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Ökonomen und Politiker beklagen sich gelegentlich übereinander. Die Ökonomen meinen, das politische Alltagsgeschäft berücksichtige die Erkenntnisse der Wissenschaft zu wenig und sei mit inkonsistenten Maßnahmen und suboptimalen Ergebnissen verbunden. Die Politiker sehen sich dagegen zum Teil mit realitätsfernen Empfehlungen konfrontiert. Die Bewertungsschemata für wissenschaftliche Exzellenz schaffen zudem Anreize für eher theoretisch ausgerichtete Forschung. Eine solch dramatische Diskrepanz zwischen Politikberatung und Forschung können die Autoren dieses Zeitgesprächs in der Regel nicht erkennen.

Warum engagieren sich nicht mehr ökonomische Spitzenforscher in der Politikberatung?

Die mangelnde Relevanz wirtschaftswissenschaftlicher Forschung wird nicht nur in Deutschland und nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise (und dem in Deutschland resultierenden Ökonomenstreit) und nicht nur in Politik und Medien beklagt. So hat z.B. Marc Blaug schon 1997 sein Unbehagen über die Ausrichtung der modernen Ökonomie geäußert: ,,modern economics is sick; economics has increasingly become an intellectual game played for its own sake and not for its practical consequences.“1 Ein Jahrzehnt später hat Gregory Mankiw diese Kritik, wenn auch mit etwas anderem Zungenschlag, in seiner Auseinandersetzung mit der sogenannten Freakonomie in seinem Blog wiederholt: „[M]ore young economists today are doing Levitt-style economics and fewer are studying the classic questions of economic policy. That is disconcerting, to a degree. It could be especially problematic twenty years from now, when President Chelsea Clinton looks for an economist to appoint to head the Federal Reserve, and the only thing she can find in the American Economic Association are experts on game shows and sumo wrestling“2.

Auch im Wirtschaftsdienst ist diese Kritik, z.B. von Birger Priddat, vorgetragen worden.3 Akademische Ökonomen würden sich zu sehr darauf konzentrieren, in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu publizieren und daher relevante Fragestellungen, zu denen sich schlecht publizieren lasse, vernachlässigen. Im Kontext des jüngsten Ökonomenstreits ist diese Kritik von verschiedenen Ökonomen wiederholt worden, exemplarisch seien die Ausführungen von Bizer und Gubaydullina genannt,4 ebenfalls im Wirtschaftsdienst. Auch von Seiten der Politik ist wiederholt darauf verwiesen worden, dass die Konzepte der Wissenschaft nicht selten kompliziert und nicht umsetzbar seien und daher dann letztlich wenig brauchbar.5

Zugleich gibt es unter Ökonomen das weit verbreitete Lamento, dass die Politik die Erkenntnisse der Ökonomie zu wenig berücksichtige und allgemein zu wenig auf Ökonomen gehört werde. Stattdessen – so das Klagelied – würden Juristen, über die dann selten gut gesprochen wird, die wirtschaftspolitische Beratung dominieren. Im besten Fall würden – von einigen ruhmreichen Ausnahmen wie etwa Hans-Werner Sinn, Martin Hellwig, Clemens Fuest und ein paar anderen abgesehen – bestenfalls zweitklassige Ökonomen um Rat gefragt – ein Manko, das es dringend zu beheben gelte.

Empirische Ergebnisse

Die positive Analyse, dass wissenschaftliche Spitzenforschung (gemessen durch Publikationen in Spitzenzeitschriften) und wirtschaftspolitische Beratung selten zusammenfallen, erscheint uns im Großen und Ganzen korrekt zu sein. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber der Verweis auf Einzelfälle („es ist durchaus möglich, mit für Deutschland spezifischen Problemen in der American Economic Review zu publizieren“) ist irreführend. Das typische Verhalten, das uns als Ökonomen ja sonst immer interessiert, ist es eben nicht. Wie wir in einer Analyse von in mühsamer Kleinarbeit erhobenen Daten festgestellt haben, lässt sich für das Verhältnis von Spitzenforschung und wirtschaftspolitischer Beratung in Deutschland momentan Folgendes sagen:6

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass ein in einem der Handelsblatt-Rankings gelisteter Ökonom zwischen 2005 und 2009 (16. Wahlperiode) mit einem Gutachten durch das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium oder das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt wurde, ist nicht höher als dass irgendein nicht in den Rankings gelisteter Ökonom damit beauftragt wurde.
  • Dasselbe gilt für die Wahrscheinlichkeit, in den Bundestagsausschüssen für Wirtschaft, Finanzen oder Arbeit als Sachverständiger geladen zu werden.
  • Ebenso gilt dies für die Wahrscheinlichkeit, einen Beitrag hier im Wirtschaftsdienst (als Medium des Wissens­transfers in die praktische Wirtschaftspolitik hinein) zu publizieren.
  • Von den Aufsätzen, die Ökonomen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zwischen 2005 und 2009 in American Economic Review, Journal of Political Economy und Quarterly Journal of Economics publizierten, haben gerade einmal 20% eine speziellen inhaltlichen Bezug zu Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Für europäische Fachzeitschriften (Economic Journal und Journal of the European Economic Association) liegt der Anteil mit 30% dagegen etwas höher.
  • 94% derjenigen Ökonomen, die in der 16. Wahlperiode in der (von uns gemessenen) Politikberatung aktiv waren, gehörten in diesem Zeitraum, gemessen an ihrer Publikationsleistung laut Handelsblatt-Ranking, nicht zu den 100 forschungsstärksten Wirtschaftswissenschaftlern.
  • Im Handelsblatt-Ranking der an der bisherigen Lebensleistung gemessenen Top-250-Forscher sind anteilig nicht mehr in der Politikberatung aktive Forscher enthalten als im Ranking der an der aktuellen Forschungsleistung gemessenen Top-100-Forscher. Somit deutet für Deutschland auch wenig auf eine Arbeitsteilung über den Lebenszyklus der Forscher hin (Spitzenforschung in jungen Jahren, Politikberatung im „Alter“), denn in diesem Fall sollten im Ranking der an der bisherigen Lebensleistung gemessenen Top 250-Forscher anteilig mehr heute politikberatende Ökonomen zu finden sein.

Wir interpretieren diese Befunde so,7 dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass wirtschaftspolitische Beratung und Spitzenforschung in Deutschland in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen. Eher scheint das Verhältnis substitutiver Natur zu sein. Einige Ökonomen konzentrieren sich auf die Spitzenforschung (auch wenn sie das nicht immer ausschließlich tun), andere auf die Wirtschaftspolitik (was ebenfalls nicht ausschließt, dass sie auch forschen, aber in der Regel nicht so, dass es regelmäßig zu Spitzenpublikationen führt). Wenigen gelingt es, beides zu vereinen, und andere machen gegebenenfalls auch ganz andere Dinge.

Ursachen für die Diskrepanz zwischen Spitzenforschung und Politikberatung

Woran liegt es nun, dass Spitzenpublikationen und wirtschaftspolitische Beratung in Deutschland nur selten zusammenfallen? Aus unserer Sicht hat dies viel mit den stark gestiegenen Anreizen für Ökonomen zu tun, in Spitzenzeitschriften zu publizieren. Natürlich ist es richtig, dass Publikationen in Spitzenzeitschriften und die Lösung aktueller wirtschaftspolitischer Fragen sich nicht prinzipiell ausschließen. Es ist aber zumindest in Deutschland eher die Ausnahme als die Regel. Ein Grund dürfte darin liegen, dass für internationale Fachzeitschriften vor allem relativ allgemeine Themen interessant sind (z.B. Grundlagenforschung über menschliches Verhalten) oder Themen, die aufgrund der Größe eines Marktes ein größeres Fachpublikum ansprechen. Es lässt sich daher argumentieren, dass sich z.B. zu spezifischen US-amerikanischen wirtschaftspolitischen Problemen aufgrund der Größe des Leser-Marktes relativ leichter in internationalen Zeitschriften publizieren lässt als etwa zu spezifisch deutschen, französischen oder dänischen Problemen. Ökonomen aus dem deutschsprachigen Raum hätten demnach einen Anreiz, sich tendenziell ebenfalls mit US-spezifischen oder Themen allgemeiner Natur (z.B. Grundlagenforschung) zu beschäftigen und damit anstelle eines begrenzten regionalen, ein globales öffentliches Gut (im Falle der Grundlagenforschung) zu erstellen (da publizierte Forschungsergebnisse in der Ökonomie von jedermann genutzt werden können). Evidenz dafür liefert die Analyse von Das et al.,8 die den Inhalt von 202 ökonomischen Fachzeitschriften aus den Jahren 1985 bis 2004 analysiert haben und zu dem Ergebnis kommen, dass sich mit US-Daten wesentlich einfacher publizieren lässt als mit anderen Daten, und zwar unabhängig von der Qualität der Daten: „Once we move outside the US, there is no difference in the likelihood of publication across the different regions – papers from the UK and other OECD countries (some of which are incredibly data rich) have just as low a likelihood of publication in the top-5 as papers from Sub-Saharan Africa or East Asia and the Pacific.“9

Ein zweiter Grund für die oft fehlende direkte Relevanz ökonomischer Forschung für die Wirtschaftspolitik liegt wohl auch darin, dass es – wie das Zitat von Mankiw illustriert – etwas langweilig geworden ist, sich mit Standardweisheiten und -themen auseinanderzusetzen. Als anekdotische Evidenz können wir Folgendes hinzufügen: Auf einer (industrieökonomischen) Tagung hat mir (Haucap) ein Kollege einmal relativ klar erklärt, wie man aus seiner Sicht am besten publizieren könne: Man müsse irgendeinen „witzigen“ oder kontraintuitiven theoretischen oder empirischen Befund erzielen, z.B. indem man zeigt, dass indirekte Effekte direkte Effekte überkompensieren können. Diese These ist vermutlich richtig10 und lässt sich durch Introspektion sogar nachvollziehen. Dass Wettbewerb zu geringeren Preisen und mehr Auswahl führt, ist irgendwie langweilig und kalter Kaffee. Das Gegenteil zu belegen, ist witzig und aufsehenerregend (und wird auch in den Medien berichtet). Vermutlich gilt Ähnliches auch für andere Felder wie z.B. die Verhaltensökonomie. Dass Menschen sich weitgehend rational und oft egoistisch verhalten, ist für Ökonomen eher ein langweiliger Befund (eventuell jedoch inzwischen schon wieder spannend). Dass Menschen auch von anderen Motiven geleitet werden und Fehler machen, ist (wenn auch gegebenenfalls primär für Ökonomen) spannend.

Wenn nun aber forschende Ökonomen primär auf der Suche nach witzigen Sondereffekten – also gewissermaßen neuen exotischen Pflanzen – sein sollten, weil diese neu und daher publizierbar sind, dann ist es klar, dass diese Art der Forschung für die Wirtschaftspolitik – quasi den heimischen Getreideanbau – meistens nur begrenzt hilfreich ist. Dies heißt, wohl gemerkt, weder, dass die Verhaltens­ökonomie sich nur auf randseitige Sonderphänomene beschränkt (ganz sicher nicht), noch dass es nicht auch sehr nützlich sein kann, randseitige Sonderphänomene zu erforschen (wie die Entdeckung der damals exotischen Kartoffel). Möglicherweise bleiben aber andere Dinge auf der Strecke, wie auch Mankiw zu befürchten schien, wenn zu viel in die Grundlagenforschung und zu wenig in die anwendungsorientierte Forschung investiert wird. Mit anderen Worten hat dies George Stigler schon 1952 auf den Punkt gebracht: „Economic policy must be contrived with a view to the typical rather than the exceptional.“11 Und im Bereich der Wettbewerbspolitik hat z.B. Michael Whinston dies recht klar deutlich gemacht.12 Zu zeigen, dass in Spezialfällen besondere Effekte auftreten können, sagt für die praktische Wirtschaftspolitik fast gar nichts – die Frage ist, ob die eruierten Effekte für real existierende Märkte typisch oder untypisch sind.

In einem einfachen theoretischen Modell hat Ellison13 die oftmals fehlende Relevanz ökonomischer Forschung auch dadurch erklärt, dass die (anonymen) Gutachter von Fachzeitschriften tendenziell vor allem Vorschläge zur methodischen Verbesserung von Aufsätzen machen (z.B. um die Robustheit von Modellen oder Schätzverfahren zu steigern), aber seltener dazu beitragen, die Relevanz der ursprünglichen Fragestellung zu erhöhen. Daher werde im Laufe der (meist wiederholten) Überarbeitung von Beiträgen das relative Gewicht der Bemühungen mehr und mehr von „Relevanz“ in Richtung „Rigorosität“ verschoben. Die zunehmende Internationalisierung könnte diese Tendenz noch einmal befördern, da internationale Gutachter in der Regel weniger über lokal- und regionalspezifische institutionelle Details wissen und daher diese nicht gleichermaßen kritisch würdigen können wie Fragen der Methodik.

Die oben beschriebenen Entwicklungen könnten eine stärkere interpersonelle Spezialisierung induzieren, indem die Arbeitsteilung zwischen Spitzenforschung und Politikberatung weiter zunimmt, auch weil die Zahl der Allround-Talente vom Typ Clemens Fuest oder Marcel Fratzscher begrenzt ist. Die teilweise zu hörende Forderung, dass Politiker doch bitte einfach mehr Rat bei Spitzenforschern suchen sollten, die in Top-Journalen publizieren, kann hingegen nur als arg naiv bezeichnet werden. In der wirtschaftspolitischen Beratung sind faktisch andere Dinge gefragt als bei Publikationen in Top-Journalen.

Effektive Politikberatung

Um Politikberatung effektiv zu gestalten, sind zwei Dinge notwendig, die für Ökonomen, die vor allem in Top-Journalen publizieren wollen, nicht immer attraktiv sind. Erstens bedarf es für die effektive Politikberatung einer intimen Kenntnis institutioneller Details inklusive des geltenden Rechtsrahmens, der europa- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorschlägen und der institutionellen Struktur eines Marktes oder Feldes. In manchen Bereichen (wie z.B. der Geld- oder Steuerpolitik) scheint dies auch bei vielen Ökonomen, zumindest von außen betrachtet, sehr ausgeprägt zu sein, in anderen Bereichen wie z.B. der Regulierung einzelner Märkte (Transport, Energie, Medien) und der Wettbewerbspolitik scheint eher eine starke Arbeitsteilung zu existieren: die einen beherrschen die Methoden (Theorie und Ökonometrie), die anderen kennen die institutionellen Details und verstehen eher, wovon Juristen und Mitarbeiter der Exekutiven reden. Diese Kenner der institutionellen Details scheinen jedoch tendenziell weniger zu werden, wie auch die persönliche Erfahrung (Haucap) aus der Arbeit der Monopolkommission zeigt. Experten, die gleichzeitig sehr gut publizieren und intime Kenntnisse der europäischen Automobilmärkte, Gasmärkte, des Krankenhauswesens, der Medienbranche, des Lebensmittelhandels oder Ähnliches haben sind – in starkem Kontrast zu den USA oder auch Großbritannien – kaum zu finden.14

Zum anderen denken Ökonomen noch immer zu wenig über „Politics“ im Gegensatz zu „Policy“ nach, also über die politische Durchsetzbarkeit von Reformvorschlägen.15 Die Durchsetzbarkeit hängt stark mit den Verteilungswirkungen von Reformen zusammen, die von Ökonomen jedoch oftmals ignoriert werden. Eine stärkere Berücksichtigung der Verteilungswirkungen ist daher für eine effektive Politikberatung unerlässlich.

