Die Bundesländer müssen bis 2020 ihre Haushalte ausgleichen und danach die Schuldenbremse einhalten. Aufgrund der erwarteten günstigen Rahmenbedingungen ist diese Vorgabe für die meisten Bundesländer moderat zu bewältigen. Sie können sogar Ausgabenzuwächse einplanen. Allerdings zeigen die Berechnungen auch, dass einzelne Länder vor beträchlichten Herausforderungen stehen.
Spätestens 2020 müssen die Bundesländer gemäß der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse (strukturell) ausgeglichene Haushalte aufweisen. Viele Länder haben es vor dem Hintergrund der günstigen Entwicklung des Steueraufkommens, niedriger Arbeitslosigkeit und günstiger Zinsen in den letzten Jahren bereits geschafft, ihre strukturellen Haushaltsdefizite weitgehend zu beseitigen. In einigen Fällen bestanden 2013 aber noch spürbare Fehlbeträge. Zudem sind Belastungen absehbar, die die Länder unterschiedlich treffen. So werden beispielsweise die ostdeutschen Länder durch den Wegfall der spezifischen Ergänzungszuweisungen des Bundes und insbesondere die westdeutschen Länder von steigenden Pensionslasten betroffen sein. Auch könnten mit der anstehenden Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs spürbare Lastverschiebungen eintreten. Insgesamt bestehen aber auch ohne solche Verschiebungen erhebliche Herausforderungen für eine Reihe von Ländern.
Durch die relativ lange Übergangszeit haben die Länder die Möglichkeit, notwendige Anpassungen auf einige Jahre zu verteilen. Die folgende Untersuchung zeigt schematisiert auf, wie hoch der Spielraum für jährliche Ausgabenzuwächse (nach Zinsen und Versorgungsausgaben) der einzelnen Länder ausfällt, damit 2020 – unter den getroffenen Annahmen – ein ausgeglichener Haushalt gerade noch erreicht werden kann. Um den Einfluss von einigen zentralen Faktoren abzubilden, werden unterschiedliche Varianten betrachtet. Ein Ausblick über sieben Jahre ist dabei naturgemäß mit Unsicherheit verbunden. Somit können sich im weiteren Verlauf Änderungen der Ausgabenspielräume ergeben. Auch kann nicht allen länderspezifischen Besonderheiten Rechnung getragen werden. Allerdings wird ein relativ transparentes Referenzszenario beschrieben, das grundlegende Probleme aufzeigen und ein Ausgangspunkt für spezifische Untersuchungen sein kann.
Vorgehensweise und Annahmen
Die Untersuchung1 baut methodisch auf Arbeiten von Deubel2 auf und entwickelt diese auf einer aktualisierten Basis weiter. Ähnliche Untersuchungen wurden in der Vergangenheit unter anderem vom Sachverständigenrat für Wirtschaft durchgeführt.3 In der Datengrundlage und in den zentralen Annahmen ähneln sich beide Ansätze weitgehend. Ein formaler Unterschied besteht hinsichtlich der Zielvariablen. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft erstellte keine Projektion von Einnahmen und Ausgaben bis 2020, sondern errechnete einen Konsolidierungsbedarf bezogen auf ein vergangenes Basisjahr. Gleichwohl wurden dort bestimmte Bereinigungen vorgenommen, um zentrale bis 2020 erwartete Entwicklungen einzubeziehen. In dieser Hinsicht berücksichtigte der Sachverständigenrat für Wirtschaft den Anstieg der Pensionsausgaben und das Auslaufen der teilungsbedingten Bundesergänzungszuweisungen. Somit sind dort wesentliche Faktoren abgebildet, die bei der hier dargestellten Fortschreibung der Einnahmen und Ausgaben ebenfalls berücksichtigt werden. Durch die Wahl eines vergangenen Bezugsjahres bleiben beim Ansatz des Sachverständigenrates für Wirtschaft allerdings andere Effekte, die in den kommenden Jahren zu erwarten sind, außen vor. Dies betrifft z.B. Veränderungen bei den Bevölkerungszahlen oder bei der Durchschnittsverzinsung der Schulden.
Abbildung 1
Bereinigter Finanzierungssaldo der Länder und Gemeinden 2013
BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = Mecklenburg-Vorpommern, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = Rheinland-Pfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen, FL = Flächenländer.
