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Vor mehr als fünf Jahren wurde der Gesundheitsfonds eingeführt – verbunden mit der Erwartung, dass mehr Gerechtigkeit und Wettbewerb in das Krankenversicherungssystem Einzug hielte. Vor allem der erhoffte Übergang vom Preis- zum Qualitätswettbewerb ist aber offenbar nicht gelungen. Der Gesundheitsfonds hat nach der Auffassung einiger Autoren auch die Nachhaltigkeit der Finanzierung nicht verbessert, die vorhandene strukturelle Einnahmenschwäche wurde vielmehr durch die gute Konjunktur und die hohen Beitragssätze überdeckt. Wie sich die neuerliche Umstellung von pauschalen Zusatzbeiträgen, die in den letzten Jahren von keiner Kasse erhoben wurden, auf einkommensabhängige Beiträge auswirkt, wird unterschiedlich beurteilt.

Gesundheitsfonds und einkommensunabhängige Zusatzbeiträge mit Sozialausgleich: Chance vergeben

Vor 20 Jahren wurde der Risikostrukturausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GVK) eingeführt, zwei Jahre später folgte die Wahlfreiheit der Versicherten zwischen den Kassen. Seitdem stehen die Kassen im Wettbewerb um die Versicherten. Bis 2008 war der wichtigste Wettbewerbsparameter der Beitragssatz. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 änderte sich dies. Seitdem konkurrieren die Kassen mit einkommensunabhängigen Beiträgen. Zunächst waren die Zusatzbeiträge auf 1% des beitragspflichtigen Einkommens eines Mitglieds beschränkt. Seit 2011 sind sie vollkommen einkommensunabhängig. Kassen mit Überschüssen können Geld zurückerstatten. Ein steuerfinanzierter Sozialausgleich soll verhindern, dass einkommensschwache Mitglieder durch pauschale Zusatzbeiträge übermäßig belastet werden.

Grundlage der Reform war ein Konzept des Ökonomen Wolfgang Richter.1 Der Gesundheitsfonds sollte ermöglichen, dass Kassen mit Pauschalbeiträgen konkurrieren, ohne die bisherige Beitragserhebung vollkommen umzustellen. Der Beitragssatz wurde vom Gesetzgeber auf 15,5% festgelegt. Die Beitragseinnahmen und Bundeszuschüsse fließen in den Fonds. Er leistet risikoangepasste Zuweisungen an die Kassen. Grundlage hierfür ist der zeitgleich eingeführte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich („Morbi-RSA“). Um weitere Ausgaben zu decken, erheben Kassen einkommensunabhängige Zusatzbeiträge. Dies ist eine Abkehr von der über hundertjährigen Tradition einkommensabhängiger Beiträge. Richters Konzept sah noch eine weitergehende Reformstufe vor, die nicht umgesetzt wurde. Die Beitragsfinanzierung des Gesundheitsfonds sollte mittelfristig durch eine Finanzierung aus Steuermitteln abgelöst werden. Dazu sollte die lohnbezogene Beitragserhebung zum Gesundheitswesen mit dem Einkommensteuertarif verschmolzen werden.

Ab 2015 geht es zurück in die Zeit vor dem Gesundheitsfonds. Die Kassen erheben wieder Zusatzbeiträge in Abhängigkeit von den beitragspflichtigen Einkommen ihrer Mitglieder. Die Summe aus allgemeinem Beitragssatz von 14,6% und Zusatzbeitragssatz entspricht dem kassenindividuellen Beitragssatz aus der Zeit vor dem Gesundheitsfonds. Der einzige Unterschied zu früher ist die Untergrenze von 14,6%. Gibt es gute Gründe für diese Gesetzesänderung? In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass die Kombination von Gesundheitsfonds und einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen mit Sozialausgleich ein sinnvoller Ansatz ist, Kassenwettbewerb mit einem Ausgleich zwischen Arm und Reich zu vereinen. Allerdings kam diese Kombination nicht zum Tragen, weil die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an die Kassen zu großzügig bemessen wurden. Die Rückkehr zu einkommensabhängigen Beiträgen ist eine bequeme Lösung für die Bundesregierung, um Ausgaben aus dem Bundeshaushalt zu vermeiden.

Hohe Zuweisungen an die Kassen machten Zusatzbeiträge überflüssig

Der Gesundheitsfonds hat den Kassenwettbewerb verändert. Gab es früher eine große Bandbreite von Beitragssätzen, stand nach Einführung des Gesundheitsfonds zunächst die Frage im Mittelpunkt, ob eine Kasse einen Zusatzbeitrag erheben musste. Kassen, die dazu gezwungen waren, gerieten unter großen Druck. Dass sie teurer waren, war nun wesentlich sichtbarer, und sie mussten ihre Mitglieder auch noch auffordern, den Zusatzbeitrag selbst einzuzahlen bzw. zu überweisen. Diese Abkehr vom Quellenabzug machte die Beitragserhebung aufwändig.

In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Kassen, die Prämien auszahlten. Die meisten Kassen verlangten jedoch weder Zusatzbeiträge noch leisteten sie Rückzahlungen. Seit 2013 erhebt keine Kasse mehr einen Zusatzbeitrag. Dies könnte als positiver Effekt des Wettbewerbs interpretiert werden; die wahrscheinlichere Ursache liegt jedoch in der Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds.2 Ursprünglich sollten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds lediglich zwischen 95% und 100% der Ausgaben betragen. Das GKV-Finanzierungsgesetz strich jedoch zum 1.1.2011 diese Regelung. Stattdessen wird eine Deckungsquote von 100% angestrebt. In den vergangenen Jahren kam es sogar zu Überdeckungen bei den Kassen. Dies liegt daran, dass die Zuweisungen an die Kassen großzügig bemessen werden. Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt prognostiziert hierfür die Ausgaben und wendet das Vorsichtsprinzip an; in der Tendenz werden die Ausgaben damit überschätzt. Zum Beispiel waren die tatsächlichen Ausgaben im Jahr 2011 um mehr als 3,7 Mrd. Euro niedriger als die Vorhersage und damit die Zuweisungen.

Finanzierung des Sozialausgleichs

Das GKV-Finanzierungsgesetz brachte eine weitere Änderung. Die Kassen wurden von der Beschränkung der Zusatzbeiträge auf 1% des beitragspflichtigen Einkommens eines Mitglieds befreit. Ein steuerfinanzierter Sozialausgleich sollte vermeiden, dass einkommensschwache Mitglieder durch pauschale Zusatzbeiträge zu stark belastet werden. Für diese Personengruppe sollte der einkommensbezogene Beitrag gesenkt werden, so dass sie netto höchstens 2% ihres Einkommens für den Zusatzbeitrag leisten mussten. Als Grundlage war der jährlich ermittelte durchschnittliche Zusatzbeitrag vorgesehen. GKV-Mitglieder mit geringem Einkommen hätten damit faktisch einen allgemeinen Beitragssatz von weniger als 15,5% bezahlt. Der Einkommensausfall im Gesundheitsfonds wäre durch Steuermittel finanziert worden. Die finanziellen Anreize für alle Mitglieder, eine preiswerte Kasse zu wählen, wären nicht beeinträchtigt gewesen, da der Sozialausgleich unabhängig vom Zusatzbeitrag der tatsächlich gewählten Kasse erfolgen sollte.

Die Finanzierung des Sozialausgleichs aus Steuermitteln hätte grundsätzlich alle Bürger an der Unterstützung einkommensschwacher Bürger für ihre Krankenversicherungsbeiträge beteiligt, insbesondere auch Privatversicherte und Beamte. Indirekt wären auch Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in den Solidarausgleich einbezogen worden. Eine Publikation des Bundesministeriums für Gesundheit zum GKV-Finanzierungsgesetz betonte diesen Aspekt: „Der steuerfinanzierte Sozialausgleich sorgt für einen gerechteren Ausgleich zwischen Arm und Reich“.3 Zum Einsatz kam der Sozialausgleich allerdings nicht. Wegen der guten Finanzlage der Kassen beträgt der durchschnittliche Zusatzbeitrag seit 2011 null Euro.

Die gegenwärtige Situation ohne Zusatzbeiträge ist insofern unbefriedigend, da Unterschiede in der Wirtschaftlichkeit der Kassen verschleiert sind. Lediglich Kassen mit Ausschüttungen treten hervor. Es ist zu vermuten, dass viele Kassen Finanzpolster angesammelt haben, um bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage möglichst lange keine Zusatzbeiträge erheben zu müssen. Allerdings hätte sich diese Situation in den kommenden Jahren ändern können. Aufgrund des demografischen Wandels und des medizinisch-technischen Fortschritts ist damit zu rechnen, dass die Ausgaben stärker als die beitragspflichtigen Einkommen wachsen. Im Zuge dieser Entwicklung hätte die Deckungsquote von 100% aufgegeben werden können. Viele oder sogar alle Kassen hätten dann Zusatzbeiträge erheben müssen. Dies hätte einerseits einen positiven durchschnittlichen Zusatzbeitrag zur Folge gehabt und damit eine Aktivierung des Sozialausgleichs herbeigeführt. Andererseits wäre der Wettbewerb der Kassen wiederbelebt worden. Um den Kassen den Beitragseinzug zu erleichtern, wäre es zudem sinnvoll gewesen, Zusatzbeiträge so weit wie möglich im Quellenabzugsverfahren zu erheben. Dies wäre der Praxistest für die Kombination aus Gesundheitsfonds und einkommens­unabhängigen Zusatzbeiträgen mit Sozialausgleich.

Mehr Preis- und Qualitätswettbewerb durch das GKV-FQWG?

Dazu kommt es jedoch nicht, weil mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiter­entwicklungs­gesetz (GKV-FQWG) einkommensunabhängige Zusatzbeiträge und Sozialausgleich abgeschafft werden. Stattdessen wird der allgemeine Beitragssatz durch die Abschaffung des Arbeitnehmersonderbeitrags auf 14,6% festgesetzt. Die Kassen erheben den Zusatzbeitrag als prozentualen Satz des beitragspflichtigen Einkommens. In dem Gesetzentwurf wird hierfür angeführt, dass die bisherige Situation zu einer ungewollten Dominanz des Preiswettbewerbs geführt hätte, während der Qualitätswettbewerb in den Hintergrund gerückt sei.4 Insofern damit gemeint ist, dass die Kassen vor allem darauf bedacht sind, Zusatzbeiträge zu vermeiden, ist diese Begründung nachvollziehbar. Allerdings ließe sich das gleiche Ziel durch eine Senkung des allgemeinen Beitragssatzes von 15,5% auf 14,6% erreichen, da dann praktisch alle Kassen auf einkommensunabhängige Zusatzbeiträge angewiesen wären.

