Die Steuereinnahmen werden nach der Prognose des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen und im Jahr 2018 das 2012 erzielte Aufkommen um 131,5 Mrd. Euro übertreffen. Die Steuerquote wird vor allem aufgrund inflations- und progressionsbedingter Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer merklich zunehmen und der Staat auch ohne Steuererhöhungen einen steigenden Anteil an der Wirtschaftsleistung beanspruchen.
Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ (AKS) traf sich vom 5. bis 7. November 2013 in Bremerhaven, um die Entwicklung des Steueraufkommens in Deutschland für 2013 bis 2018 zu prognostizieren. Er basierte seine Schätzung auf der gesamtwirtschaftlichen Herbstprojektion der Bundesregierung; zudem bezog er die seit der vergangenen Schätzung beschlossenen Steuerrechtsänderungen in seine Prognose ein.
Deutschland vor einem Aufschwung
Die Bundesregierung geht in ihrer Herbstprojektion1 – wie auch die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung2 – davon aus, dass die deutsche Wirtschaft auf einen soliden Wachstumskurs eingeschwenkt ist. Sie prognostiziert, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Verlauf dieses Jahres, also von Schlussquartal 2012 zu Schlussquartal 2013, um 1,5% steigen wird; aufgrund der deutlichen Produktionsrückgänge im Winterhalbjahr 2012/2013 und des dadurch bedingten niedrigen Ausgangsniveaus beläuft sich der Zuwachs im Jahresdurchschnitt aber nur auf 0,5%. Für 2014 wird ein Anstieg des realen BIP von 1,7% erwartet. Auch die Wachstumsperspektiven in der mittleren Frist werden allgemein positiv beurteilt. Das Wachstum des Produktionspotenzials wird im Projektionszeitraum von 2013 bis 2018 auf durchschnittlich 1,3% je Jahr geschätzt. Der Anstieg des realen BIP wird von 2015 bis 2018 auf 1,4% pro Jahr veranschlagt; dieser Zuwachs wird aus der technischen Annahme abgeleitet, dass sich die für 2014 konstatierte Produktionslücke bis zum Ende des Projektionszeitraums schließt.3
Wichtige Indikatoren für die Prognose des Steueraufkommens wurden gegenüber der Frühjahrsprojektion nach oben revidiert. So prognostiziert die Bundesregierung nunmehr einen Zuwachs des nominalen BIP von 2,6% im Jahr 2013 und von 3,3% im Jahr 2014; er ist damit für 2013 um 0,4 Prozentpunkte höher veranschlagt als in der Frühjahrsprojektion. Auch der Anstieg der Unternehmens- und Vermögenseinkommen, die die gewinnabhängigen Steuern maßgeblich beeinflussen, wird für 2013 um 1,5 Prozentpunkte höher veranschlagt als im Frühjahr; zudem wurde der Anstieg der modifizierten Inlandsnachfrage – ein Indikator für die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer – für das kommende Jahr von 3,1% auf 3,3% heraufgesetzt. Hingegen wird bei den Bruttolöhnen und -gehältern in diesem Jahr eine um 0,2 Prozentpunkte niedrigere Zunahme prognostiziert als bislang. Für den mittelfristigen Schätzzeitraum von 2015 bis 2018 wird von einer Zunahme des nominalen BIP von 3,0% je Jahr ausgegangen. Während der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter in der mittleren Frist mit durchschnittlich 2,8% p.a. um 0,1 Prozentpunkte höher veranschlagt wird als in der Frühjahrsprojektion, werden die Zuwächse bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen mit 3,6% p.a. und bei der modifizierten Inlandsnachfrage mit 2,9% p.a. geringfügig zurückgenommen (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1
Wichtige gesamtwirtschaftliche Eckdaten für die Steuerschätzungen von Mai und November 2013
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Mrd. Euro | Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | ||||||
Mai 20131 | |||||||
Reales BIP | 2467,8 | 0,5 | 1,6 | 1,4 | 1,4 | 1,4 | |
Nominales BIP | 2643,9 | 2,2 | 3,3 | 3,0 | 3,0 | 3,0 | |
Bruttolohn- und Gehaltssumme | 1124,3 | 3,3 | 3,1 | 2,7 | 2,7 | 2,7 | |
Unternehmens- und Vermögenseinkommen | 644,0 | 1,5 | 5,2 | 3,7 | 3,7 | 3,7 | |
Modifizierte Inlandsnachfrage | 2226,7 | 2,9 | 3,1 | 3,0 | 3,0 | 3,0 | |
November 20132 | |||||||
Reales BIP | 2471,8 | 0,5 | 1,7 | 1,4 | 1,4 | 1,4 | 1,4 |
Nominales BIP | 2666,4 | 2,6 | 3,3 | 3,0 | 3,0 | 3,0 | 3,0 |
Bruttolohn- und Gehaltssumme | 1124,7 | 3,1 | 3,2 | 2,8 | 2,8 | 2,8 | 2,8 |
Unternehmens- und Vermögenseinkommen | 676,6 | 3,0 | 5,0 | 3,6 | 3,6 | 3,6 | 3,6 |
Modifizierte Inlandsnachfrage | 2243,4 | 2,9 | 3,3 | 2,9 | 2,9 | 2,9 | 2,9 |
1 Ist: 2012; Prognose: 2013 bis 2017. 2 Ist: 2012; Prognose: 2013 bis 2018.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/projektionen.html.
