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Nach der schrittweisen Umstellung der alten Hochschulabschlüsse auf ein Bachelor-/Master-System stellt sich die Frage, wie dies von Studierenden und Unternehmen angenommen und bewertet wird. Die Autoren zeigen für Universitäten und Fachhochschulen, wie sich die Einführung des Bachelors unter anderem auf Studierendenzahlen, Studienzeiten und Einstiegsgehälter nach dem Abschluss auswirkt.

Für das Hochschulsystem in Deutschland bedeutete die EU-weite Bologna-Reform eine tiefe Zäsur: Der in der Öffentlichkeit und in den Unternehmen zumeist hochgeachtete deutsche Diplom-Abschluss wurde mit Beginn der 2000er Jahre wegen der politischen Vorgaben sukzessive durch die gestuften Abschlüsse „Bachelor“ und „Master“ ersetzt. Ziel der Reform war es, einen europaweiten Hochschulraum mit einheitlichen Standards zu entwickeln, von dem man sich eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse, daraus folgend eine stärkere länderübergreifende Akzeptanz der erbrachten Leistungen, die Erleichterung der Mobilität der Studierenden und der Absolventen sowie kürzere Studienzeiten erhoffte. Gemessen an diesen Zielen hat sich in der Praxis zum Teil Ernüchterung eingestellt:

Die durch das System von lernaufwandbezogenen Leistungspunkten („workload credit points“) intendierte Vergleichbarkeit ist wegen der zum Teil sehr unterschiedlichen Interpretationen in den verschiedenen Ländern/Hochschulen nach wie vor nur eingeschränkt gegeben. Zudem krankt das System auch konzeptionell an Mängeln, denn der Lernaufwand ist input-bezogen, während insbesondere die Unternehmen als Arbeitgeber der Absolventen eher an output-bezogenen Größen interessiert sind, also an deren Fähigkeiten zur Problemanalyse und Entwicklung sachgerechter Lösungen.

Auch bei der länderübergreifenden Akzeptanz der Abschlüsse und der Mobilität der Studierenden und Absolventen hat sich empirisch zumindest bislang keine signifikante Verbesserung eingestellt. Vielfach wird sogar geklagt, der durch die Workload-Orientierung und die verkürzte Studienzeit verursachte Leistungsdruck habe die Bereitschaft der Studierenden zu Auslandsaufenthalten verringert.

Die Verkürzung der Studiendauer stand zwar nicht explizit auf der Agenda, zumindest indirekt wurde von einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss „Bachelor“ hochschulpolitisch aber auch eine Verkürzung der als zu lang angesehenen Studienzeiten erwartet. Für sich genommen hat der Bachelor deutlich kürzere Regelstudienzeiten, aber der Gesamteffekt hängt davon ab, wie hoch die Übergangsquoten in den zweiten Studienabschluss „Master“ sind. Und die sind bislang höher als erwartet, so dass sich keine signifikante Verkürzung der durchschnittlichen Zeiten feststellen lässt.

Bedingt durch den gleitenden Übergang der Umstellung der Abschlüsse (die Hochschulen hatten ein sehr weites Zeitfenster zur Umsetzung der Reform) und die konzeptionell unterschiedlichen Vorstellungen ist die empirische Bewertung der Bologna-Reform nach wie vor schwierig: Es gibt noch keine belastbaren flächendeckenden Daten über Unterschiede in der Leistungsfähigkeit von Diplom- und Bachelor-Absolventen beim Berufseintritt, über Unterschiede in der beruflichen Entwicklung, der Einstiegsgehälter, der Karrierechancen usw. Allerdings verbessert sich die Datenlage mit jedem neuen Jahrgang, der die Hochschulen verlässt, so dass sich der Nebel aufzulösen beginnt.

Im Folgenden wird versucht, die wesentlichen empirischen Tendenzen herauszuarbeiten, die sich aus den unterschiedlichen Quellen ableiten lassen. Dabei steht der Vergleich von Diplom und Bachelor bzw. Master im Vordergrund. Zugleich sollen aber auch die Entwicklungen an Universitäten und Fachhochschulen verglichen werden, denn nach den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Jahr 2010 sind die Abschlüsse an Universitäten und Fachhochschulen gleichgestellt worden,1 so dass sich eine verschärfte Konkurrenzsituation ergibt: Einerseits nach „unten“ um im Arbeitsmarkt akzeptierte Bachelor, andererseits aber auch nach „oben“, da auch Master-Abschlüsse an Fachhochschulen grundsätzlich zur Promotion berechtigen.

Fachhochschulen hatten vor der Umstellung auf die gestuften Abschlüsse die Anwendungsorientierung als unbestrittenes Alleinstellungsmerkmal, die Universitäten sahen ihren Vorteil in der Forschungsorientierung. Zugleich war das Studium an den Fachhochschulen kürzer und stärker vorstrukturiert als an den Universitäten. Mit der Einführung des Bachelors als ersten berufsqualifizierenden akademischen Abschluss mussten sich dementsprechend die Universitäten sehr viel stärker umstellen als die Fachhochschulen. Verschiedentlich ist zumindest verklausuliert vorgeschlagen worden, dass die Fachhochschulen die Masse der Studierenden als anwendungsorientierte Bachelor ausbilden sollten und die Universitäten sich auf die Ausbildung forschungsorientierter Master mit dem dazu passenden forschungsorientierten Bachelor-Angebot zurückziehen sollten. In der Praxis hat sich gezeigt, dass beide Hochschultypen versuchen, beide Abschlüsse auszufüllen: Von den im Wintersemester 2011/12 angebotenen Bachelor-Studiengängen kommen 56,3% von den Universitäten, bei den Master-Programmen sind es mit 69,4% zwar mehr, berücksichtigt man allerdings, dass die Fachhochschulen ein viel engeres Fächerspektrum mit größeren Möglichkeiten zum direkten Berufseinstieg nach dem Bachelor abdecken, so ist das Angebot an Master-Programmen der Fachhochschulen beachtlich ausdifferenziert.

