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Der deutsche Pkw-Markt ist gesättigt. 1000 Einwohner besitzen nach den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes 658 Pkw. Mehr als jeder zweite Bundesbürger hat einen Pkw. Obwohl die Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen im Durchschnitt 8,8 Jahre alt sind und in anderen Branchen die Konsumbereitschaft hoch ist, bleibt der deutsche Automarkt eher „unterkühlt“. Wurden noch vor dem Jahr 2000 knapp 3,5 Mio. Pkw in Deutschland im jährlichen Durchschnitt verkauft, ist die Zahl in den letzten fünf Jahren auf etwas weniger als 3,2 Mio. Pkw-Neuwagenkäufe pro Jahr gesunken. Dieser Trend setzt sich auch 2014 fort. Dabei haben die Autobauer mit „grünen“ Innovationen deutlich emissions- und verbrauchsärmere Fahrzeuge im Angebot. Die Umstellung auf nachhaltige Pkw in Deutschland verliert aber an Geschwindigkeit.

Die Zehn-Jahres-Betrachtung zeigt, dass der CO2-Verbrauch der in Deutschland zugelassenen Pkw-Neuwagen deutlich, um mehr als 23%, gesenkt wurde (vgl. Abbildung 1). Emittierte ein Pkw-Neuwagen 2003 im Durchschnitt 175,2 Gramm CO2/km (das entspricht einem Verbrauch von 7,6 Litern Benzin auf 100 km oder 6,7 Litern Diesel), hat sich der Verbrauch bis zum ersten Halbjahr 2014 auf 134,5 Gramm CO2/km oder 5,8 Liter Benzin bzw. 5,1 Liter Diesel reduziert. Hauptgrund für diese Entwicklung sind aber weder hohe Treibstoffpreise noch das „grüne“ Verhalten der Autokäufer. Die Ursache liegt auf EU-Ebene. Mit der Verordnung Nr. 443/2009 haben das EU-Parlament und der Rat am 23.4.2009 eine Regulierung in Kraft gesetzt, die Autobauern empfindliche Strafzahlungen auferlegt, wenn Neuwagen mehr als 130 Gramm CO2/km verbrauchen. Dieser Grenzwert korrespondiert beim Ottomotor mit einem Verbrauch von 5,6 Litern Benzin pro 100 km und beim Diesel von 5,0 Litern. Die volle Höhe der Strafzahlungen wird ab 2015 fällig. Die Befürchtungen der deutschen Autobauer, dass die erzwungenen Kraftstoffeinsparungen zu deutlich höheren Neuwagenpreisen führen, haben sich nicht bewahrheitet. Vielmehr ist das Gegenteil eingetreten: Spritspartechnik hat die Neuwagen preisgünstiger gemacht, da Scale Economies im großen Umfang genutzt werden können. Zusätzlich hat die Spritspartechnik erheblich dazu beigetragen, dass die deutschen Autobauer weltweit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erringen konnten. „Grün“ hat sich für Deutschlands Autobauer ausgezahlt.

Abbildung 1
Durchschnittliche CO2-Emission von Pkw-Neuwagen in Deutschland
in g/km
31560.png

Quellen: Kraftfahrt-Bundesamt, CAR Universität Duisburg-Essen.

Alternative Antriebe trotz CO2-Regulierung kaum gefragt

Der Rückgang der CO2-Emissionen pro Auto wurde allerdings kaum von einer steigenden Nachfrage nach alternativen Antrieben begleitet. Dies illustriert Tabelle 1. So wurden im ersten Halbjahr 2014 in Deutschland 98% der Neuwagen mit Benzin- oder Dieselantrieb zugelassen. Insbesondere Diesel konnte in den letzten 20 Jahren seine Marktposition erheblich ausbauen. Waren 1995 nur 14,6% aller Pkw-Neuwagen mit Dieselmotoren ausgestattet, sind es mittlerweile 48,0%. Die gesamtwirtschaftlichen Kraftstoff- und CO2-Einsparungen wurden fast ausschließlich durch die Optimierung konventioneller Technik erreicht. Kleinere, höher verdichtete Motoren (Downsizing), jetzt immer öfter auch mit 3-Zylinder-Benzin-Aggregaten, höhere Dieselanteile, leichtere Materialien, Start-Stopp-Systeme, verbrauchsschonende Getriebe und Leichtlaufreifen sind die wichtigsten konventionellen Optimierungen, die zur CO2-Einsparung beigetragen haben.