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Die Gemeinden und Extrahaushalte werden einbezogen, um insbesondere den europäischen Haushaltsregeln besser zu entsprechen und die Vergleichbarkeit von Flächenländern und Stadtstaaten zu gewährleisten. Mit der Erfassung der Extrahaushalte wird sichergestellt, dass defizitäre Einrichtungen wie etwa die in einigen Ländern schon längere Zeit bestehenden Baubetriebe nicht einfach aus den Regelungen zur Schuldenbegrenzung ausgeklammert werden können und damit deren Zielsetzung unterlaufen werden kann.4 Im Hinblick auf das Haushaltsergebnis des Ausgangsjahres 2013 wird auf die Kassenergebnisse des Statistischen Bundesamtes (einschließlich der Auslaufperiode) zurückgegriffen (vgl. Abbildung 1). Grundsätzlich zielen die Vorgaben der Schuldenbremse auf einen strukturellen (d.h. um konjunkturelle Effekte bereinigten) Haushaltsausgleich ab. Die mittelfristige Projektion der Bundesregierung sowie die Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ erstrecken sich derzeit bis 2019 und sehen für dieses Jahr das Erreichen einer konjunkturellen Normallage vor.5 Im Folgenden wird unterstellt, dass dies auch für 2020 gilt. Zudem sind etwaige länderspezifische Unterschiede hinsichtlich konjunktureller Einflüsse unerheblich, da die damit verbundenen Schocks beim Steueraufkommen im Finanzausgleich einbezogen sind. Konjunkturelle Einflüsse können somit im Folgenden ausgeklammert bleiben.
Zur Ermittlung des Ausgabenspielraums bis 2020 wird grundsätzlich die 2013 verfügte Finanzmasse mit der 2020 erwarteten verfügbaren Finanzmasse verglichen (vgl. Abbildung 2). Als verfügbar werden dabei die Steuereinnahmen nach Finanzausgleich zuzüglich der Zuweisungen von Bund und EU bezeichnet. Die 2013 verfügte Finanzmasse ergibt sich aus den zuvor genannten Einnahmekategorien nach Abzug des 2013 verzeichneten Haushaltsüberschusses oder Hinzurechnung des Defizits. Dabei werden mit den Zinsausgaben und den Pensionslasten hier annahmegemäß nicht oder weniger disponible Vorbelastungen sowohl 2013 als auch 2020 abgezogen, um sich der Größe „disponible Ausgaben“ anzunähern. Zudem wird im Einklang mit den Regeln der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und der Zielsetzung der Schuldenbremse der Saldo der finanziellen Transaktionen6 aus dem Finanzierungssaldo herausgerechnet. Hierbei wäre jedoch grundsätzlich zu prüfen, ob insbesondere größere Einzeltransaktionen tatsächlich mit einem werthaltigen Vermögenserwerb einhergehen oder ob nicht etwa ein Verlustausgleich bei einem öffentlichen Unternehmen vorliegt. Sonstige nicht-steuerliche Einnahmen wie etwa Gebühren werden aus der Analyse ausgeschlossen, da diese im Regelfall auf Kostendeckung abzielen. Aus davon abweichenden Festlegungen könnten sich zusätzliche Rückwirkungen auf die Ausgabenspielräume ergeben. So kann im Vergleich zu den hier präsentierten Ergebnissen ein größerer Ausgabenspielraum eintreten, wenn beispielsweise eine Anhebung der Gebühren zu einem größeren Kostendeckungsbeitrag einer Einrichtung führt.
Abbildung 2
Finanzmasse der Länder und Gemeinden1
1 Nach Zinsen und Versorgung.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzung“, November 2014; eigene Berechnungen.
Insgesamt handelt es sich hier um pauschalisierte Hochrechnungen, bei denen keine weiteren Rückkopplungen der fiskalischen Anpassungspfade auf die gesamtwirtschaftliche und fiskalische Entwicklung der einzelnen Länder modelliert werden. Allerdings sind bei den Vorausberechnungen verschiedene Annahmen zu treffen. Dabei wurden die gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Bundesregierung vom Herbst 2014 als Basisszenario zugrunde gelegt, um einerseits auf eine konsistente Projektion zurückzugreifen und andererseits möglichst mit Mittelfristplanungen der Länder vergleichbar zu sein.
