

Kostenstruktur in der Industrie

Die Kosten im verarbeitenden Gewerbe bestehen in der Hauptsache aus zwei Positionen: Arbeit und Material. Von 1993 bis 2007 hat sich der Anteil der Materialkosten von 35,8% auf 44,3% gesteigert, während der Anteil der Arbeitskosten von 27,0% auf 17,3% gefallen ist. Die Kosten für Energie bewegten sich annähernd konstant zwischen 1,5% und 2,2%. In diesem Zeitraum stieg der Bruttoproduktionswert von 950 Mrd. Euro auf 1675 Mrd. Euro, so dass die Energiekosten in absoluten Zahlen von 20 auf 30 Mrd. Euro gestiegen sind, also um 50%. Die Trends sind in Abbildung 2 dargestellt.

Obwohl Arbeit nicht der größte Kostenblock ist, wurden in der Industrie in den vergangenen Jahrzehnten größte Anstrengungen unternommen, um die Arbeitsproduktivität zu steigern. Mit Erfolg, die Arbeitsproduktivität erreicht in Deutschland heute einen Wert von 354% verglichen mit 1960. Material- und Energieproduktivität stiegen auf 190% bzw. 140% (vgl. Abbildung 3). Die einzelnen Produktivitäten wurden für die Jahre 1960, 1975, 1990 (nur West-Deutschland) und 2005 berechnet aus dem Verhältnis von Arbeitsstunden, Materialverbrauch ausgedrückt als direkter Materialverbrauch (direct material consumption, DMC) und Primärenergieverbrauch zum Bruttoinlandsprodukt (BIP, preisbereinigt) und anschließend skaliert zu 100% im Jahr 1960.7 Der Anstieg dieser Produktivitäten hätte noch höher sein können, aber durch die deutsche Wiedervereinigung fielen die Werte für alle drei Größen von 1990 zu 1991, als die Daten der neuen Bundesländer integriert wurden. Inzwischen wurde der Effekt der Wiedervereinigung kompensiert.

Abbildung 2
Anteil von Material, Arbeit und Energie an den Bruttoproduktionskosten
Kostenstruktur in %
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Quelle: Statistisches Bundesamt: Kostenstruktur der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden, Fachserie 4, Reihe 4.3., Wiesbaden 2003.

Abbildung 3
Veränderung der Arbeits-, Material- und Energieproduktivität in Deutschland seit 1960
Produktivität (1960 = 1)
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Quelle: Datenpunkte 1960-1990: F. Hinterberger, S. Renn, H. Schütz: Arbeit – Wirtschaft – Umwelt, Wuppertal Papers, Nr. 89 (1999); Datenpunkte 2005: Eurostat: Sustainable consumption and production, http://eurostat.ec.europa.eu (2010).

Das Impulsprogramm zur Verbesserung der Materialeffizienz

Verbesserungen der Arbeitsproduktivität durch Automatisierungsmaßnahmen führen oftmals zu einer Abnahme der Beschäftigungszahlen in der Industrie. Im Gegensatz dazu geht man davon aus, dass Anstrengungen zur Erhöhung der Ressourcenproduktivität einen positiven Einfluss auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum im Allgemeinen haben.8 Die Bundesregierung hat im Jahr 2004 das Impulsprogramm Materialeffizienz gestartet, um die Ressourcenproduktivität in der Industrie zu verbessern. Effizienz ist das Verhältnis von Output zu Input. Damit ist Effizienz eine dimensionslose Größe mit einem Optimalwert von 1. Im Kontext des Programms wird Materialeffizienz als das Verhältnis des Outputs von Waren und Produkten zum Input von Rohstoffen verstanden.9