Ist es bedauerlich, dass sich nicht mehr Ökonomen in der wirtschaftspolitischen Beratung engagieren? Aus unserer Sicht schon. Die meisten Ökonomen an Hochschulen in Deutschland werden aus Steuergeldern bezahlt, insofern besteht auch eine Bringschuld gegenüber den deutschen Steuerzahlern. Um die Anreize in diese Richtung zu verstärken, können gegebenenfalls Lehren aus den sehr positiven Anreizeffekten der Handelsblatt-Rankings gezogen werden. „What gets measured, gets done“, ist eine amerikanische Managementweisheit. Das Sichtbarmachen von erfolgreichem Engagement in der wirtschaftspolitischen Beratung könnte dementsprechend vermutlich etwas bewegen.

  • 1 M. Blaug: Ugly Currents in Modern Economics, Policy Options, September 1997, S. 3.
  • 2 G. Mankiw: Is Steve Levitt Ruining Economics?, Greg Mankiws Blog vom 27.4.2007, http://gregmankiw.blogspot.com/2007/04/is-steve-levitt-ruining-economics.html.
  • 3 B. Priddat: Volkswirtschaft als Idealversagen des Marktes und der Theorien?, in: Wirtschaftsdienst, 86. Jg. (2006), H. 1 , S. 22-25.
  • 4 K. Bizer, Z. Gubaydullina: Zur Zukunft der Volkswirtschaftslehre, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 7, S. 447-450.
  • 5 Vgl. z.B. G. G. Wagner: Volkswirtschaftslehre und Politikberatung, in: Wirtschaftsdienst, 86. Jg. (2006), H. 1, S. 19-22; ders.: Effektive Politikberatung, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 3, S. 150-151; W. Otremba, B. Diekmann: Was erwartet die Politik von den Ökonomen?, in: Wirtschaftsdienst, 89. Jg. (2009), H. 7, S. 440-443; B. Rürup: Vom Elend der wissenschaftlichen Politikberatung, in: Sozialer Fortschritt, 58. Jg. (2009), H. 8, S. 177-182.
  • 6 Für Details siehe J. Haucap, M. Mödl: Zum Verhältnis von Spitzenforschung und Politikberatung. Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund des Ökonomenstreits, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, erscheint 2013.
  • 7 Vgl. ebenda.
  • 8 J. Das, Q.-T. Do, K. Shaines, S. Srinivasan: U.S. and Them: The Geography of Academic Research, World Bank Policy Research Working Paper, Nr. 5152, 2009, S. 12 f.
  • 9 Ebenda.
  • 10 Die persönliche Erfahrung belegt (wiederum als anekdotische Evidenz), dass empirische Studien teilweise mit dem Verweis darauf abgelehnt werden, dass ja genau das herauskomme, was jeder erwarten würde. Aus demselben Grund haben es wohl auch Replikationsstudien in der empirischen und experimentellen Wirtschaftsforschung sehr schwer, publiziert zu werden. Vgl. G. G. Wagner, D. Huschka: Datenverfügbarkeit reicht nicht, um Replikationsstudien zur Routine zu machen, Working Paper des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten, Nr. 194, Berlin 2012; auch G. Kirchgässner: Zur politischen Ökonomie der wirtschaftspolitischen Beratung, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg. (2013), H. 3, S. 198-203.
  • 11 G. Stigler: The Case Against Big Business, in: Fortune Magazine, 45. Jg. (1942), Mai, S. 158.
  • 12 Vgl. M. D. Whinston: Lectures on Antitrust Economics, Cambridge MA 2006, S. 19 ff.
  • 13 G. Ellison: Evolving Standards for Academic Publishing: A q-r-Theory, in: Journal of Political Economy, 110. Jg. (2002), H. 5, S. 994-1034.
  • 14 Vgl. auch J. Haucap: Krise der Wirtschaftswissenschaften: Braucht die Volkswirtschaftslehre eine Neuausrichtung?, in: ifo Schnelldienst, 62. Jg. (2009), H. 15, S. 19-22.
  • 15 Vgl. A. Dixit: Transaction Cost Politics, Cambridge MA 1996; O. E. Williamson: The Mechanisms of Governance, Oxford 1996; B. Rürup, a.a.O.; oder D. Acemoglu, J. A. Robinson: Economics versus Politics: Pitfalls of Policy Advice, in: Journal of Economic Perspectives, 27. Jg. (2013), H. 2, S. 173-192.

Mission Impossible? Zur Verbindung von Politikberatung und „Spitzenforschung“

Seit Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vor fünf Jahren steht die moderne Ökonomik in der Öffentlichkeit unter verstärktem Legitimationsdruck. In dieser nicht immer mit der gebotenen Differenziertheit geführten Debatte wurden Ökonomen und die blinden Flecken vieler ihrer Modelle mitunter gar als Mitverursacher der Krise kritisiert. Zudem wurde vehement bemängelt, dass Politiker und Ökonomen aneinander vorbeireden würden. Die Ursache dafür wird vor allem bei der Ökonomik gesehen: Verloren in abstrakten Modellwelten gelinge es der Disziplin immer weniger, die konkreten wirtschaftspolitischen Probleme unserer Zeit zu adressieren und zu ihrer Lösung beizutragen.

Nicht zuletzt war der „neue deutsche Ökonomenstreit“ ein Ausdruck dieses Zweifels an der Relevanz der (deutschen) Wirtschaftsforschung; vergleichbare Debatten wurden jedoch auch in den USA und insbesondere in Frankreich geführt. Wir haben uns an anderer Stelle intensiv mit dieser Kritik befasst.1 Ein Strang dieser Debatte kreist seit kurzem um die Frage, ob sich wirtschaftswissenschaftliche Forschung und wirtschaftspolitische Beratung zunehmend in entgegengesetzte Richtungen entwickeln und die daraus vermeintlich resultierende Kluft sowohl für Defizite bei der wirtschaftspolitischen Beratung als auch für den mangelnden Praxisbezug und die daraus resultierende Irrelevanz der akademischen Grundlagenforschung verantwortlich sei. Insbesondere mag man sogar aus der Beobachtung, dass sich die „Spitzenforschung“ zunehmend von praxisrelevanten Fragestellungen entferne, im Umkehrschluss ableiten, dass die (vor allem) in der Politikberatung aktiven Ökonomen wohl selbst keine Spitzenforschung mehr produzierten oder gar produzieren könnten und die wirtschaftspolitische Beratung daher nicht in guten Händen sei.

Die wachsende Diskrepanz zwischen Spitzenforschung und wirtschaftspolitischer Beratung wurde jüngst von Haucap und Mödl untersucht.2 Eine wichtige Grundlage ihrer empirischen Analyse bildete das Handelsblatt-Ranking, das als Maßstab für die Exzellenz ökonomischer Forschung herangezogen wurde. Es zeigte sich unter anderem, dass jene Professoren, die in der Legislaturperiode der Jahre 2005 bis 2009 als Verfasser von Gutachten oder Stellungnahmen politikberatend aktiv waren, im selben Zeitraum nicht zu den vermeintlich forschungsstärksten Ökonomen zählten: Lediglich 6% fanden sich unter den Top-100 im Handelsblatt-Ranking wieder. In ihrer Untersuchung überprüften die Autoren auch die Relevanz von Veröffentlichungen in Top-Zeitschriften3 für spezifische Probleme der Wirtschaftspolitik im deutschsprachigen Raum. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen 2005 und 2009 drei Viertel dieser Aufsätze keinen solchen Regionalbezug hatten.

Was zeigen uns diese Ergebnisse? Müller4 geht sogar so weit, von einer „gespaltenen Gesellschaft“ zu sprechen. In der Politikberatung engagierte Ökonomen schafften es demnach nicht, zusätzlich zur Beratungsarbeit auch in international führenden Fachzeitschriften der Disziplin zu publizieren: „Alleskönner, die in beidem stark sind, gibt es kaum.“ Auch lasse die Interaktion zwischen den beiden vermeintlich getrennten Lagern zu wünschen übrig („Der Gedankenaustausch funktioniert nicht recht“).

Wären wir also besser beraten, wenn wir unsere aktuellen „Top-100“ der Forschung in die Politikberatung schicken, um ihre dort bisher werkelnden, vermeintlich zweitklassigen Kollegen zu ersetzen? Die Antwort lautet vermutlich nein. Denn zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität von (hauptsächlich) in der Politikberatung engagierten Ökonomen ist ein Abgleich mit der Handelsblatt-Liste schlicht der falsche Maßstab. Dieser Abgleich von den als politikberatend identifizierten Ökonomen mit den im Handelsblatt-Ranking versammelten „Spitzenforschern“ sagt zwar viel über das Niveau und den gewählten Tätigkeitsschwerpunkt der letztgenannten, aber so gut wie nichts über die wissenschaftliche Qualität der erstgenannten Gruppe aus.

Zur Quantität und Qualität der Beratungs- und Forschungsleistungen

Spitzenforschung ist zunächst ein Ausdruck von allgemeiner wissenschaftlicher Kompetenz oder Kompetenz in einem bestimmten Bereich. Mit Sicherheit ist sie darüber hinaus auch das Ergebnis besonderer wissenschaftlicher Leistungen. Hier ist es allerdings wichtig, den Kontext zu beachten. Denn eine hohe Position in einem Forschungsranking ist nicht zuletzt auch das Resultat einer entsprechenden Spezialisierung und individuellen Schwerpunktsetzung des jeweiligen Wissenschaftlers. Einen guten Rankingplatz einzunehmen, sollte dagegen für einen Ökonomen, der insbesondere als wissenschaftlicher Politikberater agiert, aus eben diesem Grund zweitrangig sein. Seine eigene Forschung sollte trotzdem höchsten wissenschaftlichen Standards genügen. Ob diese Bedingung erfüllt ist, lässt sich jedoch nicht angemessen durch den Rückgriff auf das Handelsblatt-Ranking überprüfen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Forschungsleistungen der (hauptsächlich) politikberatend tätigen Ökonomen höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, sie also regelmäßig, aber naturgemäß seltener als ihre darauf spezialisierten Kollegen, in den international führenden Journalen der Disziplin publizieren.

Vor diesem Lackmus-Test erscheint es zur Klärung des analytischen Ausgangspunktes hilfreich, sich das Kalkül eines Ökonomen bei der Wahl zwischen Beratung und Forschung zu vergegenwärtigen. Darüber, ob Ökonomen relativ viel forschen oder relativ viel beraten, entscheiden verschiedene Faktoren. Natürlich zählt dazu, welche der beiden Aktivitäten als der Karriere förderlicher wahrgenommen wird. Auch die mit Beratung und Forschung jeweils verbundene Reputation determiniert die Entscheidung, relativ mehr zu beraten oder aber zu forschen. Insofern ist Haucap und Mödl zuzustimmen, dass es sich bei beiden Leistungen durchaus um Substitute handelt. Das endliche Zeitbudget eines Wissenschaftlers erlaubt nun einmal nur eine begrenzte Anzahl von Projekten. Je nach komparativem Vorteil und erwartetem Reputationsgewinn ergibt sich daher in der Regel eine (unvollständige) Spezialisierung auf Beratung oder Forschung. Diese Schwerpunktsetzung bedingt, gemeinsam mit der allgemeinen Kompetenz und Produktivität des Wissenschaftlers, die Menge und Qualität der resultierenden Leistungen.

Hier stellt sich uns allerdings ein Problem: Weder die Produktivität (Intelligenz, Kreativität, Sachkunde etc.) noch der jeweilige komparative Vorteil, also die beiden entscheidenden Faktoren für die Qualität und Quantität von Beratung oder Forschung, lassen sich einfach messen. Qualität und Quantität von Forschungsleistungen werden zwar bereits durch Rankings erfasst, diese bringen aber eine Reihe von Problemen mit sich. Internationale Fachzeitschriften, die maßgeblich in Rankings einfließen, tendieren dazu, die Rigorosität der Methode eines Beitrages in den Mittelpunkt zu stellen, nicht jedoch seine (regionale) Relevanz für die Wirtschaftspolitik.5 Und für Beratungsdienste findet eine vergleichbare Leistungsmessung bisher nicht statt, nicht einmal bei den umfassenden regelmäßigen Evaluationen der Institute der Leibniz-Gemeinschaft und ähnlichen Bemühungen um ein kritisches „Peer Review“. Der Grund liegt auf der Hand: Qualitätsunterschiede zwischen der erbrachten Leistung und eine Reflektion mit den Kosten ihrer Bereitstellung lassen sich dabei nur sehr eingeschränkt in quantitativ fassbarer Form ermitteln.

Wie drückt sich Spitzenberatung dann aus, von welchen Voraussetzungen hängt sie ab? Ein guter Politikberater sollte zunächst natürlich über eine hohe wissenschaftliche Kompetenz verfügen, die sich neben seinem Fachgebiet auch auf den Bereich der empirischen Methoden erstreckt. Aus gutem Grund hat sich die wissenschaftliche Politikberatung in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer sehr stark evidenzbasierten Politikberatung entwickelt, in der aus empirischen Studien gewonnene Erkenntnisse eine zentrale Grundlage für die Erarbeitung und Empfehlung von Handlungsoptionen darstellen. Als Nachweis der wissenschaftlichen Exzellenz muss ein guter Politiker zudem seine Fähigkeit bewiesen haben, in international renommierten Fachzeitschriften mit hohen wissenschaftlichen Ansprüchen zu publizieren. Dies sollte das Gütesiegel sein, das es zu bestehen und, wie beim TÜV, in regelmäßigen Abständen zu erneuern gilt. Erfüllen unsere (hauptsächlich) in der wissenschaftlichen Politikberatung tätigen Ökonomen dieses Kriterium?

Wissenschaftliche Exzellenz in der Politikberatung

Um die Frage der wissenschaftlichen Qualität der (hauptsächlich) in der wissenschaftlichen Politikberatung tätigen Ökonomen in Deutschland zu klären, haben wir, aufbauend auf der Studie von Haucap und Mödl, die Qualität der Publikationen dieser Gruppe untersucht. Als Gradmesser dafür haben wir das weit verbreitete Journal-Ranking des Tinbergen-Instituts in der Fassung des Jahres 2007 herangezogen. Die Kategorie „AA“ der „generally accepted top-level journals“ umfasst darin folgende Publikationen: Econometrica, Journal of Political Economy, American Economic Review, Journal of Finance, Quarterly Journal of Economics und die Review of Economic Studies. Die Kategorie „A“ umfasst 34 Journals („very good journals covering economics in general and the top journals in each field”)6 und die Kategorie „B” weitere 92 Journals („good journals for all research fields within the Tinbergen Institute”).7 Als Nachweis wissenschaftlicher Exzellenz haben wir gewertet, wenn für den jeweiligen Wissenschaftler mindestens eine AA- oder A-Publikation verzeichnet werden konnte. Die Erhebung umfasste die Mitglieder des Sachverständigenrates, die Mitglieder der Leitungsebene (Vorstand und Abteilungsleiter) in den sechs Wirtschaftsforschungsinstituten der Leibniz-Gemeinschaft8 sowie die Mitglieder der wissenschaftlichen Beiräte des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) und des Bundesministeriums für Finanzen (BMF).

Unsere Untersuchung ergab, dass von den 92 Wissenschaftlern unserer Stichprobe immerhin 56 bereits in einem Journal der Kategorie „A“ veröffentlicht haben. 14 dieser Wissenschaftler erzielten sogar mindestens eine Publikation in einem Journal der höchsten Kategorie „AA“. Somit können 61% der politikberatenden Ökonomen mindestens eine Publikation in einem Top-Journal vorweisen. Zwischen den jeweiligen Gremien und Instituten variieren diese Werte jedoch erheblich, wie Tabelle 1 dokumentiert. Die höchsten Werte erzielen der Sachverständigenrat (100%), der wissenschaftliche Beirat des BMWi (93%) und das ifo Institut (89%).

Ganz offensichtlich ist es auch so, dass es den entsprechenden Ökonomen gelingt, den Nachweis wissenschaftlicher Exzellenz nicht nur einmal, sondern regelmäßig zu erbringen: Im Anschluss an die jeweils erste Publikation in einem hoch angesehen Journal der Kategorien „A“ oder „AA“ publizieren diese politikberatenden Ökonomen im Durchschnitt 0,6 derartige Beiträge pro Jahr. Für 40 dieser 56 Wissenschaftler liegt die letzte entsprechende Veröffentlichung weniger als fünf Jahre zurück.