Die Steuereinnahmen stellen den wichtigsten Teil der verfügbaren Finanzmasse dar. Im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Steuereinnahmen wird bis 2019 auf die Ergebnisse der offiziellen Steuerschätzung vom November 2014 zurückgegriffen. Für 2020 ist ein Aufkommenswachstum von 3% angesetzt. Im Ergebnis wird so das Steuerrecht ohne Anpassungen zum im Herbst 2014 verabschiedeten Stand unterstellt. Somit bleiben auch weitere unterschiedliche Anpassungen der lokalen Grund- und Gewerbesteuerhebesätze sowie bei den Grunderwerbsteuersätzen ausgeblendet, auch wenn hier noch Möglichkeiten zur Erweiterung von Ausgabenspielräumen gesehen werden könnten. Das (vor dem Finanzausgleich) erwartete Steueraufkommen wird den einzelnen Ländern gemäß einem gleichgewichteten Durchschnitt aus der zuletzt gegebenen Verteilung und Fortschreibung registrierter trendhafter Verschiebungen zugeordnet. Für den bundesstaatlichen Finanzausgleich, dessen Regelungen 2019 auslaufen, ist – mangels eines abgestimmten Reformkonzepts – eine Fortgeltung des bestehenden Rahmens unterstellt. Die degressiv gestaffelten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ) zum Aufbau Ost fallen dann ersatzlos weg. Für die SoBEZ wegen höherer Lasten durch Langzeitarbeitslosigkeit im Zusammenhang mit der Hartz-IV-Reform in den neuen Ländern (ohne Berlin) wurde eine Halbierung auf 0,4 Mrd. Euro angenommen. Zudem werden die überproportionalen EU-Zahlungen an die neuen Länder 2020 auf ein Drittel des Niveaus von 2013 abgesenkt. Mit der anstehenden Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs verbundene Änderungen des Verteilungsergebnisses würden die im Folgenden berechneten Anpassungsnotwendigkeiten entsprechend verschieben. Im gegenwärtigen Finanzausgleich spielt der Anteil der einzelnen Länder an der Gesamtbevölkerung Deutschlands eine wichtige Rolle. Die Studie berücksichtigt für 2020 die erwarteten Veränderungen der zwölften koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes und ergänzt diese – wegen der zuletzt spürbar höheren Einwanderung – um eine zusätzliche Nettozuwanderung, die von 400 000 Personen im Jahr 2014 ausgeht und bis 2020 ausläuft.
Im Rahmen der Untersuchung werden Zins- und Versorgungsausgaben vereinfachend als mittelfristig zu einem bedeutenden Teil vorbestimmte Belastungen für alle Länder mit einheitlichen Annahmen projiziert und bei der Ermittlung der Ausgabenspielräume vorab abgesetzt. Angesichts nur sehr moderater Unterschiede der grundsätzlichen Finanzierungskonditionen zwischen den einzelnen Ländern wird für 2020 ein einheitlicher Durchschnittszins von 2,75% verwendet. Den Schuldenständen des Jahres 2013 werden die (gleichmäßig zurückgeführten) Defizite bis 2019 zu- oder aus Überschüssen mögliche Tilgungen abgesetzt. Für die meisten Länder ist im Ergebnis eine weitere spürbare Entlastung bei der Durchschnittsverzinsung gegenüber 2013 angelegt. Gleichzeitig wird dabei aber ein Anstieg des derzeit außergewöhnlich niedrigen Zinsniveaus am Kapitalmarkt unterstellt.7 Hinsichtlich der Pensionsausgaben ist in den kommenden Jahren ein weiter starkes Wachstum angesichts steigender Zahlen der Versorgungsempfänger grundsätzlich vorgezeichnet. So nimmt zum einen die Lebenserwartung der Leistungsempfänger weiter zu. Zum anderen steigt die Zahl der Versorgungseintritte infolge von teilweise starken Zuwächsen der Beamtenzahlen in früheren Jahrzehnten, insbesondere im kostenträchtigen Bildungsbereich. Da von den einzelnen Ländern keine harmonisierten länderweisen Projektionen für die nächsten Jahre zur Verfügung stehen, wird auf Vorausschätzungen von Benz et al. zurückgegriffen.8 Zwar besteht bei den jährlichen Anpassungen der Versorgungsleistungen seit der Föderalismusreform 2006 ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum für die einzelnen Länder. Zur Vereinfachung wurde aber hier im Basisszenario ein bundesweit einheitlicher Anpassungssatz gewählt. Mit jährlich 3% wird dabei die erwartete Entwicklung der Pro-Kopf-Entgelte in der Gesamtwirtschaft näherungsweise nachgezeichnet.