Traditionell nehmen die Fachhochschulen wegen ihrer Anwendungsorientierung und der kürzeren Studienzeiten eher auch Kinder bildungsfernerer Schichten auf. Im Studienjahr 2009 hatten z.B. 96% der Studierenden an einer Universität eine uneingeschränkte Hochschulzugangsberechtigung, an den Fachhochschulen waren es nur 53%. An den Universitäten hatten 13% der Studierenden eine abgeschlossene Berufsausbildung, an den Fachhochschulen dagegen 45%. Von den Eltern der Studierenden an den Universitäten hatten 63% Abitur und 56% ein abgeschlossenes Studium, bei denen von Fachhochschulstudierenden liegen die Anteile mit 49% (Abitur) bzw. 40% (Studienabschluss) deutlich niedriger. Die unterschiedlichen Bildungsbiographien der Eltern entsprechen naturgemäß weitgehend Unterschieden in der sozialen Stellung: Nur 18% der Väter von Studierenden an der Universität waren 2009 Arbeiter, an der Fachhochschule immerhin 27%. Vor diesem Hintergrund kann nicht verwundern, dass Studierende an Universitäten nur zu 37% aus der niedrigen oder mittleren sozialen Herkunftsgruppe kommen, an den Fachhochschulen aber zu 50%.2 Die soziale Herkunft hat Einfluss auf die Finanzierung des Studiums: Studierende an den Fachhochschulen hatten mit 775 Euro monatlich weniger Geld zur Verfügung als die Studierenden an den Universitäten (821 Euro), und dieses geringere Einkommen ergibt sich bei den Fachhochschulstudierenden nur zu 37% aus Zuwendungen der Eltern, bei den Universitätsstudierenden dagegen zu 51% mit der Folge, dass Erwerbstätigkeit während des Studiums bei Studierenden an Fachhochschulen weiter verbreitet ist.

Die Sicht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ist die Umsetzung der Bologna-Reform in Deutschland als voller Erfolg zu werten. 1998 habe es nur halb so viele Studienanfänger wie im Studienjahr 2011 gegeben und die Studienanfängerquote sei zugleich von unter 30% auf fast 50% gestiegen. Die Zahl der Bildungsausländer an deutschen Hochschulen habe um 75 000 auf 185 000 zugenommen, der Median der Fachstudiendauer an den Universitäten sei von 2000 bis 2009 im Diplom von 11,5 auf 11 Semester gesunken, „für die neuen berufsbefähigenden Bachelor-Abschlüsse lag er 2009 bei 5,9 Semestern, für die Master-Abschlüsse bei 4,1 Semestern.“3 Auch sonst fehlt es nicht an Lob: Die Bologna-Initiative des BMBF sei „vorausschauend und richtig“ gewesen, es gäbe flächendeckend verlässliche Qualitätsmanagementsysteme, die Umstellung auf die gestuften Abschlüsse verlaufe erfolgreich und sei nahezu abgeschlossen, die Nähe der Abschlüsse zur Regelstudienzeit belege die Studierbarkeit der neuen Studiengänge, den Bachelors gelinge der Berufsstart gut, die Master-Studierenden erhielten ausreichend Studienplätze, die Bereitschaft ins Ausland zu gehen sei gestiegen.4

Dieses freundlich gezeichnete Bild kann man allerdings hinterfragen: Welchen konkreten Zusammenhang soll es zwischen den steigenden Studentenzahlen bzw. der Quote der Studienanfänger und der Umstellung auf die gestuften Abschlüsse geben? Die Zahl der Bildungsausländer ist nach den Zahlen des BMBF langsamer gestiegen als die Anfängerzahl – ist das ein Mobilitätsbeleg? Was soll man von durchschnittlichen Bachelor-Studienabschlussdauern halten, die mit 5,9 Semestern deutlich niedriger liegen als die Regelstudienzeiten von im Mittel 6 bis 7 Semestern? Das Statistische Bundesamt gibt für das Jahr 2009 mit 6,6 Semestern jedenfalls andere Werte an. Und ist es sachlich angemessen, die Universitätsstudienzeiten im Diplom mit den zusammengefassten Studienzeiten an Fachhochschulen und Universitäten bei den Bachelor- und Master-Abschlüssen zu vergleichen?

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Bologna-Reform mit Ausnahme der staatlichen Abschlüsse (Staatsexamen vor allem in der Medizin und den Rechtswissenschaften) inzwischen weitgehend umgesetzt worden ist: Bachelor- und Master-Studiengänge machten im Wintersemester 2011/12 rund 85% des gesamten Studienangebots aus, 2007 waren es erst 45%.5 80% aller Studierenden im 1. Fachsemester und 60% aller Studierenden waren in den neuen Studiengängen eingeschrieben, ohne Promotionsabsolventen kamen im Prüfungsjahr 2010 schon knapp 44% aller Absolventen aus den neuen Studiengängen.6

Die wachsenden Anteile der neuen gestuften Abschlüsse vollziehen sich vor dem Hintergrund stark gestiegener Studierendenzahlen. Der Vergleichswert des BMBF (also das Jahr 1998) markiert allerdings einen Tiefpunkt. Geht man vom Wintersemester 1996/97 aus, so lag die Zahl der Studierenden an deutschen Hochschulen im Wintersemester 2011/12 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes „nur“ um knapp 30% höher, die Zahl der Studienanfänger wegen der in den letzten Jahren deutlich gestiegenen Neigung zum Studium um 66%. Der Anstieg war besonders stark bei den Fachhochschulen: Ihr Anteil an den gesamten Studierendenzahlen stieg in diesem Zeitraum um 10 Prozentpunkte auf reichlich 31%, bei den Studienanfängerzahlen sogar auf fast 36%.