Des Weiteren ist der Zusammenhang zwischen einem Qualitätswettbewerb der Kassen und der Gestaltung von Zusatzbeiträgen nicht offensichtlich. Ökonomische Modelle des Krankenversicherungsmarktes legen nahe, dass es vor allem auf die Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs ankommt.5 Bei einem unzureichenden Ausgleich besteht die Gefahr, dass an der Qualität für teure Versicherte („hohe Risiken“) gespart wird. Hiervon können insbesondere chronisch Kranke betroffen sein. Günstige Versicherte („niedrige Risiken“) können hingegen mit guter Qualität rechnen, etwa durch subventionierte Fitnessprogramme. Über das Ausmaß dieser Verzerrungen liegen keine wissenschaftlichen Studien vor. Allerdings hat der mit dem Gesundheitsfonds eingeführte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich die Anreize zur Risikoselektion erheblich gesenkt.6

Bequeme Lösung für die Bundesregierung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält keine nähere Erläuterung, warum einkommensabhängige Zusatzbeiträge der bisherigen Regelung vorzuziehen sind. Allerdings ist der Satz „Ein Sozialausgleich und damit verbundene Mehrbelastungen des Bundeshaushalts sind nicht mehr erforderlich“ aufschlussreich.7 Die bisherige Regelung hätte dazu geführt, dass mittelfristig zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt nötig gewesen wären. Alternativ hätte der allgemeine Beitragssatz erhöht werden müssen, was jedoch mit politischen Kosten verbunden gewesen wäre. Sowohl Bundestag als auch Bundesrat müssen Beitragssatzänderungen zustimmen. Mit der neuen Regelung hingegen erfolgt der Sozialausgleich zwischen gesetzlich Krankenversicherten. Die Kassen müssen die Beitragssätze erhöhen. Aus Sicht der Bundesregierung ist dies eine bequeme Lösung. Das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts lässt sich leichter erreichen. Der „gerechtere Ausgleich zwischen Arm und Reich“ aus Steuermitteln wird aufgegeben.

De facto führt die neue Gesetzeslage zu einer Rückkehr zu der Regelung vor 2009. Kassen konkurrieren wieder über Beitragssätze. Aus diesem Grund muss auch wie damals ein Finanzkraftausgleich durchgeführt werden, denn Kassen mit einkommensschwachen Mitgliedern haben einen Nachteil. Sie sollen hierfür aus dem Gesundheitsfonds kompensiert werden, der nach der Reform zu einem reinen Transfersystem wird und seine konzeptionelle Rolle verliert. Diese hatte er nur so lange, wie seine Einnahmen nach einem anderen Prinzip erhoben wurden wie die Zusatzbeiträge der Versicherten.

Wettbewerbswirkungen unklar

Um die Wirkung des GKV-FQWG auf den Wettbewerb zwischen den Kassen zu beurteilen, bietet es sich an, die Gesetzesänderung in zwei Schritte zu zerlegen, erstens die Senkung des allgemeinen Beitragssatzes von 15,5% auf 14,6% und zweitens die Einführung von Zusatzbeiträgen. Der erste Schritt hätte ohne Weiteres im bisherigen System vorgenommen werden können, so dass ein angemessener Vergleich sich auf den zweiten Schritt bezieht. Die meisten Kassen wären durch die Senkung des allgemeinen Beitragssatzes gezwungen, Zusatzbeiträge zu erheben. Ist der Wettbewerb intensiver bei unterschiedlichen Beitragssätzen als bei einkommensunabhängigen Beiträgen? Die Antwort ist offen. Bei Beitragssatz-Wettbewerb steigt der finanzielle Vorteil eines Kassenwechsels mit dem Einkommen, bei Pauschalbeiträgen ist er davon unabhängig. Es kommt somit darauf an, wie unterschiedliche Einkommensgruppen auf Differenzen in den Beiträgen reagieren. Hierzu gibt es keine validen Erkenntnisse.

Die weitergehende Frage, wie sich der Kassenwettbewerb auf die Versorgungsqualität auswirkt, ist noch spekulativer. Die Leistungen der Kassen sind überwiegend gesetzlich fixiert. Bei der Arzt- und Krankenhausvergütung verhandeln die Kassen kollektiv. Lediglich in begrenztem Umfang besteht die Möglichkeit, zusätzliche Satzungsleistungen zu gewähren. Von besonders starken Effekten ist deshalb nicht auszugehen. Hierzu müsste den Kassen mehr Gestaltungsfreiheit auf der Leistungsseite gegeben werden. Wie oben erwähnt, könnte es dann zu einer Verzerrung des Leistungsangebots kommen, um niedrige Risiken zu gewinnen und hohe Risiken zu vermeiden.

Fazit

Die Kombination von Gesundheitsfonds und einkommens­unabhängigen Zusatzbeiträgen mit Sozialausgleich ist grundsätzlich gut geeignet, einen Kassenwettbewerb mit einem Ausgleich zwischen Arm und Reich zu vereinen. Jedoch wurde sie schon vor ihrer ersten Bewährungsprobe abgeschafft. In den letzten Jahren hat kaum Wettbewerb mit Zusatzbeiträgen stattgefunden, weil die Kassen hohe Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhielten. Erst eine Kürzung dieser Zuweisungen hätte den Test erbracht. Der Gesetzgeber hat sich stattdessen entschieden, die Kassen wieder mit unterschiedlichen Beitragssätzen konkurrieren zu lassen. Wie dies den Wettbewerb zwischen den Kassen beeinflusst, ist unklar. Eindeutig ist jedoch, dass der Sozialausgleich für einkommensschwache GKV-Mitglieder innerhalb der GKV erfolgen wird. Diese Lösung ist bequem für die Bundesregierung, weil sie keine Mittel für den Sozialausgleich aus dem Bundeshaushalt finanzieren muss. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Unterstützung einkommensschwacher Bürger muss somit weiter hauptsächlich von den einkommensstärkeren GKV-Mitgliedern getragen werden.

Ich danke Elisabeth Allgoewer, Jan Brosse, Christina Edingloh und Konrad Himmel für hilfreiche Kommentare.

  • 1 Vgl. W. Richter: Gesundheitsprämie oder Bürgerversicherung? Ein Kompromiss­vorschlag, in: Wirtschaftsdienst, 85. Jg. (2005), H. 11, S. 693-697.
  • 2 M. Kifmann, M. Rüger: Einmalige Chance für einen Nachhaltigkeitsfonds Gesundheit?, in: ifo Schnelldienst, 65. Jg. (2012), Nr. 23, S. 17-19.
  • 3 Bundesministerium für Gesundheit: Das GKV-Finanzierungsgesetz. Für die Gesundheit von morgen, Publikation BMG-G-10020, Berlin 2010.
  • 4 Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG), Drucksache 18/1307, Berlin 2014, S. 1.
  • 5 Vgl. F. Breyer, P. Zweifel, M. Kifmann: Gesundheitsökonomik, 6. Aufl., Berlin 2013, Kap. 7.
  • 6 S. Drösler, J. Hasford, B.-M. Kurth, M. Schaefer, J. Wasem, E. Wille: Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009, Bonn 2011; D. Göpffarth: Zweites Jahr Morbi-RSA – Stabilität und Bestätigung, in: Gesundheits- und Sozialpolitik, 66. Jg. (2012), H. 1, S. 8-15.
  • 7 Deutscher Bundestag, a.a.O., S. 2.

Der Gesundheitsfonds – ein Beitrag zu Gerechtigkeit, Zukunftssicherung und funktionierendem Wettbewerb im GKV-System?

Der medizinische Fortschritt und der wachsende Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung gelten als sehr wahrscheinliche und stärkste Ursachen für auch zukünftig steigende Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).1 Daher steht die Politik vor der Herausforderung, wie die Mehrbelastungen gerecht verteilt und das Finanzierungssystem zukunftsfähig und sicher gestaltet werden können.

Diese Diskussionen sind jedoch nicht neu, seit Jahren wird um Lösungen gerungen. Im vergangenen Jahrzehnt wurden zwei potenzielle Lösungskonzepte propagiert, bekannt unter den Schlagworten „Bürgerversicherung“ und „Kopfpauschale“. Das erste Konzept (vornehmlich von SPD und Grünen) sieht – aus verteilungspolitischen Gründen sowie um eine breitere Einnahmebasis in der GKV zu erreichen – vor, größere Bevölkerungsanteile und mehrere Einkommensarten in die solidarische Sicherung einzubeziehen.2 Das zweite Konzept (vornehmlich der CDU) setzt auf einkommensunabhängige Prämien für alle, vor allem um die Arbeitskosten von den Krankenkassenbeiträgen abzukoppeln und damit die Arbeitgeber zu entlasten.3 Da diese beiden Ansätze allerdings in der Wahrnehmung der Akteure unvereinbar waren, wurde ein Kompromiss gesucht und auch gefunden: der Gesundheitsfonds.4

Leider bedeutet dieser Kompromiss keineswegs, dass der Gesundheitsfonds in seiner bisherigen Ausgestaltung für eine gerechte Verteilung der Lasten und eine in der Zukunft gesicherte Finanzierungsbasis des Gesundheitssystems sorgt. Vielmehr hat er hauptsächlich den Vorteil, dass seine Konzeption beiden oben genannten Parteien/Partei-Gruppen ermöglichen würde, ihr eigenes Konzept relativ problemlos zu installieren, sollten die politischen Mehrheiten es einmal zulassen.

Da dies aber wohl keine adäquate Begründung für ein Gesetz darstellt, wurde der Gesundheitsfonds in das GKV-WSG, das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“, eingebettet, 2007 beschlossen und zum 1.1.2009 eingeführt. Damit wurde der Fokus auf mehr Transparenz beim Leistungs- und Kostenmanagement der Krankenkassen und auf effizienteren Wettbewerb im Gesundheitssystem gelegt.

Mehr Wettbewerb

Ansatzpunkt war dabei die Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Krankenkassen. Der Kassenwettbewerb war bereits Anfang der 1990er Jahre mit der Organisationsreform der Krankenkassen und ab 1996 durch die Implementierung der freien Kassenwahl für nahezu alle Versicherten bei gleichzeitigem Kontrahierungszwang seitens der Kassen auf eine systematische Basis gestellt worden.5 Auch wenn die Kassenwahlfreiheit rasch zu merklichen Änderungen in den Marktanteilen der Krankenkassen führte und die wettbewerbliche Herausforderung vom Management der meisten Kassen angenommen wurde, blieb die Zahl der Kassenwechsler gleichwohl überschaubar.6 Zwar bestanden durchaus nennenswerte Beitragssatzunterschiede, diese waren jedoch aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen prozentualen Wert handelte und der kassenspezifische Beitrag zudem direkt vom Arbeitgeber zusammen mit den anderen Steuern und Sozialabgaben eingezogen wurde, für die meisten Versicherten nicht unmittelbar transparent. Diese Situation wurde nun durch den Gesundheitsfonds entscheidend verändert: Mit seiner Einführung wurden die an ihn zu entrichtenden Krankenkassenbeiträge bundesweit auf 15,5% vereinheitlicht. Krankenkassen, die mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskamen, mussten einen Zusatzbeitrag erheben – und zwar direkt von den Mitgliedern, außerhalb des üblichen Beitragseinzugs, mit gesonderter Zahlungsaufforderung. Der Zusatzbeitrag muss seit Januar 2011 (nach dem GKV-Finanzierungsgesetz) obligatorisch einkommensunabhängig als fester Euro-Betrag erhoben werden. Kassen hingegen, bei denen die Zuweisungen aus dem Fonds ihren Finanzbedarf übersteigen, können Prämien an ihre Mitglieder auszahlen. Zum ersten Mal mit einem klaren „Preissignal“ konfrontiert, reagierten viele GKV-Mitglieder prompt und nutzten umgehend nach Einführung eines Zusatzbeitrags ihrer jeweiligen Krankenkasse ihr genau für diesen Fall bestehendes Sonderkündigungsrecht, um zu einer Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhob oder gar von der Möglichkeit einer Prämienausschüttung Gebrauch machte.