Tabelle 1
Pkw-Neuwagen in Deutschland nach Kraftstoffarten
in %
  1995 2000 2005 2010 2013 1. Hj. 2014
Benzin 85,4 69,6 56,9 57,3 50,9 50,4
Diesel 14,6 30,4 42,7 41,9 47,5 48,0
Hybrid 0,0 0,0 0,1 0,4 0,9 0,8
Erd- & Flüssiggas 0,0 0,1 0,3 0,5 0,5 0,5
Elektro 0,0 0,0 0,0 0,0 0,2 0,3
Total 100 100 100 100 100 100

Quellen: Kraftfahrt-Bundesamt, CAR Universität Duisburg-Essen.

Kurioserweise wurden die Einsparmöglichkeiten bei Weitem nicht vollständig ausgenutzt. Dies zeigen drei Argumente:

  • Erstens kommen nur 0,5% aller Pkw-Neuwagen in Deutschland als Erd- oder Flüssiggas-Fahrzeuge auf den Markt. Dabei ist Erd- und Flüssiggas durch geringere Besteuerung als auf Benzin und Diesel für den Autofahrer wahrnehmbar „preisgünstiger“. Ein mit Erdgas angetriebener Ottomotor emittiert bis zu 20% weniger CO2 als bei Benzinbetrieb. Ähnliches gilt für Flüssiggas. Die Technikkosten der Auslegung des Antriebs auf Erdgas oder Benzinkraftstoff sind nahezu identisch. Die EU-Verordnung Nr. 443/2009 hat deutlich „schwächer reguliert“ als von den Autobauern und deutschen Regierungsvertretern in Brüssel behauptet. Dies lässt sich leicht mit den Daten der Tabelle 1 nachprüfen. Unterstellt man, dass die 50,4% Zulassungen für Benzin-Pkw des ersten Halbjahres 2014 mit Erdgas fahren würden und Erdgas sein maximales Einsparpotenzial von 20% CO2 erreichen würde, hätten sämtliche in Deutschland im ersten Halbjahr 2014 neu zugelassenen Pkw nicht im Durchschnitt 134,5 Gramm CO2/km emittiert, sondern nur 121,0 Gramm CO2/km. Damit wären die Vorgaben der EU ohne zusätzliche Kosten deutlich unterschritten worden, denn Erdgas ist eine konventionelle, bekannte Technologie, die kaum Produkt-Zusatzkosten verursacht. Bei Großserienfertigung hat das Erdgasauto die gleiche Kostenstruktur wie der Benziner. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass die heutigen Vorgaben der EU keine besondere Hürde für Autobauer darstellen.
  • Zweitens gilt, dass mit alternativen Antrieben – wie der Hybridtechnik oder dem Elektroauto – weitere CO2-Einsparungen realisiert werden könnten. Da Hybrid-Fahrzeuge Zusatzkosten gegenüber dem reinen Ottomotor-Fahrzeug verursachen und Elektrofahrzeuge gegenüber klassischen Ottomotoren mit Preisaufschlägen von bis zu 10 000 Euro kalkuliert werden müssen, wird deutlich, dass mit der heutigen CO2-Regulierung wenig Anreize bestehen, sich Hybrid- oder Elektrofahrzeuge zuzulegen. Die laxe CO2-Regulierung durch die EU-Verordnung Nr. 443/2009 bremst die Entwicklung der alternativen Antriebe aus. Scale Economies bei alternativen Antrieben kommen wenig zustande. Dass diese Scale Economies existieren, illustrieren die weltweiten Verkäufe und die Preise für Hybridfahrzeuge von Toyota. Es könnten deutlich klimafreundlichere Fahrzeuge im deutschen Automarkt verkauft werde, ohne volks- oder einzelwirtschaftliche Nachteile zu generieren. Investiertes Kapital wird vergeudet, da die Nachfrage nach alternativen Antrieben „verkümmert“.
  • Ein drittes Argument zeigt, dass die heutigen EU-Vorgaben wenig ambitioniert sind. Obgleich auf EU-Ebene die einzelnen Autobauer die CO2-Grenzwerte erst 2015 zu 100% erreichen müssen, wurden sie von den meisten Herstellern bereits 2013 erfüllt. Dies ist natürlich begrüßenswert, zeigt aber gleichzeitig, dass es ohne zusätzliche Gewinneinbußen möglich ist, die Grenzwerte umzusetzen.