Bei gestuften Abschlüssen sind die Übergangsquoten von großem Interesse für die gesamten Studienzeiten. 77% der Bachelor-Absolventen von Universitäten und 53% der von Fachhochschulen haben ein Jahr nach Abschluss ein weiteres Studium – in der Regel ein Master-Studium – angefangen. Das sind sehr hohe Übergangsquoten, wohl auch, weil es bei den Studienplätzen (noch) kaum Begrenzungen gibt: Von 4713 Master-Studiengängen waren im Wintersemester 2010/11 nur 24% mit Zulassungsbeschränkungen versehen. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt gibt es wegen der noch immer recht geringen Zahl der unmittelbar nach dem Abschluss berufstätigen Bachelors erst wenige direkte Vergleiche mit den herkömmlichen Abschlüssen. Aus Befragungen der Unternehmen ergibt sich, dass der Bachelor als vollwertiger Abschluss angesehen wird, der keine längere Einarbeitungsphase benötigt und grundsätzlich gleiche Karrierechancen wie andere Hochschulabschlüsse eröffnet, allerdings beträgt der Einkommensrückstand nach einer Befragung von Absolventen der Prüfungsjahrgänge 2007 und 2008 immerhin 7,3% für die Fachhochschul-Bachelors gegenüber dem Diplom an Fachhochschulen und 20,3% für die Universitäts-Bachelors gegenüber dem Universitäts-Diplom.7

Befragungsergebnisse: Die Absolventen sehen die Reform grundsätzlich positiv

Unter Studierenden fand die Bologna-Reform schon früh breite Zustimmung. Befragungen im Rahmen des Studierendensurvey, einer Online-Befragung zum Europäischen Hochschulraum und dem Studienqualitätsmonitor aus den Jahren 2006 bis 2008 ergaben, dass 75% der Bachelor-Studierenden den gestuften Abschlüssen grundsätzlich positiv gegenüberstehen, ein auf nur sechs Semester begrenztes Bachelor-Studium fand dagegen bei nur 53% Zustimmung.8 Die Hochschulinformationssystem GmbH in Hannover (HIS) befragt die Absolventen in regelmäßigem Abstand ein Jahr nach dem Abschluss ihres Studiums zu verschiedenen Aspekten des Studiums, des Übertritts in den Beruf und der Berufstätigkeit. Die letzte dieser Befragungen ist 2011 publiziert worden und enthält die Ergebnisse des Studienjahrgangs 2009. Im Vergleich zu früheren Befragungen – sie fanden erstmals beim Jahrgang 1997 statt – wird die Qualität der Studienorganisation, der Lehre und der kommunikativen Strukturen kontinuierlich besser eingeschätzt, wobei diese Tendenz bei Fachhochschulen deutlich ausgeprägter ist als bei den Universitäten. Der Längsschnittvergleich wird bislang vor allem durch die traditionellen Diplom-Abschlüsse dominiert, in den kommenden Jahren wird er wegen der stark wachsenden Zahlen allerdings auch für Bachelors und Masters immer aussagekräftiger werden.

Die Einschätzungen der Bachelor-Absolventen 2009 sind denen der zeitgleichen Absolventen mit traditionellen Diplom-Abschlüssen in der Regel sehr ähnlich, die Umstellung hat also aus Sicht der Absolventen im Großen und Ganzen keine Verbesserungen oder Verschlechterungen gebracht, was angesichts der deutlich gestiegenen Jahrgangsstärken an den Hochschulen bemerkenswert ist. Lehrveranstaltungen werden von Fachhochschulabsolventen generell häufiger als diskursiv und interdisziplinär empfunden als von Universitätsabsolventen,9 was wegen der meist kleineren Studiengruppengröße nicht verwundern kann. Die Absolventen der neuen gestuften Abschlüsse urteilen in diesem Punkt an beiden Hochschulformen etwas positiver als die mit traditionellem Diplom-Abschluss. Rund drei Viertel aller Absolventen der alten wie der neuen Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen geben an, dass ihnen das Studium ein hohes Maß an Methodenkompetenz vermittelt hat; drei Viertel der Fachhochschul-Absolventen, aber nur die Hälfte der Universitäts-Absolventen finden, dass sie die erworbenen Kompetenzen beruflich gut verwerten können. Auffällig ist, dass Universitäts-Bachelors, die keinen Master anschließen, sondern direkt in das Berufsleben einsteigen, die berufliche Verwertbarkeit der Studieninhalte besonders skeptisch sehen – das ist allerdings nur eine kleine Gruppe.

Kritik im Detail: zu viele Prüfungen und Lernstress

Trotz allgemeiner Zustimmung zur Reform gab und gibt es Befürchtungen, dass die kürzeren Bachelor-Studiengänge mit Stoff und Prüfungen überfrachtet und damit unstudierbar würden. Im Großen und Ganzen hat sich das nicht bestätigt. Eine Befragung von BWL-Professoren hat ergeben, dass sie überwiegend der Meinung sind, die Hochschulen hätten die Umstellung genutzt, um ihr Profil zu schärfen und die Curricula mit dem Ziel eines stärkeren Berufsbezugs zu verbessern.10 Die straffere Regulierung des Studienablaufs hat vor allem die Universitäten herausgefordert, die im Bachelor-Studium im Kern eine Angleichung an die Usancen der Fachhochschulen vorgenommen haben.11 Das ist aber kaum auf Kritik gestoßen, die positiven Bewertungen bezüglich der Strukturiertheit des Studiums haben dadurch im Gegenteil bei den Universitäts-Bachelors fast das Niveau der Fachhochschul-Kommilitonen erreicht.