In einer ersten Rechnung werden nominale Ausgabenspielräume ermittelt, die entscheidend für die Haushaltsergebnisse und -planungen sind. Dahinter verbergen sich die letztlich wichtigeren realen – also um Preisanstiege korrigierten – Zuwachsraten. Um diesbezüglich zu sensibilisieren, sind inflationsbereinigte Ausgabenspielräume ebenfalls ausgewiesen. Diese werden stark vereinfacht und pauschaliert mit dem im Stabilitätsprogramm der Bundesregierung vom Frühjahr 2014 ausgewiesenen bundeseinheitlichen Deflator für den Staatskonsum von 2% berechnet.9 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Preiskomponente bei den Länderausgaben zum guten Teil von diesen selbst beeinflusst wird. So spielen z.B. die Tarifabschlüsse und die Anpassungen der Beamtenbesoldung eine entscheidende Rolle. Soweit ein Konsolidierungsbedarf mit niedrigeren Entgeltanpassungen gedeckt wird, ermöglicht die damit verbundene Reduktion des landesspezifischen Deflators weitgehend gleich hohe reale Ausgabenzuwächse wie in Ländern ohne Konsolidierungsbedarf. Auch können durch eine effizientere staatliche Aufgabenerfüllung die realen Leistungen ausgeweitet werden, ohne dass sich dies in höheren nominalen Zuwachsraten widerspiegelt.
Abbildung 3
Zulässiger jährlicher Ausgabenzuwachs 2014 bis 2020:1 Basisszenario
1 Nach Zinsen und Versorgung.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzung“, November 2014; eigene Berechnungen.
Länderspezifische Ausgabenspielräume: Basislinie und Alternativszenarien
Die um Zinsen und Versorgungsausgaben bereinigten jährlichen Ausgabenspielräume der Länder (einschließlich ihrer Gemeinden und Extrahaushalte) in den kommenden Jahren unterscheiden sich erheblich. Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse der Berechnungen für die Basislinie. Zahlreiche Länder können spürbare nominale Ausgabenzuwächse (nach Zinsen und Versorgung) verkraften. Hier sind neben Bayern (+4,7%) insbesondere Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Berlin und Schleswig-Holstein (Zuwachsraten jeweils über 3%) am besten aufgestellt. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen sowie Sachsen und Brandenburg dürfen ihre Ausgaben um immerhin mehr als 2% jährlich steigern. Dabei stehen die neuen Länder trotz Haushaltsüberschüssen aufgrund auslaufender Aufbau-Ost-Hilfen und fortschreitend rückläufiger Bevölkerungszahlen grundsätzlich vor größeren Herausforderungen. Während in Mecklenburg-Vorpommern noch ein Ausgabenzuwachs von über 1% möglich ist, verfügen Thüringen und insbesondere Sachsen-Anhalt nur über eng begrenzte Spielräume. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das maximale Ausgabenniveau (gemessen an der verfügbaren Finanzmasse nach Abzug der genannten Vorbelastungen) in den neuen Ländern 2020 weiter überdurchschnittlich ausfällt, da geringere Zins- und vor allem Versorgungslasten vorliegen. Das sehr hoch verschuldete Bremen kann ebenfalls noch einen begrenzten nominalen Ausgabenzuwachs verkraften. Demgegenüber steht das Saarland wegen des hohen Ausgangsdefizits bei gleichzeitig erwartetem Bevölkerungsrückgang mit Abstand am schlechtesten da und muss seine disponiblen Ausgaben kontinuierlich und spürbar jährlich um nominal 1,3% zurückführen.
Beim Blick auf die realen jährlichen Zuwachsraten relativieren sich die Ausgabenspielräume deutlich. Neben Bayern (+2,6%) kann die reale Ausgabenzuwachsrate in Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen immerhin noch höher ausfallen als das von der Bundesregierung erwartete (reale) gesamtwirtschaftliche Potenzialwachstum von etwas mehr als 1%. Knapp darunter liegen die möglichen Zuwächse in Schleswig-Holstein und Berlin. Bei weiteren drei Ländern kann die Ausgabenzuwachsrate nur noch etwa halb so hoch ausfallen wie das gesamtwirtschaftliche Potenzialwachstum (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen). Zwei Länder können sich nur noch geringe reale Zuwachsraten leisten (Brandenburg und Hessen). Demgegenüber müssen neben dem Saarland (-3,2%) Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen und – wenngleich nur marginal – Mecklenburg-Vorpommern reale Ausgabenrückgänge erreichen. Dabei ist zu bedenken, dass höhere Werte für den Staatskonsumdeflator die realen Ausgabenspielräume zusätzlich einschränken würden.