Die in Tabelle 1 gezeigten Anteile im Antriebs-Mix werden mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bis ins Jahr 2020 gelten. Zwar hat Bundeskanzlerin Merkel bereits vor einigen Jahren das Ziel ausgegeben, dass bis 2020 1 Mio. Elektroautos auf Deutschlands Straße fahren, aber sie selbst hat bei der Verabschiedung der CO2-Regulierung der EU für Pkw-Neuwagen ihre Ziele konterkariert: Die EU-Kommission hatte ursprünglich geplant, ab 2020 die CO2-Grenzwerte für Pkw-Neuwagen von derzeit 130 Gramm CO2/km auf 95 Gramm CO2/km zu verschärfen. Durch das Veto der Bundeskanzlerin wurde die Verpflichtung zur 100%igen Erreichung des CO2-Ziels allerdings auf 2023 verlegt. So regelt die EU-Verordnung Nr. 333/2014 vom 11.3.2014, dass erst ab 2021 das Ziel 95 Gramm CO2/km zu 100% erfüllt werden muss und darüber hinaus sogenannte Super-Credits bis Ende des Jahres 2022 bei der Anrechnung des Ziels von 95 Gramm CO2/km berücksichtigt werden. Bis 2020 gelten die derzeitigen CO2-Grenzwerte für Neuwagen. Damit sind bis 2020 keinerlei Anreize vorhanden, zusätzlich CO2-Einsparungen zu realisieren. Ein Großteil der bisher getätigten einzelwirtschaftlichen Investitionen in Elektroautos müssen vermutlich wegen fehlender Nachfrage „abgeschrieben“ werden. Die Industrie hatte sich auf das Kanzlerwort „eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen im Jahre 2020“ zu sehr verlassen.

Zusätzliche CO2-Einsparpotenziale durch sportliche Geländewagen aufgebraucht

Ein weiterer Teil der zusätzlichen CO2-Einsparpotenziale auf dem deutschen und europäischen Automarkt werden durch den Trend zu sportlichen Geländewagen aufgebraucht. Tabelle 2 zeigt, dass der Marktanteil der sportlichen Geländewagen (SUV) im ersten Halbjahr 2014 einen neuen Rekordwert erreichte. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 275 730 SUV neu zugelassen. Der SUV-Marktanteil erreichte 17,9%. Beflügelt wird der steigende Anteil sportlicher Geländewagen unter den Neuwagenzulassungen auf der Nachfrageseite durch hohes Kundeninteresse und auf der Angebotsseite durch neue Produkte. So werden noch in diesem Jahre fünf weitere neue SUV-Modelle, die keine Vorgängermodelle hatten (BMW X4, Fiat 500X, Ford Ecosport, Ford Edge, Jeep Jeepster) in den Verkauf gehen. Das Modellangebot der von Kunden gern nachgefragten Fahrzeuge wird von den Autobauern systematisch erweitert. Und so wird auch das Jahr 2014 bei mehr als 570 000 SUV-Neuwagenzulassungen mit einem neuen Verkaufsrekord für SUV abschließen.

Tabelle 2
Zulassungen und Marktanteile von sportlichen Geländewagen (SUV) in Deutschland
  1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
SUV 67 752 67 575 67 013 89 491 105 760 98 853 107 185 128 836 157 169 181 169 194 447
Marktanteil SUV 2,0% 1,9% 1,9% 2,4% 2,8% 2,9% 3,2% 4,0% 4,9% 5,5% 5,8%
  2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1. Hj. 2014 2020 Prognose
SUV 225 648 240 181 252 577 276 796 332 048 422 105 491 119 486 409 275 730 900 000
Marktanteil SUV 6,5% 7,6% 8,2% 7,3% 11,4% 13,3% 15,9% 16,5% 17,9% 28,0%

Quelle: CAR Universität Duisburg-Essen.