Befragungen über den durchschnittlichen Zeitaufwand für das Studium ergeben, dass sich der Gesamtaufwand gegenüber dem Diplom mit rund 35,5 Stunden je Woche praktisch nicht verändert hat. Wenn dennoch häufig von mehr Druck berichtet wird, so dürfte das also weniger am höheren Lernaufwand, als an der Kombination von strafferen Vorgaben für den Studienablauf, häufigeren Kontrollen durch Prüfungen oder an Präsenzpflichten liegen. Bei den genannten Angaben ist zu berücksichtigen, dass sich der Zeitaufwand auf eine durchschnittliche Woche während der Vorlesungszeit im Sommersemester bezieht, während sich die Workload-Vorgaben für die gestuften Abschlüsse aus Jahresarbeitszeiten ableiten.12

Pro Studienjahr ist der Erwerb von 60 Credit Points vorgesehen, und ein Punkt wird mit einem Zeitaufwand von 25 bis 30 Stunden kalkuliert, was auf eine Jahresarbeitszeit für das Studium von 1500 bis 1800 Stunden hinausläuft und ungefähr dem Mittel der Jahresarbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in Deutschland entspricht. Damit aus den berichteten 35,5 Wochenstunden Studienaufwand im Semester 1700 Jahresstunden werden, müsste rechnerisch bei vier Wochen Urlaub auch in der vorlesungsfreien Zeit voll für das Studium „durchgearbeitet“ werden, was schon wegen der von den Studierenden berichteten nicht unerheblichen Zeit für Erwerbstätigkeit unplausibel ist. Man muss deshalb vermuten, dass die curriculare Planung von höheren Zeitinputs ausgeht als die Studierenden im Mittel tatsächlich für das Studium aufwenden, so dass eine gewisse Überlastung nicht verwundern kann, jedenfalls berichten Bachelor-Studierende deutlich häufiger von Schwierigkeiten bezüglich der geforderten Leistungsanforderungen, der Prüfungsvorbereitungen und der Planung des Studiums.13 Möglicherweise schätzen die Studierenden die erforderlichen Anstrengungen für ein Studium auch selbstkritisch genug ein, jedenfalls fordern nur 12% der Bachelor-Studierenden eine Verringerung der Prüfungsanforderungen, was ungefähr den Werten beim Diplom entspricht. Hinzu kommen wachsende Ansprüche an sich selbst: Befragt nach den Studienabsichten, antworten auf die Vorgabe „Gutes Examen“ 63% der Universitäts-Bachelor, das träfe völlig zu, beim Universitäts-Diplom waren es nur 58%, auf die Vorgabe „Rascher Abschluss“ sind es jetzt 36% statt 29% beim Diplom. Bei den Fachhochschulstudierenden haben sich die Antworten auf etwas höherem Niveau ähnlich bewegt.14

Reicht der Bachelor? Hohe Übergangsquoten zum Master

Ein Kernelement der gestuften Abschlüsse war die unterstellte Berufsfähigkeit der Bachelor-Absolventen. Politisch intendiert war der Bachelor als Regelabschluss und der Master als Zweitstudium zur weitergehenden Qualifizierung, denn bei vollständigen Übergangsquoten vom Bachelor in den Master hätte sich das Studium gegenüber dem Diplom-Abschluss (Regelstudienzeit acht Semester) im Durchschnitt nicht verkürzt, sondern auf zehn Semester verlängert. Aus den Absolventenbefragungen lassen sich erste Antworten zu den tatsächlichen Übergangsquoten ableiten.

Von den Fachhochschul-Bachelor-Absolventen des Jahrgangs 2009 hatten ein Jahr nach Abschluss 50% ein Master-Studium aufgenommen, von den Universitäts-Bachelor-Absolventen waren es sogar 72%15 – dies sind Quoten, die deutlich höher sind als erwartet. Auch umgekehrt betrachtet bestätigt sich, dass der Bachelor nicht so stark in die Berufstätigkeit führt wie das traditionelle Diplom: Ein Jahr nach dem Abschluss des Studiums gingen 80% der Absolventen des Jahrgangs 2009 mit Fachhochschul-Diplom und 60% mit Universitäts-Diplom einer regulären Erwerbstätigkeit nach, bei den Fachhochschul-Bachelors dagegen nur 45%, bei den Universitäts-Bachelors sogar nur 15%. Der Wunsch, das Bachelor-Studium unmittelbar nachfolgend durch ein Master-Studium zu ergänzen, ist also erheblich. Nach früheren Befragungsergebnissen (2006 bis 2008) kann das auch nicht überraschen: „Die Vermutung, die Bachelor-Studierenden hätten ihre Ansprüche an ein Studium zurückgenommen, bedingt durch die Kürze und Ausrichtung ihres Studiums, wird nicht bestätigt. Eine Reduktion in Ertrag und Nutzen des Studiums dürfte deshalb bei vielen Bachelor-Studierenden auf Enttäuschung oder Abwehr treffen“.16 Auch wenn Einkommenschancen und Arbeitsplatzsicherheit eine hohe Bedeutung haben – Studierende sind nach allen Umfragen vor allem intrinsisch motiviert (Fachinteresse, Allgemeinbildung), sodass die Studienzeit einen gewissen Eigenwert hat.

Aus einer Befragung von Bachelor-Studenten im Wintersemester 2009/10 (HISBUS-Panel) haben Grützmacher, Ortenburger und Heine „endgültige“ Übergangsquoten geschätzt.17 Reichlich die Hälfte aller Befragten war sich zum Befragungszeitpunkt noch unsicher, ob sie ein Master-Studium anschließen wollten. Die Autoren nehmen mangels anderer Hinweise an, dass sich die noch Unentschlossenen anteilig so entscheiden wie die, die sich schon sicher sind, dass sie ein/kein Folgestudium anschließen werden. Unter dieser Voraussetzung sind Übergangsquoten in den Master für Fachhochschulen von 65% zu erwarten, für die Universitäten von 87%,18 zusammen sind das rund drei Viertel. Auch in dieser Befragung wird als Grund für die große Bereitschaft zum Zweitstudium das tiefe Misstrauen in die beruflichen Chancen des Bachelor-Abschlusses genannt (zwei von drei Studierenden sehen sie negativ oder eher negativ), vom zusätzlichen Master-Abschluss erwarten sich die Befragten eine Verbesserung der Berufschancen. Hauptgrund dafür, keinen Master anzuschließen, ist der Wunsch, rasch Geld zu verdienen. Heine spitzt die HISBUS-Befunde so zu: Es gäbe „wenig belastbare Hinweise dafür, dass der Bachelor-Abschluss in absehbarer Zeit Regelabschluss“ werden wird, die implizite Erwartung der Politik von Übergangsquoten von nur rund 50% sei völlig unrealistisch.19