Deutlicher Anstieg des Steueraufkommens
Der AKS prognostizierte das Steueraufkommen wie üblich auf der Grundlage des geltenden Steuerrechts. Gegenüber der Schätzung vom Mai 2013 musste er die finanziellen Auswirkungen einer Reihe von zwischenzeitlich verabschiedeten Steuerrechtsänderungen4 berücksichtigen. Diese schmälern das Steueraufkommen in diesem Jahr um insgesamt 0,2 Mrd. Euro; mittelfristig sind sie mit Mehreinnahmen von 0,1 Mrd. Euro (2014), 0,3 Mrd. Euro (2015) und 0,4 Mrd. Euro (2016 und 2017) verbunden.
Für dieses Jahr prognostiziert der AKS ein Steueraufkommen von 620,5 Mrd. Euro – ein Plus von 20,5 Mrd. Euro bzw. 3,4% gegenüber dem Vorjahr. Der Anstieg des Aufkommens wird beim Bund auf 1,4%, bei den Ländern auf 3,4% und bei den Gemeinden auf 4,9 % veranschlagt (vgl. Tabelle 2). Die unterdurchschnittliche Zunahme der Steuereinnahmen des Bundes ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Bund zur Finanzierung des EU-Haushalts 0,8 Mrd. Euro mehr abführen muss als im Mai 2013 erwartet; zudem dürften die reinen Bundessteuern, die überwiegend mengenbezogen sind, in diesem Jahr nur um 0,8% expandieren.
Im kommenden Jahr dürfte sich der Anstieg des Steueraufkommens trotz der beschleunigten gesamtwirtschaftlichen Expansion auf voraussichtlich 3,2% abflachen. Ausschlaggebend hierfür ist, dass Steuerzahlungen aufgrund von Gerichtsurteilen, wie dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.10.2011 zur Besteuerung von Streubesitzdividenden, erstattet werden müssen. Mittelfristig rechnet der AKS aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Vorgaben mit einem weiteren kontinuierlichen Anstieg des Steueraufkommens (vgl. Abbildung 1). Es übertrifft 2018 mit 731,5 Mrd. Euro das Niveau von 2012 um 131,5 Mrd. Euro bzw. um 21,9%; das Plus beläuft sich beim Bund auf 52,9 Mrd. Euro (20,6%), bei den Ländern auf 50,8 Mrd. Euro (21,5%) und bei den Gemeinden auf 20,5 Mrd. Euro (25,3%); die erwarteten Abführungen an den EU-Haushalt fallen nach den derzeitigen Planungen um 7,2 Mrd. Euro (27,4%) höher aus als im Jahr 2012.
Abbildung 1
Entwicklung des Steueraufkommens
Ist: 1991 bis 2012; Prognose: 2013 bis 2018.
Quellen: Bundesministerium der Finanzen; eigene Berechnungen.