Tabelle 1
Politikberatende Wissenschaftler und ihre Publikationen in Journals nach Tinbergen-Kategorien
Institution Wissenschaftler1 mit Publikationen in den Kategorien A oder AA Zahl der Wissenschaftler1 %
Sachverständigenrat 5 5 100
Wissenschaftlicher Beirat BMWi 14 15 93
Wissenschaftlicher Beirat BMF 14 21 67
ifo 8 9 89
DIW 7 11 64
ZEW 5 8 63
RWI 4 8 50
IfW 5 11 45
IWH 1 5 20
Insgesamt 56 92 61

1 Als Wissenschaftler wurden in der Erhebung berücksichtigt: die fünf Mitglieder des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Mitglieder der wissenschaftlichen Beiräte von BMWi und BMF, sowie die Mitglieder der jeweiligen Leitungsebene (Vorstand und Abteilungsleiter) in den Wirtschaftsforschungsinstituten der Leibniz-Gemeinschaft. Es wurden diejenigen Mitglieder der wissenschaftlichen Beiräte berücksichtigt, die in der vergangenen Legislaturperiode 2005 bis 2009 als Verfasser von Gutachten und Stellungnahmen des jeweiligen Beirates tätig waren.

Quelle: eigene Erhebung.

Welche Rückschlüsse lassen sich aus diesen Ergebnissen ziehen? Offensichtlich betreibt gut die Hälfte der politikberatenden Ökonomen regelmäßig Forschung, die höchsten Ansprüchen genügt und eine hohe internationale Beachtung findet. Alle von uns untersuchten Institutionen der wissenschaftlichen Politikberatung verfügen über mehrere Wissenschaftler mit einem solchen Profil. Die Ansicht, dass wissenschaftliche Politikberatung und hervorragende Forschungsleistungen nicht miteinander vereinbar seien, in der Politikberatung engagierte Ökonomen gar minderqualifiziert oder -befähigt sein könnten, hält insofern einer empirischen Überprüfung nicht stand.

Gleichzeitig ist es durchaus sinnvoll, dass eine relative Spezialisierung unter Ökonomen stattfindet. Das Zeitbudget eines Wissenschaftlers ist schließlich begrenzt. Konkret: Würden tatsächlich die derzeitigen Top-100 des Handelsblatt-Rankings in die Politikberatung gehen, wie es offenbar Müller9 wünschenswert erscheint, dann würden sie zwangsläufig in künftigen Ausgaben dieses Rankings abfallen. Und ob diese Rochade zu einer Verbesserung der Beratungsqualität führen würde, ist überaus fraglich: Fachlich kompetent sind die politikberatenden Ökonomen bereits heute, mehrheitlich nachgewiesen durch das Gütesiegel wissenschaftlicher Publikationen in renommierten Journalen, und die für eine wirkungsvolle Politikberatung unabdingbare Detail- und Institutionenkenntnis dürfte bei eher auf die Grundlagenforschung ausgerichteten Forschern keinesfalls stärker ausgeprägt sein.

Konvergenz von Politikberatung und Spitzenforschung

Auf personeller Ebene kann eine Auseinanderentwicklung von wissenschaftlicher Politikberatung und wirtschaftswissenschaftlicher Spitzenforschung nach unserer Analyse jedenfalls nicht in dem Sinne konstatiert werden, dass die heute in Deutschland (vorrangig) in der Politikberatung tätigen Ökonomen selbst nicht zu hervorragender Forschung mit internationaler Wahrnehmung in der Lage wären. Aber auch auf inhaltlicher Ebene kann eine solche grundlegende und wachsende Divergenz nicht (mehr) beobachtet werden, zumindest nicht im internationalen Maßstab, wie entsprechende Analysen der Literatur dokumentieren.10 Denn nach dem „Formalistic Turn“ der akademischen Volkswirtschaftslehre in den 1970er Jahren hat die Disziplin ihren Kurs bereits durch einen in den 1990er Jahren vollzogenen „Empirical Turn“ korrigiert.11

Dieser Befund wird durch eine Auswertung der bis Juni 2006 am meisten zitierten Beiträge aus den Erscheinungsjahren 1970 bis 2002 gestützt.12 Die 41 ökonomischen Fachzeitschriften mit dem höchsten Impact-Faktor wurden dafür nach folgenden Fragen untersucht: Was sind die am meisten zitierten Papiere? Welche Felder der Ökonomik dominieren die Publikationen? Welche Art von Artikeln wird am meisten zitiert? Von welchen Institutionen kommen die entsprechenden Autoren?

Kim et al.13 können die These des „Empirical Turn“ eindrucksvoll belegen: Während theoretische Beiträge zur Mikro- und Makroökonomik in den 1970er und 1980er Jahren noch einen Publikationsanteil von 18% beziehungsweise 17% erreichen, so fällt dieser Wert auf jeweils 9% in den 1990er Jahren. Beiträge zu Wachstum und Entwicklung, die es in den ersten Jahrzehnten zwischen 1970 und 1984 nur selten über die Schwelle von 500 Zitationen schaffen, erreichen von 1985 bis 1989 bereits 14%, zwischen 1989 und 1993 sogar 20% und zwischen 1994 und 1998 immerhin noch 17%. An der Spitze liegen über den gesamten Zeitraum hinweg Beiträge aus den Bereichen Ökonometrie (ca. 20%) und Finance (ca. 23%).

Bei einer Einteilung in die drei groben Kategorien „methodologisch“ sowie, über alle Sub-Disziplinen hinweg, „theoretisch“ oder „empirisch“, zeigt sich der „Empirical Turn“ besonders deutlich: In den frühen 1970er Jahren waren 77% der am meisten zitierten Papier theoretischer und nur 11% empirischer Natur. In den Jahren vor der Jahrhundertwende hatte sich das Bild umgekehrt: Jetzt waren 60% der Beiträge empirischer und nur noch 11% theoretischer Natur. Der Anteil methodologischer Beiträge liegt in den einzelnen Jahrzehnten konstant bei etwa 25%.

Ein zunehmendes Auseinanderdriften von wirtschaftswissenschaftlicher Forschung und wirtschaftspolitischer Beratung kann nach unserer Einschätzung daher weder auf personeller noch auf inhaltlicher Ebene konstatiert werden. Aus inhaltlicher Perspektive sind die vergangenen zwei Jahrzehnte seit dem „Empirical Turn“ der Volkswirtschaftslehre eher durch eine Konvergenz der akademischen (Grundlagen-)Forschung und der – naturgemäß empirisch orientierten – wissenschaftlichen Politikberatung gekennzeichnet.

Die Zukunft der wissenschaftlichen Politikberatung

Offenbar genügt die mit der Politikberatung verbundene Reputation, um hoch qualifizierte Talente für diesen Bereich zu gewinnen und dort auch zu halten. Es scheint jedenfalls nicht so, dass ausschließlich die hochspezialisierte (Grundlagen-)Forschung als attraktiver Karriereweg wahrgenommen wird und das Engagement in der Politikberatung daher unter einer Negativ-Auslese leiden würde. Die weitgehende Abstinenz der (hauptsächlich) in der wissenschaftlichen Politikberatung engagierten Ökonomen im Handelsblatt-Ranking dürfte vielmehr das Ergebnis einer individuell wie institutionell offenbar sinnvollen Schwerpunktsetzung oder gar Spezialisierung sein.

Eine daraus resultierende Notwendigkeit, nicht zuletzt um ein (erneutes) Auseinanderdriften auch in Zukunft zu verhindern und den kontinuierlichen Wissens- und Erfahrungstransfer in beide Richtungen sicherzustellen, ist allerdings ein intensiver Austausch zwischen universitärer Forschung und wirtschaftspolitischer Beratungspraxis. Insbesondere zwischen den Wirtschaftsforschungsinstituten der Leibniz-Gemeinschaft und den deutschen Universitäten wird dieser Austausch bereits mit viel Energie und Erfolg betrieben.

Beispiele für solche Kooperationen etwa unter Beteiligung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) sind die gemeinsame Publikationsreihe Ruhr Economic Papers, die regelmäßige Beteiligung von Institutsmitarbeitern an der universitären Lehre, die gemeinsame strukturierte Ausbildung von Doktoranden im Rahmen der Ruhr Graduate School in Economics und das maßgeblich vom Berliner Büro des RWI mitgetragene Berliner Netzwerk Arbeitsmarktforschung.14 Die Zahl derartiger Aktivitäten kann und sollte in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungslandschaft Deutschlands noch weiter steigen. Darüber hinaus sind die Wirtschaftsforschungsinstitute aufgrund ihrer Größe und betriebsförmigen Struktur auch für die Realisierung von großen Forschungs- und Beratungsprojekten, etwa im Kontext der neuen Forschungsverbünde der Leibniz-Gemeinschaft, und für den damit einhergehenden Aufbau langfristiger Strukturen prädestiniert.

Von einem komplementären Verhältnis zwischen Wirtschaftsforschungsinstituten und Universitätsfakultäten, das sowohl Elemente der Konkurrenz (um Drittmittel, gute Mitarbeiter, Publikationserfolge) als auch der Kooperation (siehe oben) umfasst, können beide Seiten nur profitieren: Die betriebsförmige Institutsstruktur erlaubt den Leibniz-Instituten eine Bündelung von Kompetenzen, wie sie im (deutschen) Universitätsbetrieb in diesem Umfang nicht möglich ist. Dies erlaubt eine fachlich breite Aufstellung, die für die wirtschaftspolitische Projektarbeit unerlässlich ist. So ist es schwer vorstellbar, dass sich eines der Wirtschaftsforschungsinstitute beispielsweise im Bereich der Arbeitsmarktforschung auf einen engen Teilbereich beschränkt, zu anderen Aspekten aber keine Stellungnahmen abgeben kann. Naturgemäß kann die dezentral organisierte universitäre Forschung dies nicht leisten, sie eignet sich aber hervorragend für die starke Fokussierung auf einzelne Themen und den dadurch insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung möglichen Erkenntnisfortschritt.

Unberührt von diesen Unterschieden in der Ausrichtung gilt, dass nicht nur die universitäre Forschung, sondern auch wissenschaftliche Forschung und Politikberatung im Kontext der Wirtschaftsforschungsinstitute offenbar die „Richtigen“ anzieht und dort ebenfalls hochqualifiziertes Personal tätig ist. Es entsteht folglich der Gesellschaft keinerlei Schaden in dem Sinne, dass „Ökonomen zweiter Klasse“ beraten, während sich die Besten der Besten um die vorderen Plätze des Handelsblatt-Rankings streiten.

  • 1 C. M. Schmidt, N. aus dem Moore: Quo vadis, Ökonomik?, RWI Positionen, Nr. 30, Essen 2009; dies.: Die Methodendiskussion in den Wirtschaftswissenschaften vor dem Hintergrund der Finanzkrise, in: U. Jens, H. Romahn (Hrsg.): Methodenpluralismus in den Wirtschaftswissenschaften, Marburg 2010.
  • 2 J. Haucap, M. Mödl: Zum Verhältnis von Spitzenforschung und Politikberatung. Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund des Ökonomenstreits, in: DICE Ordnungspolitische Perspektiven, Nr. 40, Düsseldorf 2013.
  • 3 Dazu zählen Haucap und Mödl folgende Publikationen: American Economic Review, Journal of Political Economy, Quarterly Journal of Economics, Economic Journal, Journal of the European Economic Association, vgl. ebenda, S. 6-7.
  • 4 H. C. Müller: Gespaltene Gesellschaft. Top-Wirtschaftsforscher sind nicht unbedingt auch die gefragtesten Experten, in: Handelsblatt vom 22.4.2013, S. 13.
  • 5 J. Haucap, M. Mödl, a.a.O.
  • 6 Die Journals der Kategorie „A“ finden sich unter http://zbw.eu/jrg/journals/j4r/8/2.
  • 7 Die Journals der Kategorie „B“ finden sich unter http://zbw.eu/jrg/journals/j4r/8/3.
  • 8 Bei den sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstituten in Deutschland, die Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft sind, handelt es sich um das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW), das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo), das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
  • 9 H. C. Müller, a.a.O.
  • 10 Die folgende Passage entspricht weitgehend der Darstellung in C. M. Schmidt, N. aus dem Moore: Die Methodendiskussion ..., a.a.O., S. 143-180.
  • 11 R. Heilbroner, W. Milberg: Revisiting ‘The Crisis of Vision in Modern Economic Thought’, in: E. Fullbrook (Hrsg.): Real World Economics. A Post-Autistic Economics Reader, London 2007, S. 135-137.
  • 12 E. Han Kim, A. Morse, L. Zingales: What Has Mattered to Economics Since 1970, in: Journal of Economic Perspectives, 20. Jg. (2006), Nr. 4, S. 189-202.
  • 13 Ebenda.
  • 14 Zu den universitären Kooperationspartnern des RWI in der Publikationsreihe Ruhr Economics Papers gehören die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen (Details unter www.rwi-essen.de/publikationen/ruhr-economic-papers/); mit den gleichen Partnern wird vom RWI auch die Ruhr Graduate School of Economics betrieben (Details unter http://rgs-econ.org). Am Berliner Netzwerk Arbeitsmarktforschung sind neben dem Berliner Büro des RWI die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Universität Potsdam, das DIW und das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) beteiligt (Details unter http://www.arbeitsmarktforschung.net).

Wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Beratung: Weniger ein Anreiz- als vielmehr ein Wettbewerbsproblem

Deutsche Ökonomen engagieren sich entweder in der (Spitzen-)Forschung oder in der wirtschaftspolitischen Beratung. Das gilt jedenfalls für die überwiegende Mehrzahl, wie eine empirische Untersuchung von Haucap und Mödl zeigt.1 Eine Neugewichtung der Forschungsanreize, wie sie diese Autoren suggerieren, ist nicht sinnvoll. Stattdessen sollte die institutionelle Ordnung der deutschen Forschungslandschaft kritisch hinterfragt werden.

Der Spezialisierungsbefund

Volkswirte sind als Experten für die gesellschaftliche Ordnung von Knappheit Generalisten. Da Knappheit für menschliches Dasein konstitutiv ist, gibt es kaum einen Bereich, der nicht mit ökonomischen Fragestellungen in Verbindung gebracht werden könnte und auch gebracht wird. Außenstehende begreifen das als ökonomischen Imperialismus, der es ihnen schwer macht, ein zutreffendes Bild von der konkreten Arbeit der Ökonomen zu gewinnen.2 Die Komplexität gesellschaftlicher Phänomene treibt aber auch Ökonomen in die Spezialisierung. Nicht anders als in den Naturwissenschaften ist in den Wirtschaftswissenschaften echter Erkenntnisfortschritt nur durch die beharrliche Auseinandersetzung mit einer stark spezialisierten Fragestellung zu erlangen. Das dürfte den meisten Ökonomen aus eigener leidvoller Erfahrung hinreichend klar sein. Umso mehr beruhigt es dann zu lesen, dass das eigene Tun für die Disziplin nicht untypisch ist.

Das große Verdienst des Aufsatzes von Haucap und Mödl,3 auf den dieser Beitrag besonderen Bezug nimmt, liegt in dem systematischen Erfassen empirischer Belege zum Tun der Ökonomen im deutschsprachigen Raum. Dabei interessiert Haucap und Mödl nicht die thematische Ausrichtung, sondern der Adressat der Forschung. Die Beobachtung einer thematischen Spezialisierung auf Arbeitsmarkt, Umwelt, Währung etc. wäre keine Meldung wert. Bemerkenswerter ist dagegen, dass die Befunde für eine starke Spezialisierung nach dem Adressaten der Forschungsarbeit sprechen. Die meisten Ökonomen konzentrieren sich offenbar einseitig auf Politikberatung oder Grundlagenforschung. Nur sehr wenige verbinden konkrete Politikberatung mit international wahrnehmbarer Spitzenforschung.