Das Impulsprogramm Materialeffizienz, koordiniert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi), soll der Industrie helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, und ist damit ein politisches Instrument zur Reduktion des Materialverbrauchs. Das Programm fördert Beratungsdienstleitungen für kleine und mittelständische Unternehmen bis zu einem gewissen Anteil (66% für bis zu 10 000 Euro bei einer erstmaligen Beratung zur Identifizierung von Materialeffizienzpotenzialen und 33% für bis zu 100 000 Euro einer Vertiefungsberatung). Von 2006 bis 2009 wurden mehr als 6 Mio. Euro an Fördermitteln umgesetzt. Weitere Instrumente innerhalb des Programms sind die Unterstützung für die Bildung von Firmennetzwerken und der jährliche Wettbewerb zum Deutschen Materialeffizienzpreis ausgestattet mit einer Preissumme von jeweils 10 000 Euro für fünf Unternehmen.

Verbesserung der Materialeffizienz realisierbar

Studien haben gezeigt, dass ein signifikantes Potenzial zur Verringerung der Materialkosten in der Industrie besteht. Eine Verbesserung der Materialeffizienz von 20%-30% erscheint bis zum Jahr 2016 realisierbar zu sein.10 Dies würde zu einer spürbaren Reduktion der Produktionskosten führen, die einen Anteil von bis zu 50% an den Gesamtkosten der Unternehmen haben. Diese Einsparungen könnten bei steigenden Rohstoffpreisen in der Zukunft noch bedeutender werden. Die Reduktion der Materialkosten hat einen vielfältigen Einfluss auf die Wirtschaft. Modellrechnungen deuten an, dass unter gewissen Randbedingungen, die im sogenannten Aachener Szenario beschrieben sind (z.B. kein zusätzlicher Anstieg von Löhnen und Gehältern als Folge des Anstiegs der Rohstoffproduktivität), die Beschäftigung als Folge der Verbesserung der Materialeffizienz durch erhöhtes Wirtschaftswachstum zunehmen wird (1 Mio. zusätzlicher Beschäftigter). Ebenso soll sich der Finanzierungssaldo des Staates um bis zu 100 Mrd. Euro verbessern.

Eine Erhöhung der Materialeffizienz kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden, z.B. durch Reduktion der Verluste in der Lieferkette und der Produktion („Zero loss management“), verbessertes Produktdesign für höhere Materialeffizienz („Design to cost“), Materialsubstitution (Verwendung von weniger Material mit verbesserten Eigenschaften) oder Recycling im Produktionskreislauf. Beratungsgesellschaften haben festgestellt, dass die Produktionskosten um 5% durch Zero loss management und um 15% durch Design to cost gesenkt werden können.11

Dass Verbesserungen im Design mehr Wirkung auf eine Verbesserung der Materialeffizienz haben, konnte durch Erfahrungen beim Deutschen Materialeffizienzpreis bestätigt werden. Der Wettbewerb wurde seit 2004 sechsmal durchgeführt. Dabei gab es 30 Preisträger und weit über 100 Bewerbungen. Die Jury mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung entschied dabei mehr nach dem Potenzial der Praxisbeispiele zur Übertragbarkeit auf andere Unternehmen als nach dem erzielten Volumen der Materialkostensenkungen in den Unternehmen. Außerdem war die quantitative Bestimmung der Höhe der Materialkostensenkung aus den Bewerbungen in den meisten Fällen kaum möglich. Oftmals wurden mehrere Maßnahmen zur Erhöhung der Materialeffizienz parallel durchgeführt (organisatorisch, Prozess- und Produktverbesserungen). Dennoch existieren für viele Bewerbungen gemeinsame Merkmale. Zum Beispiel reduzierte Deutsche Mechatronic (Preisträger 2007) den Verschnitt um 12%, was zu einer 4% besseren Nutzung der Bleche führte, also eine Reduzierung des Abfallanteils von 25% auf 22%. Eine Reduzierung des Verschnitts um mehr als 90% wurde durch die Firma Artman beim Anbringen von Fassadenelementen durch Anwendung eines optischen 3D-Verfahrens erreicht (Preisträger 2004). Ein materialeffizientes Produktdesign führt oftmals zu sehr hohen Reduktionen des Materialverbrauchs. Die Firma Mirtsch erzielte eine 20-30%ige Reduktion des Materialverbrauchs im Vergleich zum herkömmlichen Design durch die Anwendung von bionischen Strukturen (Preisträger 2006).12