Um den miteinander konkurrierenden Krankenkassen gleiche Chancen im Wettbewerb zu geben und Anreize zur Risikoselektion als Geschäftsmodell zu verringern, hatte der Gesetzgeber den Gesundheitsfonds mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) gekoppelt. Dieser sorgt dafür, dass die Finanzsituation einer Krankenkasse nicht mehr so stark wie zuvor von ihrer Versichertenstruktur abhängt, da die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Krankenkassen nunmehr neben den Kriterien Alter, Geschlecht und Erwerbsminderungsrentenstatus auch die Zugehörigkeit zu definierten Morbiditätsgruppen als Grundlage für die Zahlungen berücksichtigen. Auch Unterschiede in der Einkommensstruktur der Versicherten spielen (anders als in der Zeit vor dem Gesundheitsfonds) mit Einführung der einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge keine Rolle mehr für die Finanzsituation einer Kasse. So sollte es für das Management der Krankenkassen stärker als in der Vergangenheit möglich sein, finanzielle Vorteile aufgrund eines erfolgreichen Vertrags-, Versorgungs- und Leistungsmanagements sowie einer effizienten Verwaltung und weniger aufgrund der Zusammensetzung ihrer Versichertenschaft zu generieren.7

Wie schon erwähnt waren aber die Preissignale durch Einführung von Zusatzbeiträgen so deutlich, dass die Kassen, die aufgrund einer schlechten Finanzsituation zu diesem Mittel greifen mussten, größere Teile (bis zu 40%) ihrer Mitglieder verloren, was ihre Situation weiter verschlimmerte. Folge waren Fusionen und Kassenschließungen. Als Konsequenz kristallisierte sich recht schnell die Vermeidung eines Zusatzbeitrages mit allen Mitteln als vorrangiges Ziel aller Krankenkassen heraus – was den meisten (mit Unterstützung der konjunkturell guten Lage und der damit steigenden Beitragseinnahmen des Gesundheitsfonds und daraus resultierenden Zuweisungen) gelang, indem sie sparsam wirtschafteten und Ausgaben (Leistungen) möglichst beschränkten. Der starke Druck, Kosten und damit einen Zusatzbeitrag auf jeden Fall zu vermeiden, führte dazu, dass kaum in die Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung investiert wurde, auch da der finanzielle Nutzen unter Umständen erst nach Jahren deutlich würde und schwer zu kalkulieren wäre.

Die Dominanz des Preiswettbewerbs identifizierte auch die aktuelle Große Koalition als Problem. Mit dem gerade beschlossenen GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG)8 wird der Zusatzbeitrag ab Januar 2015 wieder einkommensabhängig und per Quellenabzug direkt vom Arbeitgeber einbehalten9. Außerdem wird mit einer kräftigen Kürzung der Zuweisungen des Gesundheitsfonds an die Krankenkassen bewirkt, dass wohl in kürzerer Zeit alle gesetzlichen Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben werden. Umgesetzt wird dieses Vorhaben mit einer Senkung des bundesweit einheitlichen Beitragssatzes an den Gesundheitsfonds auf 14,6% (paritätisch getragen von Arbeitgebern bzw. Rentenversicherungsträgern oder Ähnlichen und Arbeitnehmern), der bisher von den Mitgliedern alleine zu tragende Anteil von 0,9% wird abgeschafft. Genau in dieser Höhe besteht also theoretisch und auf die Gesamtheit gerechnet eine Lücke zwischen den bisherigen und den zukünftigen Zuweisungen, die die Kassen durch Zusatzbeiträge schließen müssen.

Bewertung

Wie ist der Gesundheitsfonds nun zu bewerten? Zunächst ist festzuhalten, dass er lediglich eine von mehreren Möglichkeiten darstellt, die Zahlungsströme im Gesundheitssystem zu organisieren. Positiv zu bewerten ist, dass gleichzeitig der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich eingeführt und seitdem weiterentwickelt werden konnte und damit eine zentrale Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb zwischen den Krankenkassen erfüllt ist – allerdings wäre der Morbi-RSA technisch auch ohne Gesundheitsfonds möglich.10 Auch wurde mit Einführung des Gesundheitsfonds der Finanzkraftausgleich vervollständigt, so dass Krankenkassen mit unterdurchschnittlichen Einkommen ihrer Mitglieder keine finanziellen Nachteile mehr haben. Darüber hinaus sollte die Flexibilität der Ausgestaltung des Gesundheitsfonds, in Zukunft die Beiträge zur solidarischen Finanzierung der GKV auf eine breitere Basis zu stellen und auch andere Einkommensarten und/oder größere Bevölkerungsteile einzubeziehen, nicht unterschätzt werden. Denn eine breite und zukunftsfähige Finanzierungsbasis des GKV-Systems wird auch in Zukunft im Fokus der gesundheitspolitischen Diskussion bleiben. Die Summe der beitragspflichtigen Einnahmen der GKV-Mitglieder ist im Vergleich zum Bruttosozialprodukt und zu den Gesundheitsausgaben in den letzten zwei Dekaden spürbar weniger gewachsen. Der Ausweg der vermehrten Steuerfinanzierung von Gesundheitsleistungen, z.B. durch Bundeszuschüsse in den Gesundheitsfonds, ist zwar konzeptionell gut begründbar, die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Höhe eines Bundeszuschusses ein Spielball der Politiker ist, je nach politischer Konstellation und finanzieller Lage leicht veränderbar. Angesichts der einzuhaltenden EU-Schuldenbremse wird die Bereitschaft des Finanzministers, Finanzmittel in das Gesundheitswesen zu geben, eher abnehmen als steigen.

Für die Krankenkassen bedeutete die Einführung des Gesundheitsfonds zunächst eine große Umstellung mit vielen Herausforderungen, die ja aufgrund der Gegebenheiten auch nicht von allen gemeistert werden konnten. Danach kam man in ruhigeres Fahrwasser, weil aufgrund der guten Konjunktur die Finanzlage der meisten Kassen – wie die des Gesundheitsfonds selbst – sehr zufriedenstellend war und auch noch ist. Die Neuerungen durch das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) werden aber dazu führen, dass ab 2015 wieder ein stärkeres Ringen um Zusatzbeiträge und Mitglieder beginnt. Leider wurde die Reduzierung der überstarken Preissignale von Beitragssteigerungen, die durch die Festlegung auf prozentuale einkommensabhängige Zusatzbeiträge und den Quellenabzug erfolgte, durch in letzter Minute in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Änderungsanträge im Vergleich zum Regierungsentwurf wieder zurückgenommen. Alle Kassen sind nun gezwungen, bei Einführung von Zusatzbeiträgen explizit auf das Sonderkündigungsrecht und auch auf die Möglichkeit, zu einer Krankenkasse mit geringerem Zusatzbeitrag wechseln zu können, hinzuweisen. Insofern bleibt offen, ob letztlich wieder der Preiswettbewerb im Vordergrund stehen wird oder andere Wettbewerbsparameter (Leistungen, Service sowie insbesondere die Entwicklung neuer Versorgungsprogramme) aus Sicht der Krankenkassen attraktiv erscheinen. Zumindest müssten sie sehr viel Werbe- und Informationsaufwand betreiben, um den Leistungs- und Versorgungswettbewerb in den Fokus zu rücken.

Für die Leistungserbringer hat der Gesundheitsfonds nur indirekte Auswirkungen, wenn seine Konzeption die Krankenkassen zwingt, extrem zu sparen – dann wird es in den Vergütungsverhandlungen schwieriger werden, höhere Vergütungen zu erwirken. Wenn eher Spielräume bestehen, innovative Versorgungskonzepte zu erproben, ergeben sich für Leistungserbringer auch Chancen, in Selektivverträgen mit Krankenkassen ihre Position zu stärken.

Für die Mitglieder bzw. Versicherten der Krankenkassen bedeuten die neuesten Änderungen in Bezug auf den Gesundheitsfonds, dass sie jetzt wieder genauer hinschauen müssen, was sie für ihre Krankenversicherung zahlen und welche Leistungen sie genau dafür erhalten. Auch im jetzigen Konzept ist klar, dass zukünftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen von den Versicherten über die Zusatzbeiträge und damit alleine zu tragen sind. Die Arbeitgeber werden damit nicht belastet – ob dies politisch langfristig Bestand hat, bleibt dabei abzuwarten.

Die Patienten, also der Teil der Versicherten, der Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen muss, interessieren sich vorrangig für die Qualität der Versorgung. Und für sie gilt das Gleiche wie für die Leistungserbringer: Sie sind nur indirekt betroffen, wenn die Krankenkassen aufgrund der getroffenen Festlegungen neue und andere Angebote finanzieren. Bisher hat sich nach Einführung des Gesundheitsfonds die Versorgung nicht grundlegend verbessert. Denn dazu sind natürlich auch gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine gute und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten begünstigen, vonnöten. Hier war man bisher noch sehr zögerlich. Neben nach wie vor bestehenden Hemmnissen in der Finanzausstattung11 wären insbesondere Veränderungen, die eine nachhaltige Implementierung von Managed-Care-Ansätzen fördern würden, wünschenswert. Ob das nächste Gesetzgebungsverfahren im Gesundheitsbereich, für das unter dem Arbeitstitel „Gesetz zur Verbesserung von Qualität und Versorgung im Gesundheitswesen“ noch für diesen Sommer ein Referentenentwurf angekündigt ist, hier zielführende Weiterentwicklungsansätze bietet, bleibt abzuwarten.

Somit ist eine neue Runde im zähen Ringen um eine Verbesserung unseres Gesundheitssystems eröffnet. Bisher ging es immer in kleinen Schritten und „im laufenden Betrieb“ voran – für einen großen, drastischen Reformschritt gab es keine Mehrheiten – und vielleicht auch keinen entsprechend dringenden Bedarf.

  • 1 Vgl. D. Cassel: Wege zur nachhaltigen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung, Paderborn 2005.
  • 2 SPD: Das wir entscheidet. Das Regierungsprogramm 2013-2017. Beschlossen vom Bundesparteitag am 14.4.2013 in Augsburg, 2013, http://www.spd.de/linkableblob/96686/data/20130415_regierungsprogramm_2013_2017.pdf, S. 73 f.; sowie Bündnis 90/Die Grünen: Zeit für den grünen Wandel. Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen. Bundestagswahlprogramm 2013. Beschlossen von der Bundesdelegiertenkonferenz vom 26.-28.4.2013 in Berlin, http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Wahlprogramm/Wahlprogramm-barrierefrei.pdf, S. 122 f.
  • 3 CDU: Freiheit und Sicherheit. Grundsätze für Deutschland. Das Grundsatzprogramm. Beschlossen vom 21. Parteitag in Hannover, 3.-4.12.2007, http://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/071203-beschluss-grundsatzprogramm-6-navigierbar_1.pdf, S. 62.
  • 4 H. Pressel: Der Gesundheitsfonds. Entstehung – Einführung – Weiterentwicklung – Folgen, Wiesbaden 2012.
  • 5 J. Wasem: Wahlfreiheit und Risikostrukturausgleich – eine neue Organisationsstruktur der GKV, in: Die Krankenversicherung, 45. Jg. (1993), S. 79-84.
  • 6 H. Andersen, M. M. Grabka: Kassenwechsel in der GKV 1997-2004. Profile – Trends – Perspektiven, in: D. Göpffarth, S. Greß, K. Jacobs, J. Wasem (Hrsg.): Jahrbuch Risikostrukturausgleich 2006. Zehn Jahre Kassenwahlfreiheit, St. Augustin 2006, S. 145-190.
  • 7 R. Jahn, S. Schillo, J. Wasem: Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Wirkungen und Nebenwirkungen, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 55. Jg. (2012), Nr. 5, S. 624-632.
  • 8 GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz, S. 6.
  • 9 Damit die unterschiedlichen beitragspflichtigen Einkommen der Mitglieder keinen Einfluss auf die Höhe des Zusatzbeitragssatzes haben, was wieder den Wettbewerb verzerren würde, wird zwischen den Krankenkassen ein Einkommensausgleich durchgeführt werden.
  • 10 ... und war auch deutlich vorher schon entwickelt worden, vgl. P. Reschke, S. Sehlen, G. Schiffhorst, W. F. Schräder, K. W. Lauterbach, J. Wasem: Klassifikationsmodelle für Versicherte im Risikostrukturausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung, Bonn 2005.
  • 11 So sind multimorbide Versicherte nach wie vor für die Krankenkassen „schlechte Risiken“, vgl. S. Drösler, J. Hasford, B. M. Kurth, M. Schaefer, E. Wille, J. Wasem: Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich, Endfassung, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin 2011, http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Publikationen/Forschungsberichte/2011/Evaluationsbericht_morbi-rsa.pdf.