Beratungsangebot und -nachfrage

Ein derartiger Spezialisierungsbefund liefert indessen a priori keinen Grund zur Besorgnis. Gerade Ökonomen wissen um die Bedeutung von Spezialisierung als Quelle von Wohlstand und Wachstum, und Haucap und Mödl stellen diese grundlegende Erkenntnis auch erst gar nicht infrage. Indem sie ihre Empirie um „Handlungsempfehlungen“ ergänzen, suggerieren sie gleichwohl einen politischen Handlungsbedarf.

Wie problematisch jede normative Überhöhung des empirischen Befundes ist, zeigt die Rezension von Patrick Bernau in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.4 Hier wird die Arbeit von Haucap und Mödl zu einer Politikerschelte umgedeutet und aufgeblasen. Schon die Überschrift verspricht Schlimmes: „Politik ohne Wissenschaft – Ökonomische Spitzenforschung spielt in der deutschen Politikberatung keine Rolle“. Nun kann man selbst in Publikationsorganen des so genannten Qualitätsjournalismus die Autoren nicht unbedingt für die Wahl von Überschriften verantwortlich machen, die Fehldeutung der Arbeit von Haucap und Mödl ist indessen im Text von Bernau angelegt. So beklagt er, dass „wenig davon zu hören sei, dass sich deutsche Politiker auf dem Stand der wirtschaftlichen Forschung beraten lassen“.

Diese Feststellung lässt sich nun sicherlich nicht aus den Befunden von Haucap und Mödl ableiten. Deren Aufsatz referiert ja lediglich Daten zu einem gut messbaren Segment des Marktes für wirtschaftspolitische Beratung. Erfasst werden

  • Gutachten für die drei wirtschaftsnahen Bundesministerien: Finanzen, Wirtschaft und Technologie sowie Arbeit und Soziales,
  • Stellungnahmen zu den korrespondierenden Anhörungen der Fachausschüsse im Deutschen Bundestag sowie
  • Aufsätze im Wirtschaftsdienst.

All diese Produkte sind zweifellos der wirtschaftspolitischen Beratung zuzuordnen. Wirtschaftspolitische Beratung erschöpft sich aber nicht in ihnen. Ihr effektiver Einfluss auf die Wirtschaftspolitik dürfte sogar begrenzt sein. Naiv wäre es insbesondere zu glauben, dass Angela Merkel die Grundlinien ihrer Politik nach entsprechender Lektüre festlegt. Die Beratung trägt nach allem, was man hört, stärker informelle Züge. Soweit sie ihren Weg nicht über interne Positionspapiere der Ministerialbürokratie findet, dürfte vertraulichen Gesprächen mit Experten die größte Bedeutung zukommen. Jedenfalls kann man Angela Merkel nicht vorwerfen, dass sie den Rat von Ökonomen meidet. Schließlich hat sie den damaligen Vorsitzenden des Vereins für Socialpolitik zu ihrem wirtschaftspolitischen Berater und zum Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Bundeskanzleramt berufen.

Ohne es klar auszusprechen, scheinen Haucap und Mödl der Auffassung zuzuneigen, dass die deutsche Wirtschaftspolitik viele Fehler macht und dass manche Fehlentscheidung mangelhafter Kompetenz in der wirtschaftspolitischen Beratung anzulasten ist. Die Richtigkeit dieser Auffassung scheint sich auch leicht belegen zu lassen. Man denkt unwillkürlich an die Einführung des Euro und die Energiewende. Dass die Förderung der erneuerbaren Energie in Deutschland die erstrebenswerte Energiewende mehr gefährdet als befördert, dürften allerdings die wenigsten Ökonomen bestreiten. Und vor der Einführung des Euro haben viele Ökonomen in den Jahren, als die Entscheidung noch beeinflussbar erschien, hinreichend gewarnt. Wenn trotz aller Warnungen der Euro eingeführt und erneuerbare Energie ohne Rücksicht auf vermeidbare Kosten gefördert wird, dann also wohl nicht wegen mangelhafter Kompetenz im wirtschaftspolitischen Beratungsangebot, sondern eher wegen mangelnder Bereitschaft der Politik, ökonomischen Rat zu berücksichtigen.

Das Kernproblem scheint damit darin zu liegen, dass die Menschen die Relevanz einer ökonomischen Betrachtung bei gesellschaftlichen Themen, die sie als besonders wichtig erkannt haben, ungern akzeptieren. Die nüchterne Problemanalyse der Ökonomen, die jene sich in einem langwierigen Sozialisierungsprozess erst mühsam selbst aneignen müssen, verträgt sich einfach nicht mit den Emotionen schürenden Ritualen, mit denen die Politik Mehrheiten für ihre Ziele mobilisiert. Die Kosten einer falschen Wirtschaftspolitik werden ja auch in der Regel erst mit großer zeitlicher Verzögerung erkennbar. Der kurze Rhythmus der Wahlen macht ihr Ausblenden leicht. Wenn mit Blick auf wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen über Reformen nachzudenken wäre, dann also eher über die politischen Institutionen als über die wirtschaftspolitische Beratung.

Die deutsche Wirtschaftswissenschaft

Nun soll die Hinterfragung der demokratischen Entscheidungsfindung hier nicht das Thema sein. Für ein solches Ansinnen liefert die empirische Studie, auf die Bezug genommen wird, auch eine wahrlich zu schmale Basis. Man kann aber die Studie zum Anlass nehmen, die institutionelle Ordnung der deutschen Wirtschaftswissenschaften zur Diskussion zu stellen. Dafür spricht, dass nicht nur die wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung Fragen aufwerfen mag, sondern sicherlich ebenso die wirtschaftswissenschaftliche Grundlagenforschung. Jedenfalls kann man nicht sagen, dass erstere deswegen so schwach, weil letztere so stark und erfolgreich ist. Im Gegenteil, die deutschsprachigen Ökonomen im Allgemeinen und die Ökonomen an deutschen Institutionen im Besonderen sind in der internationalen Spitzenforschung eher unterrepräsentiert.5 Die Studie von Haucap und Mödl liefert dafür einen Hinweis. So ist der Tabelle 1 zu entnehmen, dass lediglich 6,7% der im Untersuchungszeitraum in den „Top-Journalen“ American Economic Review, Journal of Political Economy, Quarterly Journal of Economics, Economic Journal und Journal of the European Economic Association erschienenen Publikationen deutschsprachigen Institutionen zuzurechnen sind, und gar nur 4,3% deutschen.

Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass eine Reformdiskussion zu kurz greift, wenn sie Haucap und Mödl folgt und sich etwa auf die individuellen Forschungsanreize von Ökonomen und ihre mögliche Korrektur beschränkt. Auch dürfte es nicht damit getan sein, Vorgaben für die inhaltliche Widmung von wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühlen aufzustellen, um scheinbaren Fehlentwicklungen in der Forschung entgegenzuwirken. Vielmehr sollte es in Deutschland um die Frage gehen, ob der wissenschaftliche Produktionssektor mit der institutionellen Trennung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen optimal geordnet ist. Zweifel sind angebracht.

Der deutschen Wissenschaftstradition entspricht es, die Tendenz zur individuellen Spezialisierung institutionell zu spiegeln. Die Hochschulen lehren, bilden den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und forschen im Übrigen. Für anspruchsvolle Grundlagenforschung gibt es dagegen die Max-Planck-Gesellschaft und für sonstige nicht-akademische Zwecke die Einrichtungen von Leibniz, Helmholtz und Fraunhofer. Für die Wirtschaftswissenschaften sind in erster Linie die Hochschulen, verschiedene Max-Planck-Institute und die sechs wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der Leibniz-Gemeinschaft von Bedeutung. Dabei ist die wirtschaftswissenschaftliche Tradition von Max Planck relativ kurz und auf die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung beschränkt. Bis in die neunziger Jahre hinein teilten sich die Hochschulen und die Leibniz-Institute die wirtschaftswissenschaftliche Arbeit. Erstere forschten und letztere konzentrierten sich auf die wirtschaftspolitische Beratung.

Die Arbeit der Forschungsinstitute

Diese tradierte Arbeitsteilung geriet in die Kritik, als der Wissenschaftsrat ab 1995 damit begann, im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) die von Bund und Ländern gemeinsam geförderten Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft – die damals noch unter der Bezeichnung der Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste firmierten – systematisch zu evaluieren.6 Bekanntlich hat die Evaluierung für die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute Folgen gehabt. Zwei Instituten wurde – in einem Fall: vorübergehend – der Status einer Forschungseinrichtung aberkannt. Stattdessen wurden sie beauftragt, bei Kürzung ihrer Haushaltsmittel die Aufgaben von Serviceeinrichtungen wahrzunehmen. In einer Stellungnahme des Wissenschaftsrats wurde moniert, „dass nicht in allen Instituten die Qualität der wissenschaftlichen Fundierung durchgängig im notwendigen und wünschenswerten Maße gegeben ist. In einzelnen Instituten sind deutliche Tendenzen mangelnder Flexibilität in der Personalbewirtschaftung und der Isolierung von der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung an den Universitäten erkennbar.“7

Die Kritik des Wissenschaftsrats hat Wirkungen gezeigt. Sowohl der Umfang als auch die Qualität der Veröffentlichungen aus wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten haben sich seit den 1990er Jahren dramatisch verbessert.8 Die Institute beschränken sich nicht länger auf eine wirtschaftspolitische Beratungstätigkeit, sondern sie publizieren zunehmend in einer Weise, die ihnen internationale Sichtbarkeit verschafft und die Vergleiche mit wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten nicht länger zu scheuen braucht. Es hat also einen unbestreitbaren Kulturwandel gegeben. Allerdings wäre noch genauer zu untersuchen, wie tief der Kulturwandel in die Institute eingedrungen ist. Haucap und Mödl haben zwar stärker die Hochschulen im Blick, ihre Daten kann man gleichwohl auch so lesen, dass sich die diagnostizierte individuelle Arbeitsteilung keineswegs auf die deutschen Ökonomen an den Universitäten beschränkt. Sie ist vielmehr auch für die nicht leitenden Ökonomen an den Wirtschaftsforschungsinstituten weiterhin kennzeichnend. Die Forderung des Wissenschaftsrats gegenüber den Instituten, zu einer wechselseitigen Befruchtung von publikationsfähiger Forschung und wirtschaftspolitischer Beratung vorzudringen, wäre damit lediglich institutionell erfüllt und weiterhin weniger auf individueller Ebene.

Wenn es zutrifft, dass auch in den wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten überwiegend arbeitsteilig geforscht wird, lässt diese Beobachtung die These unzureichender Anreize unplausibel erscheinen. Schließlich ist es nicht plausibel anzunehmen, dass die Institute es bis heute nicht gelernt hätten, für richtige Anreize zu sorgen, sollten sich Politikberatung und Spitzenforschung auf individueller Ebene wechselseitig fruchtbar verbinden lassen. Es scheint eher so zu sein, dass die Fähigkeit, beide Tätigkeiten miteinander zu verbinden, eine relativ seltene und durch Anreize nicht beliebig gestaltbare Gabe ist.

Politikberatung als universitäre Aufgabe?

Wenn dem so ist, muss man fragen dürfen, ob die Forderung gegenüber den Hochschulen, sich forschungskulturell den wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten anzunähern, überhaupt sinnvoll ist. Sollten nicht vielmehr gerade Ökonomen für ordnungspolitische Fragen Sensibilität zeigen und den verbreiteten Neigungen, die Hochschulen für nicht-akademische Zwecke zu vereinnahmen, entgegenwirken? Kann es etwa richtig sein, der Liste der Forderungen nach dem Einwerben von Drittmitteln, der Weiterbildung von Berufstätigen, der Beförderung von Existenzgründungen usw. nun noch die Forderung nach kompetenter politischer Beratung hinzuzufügen? Richtiger erscheint mir, die Hochschulen gegenüber gesellschaftlicher Vereinnahmung zu schützen. Ihr Auftrag ist und sollte unstreitig Forschung und Lehre bleiben.

Nun wird die Skepsis gegenüber der Struktur und Qualität des deutschen Forschungsoutputs durchaus geteilt. Sie wird hier aber lediglich zum Anlass genommen, die institutionelle Ordnung der deutschen Wissenschaft kritisch zu hinterfragen. Genauer soll die institutionelle Trennung in Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen kritisch beleuchtet werden.

Abschottung in der Wissenschaftslandschaft

Die institutionelle Gliederung der Wissenschaftslandschaft ist das Ergebnis der Vorstellung, dass es für jede staatliche Aufgabe von Bedeutung eine oder mehrere zuständige Institutionen geben muss, die sich dieser mit Nachdruck widmen. Die Folge dieses Organisationsansatzes ist, dass die staatliche Alimentierung den zu fördernden Aufgaben lediglich auf indirektem Wege zugutekommt. Direkt gefördert werden dagegen die Institutionen. Die bürokratischen Vorteile sind unbestreitbar. So sorgt die Förderung von Institutionen für Transparenz und Verantwortlichkeit bei der Verausgabung öffentlicher Mittel. Der große Nachteil besteht gleichwohl in dem Verlust an Wettbewerbsdruck auf der Ebene, auf der die Aufgaben ausgeführt werden. Dieser Nachteil wird besonders in der Forschung und damit in einem Aufgabenbereich erkennbar, in dem sowohl die Hochschulen als auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen überlappend zuständig sind. Die Folgen lassen sich am Beispiel der Wirtschaftswissenschaften verdeutlichen.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute finanzieren sich überwiegend, aber nicht nur aus Mitteln, die ihnen Bund und Länder im Rahmen der institutionellen Förderung zur Verfügung stellen. Hinzu kommen Drittmittel für Forschung und wissenschaftliche Beratung sowie Erlöse aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Die institutionelle Förderung von Bund und Ländern ist in jüngerer Zeit durch die so genannte wettbewerbliche Mittelvergabe ergänzt worden. Möglich wurde diese durch den Pakt für Forschung und Innovation, in dem sich der Bund zugunsten der außeruniversitären Forschung auf einen jährlichen Finanzzuwachs von mindestens 3% in den Jahren 2006 bis 2010 und gar von 5% von 2011 bis 2015 verpflichtete. Rund 30 Mio. Euro je Verfahrensrunde vergibt die Leibniz-Gemeinschaft in der laufenden Pakt-Phase wettbewerblich. Bei 86 Instituten sind das ca. 350 000 Euro pro Institut und damit keine vernachlässigbare Größe.

Ökonomen werden den politischen Willen, Fördermittel wettbewerblich zu vergeben, nur begrüßen können. Allerdings dämpft ein genauerer Blick auf das Verfahrensergebnis jeden Anflug einer aufkommenden Begeisterung. Das Verfahrensergebnis zeigt sich in der Verteilung der Mittel, die die Wirtschaftsforschungsinstitute eingeworben haben.9 In den Jahren 2008 bis 2010 waren das beim RWI jährlich 514 000 Euro, beim DIW 472 000 Euro und beim IfW 313 000 Euro. Auf das ifo entfielen in den Jahren 2009 bis 2011 jährlich 393 000 Euro und auf das ZEW in den beiden Jahren 2007 und 2008 jährlich 413 000 Euro.10 Das Ergebnis von Wettbewerb hätte man sich als Ökonom sicherlich auch anders verteilt vorstellen können. Die schmale Spanne zwischen 313 000 Euro und 514 000 Euro nährt jedenfalls den Verdacht eines doch recht zahmen Wettbewerbs.