Abbildung 4
Zulässiger jährlicher Ausgabenzuwachs 2014 bis 2020:1 niedrigerer Steuerzuwachs
1 Nach Zinsen und Versorgung.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzung“, November 2014; eigene Berechnungen.
Eine von dieser Basislinie abweichende Entwicklung der Steuereinnahmen sowie der Zins- und Versorgungsausgaben wirkt sich spürbar auf die Konsolidierungserfordernisse aus. Ein schwächeres Wachstum des Steueraufkommens etwa infolge einer verhaltenen wirtschaftlichen Entwicklung oder von Steuersenkungen würde den Ausgabenspielraum nennenswert mindern. Angesichts des bundesstaatlichen Finanzausgleichs wären die Auswirkungen für jedes Land dabei weitgehend gleich. Gewisse Abweichungen ergeben sich wegen der unterschiedlich hohen Zins- und Versorgungsvorbelastungen. Bei einem jährlich um 1,0 Prozentpunkt niedrigeren Steuerzuwachs verringern sich die jährlichen nominalen Ausgabenspielräume somit um 1,0 bis 1,3 Prozentpunkte (vgl. Abbildung 4). Umgekehrt würde eine stärkere Steuerentwicklung spiegelbildlich die potenziellen Ausgabenzuwächse ausweiten.
Eine andere Entwicklung bei den Zinsen trifft insbesondere Länder mit hohen Schuldenständen. Derzeit besteht die Erwartung eines niedrigeren Zinspfades auf den Finanzmärkten (auf Basis der aus aktuellen Terminkursen abgeleiteten Zinsentwicklungen). Daher wird die Durchschnittsverzinsung in einem günstigen Szenario, beispielsweise mit 2%, spürbar niedriger angesetzt (vgl. Abbildung 5). Davon würden insbesondere die beiden besonders hoch verschuldeten Konsolidierungshilfeländer Bremen (+0,7 Prozentpunkte) und Saarland (+0,6 Prozentpunkte) sowie Nordrhein-Westfalen (+0,4 Prozentpunkte) am stärksten profitieren. Gleichwohl müsste das Saarland selbst in diesem Szenario seine Ausgaben nominal um 0,7% jährlich zurückführen, in preisbereinigter Betrachtung um 2,7%. Auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bremen müssten die Ausgaben real sinken. Das Alternativszenario einer um 0,75 Prozentpunkte höheren Durchschnittsverzinsung von 3,5% würde gegenläufige Veränderungen im Vergleich zur Basislinie in jeweils ähnlich hohem Umfang bedeuten. Um einen solchen Wert für die Durchschnittsverzinsung zu erreichen, müssten die Kapitalmarktzinsen in naher Zukunft recht kräftig ansteigen. Damit wäre aber wohl zugleich eine deutliche Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Rahmens verbunden, so dass diese Alternative eher nicht zum unterstellten gesamtwirtschaftlichen Szenario passen würde. Ungeachtet dessen sollte aber davon ausgegangen werden, dass die Durchschnittsverzinsung längerfristig wieder deutlich ansteigen und dann über das Niveau im Basisszenario hinausgehen wird.
Abbildung 5
Zulässiger jährlicher Ausgabenzuwachs 2014 bis 2020:1 geringerer Zinssatz
1 Nach Zinsen und Versorgung.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzung“, November 2014; eigene Berechnungen.
Ein geringerer jährlicher Anstieg der Versorgungsbezüge hätte positive Wirkungen vor allem auf die westdeutschen Länder. Würde dieser im Vergleich zum Basisszenario 2 Prozentpunkte niedriger ausfallen und auf +1% begrenzt bleiben, ergäbe sich ein deutlicher positiver Effekt auf die maximalen jahresdurchschnittlichen Ausgabenzuwachsraten in allen westdeutschen Ländern von 0,3 bis 0,4 Prozentpunkten (vgl. Abbildung 6). Zu bedenken ist zudem, dass die geringere Anpassung der Versorgungsbezüge letztlich auch niedrigere Anstiege der Ausgaben für aktives Personal impliziert, so dass ein Erreichen der erforderlichen Ausgabenbegrenzung zusätzlich erleichtert würde.