Förderung von Beratungsdienstleistungen

Der wesentliche Teil des Impulsprogramms Materialeffizienz ist die Förderung von Beratungsdienstleistungen für KMU. Inzwischen wurden mehr als 500 Potenzialanalysen durch speziell zugelassene Berater durchgeführt. Fast alle Teilnehmer waren mittelständische Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern (Durchschnitt: 94, Median: 60). Die Gesamtzahl der mittelständischen Unternehmen in Deutschland beträgt rund 400 000 mit mehr als 22 Mio. Mitarbeitern.13 Die Materialeffizienzpotenziale lagen im Mittel bei 2,4% (Median: 1,5%) bezogen auf den Umsatz der Firmen. Bezogen auf die Materialkosten sind die Zahlen entsprechend höher, da sich der Umsatz aus der Summe aller Kosten und dem Gewinn zusammensetzt. Der durchschnittliche Umsatz pro Mitarbeiter betrug 160 000 Euro (Median: 125 000 Euro). In der Summe wurden Potenziale mit einem Volumen von 60 Mio. Euro identifiziert. Augenblicklich liegt die Anzahl der Vertiefungsberatungen bei 100. Die hier identifizierten Potenziale lagen bei 1,8% bezogen auf den Umsatz. Es ist daher nicht sicher, zu welchem Anteil die identifizierten Potenziale auch tatsächlich gehoben werden können. Die Resultate der Auswertungen sind in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4
Ergebnisse von evaluierten Potenzialanalysen zur Verbesserung der Materialeffizienz in Betrieben
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Oben: Volumen der identifizierten Materialeffizienzpotenziale als Funktion der Firmenumsätze. Die durchgezogene Linie zeigt den Durchschnittswert von 2,4% an. Unten: Histogramm der relativen Materialeffizienzpotenziale (Schrittweite der Datenpunkte 0,2%). Vertikale Linien zeigen den Median (1,5%) und den Mittelwert (2,4%) an.

Quelle: Deutsche Materialeffizienzagentur (demea).

Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie als ein Ziel eine Verbesserung der Ressourcenproduktivität um den Faktor 2 von 1994 bis zum Jahr 2020 definiert. Dies entspricht einer jährlichen Steigerung von linear 3,8%. In Abbildung 5 ist die zeitliche Entwicklung der Ressourcenproduktivität dargestellt. Die Steigung der Linie beträgt linear 2,7%. Um das Ziel noch zu erreichen, müsste die Ressourcenproduktivität im verbleibenden Zeitraum linear jährlich um mehr als 5% steigen. Es ist zweifelhaft, ob dieses Ziel noch erreicht werden kann. Die Entwicklung der Ressourcenproduktivität in Deutschland ist noch weniger verheißungsvoll, wenn der Materialverbrauch als GMA (also einschließlich der „ökologischen Rucksäcke“) anstatt als direkter Materialverbrauch zur Berechnung der Produktivität eingesetzt wird. Von 2000 bis 2007 stieg die Ressourcenproduktivität um 13,8%, wenn der direkte Materialverbrauch als Basis genommen wird, aber nur um 4% wenn die „ökologischen Rucksäcke“ berücksichtigt werden.14

Dabei ist es möglich, Effizienzsteigerungen rasch durchzusetzen, wie das Beispiel der Verbesserung der Energieeffizienz von Haushaltsgeräten wie Kühlschränken und Waschmaschinen zeigt.15 Zurzeit sind die Verbesserungen der Ressourcenproduktivität in der Industrie hauptsächlich vom Interesse der Produzenten geleitet, ihre Kosten zu reduzieren.