Mangel an Master-Plätzen gibt es bislang nicht, denn fast alle Bewerber bekamen ihren Wunschmasterplatz mit Blick auf Studieninhalte und Studienort, dies könnte sich mit wachsenden Bachelor-Zahlen allerdings künftig ändern. Auffällig ist, dass es eine recht hohe Bereitschaft gibt, den Master an einer anderen Hochschule als der aufzunehmen, an der man den Bachelor abgelegt hat. Universitäts-Bachelors ziehen dabei fast ausschließlich andere Universitäten in Betracht; nur 2% planen einen Wechsel an eine Fachhochschule. Bei den Fachhochschul-Bachelors ist der Zug an die Universitäten dagegen recht stark ausgeprägt: 58% möchten ein Master-Programm an einer Universität aufnehmen.20

Gute Berufschancen für Bachelor, aber Gehaltsunterschiede zum Diplom

Der Berufseintritt gelingt den (wie erwähnt relativ wenigen) Bachelors, die dies anstreben, meist ähnlich gut wie den Diplom-Absolventen, Bachelors geben allerdings häufiger als Studierende mit Diplom an, eine Stelle nicht bekommen zu haben, weil ein anderer Studienabschluss verlangt wurde: Von den Fachhochschul-Bachelors berichten dies 22% statt 7% beim Diplom, von den Universitäts-Bachelors gar 36% statt 4%.21 Diese Tendenz wird durch eine Befragung im Rahmen des CHE-Hochschulrankings bestätigt: Immerhin jeder fünfte Master-Studierende berichtete, er haben mit dem Bachelor-Abschluss keine Arbeitsmarktchancen gesehen.22 Auch innerhalb der Professorenschaft sieht man den direkten Berufseintritt offenbar zunehmend skeptischer: Fachhochschulprofessoren aus dem Fach BWL empfahlen ihren Studierenden 2008 noch zu 65%, nach dem Bachelor erst einmal Berufserfahrung zu sammeln, 2011 waren es nur noch 53%; unter den Universitätsprofessoren sank die Empfehlungsquote von 43% auf 30%. Im gleichen Zeitraum stieg der persönliche Eindruck bei den Studierenden, dass der Bachelor nicht ausreichend sei, von 56% auf 65% an. Vor diesem Hintergrund kann eine steigende Übergangsquote nicht überraschen: Von 2008 bis 2011 stieg nach CHE-Angaben im Fach BWL der Anteil der Bachelor-Absolventen, die direkt ein Master-Studium anschlossen, an den Universitäten von 60% auf 70%, an den Fachhochschulen von 54% auf 65%.23

Nach gelungenem Berufseinstieg unterschieden sich die eingenommenen Positionen kaum von denen der traditionellen Abschlüsse, wohl aber die berichteten Gehälter: Das Bruttoeinstiegsgehalt für Vollzeitbeschäftigte lag im Jahrgang 2009 für traditionelle Diplom-Abschlüsse sowohl von Fachhochschulen als auch von Universitäten bei rund 36 500 Euro je Jahr, die Fachhochschul-Bachelors mussten sich dagegen mit 32 700 Euro, Universitäts-Bachelors sogar mit nur 27 100 Euro zufrieden geben.24 Nach einer anderen Quelle verdienen Bachelors im Mittel 36 900 Euro, während Diplom-Absolventen mit 40 600 Euro deutlich darüber liegen, Master sogar mit 42 800 Euro entlohnt werden.25 Bei solchen Differenzen kann der Drang zum zusätzlichen Master-Abschluss vor allem an den Universitäten eigentlich nicht verwundern. Dort ist auch die Umstellung viel dramatischer als an den Fachhochschulen gewesen: Die von den Universitäts-Studierenden geplante Studiendauer im Bachelor wurde bei der Befragung in Wintersemester 2009/10 mit 7,2 Semestern angegeben, die Diplom-Kommilitonen gaben dagegen 11,2 Semester an, bei den Fachhochschulen fiel die Verkürzung von durchschnittlich 9,8 auf 7,0 Semester wesentlich geringer aus.26 Die Hochschulen hatten beim Übergang zum Bachelor eine Wahlspanne für die Regelstudienzeit von sechs bis acht Semestern, die sie unterschiedlich genutzt haben: An den Universitäten wurde fast ausschließlich auf sechs Semester umgestellt (knapp 95%), an den Fachhochschulen nur zu 41%, zu 49% dagegen auf sieben Semester, fast 10% auf acht Semester.27 Da zum Master-Abschluss insgesamt 300 Credits (= fünf Studienjahre) erforderlich sind, unterscheiden sich dementsprechend die Master-Angebote: Die von Universitäten sind zu 86% auf vier Semester angelegt, die an Fachhochschulen nur zu 59% auf vier und zu 38% auf drei Semester, was die Wechselmöglichkeiten einschränkt.

Zur Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses bei Unternehmen

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte 2009 im Rahmen der 10. Welle des IW-Zukunftspanels nach der Akzeptanz von Bachelor/Master-Abschlüssen für Ingenieure gefragt und 2010 zusammen mit dem Stifterverband und dem HIS nochmals beruflich in der vollen Breite bei 1527 Unternehmen aller Branchen. Das Ergebnis spricht für eine außerordentlich hohe Akzeptanz der neuen Abschlüsse, allerdings konditioniert: wenn die anderen Merkmale stimmen. Die Unternehmen geben an, dass für Führungspositionen Motivation, Kommunikationsfähigkeit und ähnliche persönlichkeitsbezogene Faktoren wichtig seien, nicht dagegen die Frage, ob der Kandidat einen Universitäts- oder Fachhochschul-Abschluss, Master oder Bachelor hat, dies war für 70% der Befragten eher unwichtig/völlig unwichtig, bei der Promotion waren es gar 95%.28

Die Unternehmen geben zu deutlich mehr als 80% an, dass Bachelors bei ihnen alle Leitungsebenen (Projekt-/Bereichs-/Abteilungsleiter) erreichen können. Bei den Unternehmen, die bereits Bachelors beschäftigen, sagen 40% bis 70%, dass bei ihnen Bachelors bereits solche Positionen erreicht haben, wobei dies bei kleineren Unternehmen häufiger als bei großen der Fall ist. In der Befragung von 2009 (Ingenieure) ging es auch um Gehälter. Beim Vergleich Fachhochschul-Bachelor/Fachhochschul-Diplom gaben rund 80% der Befragten an, dass es keine relevanten Gehaltsunterschiede gibt, weder im Einstiegsgehalt, noch nach drei bis fünf Jahren, das Gleiche trifft auch auf den Vergleich Fachhochschul-Master/Fachhochschul-Diplom zu.