Es zeigt sich aber, dass das Saarland selbst bei günstigen Rahmenbedingungen für Zinsen und gedämpften Versorgungsausgaben noch einen nominalen Ausgabenrückgang von 0,3% (real 2,2%) zur Einhaltung der Schuldenbremse erreichen müsste.10 Fast alle anderen westdeutschen Länder könnten dann Ausgabenzuwächse zum Teil deutlich oberhalb von 2,5% realisieren (Ausnahme Bremen: 2,1%). Für die neuen Länder fallen angesichts der geringeren Versorgungslasten und Schuldenstände die zusätzlichen Spielräume niedriger aus, so dass Sachsen-Anhalt und Thüringen weiterhin mit der Notwendigkeit von realen Ausgabenrückgängen konfrontiert wären.
Abbildung 6
Zulässiger jährlicher Ausgabenzuwachs 2014 bis 2020:1 geringere Anpassung der Versorgungsbezüge
1 Nach Zinsen und Versorgung.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzung“, November 2014; eigene Berechnungen.
Schlussfolgerungen
Die Länder stehen vor der Aufgabe, ihre Haushaltsdefizite bis 2020 abzubauen. Das Basisszenario zeigt, dass die meisten Länder dabei noch spürbare – nominale und zum Teil reale – Ausgabenzuwachsraten (nach Abzug der Zins- und Versorgungslasten) aufweisen können, andere Länder aber vor großen Herausforderungen stehen. Varianten-Rechnungen belegen, dass die Änderung von einzelnen Annahmen die Ausgabenspielräume spürbar beeinflussen kann.
Im Vergleich zu anderen – methodisch abweichenden und älteren – Berechnungen zum Konsolidierungsbedarf der Länder erscheinen diese Ergebnisse insgesamt moderat. Dies liegt insbesondere an der inzwischen verbesserten Haushaltslage und relativ hohen Zuwachsraten der Steuereinnahmen, die sehr deutlich oberhalb der angenommenen Kostensteigerung liegen. Damit liegt den Berechnungen zugrunde, dass sich in den kommenden Jahren neue reale Haushaltsspielräume für die Länder eröffnen werden. So wird ein Defizitabbau möglich, ohne Leistungen einschränken zu müssen. Zusammen mit günstigen Zinsausgabenperspektiven sind somit ausgesprochen vorteilhafte Rahmenbedingungen für die staatlichen Haushalte unterstellt. Eine konsequente Beachtung der Risiken ist daher klar angezeigt. Die ausgewiesenen Ausgabenzuwächse sollten keinesfalls voll ausgeschöpft werden. Vielmehr scheint es geboten, Sicherheitsabstände zur Defizitgrenze anzustreben.
Tatsächlich bestehen durchaus beträchtliche landesspezifische Anpassungsspielräume für die Ausgaben. Eine weitergehende Differenzierung der Entwicklung bei den Personalausgaben einschließlich des besonders stark wachsenden Versorgungsbereichs ist angesichts der unterschiedlichen Konsolidierungserfordernisse der einzelnen Ländern von besonderer Bedeutung, da hier der mit Abstand größte Ausgabenblock (bundesweit 2013 knapp 40% des konsolidierten Gesamthaushalts von Ländern und Gemeinden) angesprochen ist. Dabei kann vielfältiger Einfluss auf die Ausgaben beim aktiven Personal genommen werden (Gehaltshöhe und -struktur sowie Arbeitszeiten der Beamten und – bei einem Ausscheiden aus dem Tarifverbund – auch der Tarifbeschäftigten sowie – in Verbindung damit – Neueinstellungen und Verbeamtungen). Spielräume gibt es zudem bei den Anhebungen der Versorgungsbezüge. Dabei kann neben den Anpassungen der Versorgungshöhe auch das reguläre Pensionseintrittsalter verändert werden. Derzeit unterscheiden sich die Entlohnungsniveaus im öffentlichen Dienst zwischen den einzelnen Ländern insgesamt nur sehr moderat. Hier bestehen aber nicht zuletzt angesichts regional unterschiedlicher Preis- und Kostenniveaus größere Spielräume. So müssten beispielsweise geringere Entgeltanhebungen in den ostdeutschen Ländern nicht bedeuten, dass die Kaufkraft der Beschäftigten niedriger als in Westdeutschland ausfällt. Im Vergleich mit den Entlohnungsniveaus in der Privatwirtschaft erscheint die Bezahlung der öffentlich Bediensteten in den ostdeutschen Ländern zudem eher hoch.