Die gemeinschaftlichen Steuern dürften im Zeitraum von 2012 bis 2018 um 27,3% zulegen. Insbesondere die Körperschaftsteuer dürfte im Projektionszeitraum kräftig expandieren (50,9%). Ihre Zunahme ist freilich überzeichnet, weil Sonderfälle das Aufkommen im Jahr 2012 um etwa 2,5 Mrd. Euro minderten und Altkapitalerstattungen, die das Aufkommen bis 2017 um reichlich 2 Mrd. Euro je Jahr verringern dürften, ab 2018 nicht mehr anfallen. Aufkommenssteigernd wirkt zudem, dass die vom Kassenaufkommen abgesetzte Investitionszulage bis 2015 ausläuft; sie hatte das Aufkommen 2012 noch um reichlich 0,5 Mrd. Euro gemindert. Die veranlagte Einkommensteuer legt bis 2018 ebenfalls deutlich zu (39,9%). Aufkommenssteigernd wirkt hier neben den Progressionseffekten des Einkommensteuertarifs das Auslaufen der Investitionszulage und der Eigenheimzulage. Auch die Lohnsteuer dürfte im Projektionszeitraum kräftig steigen (37,3%), da die Bruttolohn- und Gehaltssumme spürbar zunimmt und steigende Pro-Kopf-Löhne zu progressionsbedingten Mehreinnahmen führen. Hingegen dürften die Steuern vom Umsatz bis 2018 nur um 18,1% zunehmen; ihr Zuwachs fällt damit etwas schwächer aus als der der modifizierten Inlandsnachfrage. Während die reinen Länder- und Gemeindesteuern im Projektionszeitraum um 17,6% bzw. 18,4% expandieren, nehmen die reinen Bundessteuern lediglich um 2,4% zu. Ausschlaggebend für den unterproportionalen Anstieg ist, dass mittelfristig die Einnahmen aus den beiden aufkommensstärksten Verbrauchsteuern, der Energie- und der Tabaksteuer, aufgrund von Verbrauchseinschränkungen sinken dürften und dass der Verbrauch von Kernbrennstoffen nach geltendem Recht nur bis zum 31.12.2016 besteuert wird.
Tabelle 2
Ergebnisse der Steuerschätzung vom November 20131
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Steuern insgesamt (Mrd. Euro) | 600,0 | 620,5 | 640,3 | 663,8 | 686,3 | 706,8 | 731,5 |
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | 4,7 | 3,4 | 3,2 | 3,7 | 3,4 | 3,0 | 3,5 |
Steueraufkommen nach Ebenen | |||||||
Steueraufkommen des Bundes2 (Mrd. Euro) | 256,3 | 260,0 | 269,0 | 277,5 | 291,5 | 298,7 | 309,2 |
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | 3,4 | 1,4 | 3,4 | 3,2 | 5,1 | 2,5 | 3,5 |
Steueraufkommen der Länder2,3 (Mrd. Euro) | 236,3 | 244,3 | 251,9 | 260,8 | 269,5 | 277,6 | 287,2 |
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | 5,4 | 3,4 | 3,1 | 3,6 | 3,3 | 3,0 | 3,4 |
Steueraufkommen der Gemeinden4 (Mrd. Euro) | 81,1 | 85,0 | 88,2 | 91,5 | 94,7 | 98,0 | 101,6 |
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | 5,8 | 4,9 | 3,7 | 3,7 | 3,6 | 3,5 | 3,6 |
Steueraufkommen der EU (Mrd. Euro) | 26,3 | 31,1 | 31,3 | 34,0 | 30,6 | 32,4 | 33,5 |
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % | 7,6 | 18,3 | 0,6 | 8,6 | -10,0 | 5,8 | 3,4 |