Auf der Suche nach dem richtigen Wettbewerb

Ab 2015 gibt es in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine neue Finanzierungsarchitektur.1 Schon wieder, muss man hinzufügen, denn seit Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 handelt es sich bereits um dessen dritte Ausgestaltungsform (vgl. Tabelle 1). Zurzeit wird viel über die Folgen spekuliert, die sich vom kommenden Jahr an für den Wettbewerb der Krankenkassen ergeben werden. Während Gesundheitsminister Hermann Gröhe von einer Stärkung des Kassenwettbewerbs, von der zahlreiche GKV-Mitglieder in Form niedrigerer Beitragszahlungen profitieren würden,2 überzeugt ist, erwartet z.B. die Deutsche Bundesbank, dass sich der Kassenwettbewerb künftig weniger intensiv gestalten könnte.3 Doch wer von beiden hat recht? Die verblüffende Antwort lautet: beide. Allerdings beziehen sie sich jeweils auf einen anderen Referenzpunkt: Hermann Gröhe auf den Mitte 2014 aktuellen Status quo mit einem GKV-weit einheitlichen Beitragssatz zum Gesundheitsfonds und der vollständigen Abwesenheit kassenindividueller Zusatzbeiträge und die Deutsche Bundesbank auf die Situation, die sich vermutlich schon 2015, spätestens aber wohl 2016 unter den derzeit noch geltenden Beitragsbedingungen ergeben hätte, nämlich unterschiedlich hohe pauschale Zusatzbeiträge der Krankenkassen auf breiter Front.

Tabelle 1
GKV-Finanzierungsarchitektur vor und nach der Einführung des Gesundheitsfonds 2009
  Allgemeiner GKV-Beitragssatz Kassenindividueller Zusatzbeitrag (nur für Mitglieder) Risikostrukturausgleich
Bis 2008 kassenindividuell; seit 2004 für Mitglieder 0,9% mehr als für Arbeitgeber –– Demografie + Versicherte des Disease-Manage- ment-Programms (DMP) + rund 92% Einkommensausgleich
2009-2010 einheitlich 15,5% zum Gesundheitsfonds (Mitglieder 8,2%/Arbeitgeber 7,3%) pauschal oder prozentual; ab 8 Euro maximal 1% vom beitragspflichtigen Einkommen; kasseninterner Ausgleich Demografie + Zuschläge für maximal 80 Krankheiten + Pauschalen für Verwaltung/DMP
2011- 2014 (unverändert) obligatorisch pauschal; maximal 2% vom beitragspflichtigen Einkommen; steuerfinanzierter Sozialausgleich (unverändert)
Ab 2015 einheitlich 14,6% zum Gesundheitsfonds (Mitglieder 7,3%/Arbeitgeber 7,3%) obligatorisch prozentual vom beitragspflichtigen Einkommen dito + vollständiger Einkommensausgleich für Zusatzbeiträge

Quelle: eigene Darstellung.

Damit ist es mit der Verwirrung aber noch nicht getan, denn zur gewünschten Ausprägung des Wettbewerbs gibt es widersprüchliche Aussagen von führenden Gesundheitspolitikern der Bundesregierung. Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßte die neue Finanzierungsarchitektur im Deutschen Bundestag als „Schritt in Richtung eines Qualitätswettbewerbs und weg vom Preiswettbewerb, den wir derzeit haben“ und fügte hinzu: „Der Qualitätswettbewerb ist die einzige Begründung, weshalb wir keine Einheitskasse haben und weshalb wir überhaupt einen Wettbewerb zwischen mehr als 130 Krankenkassen haben wollen. Wir wollen ausschließlich einen Qualitätswettbewerb, aber keinen Preiswettbewerb.“4

Ganz anders hört sich das bei Jens Spahn an, dem gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag: „Wir brauchen den Wettbewerb, um einen guten Service, ein gutes Angebot sowie Sicherheit in der Versorgung für die Versicherten zu gewährleisten. Deswegen ist es uns ganz wichtig, dass der Wettbewerb zwischen den Kassen und damit auch die Vielfalt im Sinne der Versicherten erhalten bleibt. Dieser Wettbewerb soll sich natürlich auch im Preis widerspiegeln; denn natürlich hat der Preis im Wettbewerb eine wichtige Signalwirkung.“5

Diese Widersprüche lassen es geraten erscheinen, die Wettbewerbsthematik noch einmal etwas systematischer zu beleuchten. Blenden wir dazu zunächst noch einmal zurück in das Jahr 2007, in dem die Einrichtung des Gesundheitsfonds im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes beschlossen wurde.6 Laut ihrem Koalitionsvertrag von 2005 hatte sich die damalige Große Koalition ursprünglich vorgenommen, bei der GKV-Finanzierung für mehr Stabilität, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zu sorgen. Daraus wurde bekanntlich aber nichts, weil man sich bei der Kontroverse Bürgerversicherung versus Gesundheitsprämie (vulgo: Kopfpauschale) hoffnungslos ineinander verkeilt hatte. Um dennoch Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, wurde der Reformfokus kurzerhand neu ausgerichtet – Stärkung von Transparenz und Wettbewerb lauteten nunmehr die erklärten Zielsetzungen, und der Gesundheitsfonds wurde geboren.

Unvollendete Solidarische Wettbewerbsordnung

Nun datiert die bewusste wettbewerbliche Ausrichtung der GKV bereits zurück auf die frühen 1990er Jahre, als mit dem Gesundheitsstrukturgesetz die weithin unbeschränkte Kassenwahlfreiheit aller GKV-Mitglieder sowie – als „technischer Kern“ der Wettbewerbsordnung – der GKV-weite Risikostrukturausgleich (RSA) eingeführt wurden. Seither war die „Solidarische Wettbewerbsordnung“7 allerdings weitgehend ein Torso geblieben, und zwar vor allem aufgrund von zwei zentralen Defiziten: zum einen wegen verzerrter Beitragssätze und entsprechend falscher Handlungsanreize der Kassen und zum anderen wegen unzureichender Handlungsparameter, um Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung auf vertragswettbewerblicher Grundlage wirksam beeinflussen zu können.

In Bezug auf die Beitragssatzverzerrungen und Handlungsanreize hatte der Deutsche Bundestag bereits 2001 beschlossen, den RSA direkt morbiditätsorientiert weiterzuentwickeln. Dies ist mit zweijähriger Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan nunmehr zeitgleich mit der Einführung des Gesundheitsfonds 2009 erfolgt, zusammen mit der Vervollständigung des Finanzkraftausgleichs. Im Ergebnis ist es für die Kassen jetzt ungleich schwieriger, eine spürbare Verbesserung ihrer Finanzlage durch die Selektion günstiger Risiken zu bewerkstelligen, wozu vor 2009 insbesondere gesunde und einkommensstarke Versicherte gezählt hatten. Gleichwohl weist der „Morbi-RSA“ nach wie vor Schwächen auf, wie seine Evaluation durch den beim Bundesversicherungsamt angesiedelten Wissenschaftlichen Beirat gezeigt hat.8 Das heißt für den Kassenwettbewerb: Unabhängig davon, in welcher Ausgestaltung Beitragsunterschiede zwischen den Kassen bestehen – als Beitragssatzunterschiede wie vor 2009 bzw. in Gestalt pauschaler oder einkommensabhängiger Zusatzbeiträge wie seither –, sind sie nach wie vor ein ganzes Stück davon entfernt, als unverzerrte Preissignale zu fungieren. Das ändert sich auch durch die jetzt anstehenden RSA-Anpassungen nur partiell, zumal die bislang bestehenden „Unwuchten“ dazu beigetragen haben, dass die Kassen in ganz unterschiedlichem Umfang Rücklagen gebildet haben und die Signalwirkung künftiger (Zusatz-)Beitragsunterschiede allein schon aus diesem Grund weiterhin beeinträchtigt wird.

Unzureichender Vertragswettbewerb

Noch deutlich größer sind die wettbewerblichen Funktionsdefizite hinsichtlich der Handlungsparameter der Krankenkassen zur aktiven Einflussnahme auf Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, das der GKV den Gesundheitsfonds und kassenindividuelle Zusatzbeiträge beschert hat, die ohnehin eher bescheidenen Handlungsspielräume der Kassen in Sachen Selektivverträge durch die Reform der vormals dezidiert vertragswettbewerblich ausgestalteten „ambulanten Behandlung im Krankenhaus“ noch einmal verringert hat.9 Zudem lief Ende 2008 die als „Anschubfinanzierung“ bezeichnete pragmatische Form der Pauschalbereinigung der sektoralen Kollektivvergütungen für Verträge der Integrierten Versorgung aus, was zusammen mit der zeitgleichen Einführung des Gesundheitsfonds und der damit ausgelösten „Zusatzbeitragsphobie“ in diesem Kernbereich des selektiven Vertragsgeschehens zu einer anhaltenden Stagnation geführt hat.10

Auch unter der christlich-liberalen Bundesregierung sind die selektivvertraglichen Spielräume nicht etwa erweitert, sondern noch weiter eingeschränkt worden. Und wie sich die neue Große Koalition in dieser Frage am Ende verhält, muss erst einmal abgewartet werden. Jedenfalls sollten aus dem fast schon inflationären Gebrauch des Begriffs „Qualitätswettbewerb“ keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, denn dezidierte Vorschläge zum konsequenten Ausbau des vertragswettbewerblichen Instrumentariums entsprechend der vom Sachverständigenrat Gesundheit ausgegebenen Devise „mehr Vertragsfreiheit und weniger staatliche Regulierung“11 sind bislang nicht bekannt geworden. Ein Vorhaben wie die Einrichtung eines Innovationsfonds mit zentraler Mittelvergabe durch die korporatistischen sektoralen „Platzhirsche“ im Gemeinsamen Bundesausschuss lässt Befürworter eines versorgungsorientierten Wettbewerbs eher erschaudern, denn frohlocken.