Zudem bestehen auf der Einnahmenseite noch Gestaltungsspielräume. Die großen Unterschiede bei den landesindividuellen Steuersätzen und den kommunalen Hebesätzen legen nahe, dass die Länder und Gemeinden ihre Möglichkeiten zusätzlicher Einnahmeerzielung bislang in sehr unterschiedlichem Maße genutzt haben.11 Die verbreitete Aufwärtsentwicklung deutet allerdings darauf hin, dass zumindest bei der Grunderwerb- und vor allem der Grundsteuer mit ihrer immobilen Bemessungsgrundlage vielfach Spielräume gesehen werden. Bei der Gewerbesteuer wirkt hingegen in stärkerem Maße der Standortwettbewerb, der Anhebungen begrenzt.
Insgesamt zeigen die ausgewiesenen Spielräume für den Ausgabenzuwachs zwar das Ausmaß auf, in dem die Aufwüchse zu begrenzen sind, sagen aber noch nichts darüber aus, inwieweit das errechnete mögliche Ausgabenniveau im Vergleich zu anderen Ländern hoch oder niedrig ausfällt. Die Frage nach den Unterschieden beim relativen Ausgabenniveau ist vor dem Hintergrund der Vorgaben des Grundgesetzes hinsichtlich einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet nicht zu vernachlässigen. Es zeigt sich, dass die meisten ostdeutschen Länder zwar geringere Spielräume bei den Ausgabenzuwächsen haben, 2020 aber weiterhin eine überdurchschnittliche verfügbare Finanzmasse je Einwohner vorhanden ist. Dies spiegelt wider, dass 2013 ein relativ hohes Ausgangsniveau vorlag. Dies gilt umso mehr, wenn das im Durchschnitt dort spürbar niedrigere Preisniveau berücksichtigt wird. Ausschlaggebend für die relativ hohen möglichen Ausgaben der ostdeutschen Länder ist die geringere Vorbelastung durch Versorgungsausgaben und Verschuldung. Das Saarland steht bei dieser Betrachtung mit Abstand am schlechtesten da, während im Falle Bremens die Einwohnerveredelung im Finanzausgleich die Vorbelastungen mehr als kompensiert. Gegenüber den anderen Stadtstaaten ergibt sich aber auch hier ein fühlbarer Rückstand.
Aus heutiger Sicht spricht viel dafür, die sehr günstigen Rahmenbedingungen für die Staatsfinanzen zu nutzen, um bestehende Anpassungsbedarfe schnell abzuarbeiten und Sicherheitsabstände einzuplanen. Da die Schuldenbremse einen ausgeglichenen strukturellen Haushalt als Obergrenze vorgibt, ist es ratsam, die Konsolidierung nicht bereits beim Erreichen einer solchen Haushaltsposition zu beenden, sondern einen gewissen Sicherheitspuffer einzuplanen. Grundsätzlich sind mittelfristige Vorausberechnungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, und auch die Alternativszenarien zeigen erhebliche Risiken auf. Durch Sicherheitsabstände von der Defizitgrenze kann vermieden werden, dass bei etwaigen negativen Überraschungen umgehende – dann häufig prozyklisch wirkende – Korrekturmaßnahmen erforderlich werden. Insofern sind die hier vorgestellten Ergebnisse Maximalspielräume, die nicht vollständig ausgeschöpft werden sollten. Zudem ist es für Länder mit größeren finanziellen Problemen entscheidend, erforderliche Anpassungen nicht auf die lange Bank zu schieben. Andernfalls drohen umso größere Eingriffe in den späteren Jahren, die ökonomisch wie auch politisch deutlich schwerer zu bewältigen sind und dann wegen vermeintlicher Überforderung zurückgewiesen werden könnten.
Die Autoren danken insbesondere Karsten Wendorff, Lars P. Feld und Eckhard Janeba sowie den weiteren Mitgliedern des Beirates des Stabilitätsrates für wichtige Beiträge. Dieser Artikel basiert auf einem ausführlicheren Hintergrundpapier (I. Deubel, J. Hamker, D. Rumpf, D. Stegarescu: Zum Ausgabenspielraum der einzelnen Bundesländer im Rahmen der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020, Mimeo 2014), auf das der Beirat des Stabilitätsrates im Rahmen seiner zweiten Stellungnahme zur Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze vom 8.12.2014 ausführlich Bezug nimmt (S. 17-24), vgl. http://www.stabilitaetsrat.de/. Der Artikel spiegelt nicht notwendigerweise die Auffassung des Sachverständigenrates oder der Deutschen Bundesbank wider.