Steueraufkommen nach Steuerarten in Mrd. Euro | |||||||
Lohnsteuer | 149,1 | 157,8 | 166,1 | 175,4 | 184,9 | 194,6 | 204,6 |
Veranlagte Einkommensteuer | 37,3 | 41,8 | 44,1 | 46,3 | 48,5 | 50,3 | 52,2 |
Kapitalertragsteuern | 28,3 | 25,8 | 24,5 | 26,4 | 28,2 | 29,2 | 30,4 |
Körperschaftsteuer | 16,9 | 19,8 | 20,7 | 21,8 | 22,4 | 22,8 | 25,5 |
Gewerbesteuer | 42,3 | 43,8 | 45,2 | 46,6 | 48,0 | 49,4 | 50,9 |
Steuern vom Umsatz | 194,6 | 197,5 | 204,5 | 210,8 | 217,0 | 223,3 | 229,8 |
Sonstige Steuern | 131,5 | 134,1 | 134,3 | 136,6 | 137,5 | 137,2 | 138,1 |
Steueraufkommen in % des nominalen BIP | |||||||
Steuerquote | 22,50 | 22,68 | 22,66 | 22,81 | 22,89 | 22,89 | 23,00 |
1 Ist: 2012; Prognose: 2013 bis 2018.
2 Nach Ergänzungszuweisungen, Umsatzsteuerverteilung und Finanzausgleich.
3 Ohne Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten.
4 Mit Gemeindesteuereinnahmen der Stadtstaaten. Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen (BMF): Ergebnisse der Steuerschätzung vom 5. bis 7.11.2013, Monatsbericht des BMF, November 2013.
Aufkommenserwartungen nach oben revidiert
Der AKS hat seine Aufkommenserwartungen für das laufende Jahr im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai 2013 um 5,3 Mrd. Euro angehoben. Vom erwarteten Mehraufkommen entfallen voraussichtlich 1,3 Mrd. Euro auf den Bund, 2,4 Mrd. Euro auf die Länder und 1,1 Mrd. Euro auf die Gemeinden; die EU-Abführungen werden um 0,5 Mrd. Euro höher veranschlagt als im Mai. Ausschlaggebend für dieses Plus ist zum einen, dass das nominale BIP und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker expandieren als in der Frühjahrsprojektion zugrunde gelegt. Zum anderen dürften die Steuererstattungen in Höhe von rund 1,6 Mrd. Euro in Folge der Umsetzung des EuGH-Urteils zu den Streubesitzdividenden für Altfälle nicht – wie ursprünglich erwartet – in diesem Jahr, sondern erst 2014 und 2015 fällig werden.
Für den gesamten Projektionszeitraum erwartet der AKS im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai 2013 Mehreinnahmen von insgesamt 14,0 Mrd. Euro. Die veränderten Erwartungen wirken sich bei den einzelnen staatlichen Ebenen unterschiedlich aus. Während sich die Länder und die Gemeinden auf ein Plus von 5,4 Mrd. Euro bzw. 5,1 Mrd. Euro einstellen können, dürfte der Bund lediglich ein Mehraufkommen von 1,6 Mrd. Euro erzielen, zumal er im gesamten Prognosezeitraum voraussichtlich 1,8 Mrd. Euro mehr an die EU abführen muss als bislang geplant (vgl. Tabelle 3).
Tabelle 3
Abweichung der Steuerschätzung vom November 2013 zur Schätzung vom Mai 2013
Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2013 | Abweichungen | Ergebnis der Steuerschätzung vom November 2013 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Insgesamt | davon: | |||||
Steuerrechtsänderungen1 | Änderung EU-Abführung | Schätzabweichung2 | ||||
2013 | ||||||
Steuereinnahmen insgesamt | 615,2 | 5,3 | -0,2 | 0,0 | 5,5 | 620,5 |
Bund3 | 258,7 | 1,3 | -0,1 | -0,8 | 2,2 | 260,0 |
Länder3 | 241,9 | 2,4 | -0,1 | – | 2,5 | 244,3 |
Gemeinden3 | 83,9 | 1,1 | 0,0 | – | 1,1 | 85,0 |
EU | 30,6 | 0,5 | 0,0 | 0,8 | -0,3 | 31,1 |
2014 | ||||||
Steuereinnahmen insgesamt | 638,5 | 1,9 | 0,1 | 0,0 | 1,8 | 640,3 |
Bund3 | 268,6 | 0,3 | 0,2 | -0,1 | 0,2 | 269,0 |
Länder3 | 251,1 | 0,8 | -0,1 | – | 0,9 | 251,9 |
Gemeinden3 | 87,2 | 1,0 | 0,0 | – | 1,0 | 88,2 |
EU | 31,6 | -0,2 | 0,0 | 0,1 | -0,3 | 31,3 |
2015 | ||||||
Steuereinnahmen insgesamt | 661,9 | 1,9 | 0,3 | 0,0 | 1,6 | 663,8 |
Bund3 | 277,7 | -0,2 | 0,2 | -0,8 | 0,4 | 277,5 |
Länder3 | 260,3 | 0,5 | 0,0 | – | 0,6 | 260,8 |
Gemeinden3 | 90,5 | 1,0 | 0,0 | – | 0,9 | 91,5 |
EU | 33,5 | 0,5 | 0,0 | 0,8 | -0,2 | 34,0 |
2016 | ||||||
Steuereinnahmen insgesamt | 683,7 | 2,6 | 0,4 | 0,0 | 2,2 | 668,3 |