Relativierung des einseitigen Preiswettbewerbs

Vor dem Hintergrund dieser Beschreibung der aktuellen Wettbewerbssituation, insbesondere im Hinblick auf die völlig unzureichenden vertragswettbewerblichen Handlungsspielräume, ist die Entscheidung der Großen Koalition sachgerecht, dass die kassenindividuellen Zusatzbeiträge künftig durchgängig einkommensabhängig ausgestaltet werden und überdies – als Folge der Umwidmung des einheitlichen Sonderbeitrags der Mitglieder zum Gesundheitsfonds in Höhe von 0,9 Beitragspunkten – mutmaßlich jede Kasse einen solchen Zusatzbeitrag „größer null“ erheben wird. Dabei ist unbestritten, dass einkommensabhängige Zusatzbeiträge, die überdies per Quellenabzugsverfahren direkt beim Arbeitgeber bzw. Rentenversicherungsträger erhoben werden, weniger Preistransparenz aufweisen als pauschale Zusatzbeiträge, die die Mitglieder direkt bei ihrer Kasse entrichten müssen. Genau das hatte 2010 und 2011 – in Verbindung mit einem „Referenzniveau von null“ beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag – aber zu gravierenden Mitgliederverlusten bei Kassen geführt, die einen pauschalen Zusatzbeitrag in einer Größenordnung von zumeist gerade einmal 8 Euro pro Monat erheben mussten. Wenn die seitens des RWI geäußerte Einschätzung zutrifft – und alles spricht dafür –, dass die Versicherten „vermutlich nicht von ineffizienten zu effizienten Kassen (wechselten), sondern von solchen, die aufgrund eines ungünstigen Risikopools ihrer Versicherten einen Zusatzbeitrag erheben mussten, zu solchen mit günstigem Risikopool“,12 war dieser Wettbewerb zwar hochgradig intensiv, aus Sicht der gesamten GKV aber dysfunktional und letztlich sogar schädlich, weil das ohnehin vielfach skeptisch beäugte Steuerungsinstrument Wettbewerb damit pauschal diskreditiert wurde.

Auch wenn die zentrale Maßnahme der jüngsten Finanzierungsreform, die künftig einkommensabhängige Ausgestaltung der kassenindividuellen Zusatzbeiträge bei vollständigem Einkommensausgleich, angesichts des rudimentären Zustands der Wettbewerbsorientierung der GKV zu begrüßen ist – im Übrigen auch, weil Zusatzbeitragsunterschiede allein bei den Mitgliedern spürbar werden und die Arbeitgeber somit kein Interesse haben, auf die Kassenwahlentscheidung ihrer Beschäftigten Einfluss zu nehmen –, bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück, weil allzu viele Reformaufgaben einmal mehr unerledigt geblieben sind, wie abschließend skizziert werden soll.

Unverändert großer Reformbedarf

Generell verweist die anhand der Zitate von Karl Lauterbach und Jens Spahn dargestellte Kontroverse um die erwünschte Ausprägung des Kassenwettbewerbs (Preis- und/oder Qualitätswettbewerb) auf eine grundlegende ordnungspolitische Orientierungslosigkeit in der deutschen Gesundheitspolitik. Natürlich muss es bei einem sinnvollen versorgungsorientierten Kassenwettbewerb immer um Preis-/Leistungs-Abwägungen der Versicherten gehen. Dabei sollten sich Bewertungen der Funktionalität und Intensität des Wettbewerbs jedoch niemals an der Zahl der Kassenwechsel orientieren, sondern an den Aktivitäten, mit denen sich die Kassen gezielt um die Verbesserung von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Präferenzorientierung der Gesundheitsversorgung ihrer Versicherten sowie des eigenen Service- und Managementhandelns bemühen.

Zwar ist es grundsätzlich sachgerecht, dass der einseitige Preiswettbewerb in der GKV ein Stück relativiert wird. Doch passt dazu in keiner Weise die geradezu groteske Verpflichtung der Kassen, ihre Mitglieder schriftlich auf preisgünstigere Konkurrenten hinzuweisen, wenn ihr eigener Zusatzbeitragssatz über dem Durchschnitt aller Kassen liegt. Dabei ist gegen ein Informationsportal des GKV-Spitzenverbands grundsätzlich wenig einzuwenden, aber warum sollen dort lediglich Preisinformationen vorgehalten werden und nicht zugleich auch Informationen zu wesentlichen Service- und Versorgungsaktivitäten der Kassen? Angesichts der heterogenen Interessenlage seiner Mitglieder dürfte der GKV-Spitzenverband hierzu allein jedoch strukturell überfordert sein.

Die einseitige und in ihrer Gesamtwirkung zu starke Ausrichtung des Kassenwettbewerbs auf die reine Preisdimension ist nicht allein der konkreten Ausgestaltung der GKV-Finanzierungsarchitektur geschuldet, sondern liegt ebenso an der nach wie vor unterentwickelten vertragswettbewerblichen Orientierung der GKV. Dass entsprechende ordnungspolitische Defizite allerdings nicht allein der Politik vorbehalten sind, macht der aktuelle Monatsbericht (Juli 2014) der Deutschen Bundesbank deutlich, der von einer geradezu erschreckenden Ahnungslosigkeit bezüglich grundlegender Systemmerkmale und Steuerungspotenziale der GKV gekennzeichnet ist. In dem rund 20 Seiten langen Berichtskapitel „Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung und Herausforderungen für die Zukunft“ kommen zentrale Begriffe der GKV-Reformdebatte wie Vertragswettbewerb oder Selektivverträge überhaupt nicht vor. Dies sollten Gesundheitsökonomen zum Anlass nehmen, sich immer wieder vor Augen zu führen, wie wichtig das ordnungspolitische Denken, Analysieren und Darstellen in Zusammenhängen gerade bei einem komplexen Gebilde wie dem System der Gesundheitsversorgung und ihrer Finanzierung ist: Gesundheitsfonds, Zusatzbeitrag, RSA, Kontrahierungszwang, Selektivverträge usw. müssen im Prinzip immer zusammen gedacht werden, wenn es um die Weiterentwicklung des Wettbewerbs in der GKV zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit geht. Die Ignoranz der Deutschen Bundesbank zeigt, dass dies offensichtlich keineswegs selbstverständlich ist.

Schließlich wurde schon darauf hingewiesen, dass die letzte Große Koalition die GKV-Finanzierung ursprünglich in puncto Stabilität, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit verbessern wollte, ehe sie plötzlich den Gesundheitsfonds gebar. Diese Aufgabe steht unverändert an, denn weder die Einführung des Gesundheitsfonds noch seine zwischenzeitlich erfolgten zwei Modifikationen haben die Finanzierung der GKV in irgendeiner Weise stabiler, nachhaltiger und gerechter gemacht (auch wenn dies jede Bundesregierung von jeder Reform behauptet). Insbesondere besteht die seit langem bekannte Wachstumsschwäche der beitragspflichtigen Einnahmen in ihrer derzeitigen Abgrenzung unverändert fort. Dabei scheint es zur personellen und einkommensmäßigen Erweiterung der Beitragsbasis für die solidarische Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes kaum eine ernsthafte Alternative zu geben, nachdem sich der vermeintliche Königsweg einer verstärkten Steuerfinanzierung sehr rasch als allzu „unsicherer Kantonist“ erwiesen hat und dies angesichts der Schuldenbremse des Bundeshaushaltes wohl auch bleiben dürfte. Eine solche Reform sollte tunlichst mit der Schaffung eines einheitlichen Wettbewerbsmarkts für alle Krankenversicherungen verbunden werden. Dies lässt erahnen, welche Reformmühen noch vor uns liegen. Die Zukunftsfähigkeit des Krankenversicherungssystems als gesellschafts- wie wirtschaftspolitischer Stabilitätsanker sollte es uns aber wert sein.

  • 1 Beschlossen im „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG)“ 2014, Bundesgesetzblatt 2014, Teil I Nr. 33 vom 24.7.2014.
  • 2 Erste Lesung zum GKV-FQWG am 9.5.2014, Bundestags-Plenarprotokoll, Nr. 18/34, S. 2868.
  • 3 Deutsche Bundesbank: Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung und Herausforderungen für die Zukunft, Monatsbericht Juli 2014, S. 44.
  • 4 Zweite und dritte Lesung zum GKV-FQWG am 5.6.2014, Bundestags-Plenarprotokoll, Nr. 18/39, S. 3376.
  • 5 Erste Lesung zum GKV-FQWG am 9.5.2014, a.a.O., S. 2874.
  • 6 Vgl. dazu auch die Beiträge von W. Richter und K. Jacobs im Wirtschaftsdienst-Zeitgespräch „Problematische Umsetzung der Gesundheitsreform“. W. F. Richter: Countdown beim Gesundheitsfonds, in: Wirtschaftsdienst, 88. Jg. (2008), H. 10, S. 631-636; K. Jacobs: Am Vorabend des Gesundheitsfonds – Kaum ein Problem gelöst, aber neue geschaffen, in: ebenda, S. 636-640.
  • 7 Zum Konzept der Solidarischen Wettbewerbsordnung in der GKV und seiner Genese vgl. D. Cassel, J. Wasem: Solidarität und Wettbewerb als Grundprinzipien eines sozialen Gesundheitswesens, in: D. Cassel, K. Jacobs, C. Vauth, J. Zerth (Hrsg.): Solidarische Wettbewerbsordnung, Heidelberg 2014; sowie K. Jacobs, H. Rebscher: Meilensteine auf dem Weg zur Solidarischen Wettbewerbsordnung, in: ebenda.
  • 8 S. Drösler, J. Hasford, B.-M. Kurth, M. Schaefer, J. Wasem, E. Wille: Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich, Endfassung vom 22.6.2011.
  • 9 Vgl. D. Cassel, I. Ebsen, S. Greß, K. Jacobs, S. Schulze, J. Wasem: Vertragswettbewerb in der GKV. Möglichkeiten und Grenzen nach der Gesundheitsreform der Großen Koalition, Bonn 2008. Mittlerweile firmiert dieser Leistungsbereich nach einer abermaligen grundlegenden Umgestaltung – allerdings weiterhin völlig selektivvertragsfrei – als „ambulante spezialfachärztliche Versorgung“.
  • 10 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung, Sondergutachten 2012.
  • 11 Ebenda, Ziffer 486. Vgl. hierzu auch P. Oberender, J. Zerth: Selektivverträge als „ökonomischer Kern“ der Solidarischen Wettbewerbsordnung, in: D. Cassel et al. (Hrsg.), a.a.O.; sowie C. Vauth, W. Greiner: Preis- und Leistungswettbewerb in der ambulanten, stationären und Integrierten Versorgung, in: ebenda.
  • 12 B. Augurzky, U. Roppel, H. Schmitz: Kehrtwende in der Gesundheitspolitik, RWI-Position, Nr. 59 vom 24.7.2014, S. 10.