Dass sich die Modellausweitung mit neuen SUV-Fahrzeugen auch nach 2014 fortsetzt, zeigen die Produktpläne der Autobauer. So plant etwa der VW-Konzern, in den nächsten zwei Jahren sieben zusätzliche SUV-Fahrzeuge neu im Markt vorzustellen. BMW hat das größte SUV-Angebot unter den deutschen Autobauern (23% aller Neuwagenverkäufe in Deutschland). Auch bei BMW wird der SUV-Anteil aufgrund neuer zusätzlicher Modelle weiter steigen. Porsche, der deutsche Autobauer mit dem größten SUV-Anteil im Verkaufsportfolio verzeichnete im ersten Halbjahr 2014 unter den 12 687 Neuwagenzulassungen 41% SUV-Modelle.

Der steigende SUV-Anteil bringt die Autobauer mit den CO2-Regulierungen in Konflikt. Aufgrund ihrer Größe, ihres höheren Luftwiderstandes und höheren Gewichts verbrauchen SUV etwa 20% bis 25% mehr Treibstoff als die vergleichbaren Fließheck- und Stufenheck-Modelle. Die SUV sind damit ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind die Modelle profitabler als Standardfahrzeuge. Auf der anderen Seite wird ein Teil der CO2-Verbesserungen durch die steigenden SUV-Anteile aufgezehrt. Während die CO2-Emissionen im ersten Halbjahr 2014 bei 134,5 Gramm CO2/km lagen, hatte der Durchschnitts-SUV im gleichen Zeitraum einen Ausstoß von 154,4 Gramm CO2/km. Mit der SUV-Welle steigen gleichzeitig die Motorleistungen der in Deutschland zugelassenen Neuwagen. Hatte der Durchschnitts-Neuwagen 1995 noch eine Motorleistung von 95 PS, steigerte sich dies nahezu kontinuierlich bis auf 141 PS – oder um 48% – im ersten Halbjahr 2014. So kurios es klingt, die SUV-Welle ist eher in der Lage, die Elektromobilität marktfähig zu machen als die Bundeskanzlerin, denn eine höherer SUV-Anteil erfordert zusätzliche CO2-Einsparungen bei anderen Modellen, um das Gesamtziel 130 Gramm CO2/km zu erreichen und keine Strafzahlungen auszulösen.

Fazit: Kontinuierlich steigende CO2-Grenzwerte könnten das „grüne“ Auto beschleunigen

Die Analyse der Pkw-Neuzulassungszahlen zeigt deutlich die Wirkung der CO2-Regulierung. Erstens waren die großen Befürchtungen von unverhältnismäßigen Belastungen der Autoindustrie nach den vorliegenden Daten völlig unbegründet. Im Gegenteil: Man hätte sich mehr zutrauen können, ohne negative Auswirkungen auf Konjunktur und Beschäftigung befürchten zu müssen. Zweitens hat die Regulierung nicht dazu geführt, dass alternative Antriebe aus ihrem Nischendasein gekommen sind. Auch dies ist ein Indikator dafür, dass die Regulierung eher zu seicht ist. Drittens fehlt dem Regulierungsansatz der EU der Prozessgedanke der kontinuierlichen Verbesserung. Die derzeitigen CO2-Grenzwerte für Neuwagen gelten bis 2020. Damit wird ein möglicher ohne Zusatzkosten denkbarer Verbesserungsspielraum nicht genutzt. Die Zulassungsdaten zeigen, dass – klammert man die SUV-Welle aus – die Autoindustrie keine Regulierungsanreize hat, die überwiegend 2013 erzielten CO2-Grenzwerte für CO2-Emissionen zu unterschreiten. So kurios das klingt, die Tatsache, dass bei Kunden Fahrzeuge mit höheren CO2-Emissionen beliebter werden, stellt in den nächsten Jahren den einzigen Anreiz dar, „grüne“ Innovationen voranzutreiben, denn höhere Emissionen bei Fahrzeugen wie SUV müssen durch niedrigere Emissionen – etwa durch Elektroautos – ausgeglichen werden. Das Innovationspotenzial „grüner“ Technologien bleibt insgesamt ungenutzt.


DOI: 10.1007/s10273-014-1721-7

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