Mehr wettbewerbliche Forschungsförderung

Viel problematischer ist gleichwohl, dass der Wettbewerb eine Closed-Shop-Veranstaltung ist. Universitäten oder Forschungseinrichtungen, die nicht Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft sind, sind ausgeschlossen. Externer Wettbewerb ist nicht möglich. Das ist zum einen das Ergebnis einer Politik, Institutionen statt Aufgaben zu fördern. Zum anderen ist es vor allem aber eine Konsequenz der Mittelaufbringung. Der Bund ist nun einmal für die außeruniversitäre Forschung zuständig, die Länder dagegen für die Forschung und Lehre an den Hochschulen. Diese institutionelle Aufgabenteilung ist durch die Föderalismusreform sogar noch bekräftigt worden. Die strikte Aufgabenteilung mag zwar der Entflechtung von Bundes- und Landesangelegenheiten dienen und damit der Transparenz politischer Verantwortlichkeiten, dem wünschenswerten Wettbewerb in dem Überlappungsbereich der Forschung ist sie dagegen eher abträglich.

Diese Problemanalyse legt nahe, die Ordnung der Forschungslandschaft kritisch zu hinterfragen. Zu diskutieren wäre, ob nicht der Anteil der Forschungsmittel, die in Deutschland wettbewerblich vergeben werden, spürbar zu Lasten der institutionellen Förderung gesteigert werden sollte. Das würde allerdings bedeuten, dass man Abschied von einer allzu engen Umschreibung der Aufgaben von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen nimmt und auch von der Trennung nach Landes- und Bundeszuständigkeiten. Ob und welche Institutionen sich insbesondere der wissenschaftlichen Politikberatung verschreiben, bliebe dann stärker als bisher dem Wettbewerb überlassen und den Anstrengungen aller Forschungseinrichtungen, sich durch eine Schwerpunktsetzung zu profilieren.

Fazit: Die Untersuchung von Haucap und Mödl zum Verhältnis von Spitzenforschung und Politikberatung gibt weniger Anlass, die Forschungsanreize für Ökonomen an den Hochschulen zu diskutieren als vielmehr die institutionelle Wettbewerbsordnung der deutschen Forschungslandschaft.

  • 1 J. Haucap, M. Mödl: Zum Verhältnis von Spitzenforschung und Politikberatung. Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund des Ökonomenstreits, Arbeitspapier 2013.
  • 2 Insofern verdient nicht zuletzt Frank Schirrmacher (F. Schirrmacher: Ego – Das Spiel des Lebens, München 2013) etwas Milde für das Zerrbild, das er als Außenstehender von dieser unverstandenen Arbeit zeichnet.
  • 3 J. Haucap, M. Mödl, a.a.O.
  • 4 P. Bernau: Politik ohne Wissenschaft – Ökonomische Spitzenforschung spielt in der deutschen Politikberatung keine Rolle, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 7.4.2013.
  • 5 Für etwas ältere Belege vgl. W. F. Richter: Hochschulforschung im internationalen Vergleich, in: Forschung & Lehre, Nr. 12/2003, S. 652-655.
  • 6 Zur Historie der Evaluierung der Leibniz-Gemeinschaft vgl. U. Beisiegel, F. Hüttl, C. Klein, B. Müller: Fortschritt durch Evaluierung, in: Wissenschaftsmanagement, Nr. 5, 2007.
  • 7 Wissenschaftsrat: Stellungnahme zu den Wirtschaftsforschungsinstituten der Blauen Liste in den alten Ländern – Allgemeine Gesichtspunkte, Berlin 1998, Drucksache 3320-98, S. 22.
  • 8 Vgl. etwa R. Ketzler, K. F. Zimmermann: Publications: German economic research institutes on track, in: Scientometrics, 80. Jg. (2009), H. 1, S. 231-252.
  • 9 Die Zahlenangaben entstammen dem Anhang 3 der jeweils jüngsten Institutsdarstellung, wie sie auf der Internetseite der Leibniz-Gemeinschaft unter Evaluierung > Senatsstellungnahmen abgelegt ist.
  • 10 Das IWH hat in den Jahren 2007 bis 2009 nur geringfügige Mittel im Leibniz-Wettbewerbsverfahren eingeworben.

Realistische Erwartungen und ein Blick über die Grenzen tun gut

Außerhalb der Wirtschaftswissenschaften – z.B. in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen und in Ministerien – wird vielfach vermutet, dass die Bewertungsschemata für wissenschaftliche Exzellenz in der Volkswirtschaftslehre dafür sorgen, dass akademisch interessante, aber kaum handlungsrelevante Forschungsarbeiten karrierefördernd sind, wirtschaftspolitisch orientierte Forschung hingegen wenig zählt. Als (unerwünschte) Folge entwickeln sich volkswirtschaftliche Forschung und Politikberatung auseinander; mit der zwangsläufigen und (zumindest im Wissenschaftssystem) unerwünschten Folge, dass ökonomische Politikberatung nicht auf Basis des jeweils aktuellen Forschungsstands stattfindet. Stimmt das wirklich? Ist es vielleicht nur ein deutsches Problem? Wenn es stimmt: Was kann man dagegen tun? Bevor wir auf Einzelheiten eingehen, ist es uns wichtig festzuhalten, was die Gesellschaft realistischerweise von der Volkswirtschaftslehre erwarten kann und erwarten sollte.

Es ist unrealistisch zu erwarten und zu wünschen, dass die Politik Vorschläge von Volkswirten eins zu eins umsetzt. Erfolg und Einfluss von Volkswirten in der Politikberatung kann nicht nur daran gemessen werden, wie viele Forschungsergebnisse unmittelbar in politische Entscheidungen umgesetzt werden. Allein schon deshalb, weil es zu jedem Zeitpunkt zu einem Problem unterschiedliche Ratschläge gibt. Das liegt zum einen an den Grenzen der (empirischen) Forschung in der Volkswirtschaftslehre, die oft keine klaren Kausalaussagen machen kann (wie z.B. auch die Medizin, wo es bei schweren Erkrankungen in der Regel unterschiedliche Ratschläge von Ärzten gibt).1 Darüber hinaus können viele politische Fragen nicht mit „richtig“ oder „falsch“ beantwortet werden, weil die Entscheidungen auf Werturteilen beruhen, so z.B. bei der Besteuerung und der Sozialpolitik. Das heißt auch: zu erwarten, dass die Politik nur auf den jeweiligen Mainstream der Forschung hören sollte, was viele Volkswirte sich (heimlich) wünschen, wäre – sowohl wissenschaftlich wie im Hinblick auf unsere Demokratie – fatal.

Realistischerweise gilt noch immer, was bereits John Maynard Keynes 1936 im letzten Absatz seiner „General Theory“ schrieb (durchaus boshaft gemeint, aber trotzdem wahr)2: die Volkswirtschaftslehre hat einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen nicht nur durch unmittelbare Politikberatung, sondern durch einen mittelbaren Einfluss über die Lehre: nach Keynes’ Auffassung richten sich Entscheidungsträger ganz stark nach dem, was sie als junge Studenten gelesen und im Hörsaal verstanden haben.3 Dieser Time-lag ist sicherlich sachlich nicht gut. Aber dass es ihn gibt, liegt mit Sicherheit nicht an der modernen Volkswirtschaftslehre, sondern hat tiefe Wurzeln im menschlichen Verhalten.

Wir nehmen im Folgenden nur punktuell Bezug auf einen vor 15 Jahren im Wirtschaftsdienst veröffentlichten Artikel zur Rolle der (empirischen) Volkswirtschaftslehre in der Politikberatung.4 Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass die damaligen Punkte nahezu noch alle auch heute gelten und empfehlen diesen alten Aufsatz zur Lektüre.

Welcher Schaden entsteht durch ein Auseinanderdriften von Forschung und Beratung?

Wenn es tatsächlich der Fall wäre, dass die volkswirtschaftliche Forschung und Beratung auseinanderdriften, dann stünde am Ende eine weniger gute Beratung als sie möglich wäre und es der Fall sein sollte. Aber stimmt diese These wirklich?

Es mag sein, dass sich in den letzten Jahren viele der akademisch besten deutschen Volkswirte nicht auf unmittelbare Berater-Jobs eingelassen haben, aber dies dürfte sich in der mittleren Generation ändern. Und einige der älteren beratungsstarken Volkswirte stehen in den Rankings für die Forschungsqualität auch weit oben. Dass sich nicht alle forschungsstarken Volkswirte auch in der Politikberatung engagieren, ist im Übrigen deren eigene Entscheidung, die nicht als strukturelles Problem fehlgedeutet werden darf. Dass sich die meisten Nachwuchswissenschaftler im Bereich der Doktorandenprogramme und im Post-Doc-Bereich nicht für angewandte Fragen interessieren, ist nicht bedenklich, wenn sie sich im mittleren Alter solchen Fragen zuwenden. Auch danach sieht es aus, wenn man sich den „Nachwuchs“ der Professoren anschaut, die Anfang 40 sind. Befördert wird die Hinwendung zu angewandten Fragen nicht zuletzt dadurch, dass die Doktorandenprogramme, die die Wirtschaftsforschungsinstitute zusammen mit Universitäten etabliert haben, ausdrücklich angewandte empirische Forschung fördern (so z.B. das RWI Essen zusammen mit der Ruhr-Universität Bochum, der Technischen Universität Dortmund und der Universität Duisburg-Essen).

Da typischerweise die Intensität von Forschung im Laufe eines Forscherlebens im mittleren und höheren Alter abnimmt (zugunsten von Lehre und Beratung) ist allein aus diesem einfachen Grund zu erwarten, dass in den nächsten Jahren die forschungsbasierte Beratung zunehmen wird. Denn die meisten der forschungsstärksten Volkswirte sind jung. Sie haben in ihrem Lebenszyklus die Zeit für Beratung noch gar nicht erreicht. Die jung Berufenen werden demnächst in das „Beratungsalter“ hineinwachsen; und bei den Doktoranden und Post-Docs ist der Pool forschungsstarker Volkswirte größer denn je. Es reicht, wenn nur einige von ihnen später verstärkt in der Politikberatung tätig sind.

Warum nehmen laut Rankings erfolgreiche Forscher weniger an wirtschaftspolitischen Debatten teil?

Dass gegenwärtig die einflussreichsten deutschen Politikberater in den einschlägigen Forschungsrankings nicht ganz oben stehen (von Ausnahmen abgesehen) ist kein globales, sondern mehr ein (kontinental-)europäisches Thema.5 Zum Beispiel in den USA, vor allem Lateinamerika und auch in Asien ist dies anders.

Lateinamerika hat eine lange Tradition darin, talentierte Studenten in hochgerankten PhD-Programmen in den USA ausbilden zu lassen. Diese machen dann nicht nur sehr erfolgreiche Karrieren in der Wissenschaft (häufig mit empirischem Fokus der Forschung), sondern engagieren sich anschließend auch in der Wirtschaftspolitik. Ein Beispiel ist Chile, wo forschungsstarke Volkswirte regelmäßig in Ministerämter ein- und aufsteigen.

In Deutschland ist ein derartiger Weg bislang sehr selten gewesen.6 Man kann versuchen, den „deutschen Weg“ damit zu erklären, dass sich akademische Volkswirte dafür zu fein sind, in die Praxis zu gehen. Wir geben aber auch zu bedenken, dass ein struktureller Mechanismus eine Rolle spielen könnte.

In der angelsächsischen Welt (wie auch in Frankreich) spielt Eliten-Ausbildung an Elite-Universitäten eine große Rolle. Die erfolgreiche Ausbildung an einer Elite-Einrichtung verleiht den Absolventen eine nahezu unzerstörbare lebenslange Reputation. Wer eine robuste akademische Reputation hat, der muss den (gelegentlichen) Gang in die Welt der Wirtschaftspolitik (oder in Unternehmen) nicht scheuen. Dies gilt in extremer Form für Hochschullehrer an Universitäten, die weltweit zur Elite gezählt werden – zumal dann, wenn sie für (frühere) Arbeiten mit dem sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. So haben einige US-amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger, die längst als (hauptberufliche) Publizisten tätig sind, noch immer wissenschaftliche Reputation und sind Fakultätsmitglieder renommierter Universitäten. Dieses System ist schwer zu kopieren.

Will man ganz konkret Politikberatung besser akademisch fundieren als lange Zeit und noch jetzt in Deutschland üblich, sollte man über Voll-Beurlaubungen von einigen Politikberatern nachdenken (wie dies auch in den USA üblich ist), d.h. dass Ministerien interne Berater voll bezahlen würden (die sich an ihren Universitäten oder Forschungsinstituten beurlauben lassen).

Warum bleibt der Einfluss neuer theoretischer Ansätze auf die Wirtschaftspolitik gering?

Bezüglich des Time-lags zwischen neuen wissenschaftlichen Entwicklungen (etwa Verhaltensökonomie oder Spieltheorie) und der Anwendung in der Politik(-Beratung) sei an Keynes erinnert.7 Es dauert erfahrungsgemäß Jahre oder Jahrzehnte, bis sich ganz neue Ansätze durchsetzen. Das ist auch nicht nur in der Volkswirtschaftslehre so, sondern in allen wissenschaftlichen Disziplinen: neue Paradigmen brauchen (viel) Zeit sich durchzusetzen, da neue Ergebnisse oft noch nicht gut bestätigt sind (deswegen ist Vorsicht gesellschaftlich rational) und etablierte ältere Wissenschaftler ungern ihre Methoden und Theorien abschreiben (das ist zwar nicht unbedingt gesellschaftlich, aber individuell rational).

Betrachtet man die Entwicklung der Interessen und Erfahrungen der jüngeren Volkswirte, spricht Vieles dafür, dass in den nächsten Jahren zunehmend Volkswirte im mittleren Alter in der Beratung aktiv und sichtbar sein werden, die spieltheoretisch und verhaltensökonomisch arbeiten.

Sollten wissenschaftliche Leistungen stärker nach ihrer wirtschaftspolitischen Relevanz beurteilt werden?

Die Frage, ob sich die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen stärker daran ausrichten sollte, inwieweit die untersuchten Fragestellungen aktuell und wirtschaftspolitisch relevant sind, beantworten wir mit einem klaren „Nein.“ Denn die Qualität der Wissenschaft kann nur durch Peer Review bestimmt und kontrolliert werden. Dabei gilt es zu beachten (auch wenn das viele Theoretiker genau umgekehrt sehen), dass gerade politikrelevante Forschung qualitativ besonders gut sein muss!

Wenn reine Grundlagenforschung schlecht sein sollte, entsteht dadurch kein unmittelbarer gesellschaftlicher Schaden. Wenn aber angewandte Forschung schlecht ist, kann dadurch großer Schaden entstehen. Deswegen ist gerade für angewandte Forschung wissenschaftliche Qualität besonders wichtig. Der derzeitige Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, der alle großen Wirtschaftsforschungsinstitute angehören, der Soziologe Karl Ulrich Mayer, hat völlig recht: Relevanz kann Qualität keinesfalls ersetzen.8 Matthias Kleinert, der designierte Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, spricht ausdrücklich davon, dass „Relevanz“ kein Filter für die Auswahl von Forschungsfragen sein darf, sondern Relevanz durch den Wettbewerb von Forschungseinrichtungen hergestellt werden sollte: relevante Forschung ist erwünscht, aber sie wird nicht zentral geplant und „verordnet“.

Nicht nur in Deutschland, sondern auch global, fehlen freilich wirtschaftspolitisch orientierte Zeitschriften, die akademisch sehr gut gerankt werden und damit Spitzenforschern Anreize zum wirtschaftspolitischen Arbeiten und Publizieren geben. Volkswirte in den USA haben diese Lücke erkannt und versuchen sehr aktiv diese zu füllen. Konkretes Beispiel sind die neuen wirtschaftspolitischen Publikationen der American Economic Association (für vier verschiedene Bereiche), oder auch der Versuch des Internationalen Währungsfonds mit „IMF Economic Policy“. Ein Top-Policy-Journal sind die Brookings Papers for Economic Activity. In Europa gibt es nur eines: Economic Policy.

Ein spezifisches deutsches bzw. kontinentaleuropäisches Problem dürfte sein, dass die wissenschaftliche Welt in nahezu allen Disziplinen inzwischen in englischer Sprache publiziert, aber Englisch sich in Europa bei weitem noch nicht als eine Art zweiter Landessprache durchgesetzt hat (wie das ansatzweise in den Niederlanden bereits der Fall ist).