Auswirkungen des Gesundheitsfonds – eine Zwischenbilanz

Seit der Einführung des Gesundheitsfonds in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Beginn des Jahres 2009 hat der Gesetzgeber mit der kürzlichen Verabschiedung des GKV-FQWG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung) schon zum zweiten Mal eine Reform der Finanzierungsstruktur in der GKV vorgenommen. Die erste Reform erfolgte mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG), das zum Beginn des Jahres 2011 in Kraft trat. Diese auch für den reformintensiven Gesundheitsbereich hohe Reformfrequenz deutet darauf hin, dass die ursprüngliche Konstruktion des Gesundheitsfonds durchaus problematische Aspekte hatte. Dazu zählten erstens die Einführung des einkommensunabhängigen Zusatzbeitrags und die dadurch entstehenden Wettbewerbswirkungen. Zweitens – und das ist in der gesundheitspolitischen Debatte weniger prominent als die Diskussion um die Wettbewerbswirkungen des Gesundheitsfonds – hat die Einführung des Gesundheitsfonds die Nachhaltigkeit der GKV-Finanzierung nicht gestärkt. Die strukturelle Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenversicherung blieb weitgehend unverändert. Einzige Maßnahme in diesem Zusammenhang war die gleichzeitig mit der Einführung des Gesundheitsfonds beschlossene Ausweitung der Steuerfinanzierung für die GKV. In der Begründung zum GKV-FQWG – und auch in der parlamentarischen Debatte dazu – behaupten wiederum die Regierung und der zuständige Bundesminister Gröhe, durch die neuerliche Finanzierungsreform würden die Finanzierungsgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung nunmehr auf eine dauerhaft solide Grundlage gestellt.1

In diesem Beitrag wird vor diesem Hintergrund erstens untersucht, welche Auswirkungen die Einführung des Gesundheitsfonds auf den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander hatte. Zweitens wird dargestellt, warum der Gesundheitsfonds bisher nicht zu einer nachhaltigeren Finanzierung der GKV beigetragen hat. Zum Schluss werden Maßnahmen abgeleitet, die jenseits des GKV-FQWG zur Überwindung der strukturellen Einnahmeschwäche in der Gesetzlichen Krankenversicherung notwendig sind.

Gesundheitsfonds und Wettbewerb

Zum Verständnis der Wirkungen des Gesundheitsfonds ist ein kurzer Rückblick auf die politische Genese des vielschichtigen Konstrukts Gesundheitsfonds notwendig. Der Gesundheitsfonds war letztlich ein politischer Kompromiss in der ersten Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel.2 Die Union – insbesondere die CDU – hatte im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 eine Systemumstellung auf ein Prämienmodell mit steuerfinanziertem Sozialausgleich gefordert. Parallel wollte die SPD mit der Einführung einer Bürgerversicherung das System der einkommensabhängigen Finanzierung in der GKV beibehalten und ausbauen. Beide Konzepte waren nicht miteinander kompatibel. Nichtsdestoweniger konnte die Koalition mit der Einführung des Gesundheitsfonds einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden und damit Handlungsfähigkeit demonstrieren. Die Union interpretierte die Einführung des Zusatzbeitrags als Einstieg in das von ihr favorisierte Prämienmodell. Parallel konnte die SPD vor allem den Ausbau der Steuerfinanzierung sowie die Einführung des morbidititätsorientierten Risikostrukturausgleichs als Erfolg verbuchen.

Hinsichtlich der Wirkungen des Gesundheitsfonds auf den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander müssen dann auch die Wirkungen des Zusatzbeitrags und die Wirkungen des morbidititätsorientierten Risikostrukturausgleichs unterschieden werden. Letzterer hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Wettbewerbsnachteile von Krankenkassen mit überdurchschnittlich hohen Ausgabenrisiken deutlich reduziert wurden.3 Gleichzeitig hat die Konstruktion des Gesundheitsfonds dazu geführt, dass Wettbewerbsnachteile aufgrund unterdurchschnittlich hoher beitragspflichtiger Einnahmen gar nicht erst entstehen können.4 Die verbleibenden Schwächen im Modell des Risikostrukturausgleichs – insbesondere bezüglich der Annualisierung der Ausgaben für verstorbene Versicherte und des Ausgleichs der Ausgaben für Krankengeld und Auslandsversicherte – wurden im Koalitionsvertrag der aktuellen Großen Koalition sowie im GKV-FQWG aufgegriffen und werden zukünftig im Rahmen des wirtschaftlich Machbaren kompensiert.

Diese erheblichen Fortschritte bei den Rahmenbedingungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung wurden letztlich durch zentrale Konstruktionsfehler bei der Einführung des Zusatzbeitrags überlagert. Der pauschale Zusatzbeitrag als preislicher Wettbewerbsparameter sollte im Vergleich zum einkommensabhängigen Beitragssatz zu einer höheren Transparenz und Spürbarkeit von Preisänderungen bei den Versicherten führen. Diese Erwartungen wurden erfüllt – allerdings anders als erwartet. Die Einführung von geringfügigen Zusatzbeiträgen führte zur massenhaften Abwanderung von Versicherten, so dass sich im Laufe der Zeit die durchaus zutreffenden Metaphern vom „Zusatzbeitragsmikado“ bzw. von der „Dominanz der Zusatzbeitragsvermeidung“ entwickelten.5 Diese Entwicklung wurde auch durch die Anhebung des einkommensabhängigen Beitragssatzes im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes nicht gestoppt. Die Krankenkassen horteten finanzielle Rücklagen, um möglichst lange ohne Zusatzbeiträge auskommen zu können. Der Preiswettbewerb der Krankenkassen untereinander dominierte den Qualitätswettbewerb, weil Investitionen in die Qualität der Versorgung zur Verbesserung der finanziellen Position unterblieben. Die Verbesserung der wettbewerblichen Rahmenbedingungen durch die Optimierung des Risikostrukturausgleichs hat letztlich zwar zu einer angemesseneren Verteilung der Beitragsmittel auf die Krankenkassen gesorgt – die erhofften Anreizwirkungen zur Entwicklung von Versorgungsinnovationen sind jedoch weitgehend ausgeblieben.

Der aktuelle Gesetzgeber will die Dominanz des Preiswettbewerbs durch die Einführung eines für die Versicherten weniger spürbaren einkommensabhängigen Zusatzbeitrags zugunsten des Qualitätswettbewerbs zurückdrängen. Diese Regelung des GKV-FQWG stellt insofern eine Zäsur dar, als dass sich die Union damit von dem seit Einführung des Gesundheitsfonds propagierten Prämienmodell verabschiedet. Dieser Schritt ist folgerichtig, weil sich der pauschale Zusatzbeitrag im Kontext des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenkassen untereinander als dysfunktional erwiesen hat.

Gesundheitsfonds und Nachhaltigkeit

Weder die Einführung des Gesundheitsfonds noch eine der nachfolgenden Finanzierungsreformen haben grundsätzlich etwas an der strukturellen Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenversicherung geändert. Diese Aussage mag zunächst angesichts der gegenwärtigen Überschüsse beim Gesundheitsfonds und vielen Einzelkassen verwundern. Die strukturelle Einnahmeschwäche wird aber in Anbetracht steigender Gesundheitsausgaben, der Konsolidierungszwänge des Bundesfinanzministers und vor allem bei der nächsten konjunkturellen Eintrübung in naher Zukunft virulent werden.

Die Nachhaltigkeit der GKV-Finanzierung wird vor allem durch die negative Risikoselektion zulasten der privaten Krankenvollversicherung und Schwächen bei der Beitragsbemessung beeinträchtigt. Traditionell verlassen vor allem Versicherte mit überdurchschnittlichem Einkommen und unterdurchschnittlich hohen gesundheitlichen Ausgabenrisiken die Gesetzliche Krankenversicherung. So war das durchschnittliche Einkommen der Versicherten in der Privaten Krankenversicherung (PKV) im Jahr 2010 mehr als doppelt so hoch wie das durchschnittliche Einkommen der Versicherten in der GKV. Die steigende gesellschaftliche Ungleichheit bei der Verteilung des Einkommens hat außerdem dazu geführt, dass die Einkommensunterschiede zwischen GKV und PKV seit dem Jahr 2000 deutlich zugenommen haben.6 Die Selbstselektion der Versicherten an der Systemgrenze von GKV und PKV führt letztlich dazu, dass die verbleibenden Versicherten in der GKV dauerhaft mit einer geringeren Beitragsbasis höhere Ausgaben pro Kopf finanzieren müssen.

Die Nachhaltigkeit der GKV-Finanzierung wird außerdem durch die Schwächen in der Beitragsbemessung deutlich beeinträchtigt. Erstens werden Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze nicht zur Finanzierung der GKV herangezogen. Dies führt nicht nur zu einer Verringerung der Einnahmenbasis, sondern auch zu massiven vertikalen und horizontalen Gerechtigkeitsdefiziten bei der GKV-Finanzierung. Einerseits wird mit der Beitragsbemessungsgrenze der Grundsatz der Finanzierung nach Leistungsfähigkeit verletzt. Versicherte mit einem Einkommen oberhalb der Grenze tragen proportional zu ihrem Einkommen weniger zur Finanzierung der GKV bei als Versicherte mit einem Einkommen unterhalb der Grenze. Andererseits führt die Beitragsbemessungsgrenze zu massiven Ungleichbehandlungen unterschiedlicher Haushaltstypen. So müssen Ehepartner mit sehr stark unterschiedlichen Einkommenshöhen bei gleichem Haushaltseinkommen deutlich niedrigere Beiträge zahlen als Ehepartner mit ähnlich hohem Einkommen.7

Ähnliche Probleme ergeben sich durch die Tatsache, dass zumindest bei Pflichtversicherten in der GKV nur das Einkommen aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit verbeitragt wird. Die Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsprobleme ergeben sich hier nicht nur aus der Nichtberücksichtigung von Einkommen aus Vermögen, sondern auch aus den zunehmenden Abgrenzungsproblemen von Einkommen aus selbständiger und nicht selbständiger Arbeit.8

Weder die Einführung des Gesundheitsfonds noch die beiden folgenden Finanzierungsreformen – einschließlich des aktuell verabschiedeten GKV-FQWG – haben an der Dualität von GKV und PKV sowie an den Schwächen der Beitragsbemessung in der GKV grundsätzlich etwas verändert.9 Die einzige Maßnahme zur Überwindung der strukturellen Einnahmeschwäche im Zusammenhang mit der Einführung des Gesundheitsfonds bestand im Ausbau der Steuerfinanzierung. Der deutliche Ausbau der Steuerfinanzierung von 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2007 auf geplante 14 Mrd. Euro im Jahr 2016 war Bestandteil des politischen Kompromisses, der zur Einführung des Gesundheitsfonds geführt hat.

In der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde dieser Aufwuchs im Rahmen des Konjunkturpakets II deutlich beschleunigt. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat zudem 2010 einen außerordentlichen Bundeszuschuss in Höhe von 3,9 Mrd. Euro beschlossen, durch den die Einnahmeausfälle als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise kompensiert werden sollten. Am höchsten war der Finanzierungsanteil durch Steuermittel dann auch mit immerhin knapp 10% der Gesamtausgaben im Jahr 2010.

Für eine Teilfinanzierung der GKV-Ausgaben durch Steuermittel sprechen in erster Linie Gerechtigkeitsaspekte. Zumindest bei der Erhebung der Einkommensteuer ist der Grundsatz der Leistungsfähigkeit deutlich ausgeprägter als in der Beitragsfinanzierung der GKV. Die Einkommensteuer verläuft bei höheren Einkommen mindestens proportional zum Einkommen, während die Beitragsbemessungsgrenze für einen regressiven Effekt sorgt. Selbst die Mehrwertsteuer wirkt wegen der vielfältigen Ausnahmen vom vollen Mehrwertsteuersatz nur mäßig regressiv. Dieser Umverteilungseffekt der Steuer wird noch dadurch verstärkt, dass auch privat versicherte Personen sich der Steuerzahlung nicht entziehen können.10

Ein weiterer Ausbau oder auch nur eine Stabilisierung des Bundeszuschusses ist allerdings derzeit nicht abzusehen. Der fiskalische Spielraum des Bundes wird zukünftig durch die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse und den auf europäischer Ebene vereinbarten Fiskalpakt deutlich eingeschränkt. Insofern überrascht es auch nicht, dass mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2014 der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung von ursprünglich geplanten 14 Mrd. Euro auf 10,5 Mrd. Euro im Jahr 2014 bzw. 11,5 Mrd. Euro im Jahr 2015 „vorübergehend“ abgesenkt wurde.11

Überwindung der strukturellen Einnahmeschwäche

Zur Überwindung der strukturellen Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenversicherung bieten sich zwei Maßnahmen an. Erstens könnte der Gesetzgeber den Bundeszuschuss zur GKV mit einer klaren Regelbindung verknüpfen. Vorbildlich sind in diesem Zusammenhang die Regelungen in den Niederlanden, wo der Steuerzuschuss klar an die Aufwendungen der Krankenversicherer für Kinder und Jugendliche gebunden ist. Von einer solchen klaren Regelbindung hat der Gesetzgeber in Deutschland jedoch Abstand genommen. Hintergrund war offensichtlich die nicht unberechtigte Befürchtung, dass die Privaten Krankenversicherer bzw. ihre Versicherten aus Gleichbehandlungsgründen einen vergleichbaren Zuschuss einfordern könnten.