Bund3 | 291,3 | 0,3 | 0,3 | -0,7 | 0,7 | 291,5 |
Länder3 | 268,5 | 0,9 | 0,0 | – | 0,9 | 269,5 |
Gemeinden3 | 93,7 | 1,0 | 0,1 | – | 0,9 | 94,7 |
EU | 30,2 | 0,4 | 0,0 | 0,7 | -0,2 | 30,6 |
2017 | ||||||
Steuereinnahmen insgesamt | 704,5 | 2,3 | 0,4 | 0,0 | 1,9 | 706,8 |
Bund3 | 298,8 | -0,1 | 0,3 | -0,9 | 0,5 | 298,7 |
Länder3 | 276,9 | 0,8 | 0,0 | – | 0,7 | 277,6 |
Gemeinden3 | 97,0 | 1,0 | 0,1 | – | 0,9 | 98,0 |
EU | 31,8 | 0,6 | 0,0 | 0,9 | -0,3 | 32,4 |
1 Ohne Steuerrechtsänderungen der Kommunen.
2 Aus gesamtwirtschaftlichen Gründen und infolge unvorhergesehener Verhaltensänderungen der Wirtschaftssubjekte.
3 Nach Ergänzungszuweisungen, Umsatzsteuerverteilung, Finanzausgleich und Konsolidierungshilfen (Betrag der Konsolidierungshilfen vorbehaltlich der Entscheidung des Stabilitätsrates gemäß § 2 Absatz 2 Konsolidierungshilfengesetz). Abweichungen in den Summen durch Rundung der Zahlen möglich.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen (BMF): Ergebnisse der Steuerschätzung vom 5. bis 7.11.2013, Monatsbericht des BMF, November 2013.
Steuerquote auf höchstem Niveau seit Vereinigung
Das Steueraufkommen wird in den kommenden Jahren in der Grundtendenz rascher expandieren als das nominale BIP; die volkswirtschaftliche Steuerquote wird infolgedessen von 22,5% im Jahr 2012 auf 23,0% im Jahr 2018 zunehmen (vgl. Abbildung 2). Der Staat beansprucht somit auch ohne Steuererhöhungen einen steigenden Anteil an der Wirtschaftsleistung. Ausschlaggebend hierfür sind inflations- und progressionsbedingte Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer.
Die inflationsbedingten Mehreinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer resultieren daraus, dass der progressiv ausgestaltete Einkommensteuertarif nominal fixiert ist und die Steuerpflichtigen damit auch bei Einkommenssteigerungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, in Tarifbereiche mit höheren Grenzsteuersätzen aufrücken. Ihre Einkommensteuerbelastung steigt, obwohl sich dies nicht durch höhere Realeinkommen und eine gestiegene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rechtfertigen lässt (kalte Progression). Dies wäre dann unproblematisch, wenn die aus dem Zusammenspiel von progressivem Einkommensteuertarif und Inflation resultierenden Steuermehrbelastungen in den kommenden Jahren durch Anpassungen des Steuertarifs abgebaut würden. Dies ist aber nicht der Fall, denn die in den Jahren 2011 und 2012 entstandenen Mehrbelastungen werden nicht erstattet und die 2013 und 2014 entstehenden Belastungen nur zum Teil. Zwar wird der Einkommensteuer-Grundfreibetrag 2013 und 2014 um insgesamt 350 Euro bzw. 4,4% angehoben, um das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum zu sichern. Inflationsbedingte Einkommenszuwächse ziehen aber nach wie vor eine überproportionale Erhöhung der Steuerlast nach sich, da die im Rahmen des Gesetzes zum Abbau der kalten Progression ebenfalls geplante Erhöhung der anderen Einkommensgrenzen des Einkommensteuertarifs nicht realisiert werden konnte. Der Bundesrat lehnte dies mit der Mehrheit der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen regierten Länder mit Verweis auf die angespannte Haushaltslage von Ländern und Kommunen ab. Die Belastungen der kalten Progression werden daher weiter zunehmen. Sie belaufen sich nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft 2017 auf mehr als 20 Mrd. Euro.5 Damit besteht weiterhin steuerpolitischer Handlungsbedarf, zumal die erste Progressionsstufe des neuen Einkommensteuertarifs nach der unterbliebenen Rechtsverschiebung der Tarifzonen gestaucht ist und die Grenzsteuersätze in diesem Bereich nun noch rasanter steigen als zuvor, so dass sich die Steuerprogression gerade für Bezieher niedriger Einkommen weiter verschärft.