Wenn die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen mit verbesserter Ressourcenproduktivität anstiege, wäre das ein weiterer Anreiz für Anstrengungen zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität seitens der Unternehmer. Ein Beispiel für ein solches Anreizsystem ist die Klassifizierung des Energieverbrauchs für Waschmaschinen und Kühlschränke gemäß einer EU-Richtlinie (Energielabel).16 In einem Zeitraum von sechs Jahren (1996-2002) stieg der Anteil der energieeffizientesten „Klasse A“-Geräte an allen verkauften Waschmaschinen von 10% auf 60%.17 Eine ähnliche Klassifizierung von Produkten und Dienstleistungen nach Ressourcennutzung über den gesamten Lebenszyklus hätte das Potenzial, die Verbesserung der Ressourcenproduktivität weiter zu beschleunigen.

Abbildung 5
Entwicklung der Ressourcenproduktivität in Deutschland seit 1994
Ressourcenproduktivität (1994 = 100)
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Quelle: Statistisches Bundesamt: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Indikatorenbericht, 0230001-08900-4, Wiesbaden 2008.

Zusammenfassung

Die Verringerung des Materialverbrauchs ist eine der zentralen Herausforderungen für eine nachhaltige Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Dabei stellt die Verbesserung der Materialeffizienz in den Unternehmen eine wichtige Komponente dar. Potenzialanalysen in Industrieunternehmen haben gezeigt, dass bereits durch einfache Maßnahmen eine Verbesserung der Materialeffizienz von 2-3% möglich ist. Durch die Senkung der Materialkosten können die Unternehmen ihre Umsatzrendite viel leichter steigern als durch eine Erhöhung der Verkaufszahlen. Zusätzlich induzierte Potenziale, dazu gehören politische Förderprogramme und durch Selbstorganisation in der Wirtschaft ausgelöste Investitionen in materialeffiziente Produkte und Verfahren, können den Materialaufwand in rohstoffintensiven Branchen – wie bei der Herstellung von Metallerzeugnissen oder in der chemischen Industrie – um rund 8% reduzieren.18 Dies unterstreicht die volkswirtschaftliche Bedeutung des Förderprogramms. Allerdings sieht es so aus, als sei ein Programm zur Förderung von Beratungsdienstleistungen allein nicht ausreichend, um den Materialverbrauch substanziell zu senken. Das Ziel der Bundesregierung für den Nachhaltigkeitsindikator Ressourcenproduktivität (Verdopplung von 1994 bis 2020) wird möglicherweise verfehlt. Eine stärkere Reduktion des Materialverbrauchs kann nur mit kontinuierlichen Verbesserungen von 4% und mehr pro Jahr erreicht werden. Dafür werden bedeutendere Änderungen benötigt, z.B. innovative Produkte mit neuem Design. Praxisbeispiele für Produkte mit einer um den Faktor 4 verbesserten Ressourcenproduktivität sind möglich und werden an anderer Stelle beschrieben.19 Daher wird dringend Forschung und Entwicklung für Produkte mit erheblich reduziertem Materialverbrauch benötigt. Auch ein Kennzeichnungssystem zum Ressourcenverbrauch könnte die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen mit höherer Ressourcenproduktivität steigern.