Beim Universitäts-Bachelor ist das Einstiegsgehalt niedriger als beim Diplom (52% gaben dies an), nach drei bis fünf Jahren sagen aber wie bei den Fachhochschul-Bachelors etwa 80% der Unternehmen, dass es ungefähr gleich sei. Der Universitäts-Master erhält als Einstiegsgehalt so viel wie ein Absolvent mit Universitäts-Diplom. Die Autorin folgert aus den Ergebnissen, dass in den Hochschulen „ein Informationsdefizit über die beruflichen Chancen mit dem Bachelor-Abschluss“29 bestehe, denn trotz der Bereitschaft der Unternehmen, den Bachelor als „vollwertigen akademischen Abschluss“ anzusehen, würde die Mehrheit der Bachelor-Absolventen ein Master-Studium anschließen und auch die Möglichkeiten zu berufsbegleitenden Master-Studiengängen nicht kennen bzw. nicht nutzen. Aus Sicht der im Jahrgang 2009 befragten Universitätsabsolventen kann der Bachelor allerdings wie erwähnt mit rund 20% niedrigerer Bezahlung wohl kaum als „vollwertig“ angesehen werden.

Mobilitätshoffnungen bislang nicht erfüllt

Mit dem einheitlichen europäischen Hochschulraum war wie eingangs erwähnt eine stärkere Internationalisierung der Ausbildung beabsichtigt. Als Kriterium dafür, ob dies gelungen ist, wird häufig die Zahl der Auslandsaktivitäten der Studierenden genannt: seien es Auslandssemester, kürzere Studienaufenthalte, Praktika oder Sprachkurse. Von den Absolventen mit Fachhochschul-Diplom berichten 32% von solchen Auslandserfahrungen, von denen mit Universitäts-Diplom 38%. Bei Bachelor-Absolventen haben nur ca. 30% Auslandserfahrung, vor allem an den Universitäten mit dem kurzen sechssemestrigen Bachelor-Abschluss ist die Auslandserfahrung deutlich geringer als im Diplom. Die Untersuchung von Bargel u.a. im Auftrag des BMBF kommt zusammenfassend mit Blick auf eine Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen zu dem Schluss, es sei beachtlich, dass bei der Internationalität der Kooperationen oder dem Auslandsstudium „keine Differenzen zwischen dem Urteil der Bachelor-Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen zu erkennen sind“ – die Fachhochschulen hätten mit den Universitäten in diesem Punkt gleichgezogen.30 Insgesamt kann beim Bachelor bislang kein signifikanter Zuwachs an Mobilität festgestellt werden, aber das Bild könnte sich durch Einbeziehung der Master-Abschlüsse noch ändern, die an den Universitäten wie gezeigt fast der Regelabschluss sind.

Tabelle 1
Ausgewählte Ergebnisse der HIS-Institut-für-Hochschulforschung-Absolventenbefragung, alle Studiengänge
Top-Zwei (sehr gut+gut) einer 5er-Skala in %
  Diplom 2009 Bachelor 2009 FH Uni
FH Diff. zu 1997 Uni Diff. zu 1997 FH-Uni 2009 FH Uni FH-Uni Bachelor - Diplom
Strukturiertheit 68 15 53 10 15 59 57 2 -9 4
Studierbarkeit 78 7 59 11 19 66 55 11 -12 -4
zeitliche Koordination des Lehr­veranstaltungs­angebots 63 8 45 2 18 61 51 10 -2 6
fachliche Vertiefungs­möglichkeiten 52 18 54 3 -2 41 41 0 -11 -13
Aktualität erlernter Methoden 65 27 59 15 6 73 70 3 8 11
Modernität/ Aktualität bezogen auf den Forschungs­stand 60 25 67 13 -7 65 73 -8 5 6
Einübung in wissen­schaftliche Arbeits­weisen 41 15 58 8 -17 42 60 -18 1 2
Einübung in mündliche Präsen­tationen 61 27 42 14 19 66 58 8 5 16
Erlernen des Anfertigens wissen­schaftlicher Texte 39 14 48 8 -9 42 54 -12 3 6
Kontakt zu Lehrenden 78 12 52 9 26 81 65 16 3 13
fachliche Beratung und Betreuung 68 17 47 13 21 68 59 9 0 12
Besprechung von Klausuren, Haus­arbeiten u.Ä. 49 13 35 8 14 51 40 11 2 5
Verwendung elektronischer Kommunikations­mittel in der Lehre 62 26 52 12 10 72 72 0 10 20
Verfügbarkeit wichtiger Literatur in der Bibliothek 54 12 65 12 -11 55 68 -13 1 3
Zugang zu EDV-Diensten 78 28 76 19 2 82 86 -4 4 10
Aktualität bezogen auf Praxis­anforderungen 63 27 33 13 30 66 45 21 3 12
Verknüpfung von Theorie und Praxis 66 23 25 9 41 68 35 33 2 10
Einübung in beruflich-professionelles Handeln 37 22 16 7 21 35 16 19 -2 0
Unterstützung bei Stellensuche/ Berufseinstieg 25 9 10 2 15 23 14 9 -2 4
Ungewichtetes Mittel 58,3 18,2 47,2 9,9 11,1 58,7 53,6 5,1 0,5 6,5

Bewertungsunterschiede zwischen den Hochschularten bei Einzelfragen

Abschließend soll etwas detaillierter auf verschiedene Einzelfragen eingegangen werden, aus denen die ausbildungsspezifischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Fachhochschulen und Universitäten deutlich werden. Das ungewichtete Mittel aller durch die Fragen in Tabelle 1 abgedeckten Aspekte der Top-Two-Werte (sehr gut und gut) einer Fünfer-Skala ergibt bei den Diplom-Absolventen für die Fachhochschulen 58,3% positive Rückmeldungen und für die Universitäts-Studiengänge 47,2% – die Fachhochschul-Absolventen urteilen also insgesamt deutlich positiver. Der Abstand hat sich im Zeitverlauf ausgeweitet: Im Vergleich zu den Absolventen des Jahrgangs 1997 urteilten die des Jahrgangs 2009 bei den Fachhochschulen um 18,2 Prozentpunkte besser, die der Universitäten nur um 9,9 Prozentpunkte.