Abbildung 2
Steuerquote1
1 Steueraufkommen in % des nominalen BIP. Ist: 1991 bis 2012; Prognose: 2013 bis 2018.
Quellen: Bundesministerium der Finanzen; Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Vor diesem Hintergrund ist eine Korrektur überfällig, die neben der Erhöhung des Grundfreibetrags im Jahr 2014 auch eine Anhebung der übrigen Eckpunkte der Tariffunktion vorsieht. Zudem sollten der Grundfreibetrag und die Tarifgrenzen des Einkommensteuertarifs in den Folgejahren jährlich oder zumindest in regelmäßigen Rhythmen inflationsbedingt angepasst werden. Die hieraus resultierenden Mindereinnahmen sind angesichts der kräftig sprudelnden Steuereinnahmen fiskalisch verkraftbar, zumal unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Anpassungsprozesse mit geringeren Haushaltsbelastungen gerechnet werden kann, da der Verzicht auf die Mehreinnahmen durch die kalte Progression sich positiv auf Wachstum und Beschäftigung auswirkt und damit zu Mehreinahmen bei Steuern und Sozialbeiträgen führt.6
Abbildung 3
Eingangs- und Spitzensteuersatz im deutschen Einkommensteuerrecht
1 Relation zwischen dem Einkommen, ab dem der Spitzensteuersatz greift, und dem Durchschnittseinkommen eines ledigen Arbeitnehmers.
Quellen: Bundesministerium der Finanzen: Datensammlung zur Steuerpolitik, Ausgabe 2012; eigene Berechnungen.
Abflachung des Einkommensteuertarifs
Der Reformbedarf bei der Einkommensteuer resultiert daraus, dass der Spitzensteuersatz inzwischen bei Einkommen greift, die bei der gegebenen Einkommensverteilung keine Spitzeneinkommen darstellen. Während der Spitzensteuersatz bei Einführung der progressiven Einkommensteuer 1958 ab einem zu versteuernden Einkommen griff, das etwa dem 18-fachen des damaligen Durchschnittseinkommens eines Arbeitnehmers entsprach, wird er – sieht man von der „Reichensteuer“7 ab – derzeit ab einem zu versteuernden Einkommen von 52 881 Euro (bei Alleinstehenden) fällig, was 2014 dem 1,7-fachen des Durchschnittseinkommens entspricht (vgl. Abbildung 3). Dadurch nehmen die Grenzsteuersätze schnell zu und auch schon mittlere Einkommen werden mit dem Spitzensteuersatz belastet. Eine Entzerrung des Einkommensteuertarifs mit dem Ziel, dass der Spitzensteuersatz tatsächlich erst bei Spitzeneinkommen greift, würde die Grenzsteuersätze bei geringen und mittleren Einkommen reduzieren und den Tarif leistungsfreundlicher gestalten. Eine solche Reform wäre aber mit hohen Steuerausfällen verbunden. Allein die Beseitigung des sogenannten „Mittelstandsbauchs“, die darin bestünde, die Grenzbelastungen vom Eingangssteuersatz aus linear bis zum Spitzensteuersatz steigen zu lassen, ohne die Einkommensgrenze, ab der der Spitzensteuersatz fällig wird, zu verändern, dürfte mit Mindereinnahmen von mehr als 25 Mrd. Euro einhergehen.8 Eine Anhebung dieser Einkommensgrenze wäre bei entsprechendem linearen Tarifverlauf mit noch höheren Mindereinahmen verbunden, auch wenn sich die Steuersenkungen durch die induzierten Wachstums- und Beschäftigungseffekte zum Teil selbst finanzieren und sich somit nicht in vollem Umfang im staatlichen Finanzierungssaldo niederschlagen. Um mit den Vorgaben der Schuldenbremse vereinbar zu sein, erfordert die Abflachung des Einkommensteuertarifs daher eine Gegenfinanzierung. Hier bietet sich der Abbau von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen an, bei denen nach wie vor ein erhebliches Einsparpotenzial besteht. Allein die noch offenen Posten der Koch-Steinbrück-Liste belaufen sich auf mehr als 60 Mrd. Euro.9 Durch eine derartig finanzierte Einkommensteuerreform ließe sich eine „doppelte Dividende“ erzielen: Die Steuerentlastungen würden Leistungs- und Investitionsanreize bei Arbeitnehmern und Unternehmen induzieren, und der Abbau von Subventionen würde Allokationsverzerrungen beseitigen.