Zur Korrektur der beschriebenen Defizite des Beitragssystems, zur nachhaltigeren Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und zur Kompensation des perspektivisch eher sinkenden Steueranteils plädiert der Autor letztlich für die schrittweise Einführung einer Bürgerversicherung. Dazu gehören die substanzielle Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, die Verbeitragung von sämtlichen Einkommensarten und die Einführung eines integrierten Versicherungssystems. Entsprechende Vorschläge liegen vor.12 Zwar hat sich die Umsetzung des Prämienmodells in Verbindung mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich als dysfunktional erwiesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass nun die politischen Mehrheiten für die Einführung einer Bürgerversicherung vorhanden wären. Die Umsetzung der oben genannten Maßnahmen steht daher zumindest in dieser Legislaturperiode nicht auf der Tagesordnung. Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist damit für ungünstigere konjunkturelle Rahmenbedingungen, den absehbaren Anstieg der Gesundheitsausgaben und den eher schrumpfenden Bundeszuschuss schlecht gewappnet.

  • 1 Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG), Drucksache 18/1307 vom 5.5.2014, Berlin 2014.
  • 2 H. Pressel: Der Gesundheitsfonds. Entstehung – Einführung – Weiterentwicklung – Folgen, Wiesbaden 2012.
  • 3 S. Drösler, J. Hasford, B.-M. Kurth, M. Schaefer, J. Wasem, E. Wille: Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin 2011.
  • 4 S. Greß, J. Wasem: Gesundheitsfonds und Morbi-RSA – Ein Zwischenfazit, in: D. Göpffarth, S. Greß, K. Jacobs, J. Wasem: Jahrbuch Risikostrukturausgleich 2009/2010. Von der Selektion zur Manipulation, Heidelberg 2010, S. 1-12.
  • 5 K. Jacobs, J. Wasem: Vier Jahre Gesundheitsfonds – ein Modell mit Zukunft?, in: Gesundheit und Gesellschaft-Wissenschaft, 13. Jg. (2013), Nr. 1, S. 15-22.
  • 6 D. Haun: Quo vadis, GKV und PKV? Entwicklung der Erwerbs- und Einkommensstrukturen von Versicherten im dualen System, in: K. Jacobs, S. Schulze: Die Krankenversicherung der Zukunft – Anforderungen an ein leistungsfähiges System, Berlin 2013, S. 75-106.
  • 7 S. Greß, H. Rothgang: Finanzierungsreform der Krankenversicherung in Deutschland. Vorschläge für ein Maßnahmenbündel jenseits der Kopfpauschale. WISO diskurs – Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2010.
  • 8 S. Greß, K.-J. Bieback: Zur Umsetzbarkeit einer Bürgerversicherung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit, Gutachten für die Arbeiterwohlfahrt, AWO Bundesverband, Berlin 2013.
  • 9 Die im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz beschlossene Verlängerung der Frist zum Wechsel in die PKV von einem auf drei Jahre wurde auf Druck der Privaten Krankenversicherung im Rahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes wieder rückgängig gemacht.
  • 10 S. Greß, S. Staudt, J. Wasem: Weg von der Beitrags- und hin zur Steuerfinanzierung? Konsequenzen einer Strukturreform aus ökonomischer Sicht, in: D. Felix: Die Finanzierung der Sozialversicherung, Berlin 2007, S. 5-24.
  • 11 S. Greß, K.-J. Bieback: Steuerfinanzierung in der Gesetzlichen Krankenversicherung – Keine Verlässlichkeit und Stetigkeit, in: ifo Schnelldienst, 67. Jg. (2014), Nr. 7, S. 6-9.
  • 12 Etwa K.-J. Bieback: Sozial- und verfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, 2. Aufl., Baden-Baden 2014; S. Greß, K.-J. Bieback: Zur Umsetzbarkeit einer Bürgerversicherung …, a.a.O.

Gesundheitsfonds – kaum effizient und wenig transparent

Der Gesundheitsfonds ist 2007 als Kompromiss der damaligen Großen Koalition ins Leben gerufen worden. Es standen einerseits die Vorstellungen der CDU über einen effizienteren Wettbewerb dem Ziel der SPD für eine gerechtere Mittelverteilung gegenüber. Der Gesundheitsfonds sollte beide Vorstellungen verwirklichen. Die Mittel aller Krankenkassen werden im Fonds eingesammelt. Damit spielt die jeweilige Finanzierungsstärke der Krankenkasse keine Rolle mehr. Die Fondsmittel werden dann nach Bedarfskriterien der Versicherten auf die verschiedenen Krankenkassen verteilt bzw. zugewiesen. Sollten diese Mittel nicht ausreichen, müssen einzelne Krankenkassen durch einen Zusatzbeitrag ihren zusätzlichen Bedarf abdecken. Dieser Zusatzbeitrag sollte den Wettbewerb intensivieren und damit die Gesetzliche Krankenversicherung effizienter gestalten. Weiter war vorgesehen, dass der Gesundheitsfonds nur 95% des Versorgungsbedarfs der Krankenkassen decken sollte, um so mittelfristig alle Krankenkassen zu einem Zusatzbeitrag zu zwingen.

Dieser politische Kompromiss, den der Gesundheitsfonds darstellt, kann durchaus als ein Vorläufer der Kompromisse auf europäischer Ebene im Rahmen der verschiedenen Sicherungsfonds für die Finanzmärkte eingestuft werden. Auch dort wird versucht, durch einen übergreifenden Rettungsschirm Risiken zwischen den Mitgliedern auszugleichen. Zugleich werden die eigenen Bemühungen, das heimische Finanzsystem zu reformieren, geschwächt.

Der Gesundheitsfonds trat zum 1.1.2009 in Kraft und ist heute seit über fünf Jahren Realität. Erleuchtend ist auch, dass die politischen Parteien, die gegen diesen Gesundheitsfonds Stellung bezogen haben, sich dann, als sie selbst Gestaltungsmöglichkeiten hatten, im Rahmen der nachfolgenden Kleinen Koalition eine Rücknahme des Gesundheitsfonds nicht mehr in Betracht zogen. Damit kann man davon ausgehen, dass der Gesundheitsfonds in der Gesundheitspolitik als gesetzt gilt und niemand die politische Aufgabe übernehmen will, ihn wieder rückabzuwickeln, oder auch nur zu relativieren!

Der Gesundheitsfonds ist organisatorisch eng mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) verbunden. Allerdings ist er keine Voraussetzung dafür, sondern er ist eine Möglichkeit, den Morbi-RSA zu organisieren. Von daher müssen wir im Weiteren die beiden Aspekte voneinander trennen. Schließlich hat es auch schon vor Einführung des Gesundheitsfonds einen Risikostrukturausgleich (RSA) gegeben, der durchaus funktionierte, wenn er auch noch nicht direkt Krankheitsrisiken ausglich.

Der Gesundheitsfonds: ein zweiter Länderfinanzausgleich

Der Gesundheitsfonds nimmt den einzelnen Krankenkassen jegliche Finanzautonomie, es sei denn sie benötigen einen Zusatzbeitrag. Dies führt dazu, dass die einzelnen Krankenkassen es schwer haben ihren Beitragszahlern zu erklären, dass ihre Beiträge nicht mehr bei ihrer Krankenkasse verbleiben. Für die Beitragszahler ist das System schlicht unverständlich und selbst für die betroffenen Krankenkassen wenig transparent. Die Beiträge erhalten den Charakter von Zwecksteuern.

Zugleich wird deutlich, dass die nach Grundlohnsumme höchst unterschiedlichen Beitragssummen der einzelnen Kassen nicht den Zuweisungen aus dem Fonds entsprechen. Krankenkassen, die überdurchschnittliche Beiträge abführen, aber nur durchschnittliche Zuweisungen für ihre Versicherten und Patienten erhalten, sind insgesamt die Verlierer, und umgedreht sind finanzschwache Krankenkassen mit morbiditätsanfälligen Versicherten Gewinner. Aus diesem Grunde trifft es vor allem die einkommensstarken Bundesländer mit niedrigen Arbeitslosenquoten stärker, während die Bundesländer mit niedrigem Primäreinkommen profitieren.

Dies hat dem Gesundheitsfonds den Vorwurf eingebracht ein zweiter Länderfinanzausgleich zu sein, der vom Volumen her mutmaßlich den Länderfinanzausgleich um ein Mehrfaches übertrifft. Genaue Zahlen sind allerdings nicht bekannt, da die Mittelabführung der Krankenkassen an den Gesundheitsfonds derzeit nicht regionalisiert erfasst werden und von daher nicht auf Bundesländer zugeordnet werden können. Die letztgenannten Umverteilungseffekte werden zurzeit immer wieder diskutiert. Es kann sein, dass vor diesem Hintergrund der gegenwärtige Länderfinanzausgleich ein Stück zurückgeführt wird, während der Einkommensausgleich durch den Gesundheitsfonds quasi als kompensatorischer Effekt beibehalten wird. Es käme wiederum zu einem politischen Geschäft.

Fondsmanagement wichtiger als Patientenmanagement

Die Krankenkassen, die nun durchschnittliche Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für ihre Versicherten erhalten, sollten angereizt werden, durch ein gezieltes Versorgungsmanagement ihre spezifischen Ausgaben zu drücken. So könnten einzelne Krankenkassen aus den durchschnittlichen Fondszuweisungen und den eigenen tatsächlichen Ausgaben quasi eine Marge für sich erwirtschaften. Allerdings dominieren Kollektivverträge die größten Ausgabenbereiche, nämlich die Krankenhausentgelte und – abgeschwächt – die vertragsärztlichen Vergütungen. Lediglich im Bereich der Medikamente, für die der Patentschutz ausgelaufen ist, haben die einzelnen Krankenkassen Gestaltungsfreiräume.

Leichter fällt es den Krankenkassen, auf Änderungen der Zuweisungsalgorithmen durch den Fonds hinzuwirken. So sind jetzt die Zuweisungen für Krankengeld und unterjährig Verstorbene für 2015 verändert worden. Ebenfalls lassen die Versichertenmerkmale sich so gestalten, dass die Zuweisungen höher ausfallen. Das „Zuweisungsmanagement“ ist wichtiger als das Patientenmanagement für den Erfolg einer Kasse. Dies hat aber nichts mit einer Effizienzsteigerung der Versorgung zu tun.

Abbildung 1
Bundeseinheitliche Fonds-Zuweisungen führen zu bundeseinheitlichen Vergütungen/Einheitspreisen
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Quelle: eigene Darstellung.