  • 1 Vgl. F.-G. Simon: Materials and the environment, in: H. Czichos, T. Saito, L. Smith (Hrsg.): Springer Handbook of Materials Measurement Methods, Heidelberg 2006, S. 789-803.
  • 2 Vgl. P. A. Ehrlich, J. P. Holdren: Impacts of population growth, in: Science, 171. Jg. (1971), S. 1212-1217.
  • 3 Vgl. A. Adriaanse, S. Bringezu, A. Hammond, Y. Moriguchi, E. Rodenburg, D. Rogich, H. Schütz: Resource flows: The material basis of industrial economies, Washington DC 1997.
  • 4 Vgl. F.-G. Simon, V. Biermann, B. Peplinski: Uranium removal from groundwater using hydroxyapatite, in: Applied Geochemistry, 23. Jg. (2008), Nr. 8, S. 2137-2145.
  • 5 Vgl. S. Bringezu, S. Moll, H. Schütz: Der Stoffhaushalt nationaler Volkswirtschaften und Aspekte eines nachhaltigen Ressourcenmanagements, in: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 11. Jg. (2002), Nr. 1, S. 16-25.
  • 6 Vgl. X. Chen, L. Qiao: A preliminary material input analysis of China, in: Population and Environment, 23. Jg. (2001), Nr. 1, S. 117-126.
  • 7 Vgl. H. Schütz, S. Bringezu: Ressourcenverbrauch von Deutschland – aktuelle Kennzahlen und Begriffsbestimmungen, Erstellung eines Glossars zum „Ressourcenbegriff“ und Berechnung von fehlenden Kennzahlen des Ressourcenverbrauchs für die weitere politische Analyse, Research Report, 363 01 134, Wuppertal 2008.
  • 8 Vgl. H. Fischer, K. Lichtblau, B. Meyer, J. Scheelhaase: Wachstums- und Beschäftigungsimpulse rentabler Materialeinsparungen, in: Wirtschaftsdienst, 84. Jg. (2004), H. 4, 2004, S. 247-254.
  • 9 Vgl. F.-G. Simon: Materialeffizienz, in: K. Landau (Hrsg.): Lexikon Arbeitsgestaltung – Best practice im Arbeitsprozess, Stuttgart 2007, S. 812-815.
  • 10 Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys: Ressourcenproduktivität als Chance – Ein langfristiges Konjunkturprogramm für Deutschland, Berlin 2005.
  • 11 Vgl. H. Fischer et al., a.a.O.
  • 12 Eine detaillierte Beschreibung der ausgezeichneten Praxisbeispiele findet sich unter: demea: Deutsche Materialeffizienzagentur, www.materialeffizienz.de (2010).
  • 13 Vgl. B. Güntherberg, F. Wallau: Beschäftigungsbeitrag des Mittelstands 2007 in Deutschland – Ergebnisse einer Sonderauswertung der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitspapier, 05/08, Bonn 2008.
  • 14 Vgl. S. Buyny, U. Lauber: Weiterentwicklung des Indikators „Rohstoffproduktivität“ der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, Berechnung der Importe und Exporte in Rohstoffäquivalenten, in: Wirtschaft und Statistik, Nr. 11, 2009, S. 1133-1145.
  • 15 Vgl. K. Dosch: Ökoeffizienz-Klassifizierung als Pullfaktor, in: C. Liedtke, T. Busch (Hrsg.): Materialeffizienz, Potenziale bewerten, Innovationen fördern, Beschäftigung sichern, München 2005, S. 177-190.
  • 16 Vgl. European Commission: Council Directive 92/75/EEC on the indication by labelling and standard product information of the consumption of energy and other resources by household appliances, in: Official Journal of the European Union, Vol. L 297, 1992.
  • 17 Vgl. CECED (European Committee of Domestic Equipment Manufacturers): Voluntary commitment II on reducing energy consumption of household washing machines, First annual report to the Commission of the European Communities (2003).
  • 18 Vgl. R. Baron, E. Jochem, K. Kristof: Studie zur Konzeption eines Programms für die Steigerung der Materialeffizienz in mittelständischen Unternehmen, Abschlussbericht mit 2 Anlagenbänden, www.materialeffizienz.de, 2005.
  • 19 Vgl. E. U. von Weizsäcker, A. B. Lovins, L. H. Lovins: Factor 4 – Doubling Wealth, Halving Resource Use, London 1997; F. Schmidt-Bleek: Der ökologische Rucksack – Wirtschaft für eine Zukunft mit Zukunft, Stuttgart, Leipzig 2004.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1147-9

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