Der Unterschied zwischen Fachhochschulen und Universitäten bei den Bachelor- und Diplom-Absolventen des Jahrgangs 2009 ist besonders deutlich bei der Frage nach der Verknüpfung von Theorie und Praxis (41 Prozentpunkte Abstand), der Aktualität bezogen auf die Praxisanforderungen (30 Prozentpunkte) und dem Kontakt zu den Lehrenden (26 Prozentpunkte). Nur in vier Fragen urteilen die Universitäts-Absolventen besser als die Fachhochschul-Kommilitonen: Bei der Frage nach dem Einüben wissenschaftlicher Arbeitsweise (17 Prozentpunkte), der Verfügbarkeit wichtiger Literatur in der Bibliothek (11 Prozentpunkte), der Modernität/Aktualität bezogen auf den Forschungsstand (7 Prozentpunkte) und den fachlichen Vertiefungsmöglichkeiten (2 Prozentpunkte). Insgesamt ist das Ergebnis der Befragungen wenig überraschend: Das Studium an Fachhochschulen ist praxisnäher angelegt, die Betreuung intensiver, die Universitäten punkten mit mehr Forschungsnähe. Dies bestätigen auch Grützmacher et al.;31 sie heben zudem hervor, dass sich Fachhochschul-Bachelors entgegen den A-Priori-Erwartungen bezüglich der Persönlichkeitsentwicklung und der sozialen Kompetenz besser auf ein Master-Studium vorbereitet sehen als die Universitätskommilitonen.

Welche Unterschiede gibt es bei den Antworten zwischen Bachelor und Diplom? Im ungewichteten Mittel fallen die Urteile der Bachelor besser aus: Bei den Fachhochschul-Absolventen nur geringfügig, bei den Universitäts-Bachelors ist die Verbesserung mit über 6 Prozentpunkten wesentlich deutlicher. Die Fachhochschul-Bachelors sehen Verbesserungen eigentlich nur bei der Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel in der Lehre (10 Prozentpunkte) und der Aktualität erlernter Methoden (8 Prozentpunkte), während bei den Universitäts-Bachelors nicht nur in diesen beiden Bereichen, sondern auch bei der Einübung mündlicher Präsentationen (16 Prozentpunkte), dem Kontakt zu Lehrenden (13 Prozentpunkte), der fachlichen Beratung und Betreuung sowie der Aktualität bezüglich der Praxisanforderungen (jeweils 12 Prozentpunkte) deutliche Verbesserungen berichtet werden. Überspitzt formuliert: Die bekannten Vorzüge der Fachhochschulen zogen mit dem Bachelor zumindest zum Teil auch in die universitäre Ausbildung ein. Wo sehen die Bachelors die Dinge kritischer als die Diplom-Absolventen? Schlechter bewertet werden die fachlichen Vertiefungsmöglichkeiten und die Studierbarkeit, was angesichts der strikteren Stoffvorgaben nicht verwundern kann. In den Fachhochschulen gibt es zudem schlechtere Werte bezüglich der Strukturiertheit des Studiums, so dass hier der traditionelle Vorsprung gegenüber den Universitäten fast verschwunden ist.

Der Vergleich der Durchschnittswerte könnte durch die unterschiedliche Fächerstruktur verzerrt sein. An den Fachhochschulen sind vor allem Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften vertreten, während die Universitäten ein wesentlich breiteres Spektrum abdecken. Betrachtet man deshalb nur die Wirtschaftswissenschaften (also im Kern die Betriebswirtschaftslehre), so ergibt sich ein ganz ähnliches Bild wie für den Durchschnitt aller Fächer: Im ungewichteten Mittel weisen die Fachhochschulen im Jahrgang 2009 beim Diplom einen deutlichen Vorsprung bei den Positivanteilen auf (62,4 vs. 45,3 Prozentpunkte), und der Abstand ist im Vergleich zum Jahrgang 1997 auch noch größer geworden. Die höchsten Abstände gibt es bei der Verknüpfung von Theorie und Praxis (51 Prozentpunkte), bei der Aktualität bezüglich der Praxisanforderungen (39 Prozentpunkte) und beim Kontakt zu den Lehrenden (33 Prozentpunkte). Der Vergleich von Bachelor- und Diplom-Abschlüssen zeigt für die Fachhochschulen im ungewichteten Mittel eine Verringerung der positiven Antworten um 3,8 Prozentpunkte, bei den Universitäten dagegen ein Plus von 5,1 Prozentpunkten. Die Fachhochschul-Bachelors beurteilen vor allem die fachlichen Vertiefungsmöglichkeiten (-22 Prozentpunkte) und die Studierbarkeit (-14 Prozentpunkte) schlechter als ihre Diplom-Kommilitonen, während die Universitäts-Bachelors die Situation in vielen Bereichen besser als ihre Diplom-Kommilitonen einschätzen, besonders bei der Verfügbarkeit von Literatur (15 Prozentpunkte), der Einübung mündlicher Präsentationen (13 Prozentpunkte) und der zeitlichen Koordination der Lehrveranstaltungen (12 Prozentpunkte).