Warum stoßen wirtschaftspolitische Berater mit ihren Empfehlungen bei der Politik oft auf taube Ohren?

Volkswirte haben bezüglich ihres Impacts völlig unrealistische Erwartungen. Nicht alle wissenschaftlichen Ergebnisse sind gut und/oder anwendbar. Wir können als Gesellschaft froh sein, wenn Empfehlungen auf Basis schlechter Analysen nicht umgesetzt werden. Die betroffenen Kollegen klagen darüber natürlich trotzdem und finden damit durchaus auch ihren Platz in den Medien. Dies ist aber ein für die Profession als Ganzes unproduktives Lamento.

Grundsätzlich muss man auch die Grenzen volkswirtschaftlicher Analysen respektieren: wenn Vorschläge den Zielen der Gesellschaft widersprechen, z.B. etwa mehrheitlichen Zielen bezüglich der progressiven Besteuerung, dann muss das ein mit dem Effizienzziel argumentierender Volkswirt akzeptieren und sollte nicht vorwurfsvoll klagen, dass seine akademisch richtige Analyse von ignoranten Politikern nicht erhört wird.

Es ist auch merkwürdig (und vertiefter Selbstreflektion der Zunft wert), dass Volkswirte nahezu überall für Wettbewerb eintreten, aber nicht bezüglich der Politikberatung. Hier wünschen sich fast alle Volkswirte, dass nur der Mainstream der Volkswirtschaftslehre gelten sollte. Und Wettbewerb von außerhalb, also durch Politikwissenschaftler, Soziologen, Verwaltungswissenschaftler und Juristen, wird völlig abgelehnt. Diese Ablehnung führt aber nicht zu Beratungserfolgen, sondern zu einer gewissen Bedeutungslosigkeit volkswirtschaftlicher Beratung. Denn die unerwünschte Konkurrenz schläft nicht!

Wenn es gelingt, die Wirtschaftsforschung (und Wirtschaftsforschungs-Institute) in sich paradigmatisch pluraler zu gestalten als dies lange Zeit nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Deutschland der Fall war, dann wird auch automatisch der Impact der Volkswirtschaftslehre in der Politik steigen, da es dann in der Politikberatung vielfältigere, und damit mehr Vorschläge geben wird, die Chancen auf Umsetzung haben.9 Diese Pluralität wird auch von den (jungen) Wissenschaftlern in den Instituten gewünscht. Eine interne Umfrage im DIW Berlin hat eine überwältigende Mehrheit für Pluralismus bei den wirtschaftspolitischen Empfehlungen ergeben.

  • 1 Seit etwa 30 Jahren neigen viele Volkswirte auch dazu, die Grenzen ihres Fachs systematisch zu sprengen und zu allem und jedem etwas (durchaus oft gut Begründetes) zu sagen. Gary S. Becker, der Begründer der Familienökonomie, ist ein Musterbeispiel. Seine Analysen sind intellektuell brillant (und entsprechend mit dem Nobel-Gedächtnispreis geehrt), und Menschen verhalten sich in der Tat auch – wie von Becker behauptet – im zwischenmenschlichen Bereich durchaus „ökonomisch“, aber die Volkswirtschaftslehre kann nur ganz wenig, bis nahezu nichts von der Vielfalt des Familienlebens (also dessen Varianz) erklären. Ökonomische Analysen wie etwa zur Ökonomie der Scheidung sind im Vergleich zu psychologischen und sozialwissenschaftlichen Analysen ziemlich nutzlos. Wahrscheinlich hat es dem Ansehen der gesamten Zunft eher geschadet als genutzt, dass Gary S. Becker die Grenzen der traditionellen Volkswirtschaftslehre gesprengt und die Familienökonomie entwickelt hat.
  • 2 Vgl. auch G. G. Wagner: Verhindert wissenschaftliche Politikberatung gute Lehre und Forschung?, in: U. Backes-Gellner, P. Moog (Hrsg.): Ökonomie der Evaluation von Schulen und Hochschulen, Berlin 2004, S. 139-154.
  • 3 J. M. Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money, Kapitel 24 (Concluding Notes on the Social Philosophy Towards Which the General Theory Might Lead), schrieb: „Madmen in authority, who hear voices in the air, are distilling their frenzy from some academic scribbler of a few years back. I am sure that the power of vested interests is vastly exaggerated compared with the gradual encroachment of ideas. Not, indeed, immediately, but after a certain interval; for in the field of economic and political philosophy there are not many who are influenced by new theories after they are twenty-five or thirty years of age, so that the ideas which civil servants and politicians and even agitators apply to current events are not likely to be the newest. But, soon or late, it is ideas, not vested interests, which are dangerous for good or evil.“
  • 4 L. Hoffmann, G. G. Wagner: Zur Rolle der empirischen Wirtschaftsforschung für die Politikberatung, in: Wirtschaftsdienst, 78. Jg. (1998), H. 3, S. 185-192, http://www.wirtschaftsdienst.eu/downloads/getfile.php?id=957.
  • 5 Bereits L. Hoffmann, G. G. Wagner, a.a.O., S. 188, haben darauf hingewiesen.
  • 6 Karl Schiller war eine Ausnahme; Helmut Schmidt freilich nicht, denn er war als Volkswirt nie in der Forschung tätig.
  • 7 Vgl. J. M. Keynes, a.a.O.
  • 8 Vgl. K. U. Mayer: Qualität und Relevanz, in: Leibniz Journal, 4/2011, S. 18, http://www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/downloads/Presse/Publikationen/LeibnizJournal-4-2011.pdf; vgl. auch G. G. Wagner: Politikberatung soll keine Politik machen, in: Leibniz Journal, 2/2012, S. 16, http://www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/downloads/Presse/Journal/LeibnizJournal-2-2012.pdf.
  • 9 Vgl. bereits L. Hoffmann, G. G. Wagner, a.a.O., S. 189.

Die Irrelevanz von „Rigor versus Relevance“

Das Nachdenken des Menschen über die Welt kann sich erstens erläuternd („explikativ“) mit den Begriffen und der Sprache befassen, in der sich das Denken vollzieht, es kann sich zweitens („explanativ/prognostisch“) auf Erklärung und Voraussage von Phänomenen richten und es kann sich drittens („evaluativ/normativ“) um Bewertung und Rat im Rahmen der Handlungsvor- und -nachbereitung bemühen. Die Wirtschaftswissenschaften haben seit dem zweiten Weltkrieg gewaltige Fortschritte entlang aller drei Dimensionen gemacht. Sie haben ihre Sprache durch Mathematisierung „expliziert“ und die immer besseren Möglichkeiten, Theorien anhand von Daten zu testen, zunehmend explanativ und prognostisch genutzt; schließlich haben sie ein geschärftes Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftswissenschaftlicher rationaler Bewertung und Beratung etabliert.

In unserem Beitrag plädieren wir dafür, genau zwischen erstens einer legitimen kritisch-beratenden Rolle von Wirtschaftswissenschaftlern und zweitens einer illegitimen Anmaßung von gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis in komplexen wirtschaftspolitischen Fragen zu unterscheiden.

Eine wesentliche „hygienische“ Funktion seriöser Wirtschaftswissenschaftler ist es, auf die vielfältigen Komplexitäten wirtschaftlicher Zusammenhänge zu verweisen. In einer zu Patentrezepten neigenden öffentlichen politischen Auseinandersetzung ist ein kontroverser Begleitdialog von Experten eine wesentliche Informationsquelle für die Politik, die die Entscheidungen zu verantworten hat und für die Bürger, die sich letztlich selbst eine Meinung im Lichte ihrer Werte und Überzeugungen bilden müssen.

Robbins und die Grenzen normativer Beratung

Mit Blick auf den wissenschaftlichen Status normativer Vorschläge hat sich im Anschluss an Lionel Robbins’ „Essay on the Nature and Significance of Economic Science“1 zunehmende Klarheit darüber durchgesetzt, was man mit wirtschafts-wissenschaftlichem Anspruch zu sagen vermag und was nicht.

Interpersonale Nutzenvergleiche, die eigentlich allen wirtschaftspolitischen Interventionsvorschlägen stillschweigend zugrunde liegen, mögen praktisch durchaus sinnvoll und unvermeidlich sein. Hierfür gibt es aber keine im engeren Sinne wissenschaftliche Kompetenz. Eine empirisch-wissenschaftliche Fundierung des normativen Gehaltes solcher Vergleiche ist so wenig möglich wie eine objektive Angabe darüber, wie viel 2 cm im Hochsprung und 1/10 Sekunden im 100-Metersprint in der Zehnkampftabelle „wert“ sein sollen.

Es ist ein großer Fortschritt, dass viele Ökonomen diese Begrenzungen wissenschaftlicher Beratung heute strikt anerkennen. Sie weigern sich, ihre persönlichen Wissenschaftlermeinungen insoweit als Wissenschaftsmeinungen auszugeben. Darüber hinaus erkennen reflektierte Berater an, dass sie ihre eigenen Wertsetzungen von denen der von ihnen Beratenen zu unterscheiden haben. Sie können nur wissen, welche Ziele und Werte diese haben und nicht wissenschaftlich sagen, ob diese Ziele und Werte richtig sind. Mit dem Anspruch wissenschaftlicher Sicherung, den sie erheben will, kann die Wirtschaftswissenschaft bestimmte fraglos relevante Fragen nicht beantworten. Den „Ansinnen“ jener, die gern höhere wissenschaftliche Weihen für ihre Politikanliegen haben möchten, verweigert sie sich aber über Wertfragen hinaus ebenfalls zu Recht.

Beschränkungen nomologischen Wissens

Da es in komplexen politischen Fragen immer – auch empirisch begründete Indizien – für widerstreitende Auffassungen gibt, kann ein selbstkritischer Wirtschaftswissenschaftler eigentlich nur sagen, dass es zu allen praktisch relevanten wirtschaftspolitischen Fragen keine allgemein gesicherte Aussage „der“ Wirtschaftswissenschaft gibt. Er kann aber versuchen, das Für und Wider auf der Basis seines Expertenwissens klug abzuwägen und seine Gründe und Argumente gegenüber seinen „Prinzipalen“ kommunizieren.

Ähnlich etwa wie in der Jurisprudenz gibt es zu praktischen Interventionen in der Wirtschaftspolitik allenfalls herrschende und Minderheitenmeinungen. Das ist keineswegs nur Schuld der Wirtschaftswissenschaften. Es hat vor allem auch mit der Kreativität jener Wesen zu tun, deren Verhalten den Gegenstand der Wirtschaftstheorie bildet. Denn diese verfügen über ebenso komplexe mentale Apparate der Repräsentation und der Interventionsvorbereitung wie die Wissenschaftler. Deshalb wird es immer eine Vielfalt von Möglichkeiten geben, die zur Erklärung interessierender Phänomene potentiell relevant sind. Politische Interessengruppen werden immer einen Wirtschaftswissenschaftler finden können, der ihre Meinung mit durchaus guten Gründen als begründbar absegnet. Das darf er auch legitim tun, solange er darauf verweist, dass das, was er sagt, zwar von seinem Expertentum, aber nicht von der Wissenschaft insgesamt gedeckt ist.

Als Beratungswunsch maskierte Affirmationswünsche

Breite Teile der wirtschaftspolitisch interessierten Öffentlichkeit verhalten sich wie Patienten, die mit einer vorgefassten Meinung über die richtige Intervention zum Arzt gehen. Sie wollen eine wissenschaftliche Rechtfertigung für das erhalten, was sie ohnehin gern tun möchten. Die Mahnung zur kritischen Prüfung, die artikulierte Skepsis gerade auch gegenüber den scheinbaren Selbstverständlichkeiten ist insoweit der Hauptbeitrag, den Ökonomen als Experten leisten können. Sie müssen auf die Vielfalt der widerstreitenden Möglichkeiten verweisen. Die Anekdote vom amerikanischen Präsidenten, der sich einen einhändigen Ökonomen wünscht, weil er es leid ist, immer nur zu hören „on the one hand“ ... „yet on the other hand“ ist amüsant, zeigt aber gerade nicht das Versagen der betreffenden Berater, sondern im Gegenteil, dass sie ihrer Aufgabe gerecht wurden.

Als Bürger sollten wir uns wünschen, dass vor dem Forum von öffentlicher Meinung und politischer Diskussion ähnlich wie vor Gericht die Argumente genannt und kritisch durchleuchtet werden. Wir sollten uns gerade nicht wie Patienten verhalten, die sich der überlegenen Weisheit von Experten anvertrauen wollen. Das gilt natürlich auch dann, wenn wir keine bestimmte Meinung von den Experten hören, sondern ergebnisoffen herausfinden möchten, was wir tun sollen. Auch im Falle eines echten Beratungswunsches kann uns letztlich keiner die Entscheidung abnehmen. Wir haben darauf keinen Anspruch, wohl aber darauf, über das Für und Wider in wissenschaftlich selbstkritischer Weise informiert zu werden.

Die Rolle der Empirie

Wissenschaftlich abgesicherte „Technologien“, die uns die Mittel zur Erreichung unserer Ziele nennen, können wir nur entwickeln, indem wir auf nomologische (d.h. gesetzesartige) Hypothesen zurückgreifen. Im einfachsten Falle handelt es sich um folgende Konstellation: „Sofern die Hintergrundannahmen h1,...,hn erfüllt sind, ergibt sich durch Herstellung der Vorbedingungen A1,...,Ak, mit der Wahrscheinlichkeit p>0 eine der Konsequenzen C1,...,Cm bzw. eine Untermenge dieses Komplexes von Konsequenzen.“ Soweit entsprechende Kausalhypothesen empirisch geprüft sind, kann man gezielt und mit wissenschaftlicher Fundierung intervenieren, sonst nicht.

Der Anspruch auf wissenschaftliche Fundierung der Praxis ist immer relativ zum Ausmaß der Prüfung und Bewährung von nomologischen Hypothesen. Die Wissenschaftlichkeit der Beratung besteht gerade darin, auf Begrenzungen des Bewährungsgrades und konkurrierende Hypothesen hinzuweisen. In solchen Fällen mehr zu fordern und etwa zu behaupten, dass Relevanz dem wissenschaftlichen Rigorismus geopfert würde, ist abwegig.

Die Wirtschaftswissenschaft kann relativ wenig zur Lösung wirtschaftspolitischer Fragen auf der Basis hart geprüfter allgemeiner Erfahrungsgesetze sagen. Wirtschaftswissenschaftliche Experten haben jedoch trotzdem eine mit ihren Kenntnissen der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie und Empirie zusammenhängende Funktion. Um zu sehen, worum es hier geht, muss man einerseits zwischen den Meinungen der Wissenschaftler, ihren mehr oder minder klugen Praxisurteilen und andererseits der wissenschaftlichen Evidenz, auf deren Basis sie zu den Urteilen gelangen, genauer unterscheiden, als das gewöhnlich geschieht.

Wissenschaftlerurteile und Evidenz

Wir müssen in der Welt handeln. Die Opportunitätskosten einer Unterlassung bestehen in der (oder den besten) Handlung(en), die wir stattdessen vollziehen könnten. Das Fehlen wissenschaftlicher Evidenz im engeren Sinne wirkt sich auf Handeln wie Nicht-Handeln aus. Wo weitgehende Ungewissheit darüber herrscht, welche nomologischen Grundlagen die Dynamik komplexer Systeme bestimmen, können wir es häufig nicht besser machen, als nach klugen Urteilen zu suchen.

Die Urteile der Experten müssen beispielsweise bestimmte Prinzipien der Urteilsbildung etwa nach Beweislastregeln erfüllen, die sich nach unserer bisherigen Erfahrung praktisch bewährt haben (ohne dass wir für die Triftigkeit dieser Regeln empirische Evidenz im engeren Sinne anbieten könnten). Wenn es keine im engeren Sinne bewährten Hypothesen über relevante nomologische Zusammenhänge gibt, kann kein Experte uns diese nennen.