- 1 Für eine ausführliche Beschreibung des Ansatzes und der zugrundeliegenden Annahmen vgl. I. Deubel, J. Hamker, D. Rumpf, D. Stegarescu, a.a.O.
- 2 Vgl. zur grundlegenden Methodik I. Deubel: Schuldenbremse und Finanzausgleich: Wie stark muss der Finanzausgleich im Jahr 2020 ausgleichen, damit (fast) alle Länder die Schuldenbremse einhalten können?, in: ifo Schnelldienst, 67. Jg. (2014), H. 1, S. 43-51; I. Deubel: Konsolidierungspfade der Länder und ihrer Kommunen zur Einhaltung der Schuldenbremse ab dem Jahr 2020, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften, 12. Jg. (2014), H. 2-3, S. 364-393; P. Detemple, Y. Michels, T. Schramm: PwC-Länderfinanzbenchmarking 2014, PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 2014, S. 38-70, S. 209-216.
- 3 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2011/12, Wiesbaden 2011, S. 190-205; ders.: Jahresgutachten 2013/14, Wiesbaden 2013, S. 323-325.
- 4 Die bisherige Umsetzung zeigt, dass einzelne Länder – abgesehen von der generellen Ausblendung der kommunalen Haushalte – die Einbeziehung der Extrahaushalte anders regeln.
- 5 Zwar können einzelne Länder auch zu anderen Bewertungen gelangen. Die Bezugnahme auf die europäischen Haushaltsregeln legt aber die hier mit dem Bundesverfahren implizierte Anwendung des europäischen Konjunkturbereinigungsverfahrens nahe.
- 6 Einnahmen und Ausgaben, die das kassenmäßige Defizit beeinflussen, aber das Nettofinanzvermögen unberührt lassen. Als finanzielle Transaktionen werden einerseits Erwerbe von Beteiligungen bzw. Kapitalzuführungen an Unternehmen, Darlehensvergaben und Tilgungsausgaben für Darlehen von staatlichen Stellen, andererseits Beteiligungsveräußerungen bzw. Kapitalrückzahlungen, empfangene Darlehensrückzahlungen und Einnahmen aus Krediten von staatlichen Stellen klassifiziert.
- 7 Die aktuelle Zinsentwicklung am Kapitalmarkt schlägt sich nur zeitverzögert in der Durchschnittsverzinsung nieder, da diese in hohem Maße durch die Konditionen langfristiger Titel aus Vorjahren beeinflusst wird.
- 8 Vgl. T. Benz, C. Hagist, B. Raffelhüschen: Ausgabenprojektion und Reformszenarien der Beamtenversorgung in Deutschland, Studie im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland, Berlin 2011, Anhang V, Tab. 13. Diese unterstellen aber bis 2020 eine jährliche Anpassung der Versorgungsbezüge um nur 2%, S. 70.
- 9 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2014/15, Wiesbaden 2014, Anhang Tab. 13, schätzt den Deflator für den Konsum des Staates für 2014 sogar auf 3,1% und für 2015 auf 2,9%. Nach den ersten Ergebnissen für 2014 lag dieser Deflator bei Ausblendung der Effekte des ausgelaufenen Arzneimittel-Preismoratoriums bei knapp 2½%. Sollte es in den Folgejahren zu keiner Abschwächung kommen, würde der pauschal für alle Länder berechnete reale Ausgabenspielraum entsprechend verringert. Im Hinblick auf die weniger gewichtigen Sozialleistungen wäre freilich eher der derzeit spürbar niedrigere Deflator für den privaten Konsum zugrunde zu legen, wenn die reale Leistungsentwicklung abgebildet werden soll, so dass ein genauer berechneter Gesamtdeflator den angenommenen Wert von 2% zuletzt weniger deutlich verfehlen dürfte.
- 10 Die ausgewiesenen Veränderungen der verschiedenen Szenarien lassen sich überschlägig zu Gesamteffekten aufsummieren.
- 11 Dabei ist aber unter anderem zu bedenken, dass es strukturelle Unterschiede zwischen den Ländern gibt, die eine Differenzierung ebenfalls erklären können. So sind die Hebesätze der Gewerbe- und Grundsteuern in Großstädten durchschnittlich höher. Dies erklärt hohe Niveaus in den Stadtstaaten und niedrigere Sätze bei eher ländlicher Prägung.