Fazit

Die Studiengänge an den Hochschulen sind inzwischen weitgehend auf das zweistufige Bologna-Modell mit Bachelor- und Master-Abschlüssen umgestellt worden. Insgesamt wird die neue Struktur akzeptiert: von Lehrenden und Lernenden, aber auch von den Unternehmen. Vor allem an den Universitäten schätzen die Studierenden die deutlich stärkere Praxisorientierung positiv ein. Die Übergangsquoten in das weiterführende Master-Studium sind sehr hoch, so dass sich aus der Reform ohne deutliche Erschwernisse beim Übergang vom Erst- zum Zweitabschluss insgesamt keine signifikante Verkürzung des Studiums ergeben dürfte. Bachelor-Absolventen werden auf dem Arbeitsmarkt gut angenommen, insbesondere Universitäts-Bachelors verdienen allerdings deutlich weniger als Diplom-Absolventen – die Zahl der Studierenden, die direkt nach dem Uni-Bachelor in den Beruf einsteigt, ist zumindest bislang aber wie erwähnt sehr gering. Insgesamt ist das deutsche Hochschulsystem durch die Reform offener geworden: Es gibt für die Studierenden mehr Wahlmöglichkeiten bezüglich der Studiengänge, der Studiengestaltung, der Internationalität; im Master-Bereich auch zwischen Fachhochschulen und Universitäten.

  • 1 Vgl. C. Heine: Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium. Studien zum deutschen Innovationssystem, Nr. 2-2012, HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF), Hannover, Februar 2012, S. 4.
  • 2 Alle Angaben nach BMBF (Hrsg.): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2009, 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, Bonn, Berlin 2010.
  • 3 BMBF (Hrsg.): Bericht über die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland, Bonn, Berlin 2012.
  • 4 Ebenda.
  • 5 Ebenda, S. 1.
  • 6 Ebenda, S. 4.
  • 7 BMBF: Bericht über die Umsetzung ..., a.a.O., S. 7.
  • 8 T. Bargel, F. Multrus, M. Ramm, H. Bargel: Bachelor-Studierende. Erfahrungen in Studium und Lehre. Eine Zwischenbilanz, Berlin 2009, S. 3.
  • 9 T. Rehn, G. Brandt, G. Fabian, K. Briedis: Hochschulabschlüsse im Umbruch. Studium und Übergang von Absolventinnen und Absolventen reformierter und traditioneller Studiengänge des Jahrgangs 2009, in: HIS: Forum Hochschule, H. 11, Hannover 2011.
  • 10 M. Hennings, I. Roessler: Fit fürs Business mit dem Bachelor? Erfahrungen von BWL-Professor(inn)en, -Absolvent(inn)en und -Studierenden mit dem Bachelor-Master-System (CHE), Februar 2012, S. 9.
  • 11 T. Bargel, F. Multrus, M. Ramm, H. Bargel, a.a.O., S. 5.
  • 12 W. Isserstedt, E. Middendorff: Zeitlicher Aufwand der Studierenden für Studium und Erwerbstätigkeit versus Workload – Eine Replik auf die Methodenkritik von Rolf Schulmeister, HIS, November 2011.
  • 13 F. Multrus, M. Ramm, T. Bargel: Studiensituation und studentische Orientierungen, 11. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen, Bonn, Berlin 2011, S. 16.
  • 14 Ebenda, S. 18.
  • 15 T. Rehn, G. Brandt, G. Fabian, K. Briedis, a.a.O., S. III.
  • 16 T. Bargel, F. Multrus, M. Ramm, H. Bargel, a.a.O., S. 4.
  • 17 J. Grützmacher, A. Ortenburger, C. Heine: Studien- und Berufsperspektiven von Bachelorstudierenden in Deutschland: Übergangsverhalten, Studiengangsbewertungen und Berufsaussichten von Bachelorstudierenden im Wintersemester 2009/10, HIS: Forum Hochschule, 7/2011, Hannover.
  • 18 Ebenda, S. 17.
  • 19 C. Heine, a.a.O., S. 34 und S. 12.
  • 20 J. Grützmacher, A. Ortenburger, C. Heine, a.a.O., S. 32.
  • 21 T. Rehn, G. Brandt, G. Fabian, K. Briedis, a.a.O., S. IX.
  • 22 M. Hennings, I. Roessler, a.a.O., S. 19.
  • 23 Ebenda, S. 13.
  • 24 T. Rehn, G. Brandt, G. Fabian, K. Briedis, a.a.O., S. XII.
  • 25 A. Straush: Mehr Tiefgang, mehr Gehalt, in: Beilage der Süddeutschen Zeitung zum Postgraduate-Studium, Süddeutsche Zeitung vom 19.4.2012, S. 30.
  • 26 F. Multrus, M. Ramm, T. Bargel, a.a.O., S. 8.
  • 27 Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (Hrsg.): Statistische Daten zu Bachelor- und Masterstudiengängen Wintersemester 2011/2012, Bonn 2011, S. 15.
  • 28 C. Konegen-Grenier: Bachelor und Master auf dem Arbeitsmarkt: Ergebnisse aus zwei Unternehmensbefragungen, in: Wirtschaftsdienst, Sonderheft 2011, S. 24.
  • 29 Ebenda, S. 26.
  • 30 T. Bargel, F. Multrus, M. Ramm, H. Bargel, a.a.O., S. 7.
  • 31 J. Grützmacher, A. Ortenburger, C. Heine, a.a.O., S. 6.

Title:Is a Bachelor‘s Degree Enough? An Assessment of the Current Status of the Bologna Process in Germany

Abstract:The Federal Ministry of Education and Research (BMBF) states that the Bologna Accords have been successfully implemented in Germany. However, empirical studies show that this can be very questionable. The aim to reduce the average study duration has not been accomplished mainly due to a higher than expected conversion rate from Bachelor to Master level. Although the Bachelor‘s degree is broadly accepted among future employers, the majority of students do not trust the career opportunities with a Bachelor‘s degree only and prefer to undertake a Master‘s degree. In fact, the starting salaries for Bachelor‘s degree graduates, especially from universities, are signifi cantly lower than for the graduates holding a Diploma or a Master‘s degree.

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DOI: 10.1007/s10273-012-1408-x