Wenn wir dennoch am Urteil wissenschaftlich vorgebildeter Experten ein besonderes Interesse nehmen sollten, so liegt das daran, dass sie ein bestimmtes Training der Kritikfähigkeit durchlaufen haben. Mit der Behandlung der relevanten Sachfragen, der Abwägung und kritischen Prüfung von Unsicherheiten und der Deutung verschiedenster Indizien haben sie mehr Erfahrung als ein noch so gebildetes Laienpublikum.

Besser als weitere theoretische Überlegungen kann ein kurzer Blick auf die Praxis der Beratung in der klinischen Medizin erläutern, worum es im Kern geht. Denn die Medizin begründet wenigstens einige ihrer Interventionen auf der Basis einer im engeren Sinne wissenschaftlichen, evidenzbasierten Untersuchung ihrer Praktiken.

Das Beispiel medizinischer Beratungspraxis

Allenfalls 25% dessen, was die Mediziner in ihrer Praxis tun, ist mit im engeren Sinne wissenschaftlicher Evidenz unterfüttert. Dennoch glauben wir, dass wir uns – und dies nicht nur wegen dessen rein handwerklicher Fähigkeiten – besser einem erfahrenen und wissenschaftlich trainierten Arzt anvertrauen als einem unerfahrenen Praktiker, dem die Orientierung an der wissenschaftlich ausgerichteten Medizin fehlt.

Zwar wissen wir – vor allem auf der Basis der bahnbrechenden Arbeit Meehls über „Clinical and Statistical Judgement“2 –, dass das klinische Urteil auch des wissenschaftlich vorgebildeten erfahrenen Arztes tendenziell dem statistischen („aktuarischen“) Urteil unterlegen ist. Aber soweit es keine gesicherte („evidenzbasierte“) medizinische Leit- oder Richtlinie gibt, werden wir dennoch richtigerweise auf den wissenschaftlich vorgebildeten und in der wissenschaftlich geleiteten Praxis erfahrenen Mediziner zurückgreifen.

Das ist nicht deswegen richtig, weil sein „klinisches“ Einzelurteil den Status der intersubjektiv geprüften wissenschaftlichen Hypothese hätte. Der Expertenrat und die ihm zugrunde liegenden Annahmen sind selbst nicht Wissenschaft. Sie bleiben das Urteil eines über Wissenschaft informierten Wissenschaftlers. In dieser Weise vom Wissenschaftler Gebrauch zu machen, wo man nicht auf Wissenschaft zurückgreifen kann, scheint nicht nur in der Medizin, sondern auch in der wirtschaftspolitischen Beratung vernünftig. Es lässt aber die Frage offen, wie man die „richtigen“ Experten findet.

Rekrutierung wirtschaftswissenschaftlicher Ratgeber

Da es im Falle wirtschaftspolitischer Beratung keineswegs eine der klinischen Praxis entsprechende vorausgehende praktische Phase gibt, in der mit examensmäßigen Prüfungen die Beherrschung etablierter Vorgehensweisen sichergestellt werden kann, stellt sich die Frage nach der qualitätssichernden Rekrutierung wirtschaftspolitischer Experten. Zu fordern, dass die Experten die allgemein anerkannten wohlbestätigten empirischen Hypothesen der Wirtschaftswissenschaft kennen sollten, hilft wenig angesichts des Mangels an direkt „technologisch“ nutzbaren wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen. Da „die“ wirtschaftswissenschaftliche Lehrmeinung nicht existiert, bleibt man auf plurale Wissenschaftlermeinungen angewiesen.

Solange es keine besseren Besetzungsalternativen gibt, sollte man darauf bedacht sein, Beratungsgremien hinreichend heterogen mit Experten zu besetzen. Mangels besserer Kriterien liegt es nahe, Wissenschaftler heranzuziehen, die in internationalen Fachzeitschriften vertreten sind. Dabei sollten die spezialisierten Fachjournale womöglich relativ zu den allgemeinen sogenannten A+-Journals größeres Gewicht erhalten, um der Etablierung einseitiger Standards gleichsam „von der Spitze“ entgegenzuwirken.

Wirtschaftspolitische Beratung sollte in erster Linie nicht auf das Aussprechen von Empfehlungen, sondern auf die kritische Durchleuchtung praktischer Empfehlungen abzielen. Die Funktion der Beratung ist eher hygienisch als konstruktiv. Was die Entwicklung der Kritikfähigkeit und das Verständnis für Prinzipien der Wissenschaftlichkeit anbelangt, scheint uns die moderne Wirtschaftstheorie auf einem guten Wege zu sein. Wer heute in Ökonomik in einem vernünftigen Doktorandenprogramm geschult wird, der ist darauf trainiert, andere Positionen zu kritisieren und auf der Basis eines soliden Verständnisses für die Trennung zwischen normativen, empirischen und analytischen Fragen vorzugehen. Die Programme haben diese Ausrichtung erfahren, weil sie darauf vorbereiten, in den Fachzeitschriften veröffentlichen zu können. Damit ist auch klar, dass die Ausrichtung an Veröffentlichungen – ungeachtet bestimmter Auswüchse schematischer Verwendung der Journal-Rankings – eher positiv als negativ zu werten ist.

Methoden zur Rekrutierung geeigneter Expertengremien bedürfen jedoch der weiteren analytischen und vor allem empirischen Durchdringung. Dabei könnten sowohl Grundsatzüberlegungen der sogenannten sozialen Epistemologie (vulgo „wisdom of crowds“) als auch psychologische Theorien und vor allem bestimmte experimentalökonomische Ansätze aus unserer Sicht hilfreich sein.

Schlussfolgerungen

Es ist nach dem Vorangehenden klar, dass wir für unsere Schlussfolgerungen nur unser eigenes Expertentum und nicht im engeren Sinne wissenschaftliche Erkenntnis in Anspruch nehmen können. Auf der Grundlage dieser Überlegungen nehmen wir zu Fragen der „wirtschaftspolitischen Beratung“ wie folgt Stellung:

  1. Sofern tatsächlich in den Rankings besonders erfolgreiche Forscher in wirtschaftspolitischen Debatten unterrepräsentiert sein sollten – eine empirische Hypothese, deren Belege wir gern sähen –, ist das eher durch die Ratsuchenden als durch die Ratgeber verursacht.
  2. Wirtschaftswissenschaftliche Forschung muss sich an ihren internen Standards orientieren. Soweit ihre Antworten dadurch wenig eindeutig werden, ist es im Interesse der Beratenen, genau diese Begrenzungen wissenschaftlichen Wissens und den wissenschaftlichen Dissens kennenzulernen.
  3. Je genauer und strenger wirtschaftswissenschaftliche Theorien formuliert und empirisch geprüft werden, desto besser werden sie auch die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit benennen. Indem sie sich dem Wunsch nach unkritischer Ratifizierung wirtschaftspolitischer Vorstellungen verweigern, dienen sie der steten Warnung vor den Risiken politischer Machbarkeitsillusionen.
  4. Ohne dass Wissenschaft im engeren Sinne angewandt werden könnte, ist es nützlich, anstehende praktische – und insoweit gerade nicht im engeren Sinne wissenschaftliche – Fragen von wissenschaftlich informierten und trainierten Experten kritisch und kompetitiv diskutieren zu lassen. Die offene Konkurrenz der Meinungen ist die einzige Methode, an die Information der Informierten heranzukommen.
  • 1 L. Robbins: An Essay on the Nature and Significance of Economic Science, London 1932.
  • 2 P. E. Meehl: Clinical versus Statistical Prediction: A Theoretical Analysis and a Review of the Evidence, Minneapolis 1954.

Wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung zwischen Forschung und Politik

Die Frage, wie wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Politikberatung sich heute zueinander verhalten, entscheidet sich auch daran, wie die Wechselwirkung zwischen Politikberatung und Politik ausfällt. Diesem Aspekt der Titelfrage soll hier nachgegangen werden. Zur Einleitung eine provokant formulierte These: Wirtschaftswissenschaft – soweit Volkswirtschaftslehre – ohne Einfluss auf Wirtschaftspolitik ist ohnmächtig. Wirtschaftspolitik ohne Fundierung durch Wirtschaftswissenschaft ist blind. Sollte an dieser These auch nur etwas dran sein, wäre sie aus spieltheoretischer Sicht ein starkes Plädoyer für wechselseitige Kooperationen. Allerdings: Der Spieltheoretiker würde sofort fragen, wie es denn mit der Zielfunktion der beiden Akteure bestellt ist. In einer sehr verkürzten Betrachtung gilt:

Der Wissenschaftler zielt auf Reputation und Karriere innerhalb der Scientific Community. Sein Interesse ist auf Erkenntnis gerichtet. Sein Weg führt über referierte Zeitschriften mit besonderer Vorliebe für formal-mathematische Modelle, allerdings oft mit nur geringem Bezug zu aktuellen gesamtwirtschaftlichen Fragen.1 Manche Wissenschaftler sehen ihr Ziel darin, das herrschende Paradigma zu bestreiten, andere bewegen sich im jeweiligen Mainstream, der auch die Besetzung von Gremien beeinflusst.

Der Politiker sucht ebenfalls Reputation und Karriere, allerdings verlangen die „Ochsentour“ in einer Partei und die Gewinnung von Mehrheiten beim Wahlvolk andere Qualitäten. Er ist dabei mächtigen Lobby-Interessen ausgesetzt, die sich in aller Regel vom Gemeinwohl unterscheiden. Einen aktuellen Beweis für diese These liefert die Finanzmarktkrise. So ist das Fazit von mehr als 500 Seiten des Financial Crisis Inquiry Report, dass in den USA diese Krise hätte verhindert werden können, wären die Märkte nicht vorher über mehr als 30 Jahre auf Druck der Finanzindustrie extrem dereguliert worden. Und selbst zur Durchsetzung dessen, was an Regulierung verblieben war, fehlte es der Finanzmarktaufsicht laut Bericht an politischem Wollen – „in a political and ideological environment that constrained it“2. Der Politiker sucht im Wettbewerb der Meinungen und im Fokus der Medien Bestätigung, nicht Kritik, klare Botschaften, keine durch Eintrittswahrscheinlichkeiten und vielfältige Voraussetzungen relativierten Befunde. Minderheitsvoten sind dabei eher ärgerlich, wenn sie genehme Mehrheitsmeinungen in Frage stellen. Ähnlich wird die Besetzung von wissenschaftlichen Beratungsgremien oder Leitungsfunktionen genutzt, um den gewünschten Mainstream auch dauerhaft zu etablieren; abweichende Meinungen werden oft diskreditiert und ihre Vertreter gebrandmarkt.

Was kann in dieser Gemengelage auf der Angebots- und Nachfrageseite von wissenschaftlicher Politikberatung erwartet werden, wenn der Wissenschaftler primär auf ökonomische Rationalität, der Politiker auf politische Opportunität zielt?

Ein Blick zurück

Es hat stets eine starke Wechselwirkung zwischen Wissenschaft, Politikberatung, Politik und wirtschaftlicher Entwicklung gegeben. Ganz sicher war die theoretische Konzeption des Ordoliberalismus schon vor Beendigung des Zweiten Weltkrieges eine Reaktion auf die faktische Kommando- und Willkürwirtschaftspolitik seit 1933. Gleichzeitig prägten – nach vorne gesehen – die „Grundlagen der Nationalökonomie“ und „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ des Wissenschaftlers Walter Eucken das Handeln des Politikers Ludwig Erhard. Als aufgrund stärkerer Schwankungen der wirtschaftlichen Entwicklung und erstmals steigender Arbeitslosigkeit die Zweifel an der Selbststeuerungsfähigkeit von Marktwirtschaften aufkamen, gewann ab Mitte der 1960er Jahre eine keynesianisch orientierte Politikberatung auch in Deutschland an Bedeutung. Die Politik setzte sie mit der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes (StabG) 1967 um. Steigende Inflationsraten und Haushaltsdefizite im Zuge der ersten Ölpreiskrise ab 1973 leiteten eine Abkehr vom Keynesianismus ein. Die sogenannte „monetaristische Konterrevolution“ setzte auf eine Verstetigung der Geldpolitik und flexible Wechselkurse.3 Zunehmende Skepsis bezüglich der Wirkung von staatlichem Deficit Spending sowie generell gegenüber Eingriffen des Staates in den Wirtschaftsablauf ließen den Ruf nach Entbürokratisierung, Deregulierung und Privatisierung laut werden. Die Politikberatung, z.B. in Gestalt des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und des Sachverständigenrats, aber auch der OECD, setzten mehrheitlich auf das Konzept der Angebotspolitik. Die Politik adoptierte die neuen Paradigmen, die auf die Stabilisierung der bisherigen Stabilisierungspolitik selbst gerichtet waren.4 Die Geldpolitik setzte sich Geldmengenziele und ging zur Geldmengensteuerung über, die Fiskalpolitik zielte unter Verweis auf ricardianische Effekte auf Haushaltskonsolidierung. Die allgemeine Wirtschaftspolitik wandte sich der Angebotsseite der Wirtschaft im Wege vielfältiger „Standort“- und „Reformpolitiken“ zu. Allerdings folgte die Politik dem ökonomischen Mainstream nicht in allen grundsätzlichen Fragen. So wurden Währungsschwankungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit dem Europäischen Wechselkursverbund bzw. ab Ende der 1970er Jahre mit dem Europäischen Währungssystem (EWS) begrenzt. Auch im Zuge der Vollendung der deutschen Einheit ging die deutsche Politik in wichtigen ökonomischen Fragen eigene Wege, so z.B. mit der raschen Einführung der D-Mark, forcierter Lohnangleichung und der Finanzierung der Einheit über Schulden und Sozialversicherungen.

Überwiegend zu beobachten ist aber das Muster einer Dialektik: Ausgehend von realwirtschaftlichen Fehlentwicklungen kommt es zu „revolutionären“ Reaktionen in wirtschaftswissenschaftlicher Theorie und Politikberatung und schließlich zu einer „Wende“ in der Wirtschaftspolitik. Deutlich wird auch ein Muster, wonach die Einseitigkeit eines ideologisch verfestigten Paradigmas durch die Einseitigkeit eines neuen ersetzt wird. Am stärksten kommt diese Engführung in der unheiligen Polarisierung von Wissenschaft und Politikberatung in „Nachfragepolitik“ und „Angebotspolitik“ zum Ausdruck. Folgt die Politik diesen Pendelausschlägen der Wissenschaft und verdrängt früheres Wissen und historische Erfahrungen, ist dies mit hohen realwirtschaftlichen Anpassungs- und Opportunitätskosten verbunden. Der beste Schutz gegen ideologische Übertreibungen in der Wirtschaftspolitik ist die immer wieder neue Abwägung zwischen wirtschaftspolitischen Alternativen. Ortho- wie heterodoxen Theorieangeboten dabei gleichermaßen Raum zu geben, verringert das Risiko, auf ein einziges, aber – wie der Rückblick zeigt – allein nicht zugkräftiges Pferd zu setzen. Am Ende muss sich die Politik für eine bestimmte Konzeption entscheiden. Sie sollte dabei aber eine Verengung des Spektrums der Politikberatungsangebote vermeiden.

Besonders augenfällig wird diese Problematik in der Rückschau auf die Entwicklung der Eurozone. Mit dem Vertrag von Maastricht ist die Eurozone als Währungsraum mit einheitlicher Geld- und Währungspolitik konzipiert worden. Die Idee, bilaterale nominale Auf- oder Abwertungen und damit verbundene realwirtschaftliche Friktionen und Unsicherheiten zu vermeiden, war gut begründet. Das freie Spiel der Marktkräfte sollte auch grenzüberschreitend seine positive Wirkung entfalten können. Mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte die fiskalpolitische Flanke gegenüber überschießender Defizitfinanzierung abgesichert werden. Die Lissabon-Strategie sollte für Reformen auf dem Arbeitsmarkt und den Gütermärkten sorgen.