- 1 C. Bork, T. Knaus: Die Herbstprojektion 2013 der Bundesregierung, in: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Monatsbericht November 2013, S. 10-15.
- 2 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Konjunktur zieht an – Haushaltsüberschüsse sinnvoll verwenden, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2013, Essen 2013; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik, Jahresgutachten 2013/2014, Wiesbaden 2013.
- 3 Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose legt diese technische Annahme nicht zugrunde, sondern leitet die mittelfristige Entwicklung des realen BIP aus der Fortschreibung des konjunkturellen Verlaufs ab. Den Zuwachs des realen BIP veranschlagt sie in ihrem aktuellen Herbstgutachten für die Jahre 2015 bis 2018 auf durchschnittlich 1,5% je Jahr.
- 4 Dazu zählen das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7.5.2013, das Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung, das Aufbauhilfegesetz, das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags sowie die zweite Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung.
- 5 T. Schaefer: Kalte Progression – Mikrosimulationsanalyse der Auswirkungen inflationsbedingter Einkommensteuererhöhungen, Köln 2013. Zu den seit 2006 aufgelaufenen Mehrbelastungen durch die kalte Progression vgl. Sachverständigenrat, a.a.O., Zf. 669-672. Zu den finanziellen Auswirkungen eines veränderten Einkommensteuertarifs vgl. auch RWI: Mehr Gerechtigkeit. Was steht zur Wahl? Eine mikrodatenbasierte Analyse und Kommentierung von Programmaussagen der Parteien zu Änderungen des Tarifs der Einkommensteuer unter dem Gesichtspunkt der fiskalischen Auswirkungen, Aktualisierter Endbericht, 27.5.2013.
- 6 Simulationen mit dem RWI-Konjunkturmodell ergeben eine Selbstfinanzierungsquote von Senkungen der Einkommensteuer von rund 40%. Vgl. G. Barabas, R. Döhrn, H. Gebhardt, T. Schmidt: Was bringt das Konjunkturpaket II?, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 2, S. 128-132.
- 7 Die zum 1.1.2007 eingeführte „Reichensteuer“ greift ab einem zu versteuernden Einkommen von 250 731 Euro für Ledige bzw. 501 462 Euro für Verheiratete und liegt um 3 Prozentpunkte über dem „normalen“ Spitzensteuersatz von 42%.
- 8 RWI: Varianten für einen Einkommensteuertarif 2011, März 2010; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Verantwortung für Europa wahrnehmen, Jahresgutachten 2011/12, 2011: Textziffern 342 bis 363; H. Houben, J. Baumgarten: Krankt das deutsche Steuersystem am Mittelstandbauch und der kalten Progression?, Arqus – Arbeitskreis Quantitative Steuerlehre, Diskussionsbeitrag, Nr. 119, Juni 2011.
- 9 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Zögerliche Erholung – steigende Staatsschulden, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2009, Essen 2009, S. 72 f.