Einheitspreise als Folge des Fonds

Ein Effekt des Gesundheitsfonds ist, dass die einheitlichen Zuweisungen deutschlandweit zu einheitlichen Vergütungen der Leistungserbringer führen (vgl. Abbildung 1). Bundeseinheitliche Vergütungen für die Leistungserbringer führen aber zu einer Vereinheitlichung des Leistungsgeschehens, da die Leistungserbringer sich nicht in der Lage sehen, bestimmte spezifische Besonderheiten der Versorgung gebührend aufzugreifen und zu beantworten. Das heißt, die Vergütungen verlieren ihre Steuerungsfunktion. Schließlich sind einheitliche Preise allenfalls als Finanzierungsinstrument zu akzeptieren. Aber sie verlieren ihre Steuerungsfunktion in dem Sinne, dass sie nach Angebot und Bedarf flexibel und bedarfsorientiert steuern. Da letztendlich die Leistungserbringer zumindest in Teilbereichen stark organisiert sind, haben einheitliche Vergütungen mutmaßlich die Ausgaben der Krankenkassen nicht abgesenkt, sondern kollektiv angehoben.

Eine Folge von Einheitspreisen ist, dass nun in das System eine Reihe von Sondervergütungen und Zu- und Abschlägen eingebaut werden, die politisch bestimmt sind und damit ein Stück Willkürlichkeit beinhalten, aber kaum auf die regionalen und lokalen Besonderheiten der Versorgung eingehen. Es zeigt sich mithin, dass Einheitspreise für Gesundheitsdienstleistungen letztlich nicht durchzuhalten sind und durch Regulierung kompensatorisch flexibilisiert werden müssen. Sehr viel besser wäre es, wenn Krankenkassen aufgrund unterschiedlicher Finanzkraft und Einkommenslage auch unterschiedliche Versorgungen organisieren und entsprechend differenzierte Vergütungen vereinbaren können.

Der Gesundheitsfonds als Innovationsbremse

Mit Einführung des Gesundheitsfonds wurden auch die Beitragssätze der Krankenkassen vereinheitlicht und eingefroren. Höheren Finanzbedarf sollten Krankenkassen durch den Zusatzbeitrag abdecken. Dies hat zunächst den Beitragswettbewerb zwischen den Krankenkassen auf Null herabgesetzt. Die Vorstellung, dass damit der Wettbewerb über die Versorgung intensiviert wird, wurde – wie schon oben beschrieben – durch die letztlich kollektivvertragliche Gestaltung der Verträge mit den Leistungserbringern ein Stück ausgehöhlt bzw. konterkariert. Zwar haben die Krankenkassen die Möglichkeit Selektivverträge, d.h., jenseits der Kollektivverträge eigene Verträge mit Leistungserbringern abzuschließen. Diese Selektivverträge sollten durch Zusatzbeiträge refinanziert werden können und so den Krankenkassen die Möglichkeit geben, sich ein neues Preis-/Leistungsprofil zu geben.

In der Realität lässt sich feststellen, dass der Zusatzbeitrag für die Krankenkassen in erster Linie auf jüngere und relativ gesunde Beitragszahler abschreckend wirkt und eine bessere Versorgung mit Gesundheitsleistungen für diese Gruppe unwichtig ist. Der empirische Nachweis wurde bei einer Anhebung des Zusatzbeitrags im Jahr 2010 durch einige Kassen erbracht. Eine große Abwanderung von eher jungen und gesunden Versicherten war festzustellen. Und damit verloren die Krankenkassen Versicherte, die aufgrund der Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds positive Deckungsbeiträge liefern. Auf der anderen Seite aber würden durch Selektivverträge insbesondere solche Patienten auf Krankenkassen aufmerksam, deren Kosten in der Regel nicht zu 100% aus dem Gesundheitsfonds refinanziert werden. Von daher haben Krankenkassen aus finanzieller Sicht kein Interesse, das Versorgungsmanagement zu verbessern und so „schlechte Risiken“ auf sich zu ziehen, während auf der anderen Seite durch den benötigten Zusatzbeitrag die „guten Risiken“ vergrämt werden. Man kann also sagen, die Erwartung an den Zusatzbeitrag, dass er die Effizienz durch Innovationen steigern würde, ging gründlich daneben. Auch die aktuelle Veränderung des Zusatzbeitrags, gültig ab 2015, dürfte wenig daran ändern.

Überschüsse des Fonds – Folge höherer Effizienz?

Die eingesetzten Reformen der Kleinen Koalition im Jahr 2010 sorgten nun dafür, dass die Finanzlage der Krankenkassen sowie des Gesundheitsfonds sich nachhaltig verbesserten. Durch die Herabsetzung der Vergütungen der großen Leistungserbringergruppen, ebenso wie die Heraufsetzung des Beitragssatzes von 14,9% auf 15,5% und schließlich die sich stabilisierende Konjunkturlage am Arbeitsmarkt führten dazu, dass in der Folge die Krankenkassen, ebenso wie der Gesundheitsfonds, erhebliche Überschüsse erzielten. Diese Überschüsse sind aber nicht das Ergebnis höherer Produktivität des Fonds oder der Krankenkassen, sondern schlicht Ergebnis staatlicher Regulierung. Sie ermöglichten es, dass keine Krankenkasse ab dem Jahr 2012 einen Zusatzbeitrag erheben musste. Von daher ist die erwartete Effizienzwirkung des Zusatzbeitrags ebenfalls gleich Null.

Neugestaltung des Zusatzbeitrags ab 2015

Die Große Koalition hat beschlossen, den Zusatzbeitrag neu auszugestalten. Wurde bis 2015 der Zusatzbeitrag als absoluter Betrag von den Beitragszahlern eingefordert, so wird ab 2015 der Zusatzbeitrag nur prozentual vom Bruttogehalt beim Arbeitgeber einbehalten und an die Kasse abgeführt. Dies verringert spürbar die Merklichkeit des Zusatzbeitrags, wenn auch in der politischen Diskussion von einer Intensivierung des Wettbewerbs gesprochen wird. Richtig ist allerdings, dass durch die Herabsetzung des verbindlichen Beitragssatzes von 15,5% auf 14,6% für die Mehrzahl der Krankenkassen der Zusatzbeitrag jetzt von 2015 bis 2017 nicht mehr zu vermeiden sein wird. Dieser Zusatzbeitrag wird aber für die Versicherten weniger spürbar sein und man kann davon ausgehen, dass ihn die Krankenkassen nur in homöopathischen Schritten anheben werden.

Zusammengefasst kann man feststellen, dass der Gesundheitsfonds seit seiner Gründung bis zum Jahr 2015 die in ihn gesetzten Erwartungen bezüglich einer Effizienzsteigerung nicht erfüllt hat.

Wettbewerbliche Weiterentwicklung des Gesundheitsfonds

Der Verfasser hat in Kooperation mit dem Verband der Bayerischen Wirtschaft einen Vorschlag zur wettbewerblichen Weiterentwicklung des Gesundheitsfonds im Jahr 2012 in die Diskussion gebracht. Grundidee der Regionalen Gesundheits-Kombi ist, dass das Volumen des Gesundheitsfonds auf die Arbeitgeberbeiträge und die staatlichen Zuschüsse reduziert wird und die Versichertenbeiträge voll bei den jeweiligen Krankenkassen verbleiben (vgl. Abbildung 2). Die Mittel des Gesundheitsfonds, die etwa 50% des Gesamtvolumens ausmachen, sollten ausnahmslos zum Ausgleich von wettbewerblichen Nachteilen einzelner Krankenkassen eingesetzt werden. Die Systematik des Morbi-RSA sollte dabei Richtlinie für den Risikoausgleich bleiben, unter Einbeziehung regionaler Unterschiede.

Abbildung 2
Regionale Gesundheits-Kombi: Versichertenpauschale Fonds-flankiert
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Quelle: eigene Darstellung.

Die Beitragsautonomie der Krankenkassen, die sich dann aus heutiger Sicht etwa auf die Hälfte des gesamten Mittelvolumens erstrecken würde, gibt den Krankenkassen deutlich mehr Spielraum, um das Versorgungsmanagement der Patienten zu verbessern. Zudem wurde vorgeschlagen, dass die einkommensabhängigen Versichertenbeiträge auf pauschale, risikounabhängige Prämien umgestellt werden, so dass auch die Krankenkassen mit den Prämien als Preis für ihre Versicherungsleistung in einen intensivierten Wettbewerb treten müssen. Letzterer Vorschlag könnte aber auch zurückgestellt werden, falls der politische Widerstand sich als zu groß erweist.

Dieser fokussiert sich darauf, dass die Überforderung der Versicherten durch die pauschale Prämie über Steuermittel ausgeglichen werden müsste. Hier setzen die Bedenken einerseits der Sozialpolitiker und andererseits der Finanzpolitiker ein. Die Sozialpolitiker sehen in der notwendigen Antragstellung auf Transferleistungen durch den Staat eine Diskriminierung sozial Schwacher. Die Finanzpolitiker wiederum befürchten einen Unterstützungsbedarf von etwa 15 Mrd. Euro, der die Haushaltsplanung des Bundes, insbesondere das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis zum Jahr 2015/2016, gefährdet.

Die soziale Ungerechtigkeit, dass im derzeitigen System der Transferbedarf für die Versicherten mit niedrigem Einkommen durch die Versicherten mit höherem Pflichteinkommen gedeckt wird und damit eine Einkommens­umverteilung lediglich im Bereich der gesetzlich Pflichtversicherten stattfindet, wird offensichtlich als Gewohnheitsrecht akzeptiert. Es wird als das „kleinere Übel“ angesehen, gegenüber der vermeintlichen Diskriminierung von Antragstellern von Transferleistungen. Dass in dem skizzierten Modell sowohl die wettbewerbliche Intensität zwischen den Krankenkassen als auch zwischen den Leistungserbringern intensiviert wird und letzten Endes der Einkommensausgleich zwischen niedrigen und hohen Einkommen auf die Steuerzahler verlagert wird, wo er auch zweifelsohne hingehört, wird ausgeblendet. Lediglich die Arbeitgeberorganisationen haben den Vorschlag punktuell aufgegriffen.

Es sieht danach aus, dass wir an dem Gesundheitsfonds, einer kaum effizienten, wenig transparenten, halbstaatlichen Verwaltungsinstitution, noch lange Kritik üben können und müssen.

Title:Health Care Fund: Efficient Governance of the Statutory Health Insurance System?

Abstract:In 2009 the German central health fund was implemented. It was the result of a political compromise. One political party intended to equalise the risk structure among 130 different health care funds, and the other wanted to intensify competition and to improve efficiency among the different health insurances. The fund is flanked by a health-based risk adjustment and is aimed at sustainably ensuring the funding of the statutory health insurance system. It also constitutes the basis for competition among statutory health care funds, securing quality and efficiency in health care provision. To cover additional expenditures, health insurers had to charge flat­rate premiums. A new law, which will come into effect in January 2015, will oblige health insurers to charge income­related contributions. It is not clear how this will change competition among insurers. The federal government will not need to finance subsidies to low­income individuals anymore. Income redistribution will only take place within the public health insurance system, exempting the privately insured and public servants from supporting low­income individuals. The authors claim that the health care fund will not succeed in its aim of securing a sustainable financial basis for the statutory health insurance system. Most of the authors argue that there is no evidence of greater efficiency thus far, and they offer proposals on how to achieve improved performance.


DOI: 10.1007/s10273-014-1712-8