Es fehlte jedoch ein funktionsfähiger Mechanismus zur Vermeidung übermäßiger Divergenzen in der Entwicklung von Inflation und damit von Realzinsen und realen Wechselkursen. Kurz vor und mit Beginn der Währungsunion unternahmen die österreichische und die nachfolgende deutsche Präsidentschaft den Versuch, zusätzliche makroökonomische Elemente in die Governance der Wirtschafts- und Währungsunion einzufügen. Abweichend vom wissenschaftlichen Mainstream wurde ein wachstums- und stabilitätsorientierter makroökonomischer Policy-Mix unter Einbeziehung der nationalen Lohn­entwicklungen als unverzichtbare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit eines gemeinsamen Währungsraums eingefordert.5 Zugleich warb die deutsche EU- und G7-Präsidentschaft für ein System international anerkannter Regeln für die globalen Währungs- und Finanzsysteme.6 Der Rücktritt des damaligen Finanzministers Oskar Lafontaine nur zweieinhalb Monate nach dem Start der Eurozone und die anschließende Entlassung seines Staatssekretärs Heiner Flassbeck leiteten nicht nur das Ende dieses paradigmatisch makroökonomischen Zwischenspiels ein, sondern führten – in geradezu gegenreformatorischem Eifer – zur verstärkten Fortsetzung des vorherigen angebotspolitischen Kurses.

Die Agenda 2010 in Deutschland, die Verkürzung der Lissabon-Strategie in der EU zu einer reinen Strukturreform-Agenda, die Vernachlässigung von Makro- und Nachfragepolitik, die Deregulierung der Finanzmärkte und über allem eine Gläubigkeit in die Selbstregulierung der Märkte stehen dafür. Das Ergebnis: Langjährige Wachstumsschwäche in Deutschland, massive Divergenzen bei Binnendynamik und Leistungsbilanz zwischen den Mitgliedstaaten des Euroraums, Blasenbildungen vornehmlich in Südeuropa und eine globale Finanzmarktkrise, die gerade in den Zentren der Deregulierung ihren Ausgang nahm, bis hin zur Krise im Euroraum. Es gab zeitige Warnungen an die Politik nicht nur durch Vertreter der Wissenschaft.7 Sie wurden nicht befolgt, da sie von einer eher nachfrage- und makroökonomisch orientierten Minderheit kamen und der Mainstream weiter zum Kurshalten riet. Statt Prävention und Prophylaxe wieder einmal nur pathologisches Lernen, d.h. um den Preis von massiver Rezession, Arbeitslosigkeit, Vermögens- und Vertrauensverlusten. Zu spät kam die Einsicht, dass man über die Staatsfinanzen hinaus ein breiteres Spektrum makroökonomischer Parameter wie Lohnstückkosten, Leistungsbilanzdefizite oder Immobilienblasen hätte überwachen sollen.8

Auch die Erfahrung mit der ersten Dekade der Eurozone sollte davor bewahren, die jeweils herrschende Lehre als allein- und allgemeingültig anzusehen. Um die Vorläufigkeit jeden Wissens zu belegen, genügt die einfache Frage: Was wussten unsere Vorfahren von dem, was wir heute wissen, vor hundert Jahren? Das kann helfen eine Vorstellung zu gewinnen, was von dem, was wir heute wissen, noch in hundert Jahren gilt. Die Entwicklung von Theorie und Empirie erweist den jeweiligen Wissensstand – überspitzt formuliert – als lediglich vorläufig letzten Irrtum.

Es verändern sich aber nicht nur der Stand der Wissenschaft, sondern auch die Ziele von Politik und Gesellschaft. So sind zwar die Ziele des sogenannten Magischen Vierecks des Stabilitätsgesetzes von 1967 auch heute noch angemessen und in Kraft. Inzwischen aber hat sich der Zielhorizont der Politik deutlich erweitert. Zu den genuin wirtschaftspolitischen Zielen des Stabilitätsgesetzes sind weitere Ziele wie soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit getreten und haben Eingang in den Zielkatalog des Vertrags über die Europäische Union (EUV) gefunden. Selbst ein ureigenes Ziel des Stabilitätsgesetzes – angemessenes Wirtschaftswachstum – sieht sich derzeit durch ein quantitativ wie qualitativ weitergefasstes Wohlstandsziel herausgefordert. Wenn aber sowohl die Instrumente der Wissenschaft als auch die Ziele der Politik einem Wandel unterliegen, dürfen Politikberatung und Politikausrichtung nicht ideologisch verengt und beharrend sein, sondern müssen entwicklungsoffen, diversifiziert, fehlerfreundlich und revidierbar angelegt werden.

Die Rolle der Administration

Der direkte Austausch zwischen Politikern und Wissenschaftlern ist von Inhalt und Zeit her eher begrenzt. Enquête-Kommissionen sind selten, parlamentarische Anhörungen eng terminiert. In der Praxis der wissenschaftlichen Politikberatung liegt ein Großteil dieses Tranfers im intermediären Bereich, so z.B. bei den Fachministerien der Regierung. Die Mitarbeiter agieren dort quasi als Dolmetscher zwischen Sprache und Sphäre der Politik und der Wissenschaft in beide Richtungen. Über das Gelingen dieses Transfers entscheidet der „Geist des Hauses“ in Gestalt der Leitung und ihrer politischen Beamten. Im besten Fall ist er durch Offenheit und Souveränität im Umgang mit wissenschaftlicher Politikberatung geprägt. Hierbei schließen sich Festigkeit der politischen Linie in jedem Zeitpunkt und Wissen um die beständige Fragwürdigkeit derselben nicht aus. Fragen und Infragestellung werden dabei nicht als Position der Schwäche, sondern als von der Natur der Sache gegeben und professionell geboten verstanden. Die gesamte Klaviatur des Instrumentariums moderner Politikberatung wird angeschlagen. Forschungs- und Gutachtenaufträge werden offen formuliert, die Ergebnisse – auch solche, die vom eigenen Urteil abweichen – souverän entgegengenommen. Dabei ist es der Leitung vorbehalten, sich für die eine und gegen die andere der dargebotenen Optionen zu entscheiden. Auch Publikationen der Fachbeamten selber werden ermuntert und wirken sich positiv auf Beurteilungen aus. Von der Hausmeinung abweichende Analysen und Vorschläge werden nicht als Mangel an Loyalität ausgelegt, sondern als Denkanstöße geprüft und entschieden. Verlangt wird auch eine gewisse Souveränität und Professionalität gegenüber den Medien, wenn diese von der Hausmeinung abweichende Befunde der Politikberatung marktschreierisch ausschlachten sollten. Mehrheits- und Minderheitsökonomen werden im Wettbewerb der Ideen zu politisch relevanten Themen und Problemen eingeladen und bei der Besetzung von Gremien und Institutsleitungen berücksichtigt. All dies wirkt motivierend und pflegend auf die Angebotsseite der Politikberatung. Voraussetzung ist eine „kritische Masse“ an ökonomischer Kompetenz in Leitung und Beamtenschaft, die quantitativ und qualitativ nicht unterschritten werden darf.

Eine solche Haltung ist zugleich auch für die internationale Dimension der Politikberatung offen. EU, OECD, IWF, UNCTAD und andere Gremien eröffnen durch makroökonomische Analysen und Empfehlungen und durch Country- oder Cross-Country-Studien einen Markt politischer Möglichkeiten. Benchmarking, Best Practice, Peer Review (und Peer Pressure) ermöglichen, von den Besten zu lernen, geeignete Elemente in die nationale Agenda zu übernehmen und umgekehrt gute eigene Erfahrungen für die anderen Mitgliedstaaten dienstbar zu machen. Globaler Wettbewerb findet nicht nur zwischen Unternehmen statt; auch Staaten stehen in einem Wettbewerb, der sich in der Wahl der besten Politikberatung und Politiken entscheidet. Auch in der Politikberatung selbst ist der Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren. Deshalb muss dieser Wettbewerb über geschriebene oder ungeschriebene Regeln gegen Wettbewerbsbeschränkungen und -verzerrungen geschützt werden.9 Souveräne Offenheit gegenüber breit angelegtem wissenschaftlichem Rat machen dabei Politik und Wissenschaft zu Gewinnern.

Politikberatung in der Krise

Die aktuelle Krise in der Eurozone ist auch eine Krise von Politikberatung und Politik. Nach dem oben beschriebenen dialektischen Muster befinden wir uns wieder einmal in einer Phase erheblicher Fehlentwicklung von Realwirtschaft und Finanzmärkten. Befriedigende Antworten von Theorie, Politikberatung und Wirtschaftspolitik stehen noch aus. Die Politik handelt derzeit unter tatsächlichem oder vermeintlichem Zeitdruck und Sachzwängen „alternativlos“ und schafft damit neue Fakten, die die nächste Entscheidung als ebenso alternativlos erscheinen lassen. Die Politikberatung läuft den Fakten eher hinterher. Der bisherige Mainstream zeigt ein Bild der Zerrissenheit. Es beginnt schon mit gravierenden Meinungsverschiedenheiten über die Ursachen und Verursacher der Krise: nur die Südländer oder auch die Nordländer? Nur die Schuldner oder auch die Gläubiger? Es setzt sich fort im Streit über No-Bailout oder Haftungsgemeinschaft, über Austeritätspolitik oder ausreichende Wachstumsstimulierung in den Südländern. Am Ende die Frage: Austritt oder nicht. Zerwürfnis auch über die richtige Architektur der Re-Regulierung der Finanzmärkte und der Bankenaufsicht. Besonders erbittert wird der Streit darüber ausgetragen, ob die EZB eine Verschärfung der Krise verhindert oder aber ihr Mandat überschritten hat. Diese Frage ist nicht mehr nur eine Sache wissenschaftlicher Diskussion, sondern derzeit auch eine Frage von Verfassungsgerichtsbarkeit, die wiederum auf die Beratung durch die Wissenschaft zurückgreifen muss. Überwölbend geht es um die richtige Arbeitsteilung oder aber unzulässige Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik sowie um die Verteilung der Entscheidungskompetenz zwischen Regierung und Parlament, zwischen nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung der Krise. Im breiten Publikum regieren Unsicherheit und Angst über deren Ausgang. Ein Weg aus der Krise von Politikberatung und Politik kann angesichts der vorangegangenen Überlegungen nur sein, vorurteilsfrei die Lehren aus der Vergangenheit, insbesondere aus Entstehung, Verlauf und bisheriger Bewältigung der wirtschaftlichen Krise zu ziehen:

  • Der Erkenntnis verpflichtete Wissenschaftler und Politikberater müssen im Lichte der Krise einen neuen Mainstream herausbilden. Sie müssen zumindest die unselige Frontstellung zwischen angebotspolitischen Reformen und makroökonomischer Stabilisierung und Stimulierung überwinden. Der neue Mainstream muss aber auch Regeln für das Funktionieren einer Währungsunion sowie die Stabilität von Finanzmärkten enthalten und kurzfristig einen Weg aus der Eurozonen-Krise aufzeigen.
  • Dem Allgemeinwohl verpflichtete Politiker müssen zwischen den Vorhersagen und Empfehlungen von Mainstream- bzw. Minderheits-Ökonomen und der tatsächlichen Entwicklung radikal Vergleiche ziehen, um ihr Urteil über gute Politikberatung zu schärfen.
  • Auf einem derartigen kurzfristigen Soll-Ist-Vergleich und einem künftigen neuen Mainstream soll die Politik ihre weiteren Entscheidungen basieren – unter möglichst hoher Übereinstimmung zwischen ökonomischer Rationalität und politischer Opportunität.

Zusammenfassung

Politikberatung steht nicht nur in einer starken, sich inhaltlich wandelnden Wechselwirkung zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, sondern auch zur Politik und zur realwirtschaftlichen Entwicklung. Dabei sind kompetente Fachressorts der Regierung als Mittler zwischen wissenschaftlicher Rationalität und politischer Opportunität unerlässlich. Wie die Vergangenheit, aber auch die jüngste Krise in der Eurozone zeigen, läuft eine Politikberatung, die sich zu eng an dem jeweiligen wissenschaftlichen Mainstream orientiert, Gefahr, wirtschaftliche Fehlentwicklungen mitzuverursachen bzw. zu verstärken. Die Wissenschaft ist, nicht zuletzt als Lehre aus der derzeitigen Krise, gefordert, auf einer breiteren Grundlage einen neuen tragfähigen Mainstream zu entwickeln, um Einseitigkeit und Engführung in Politikberatung und Politik zu vermeiden.

  • 1 Wichtige Bereiche wie z.B. der Finanzmarkt waren zudem bis zur Krise in den Modellen bestenfalls nur verkürzt abgebildet.
  • 2 Vgl. The Financial Crisis Inquiry Report – Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States, New York 2011, S. xvii und xviii.
  • 3 Vgl. H. G. Johnson: The Keynesian Revolution and the Monetarist Counter-Revolution, in: The American Economic Review, 61. Jg. (1971), S. 1-14.
  • 4 „Wichtigste Aufgabe der Stabilisierungspolitik ist ihre eigene Stabilisierung“, vgl. M. J. M. Neumann: Stabilisierungspolitik in monetaristischer Sicht, in: Stabilisierungspolitik, WSI-Studien, Nr. 27, Köln 1974, S. 80.
  • 5 Vgl. W. Koll: Makroökonomischer Dialog – Entstehung und Intentionen, in: E. Hein, T. Niechoj, T. Schulten, A. Truger (Hrsg.): Europas Wirtschaft gestalten – Makroökonomische Koordinierung und die Rolle der Gewerkschaften, Hamburg 2004, S. 129 ff.
  • 6 Vgl. Bundesministerium der Finanzen: Neue Wege zu mehr Beschäftigung – Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung 1999, Volks- und Finanzwirtschaftliche Berichte, Ziffern 48, 54-56 sowie 60.
  • 7 Vgl. W. Koll: Neue Wirtschaftsregierung und Tarifautonomie in der Europäischen Union – Makroökonomische Koordinierung im Dialog, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Study 30, März 2013, S. 36 ff.
  • 8 Vgl. K. Regling: Interview „Rettungsfonds – Der Bund verdient eine ordentliche Marge“, in: Berliner Zeitung vom 23./24.11.2010, S. 2; vgl. auch European Commission, Directorate-General for Economic and Financial Affairs: Quarterly Report on the Euro Area, 9. Jg. (2010), Nr. 1, S. 6: „Drawing lessons from the crisis, we need to broaden the focus of our surveillances beyond fiscal policy to include relevant developments of macroeconomic imbalances“.
  • 9 „[E]s bleibt Aufgabe der Politik, aber auch der Wissenschaftsorganisationen, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen entsprechend ausgestaltet werden“, vgl. G. Kirchgässner: Zur Politischen Ökonomie der wirtschaftspolitischen Beratung, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg. (2013), H. 3, S. 203.

Title:Disparate Development of Economic Research and Policy Consultancy?

Abstract:Most German economists show strong patterns of professional specialisation. In their work, they either focus on basic research or on policy consultancy. The evidence provided by Haucap und Mödl has been used to question work incentives in academia. The suggestion to change work incentives, however, is not supported by Richter, who rather calls into question the German tradition of research funding. He argues that Germany should devote more competitive funding to research projects and less to institutions. Schmidt et al. explore the question the other way around: do policy consultants publish in top journals? They conclude that they do. Güth/Kliemt show how precarious and limited our (technologically useful) knowledge is. The discussion of alternative policies among economic experts should be used to tease out the controversial arguments to allow for better informed political judgements. Wagner/Fratzscher take a historical view, showing that when modern economic research (and economic research institutes) apply a more pluralistic paradigm than that which prevailed in Germany for a long period after the Second World War, economic research will automatically have a more significant impact on politics, since policy advisors will produce more varied advice with the potential for realisation. Koll also claims that policy advice must not be based on a single supply-side oriented mainstream point of view. By drawing lessons from the crisis, economics must identify a new mainstream providing reliable guidance and policy advice.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1559-4

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