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2020 feiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz sein 20-jähriges Jubiläum. Für Pioniere, die schon früh in Windräder, Photovoltaik- und Biomasseanlagen investiert haben, ist dies möglicherweise jedoch kein Grund zum Feiern, denn die gesetzlich garantierte Vergütung der Stromerzeugung läuft dann für die ersten Erneuerbare-Energien-Anlagen aus. Ob Bestandsanlagen ohne staatliche Förderung weiter rentabel sind, ist fraglich. Gingen sie vom Netz, so die Sorge, könnte das Erreichen der Energiewendeziele gefährdet werden. Aber sind diese Befürchtungen berechtigt? Und wenn ja, wie sollte die Politik darauf reagieren?

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde im Jahr 2000 als zentraler Baustein der deutschen Energiewende eingeführt, um den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zu steigern. Langfristig soll dieser Anteil von gegenwärtig knapp über 30% auf 40% bis 45% im Jahr 2025, 55% bis 60% im Jahr 2035 und bis zu 80% im Jahr 2050 erhöht werden (§ 1 EEG 2017).1 Das EEG garantiert den Anlagenbetreibern Einspeisevergütungen für 20 Jahre nach Inbetriebnahme. Ursprünglich wurden die Vergütungen staatlich festgelegt. Seit der 2017 in Kraft getretenen Novelle des EEG werden die Zahlungen für die meisten Anlagen auch über Ausschreibungen ermittelt.2 Die Ausschreibungen sollen gewährleisten, dass die langfristigen Ausbauziele punktgenau und kostengünstig erreicht werden.3 Zu diesem Zweck wurden für die drei wichtigsten erneuerbaren Energieträger jeweils konkrete Ausbaupfade festgelegt. Der jährliche Brutto-Zubau soll für Windenergieanlagen an Land 2800 MW (2900 MW ab 2020), für Solaranlagen 2500 MW und für Biomasseanlagen 150 MW (200 MW ab 2020) betragen (§ 4 EEG 2017). Brutto-Zubau meint dabei die jährlich neu installierte Leistung. Wie viele Erneuerbare-Energien-Anlagen in den jeweiligen Jahren möglicherweise vom Netz gehen, bleibt dabei jedoch unberücksichtigt.

„Grüner Abbau“ ab dem Jahr 2020?

Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Umweltorganisationen befürchten zunehmend, dass ab dem Jahr 2020 alte Erneuerbare-Energien-Anlagen in erheblichem Umfang abgeschaltet werden könnten.4 Denn dann endet die 20-jährige gesetzliche Vergütung für die ältesten Erneuerbare-Energien-Anlagen, die bereits seit 2000 über das EEG gefördert werden. Allein mehr als 5700 Windkraftanlagen an Land mit einer installierten Leistung von knapp 4500 MW fallen voraussichtlich 2020 aus der EEG-Förderung (vgl. Abbildung 1). Und auch in den Folgejahren wird die EEG-Vergütung jährlich für weitere Windräder mit einer installierten Leistung von 2000 MW bis 3000 MW auslaufen. Ob Anlagen ohne die EEG-Förderung rentabel weiterbetrieben werden können, ist zunächst fraglich. Würden sie abgeschaltet, fiele der tatsächliche (Netto-)Zubau an Erneuerbare-Energien-Anlagen möglicherweise erheblich geringer aus als die im EEG vorgesehenen Ausbaukorridore. Vergleicht man etwa den für Windenergie an Land geplanten Brutto-Zubau von 2800 MW pro Jahr mit den obigen Zahlen, drohte im Extremfall sogar ein „grüner Abbau“, wie die Süddeutsche Zeitung jüngst titelte.5 Ob die langfristigen Ziele der Energiewende dann noch termingerecht erreicht werden könnten, wäre unklar.

Weiterbetrieb alter Biomasse- und Windkraftanlagen fraglich

Das Auslaufen der EEG-Förderung bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Betrieb von alten Erneuerbare-Energien-Anlagen unwirtschaftlich wird und diese vom Netz gehen. So wurde ein Großteil der Photovoltaik-Anlagen von privaten Hauseigentümern auch für den Eigenbedarf installiert. Bei Endverbraucherpreisen von gegenwärtig knapp 30 Cent je kWh6 wird sich für sie der Weiterbetrieb auch ohne staatliche Förderung lohnen. Und Betreiber kommerzieller Erneuerbare-Energien-Anlagen können ihre Stromerzeugung auch nach 2020 an der Strombörse vermarkten. Gegenwärtig können dort durchschnittlich 3 Cent je kWh erlöst werden.7 Unter diesen Bedingungen können z.B. Photovoltaik-­Freiflächenanlagen und Wasserkraftwerke weiterhin wirtschaftlich betrieben werden, weil deren Investitionskosten nach 20 Jahren längst abgeschrieben sind und nur geringe Betriebskosten anfallen. Für Biomasse- und Windenergieanlagen ist die Perspektive für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb nach EEG-Förderende jedoch unsicher.

Beim Betrieb von Biomasseanlagen entstehen erheblich höhere Betriebskosten, insbesondere durch den Einsatz der Bioenergieträger (je nach Anlagenart 15 Cent bis 30 Cent je kWh).8 Zudem kann bereits vor Ende der Förderdauer zusätzlicher Investitionsbedarf zur Erneuerung von Anlagenkomponenten auftreten.9 Es wird davon ausgegangen, dass ohne Anschlussförderung ein überwiegender Teil der Anlagen nach Ablauf der 20-jährigen Vergütungsdauer stillgelegt werden würde.10

Abbildung 1
Zahl und installierte Leistung von Windkraftanlagen an Land – nach dem Beginn der EEG-Förderung


Zahl und installierte Leistung von Windkraftanlagen an Land – nach dem Beginn der EEG-Förderung

Quelle: eigene Darstellung. Anlagenstammdaten der Bundesnetzagentur, Veröffentlichung Anlagenregister August 2014 bis Mai 2017, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergien/Anlagenregister/Anlagenregister_Veroeffentlichung/Anlagenregister_Veroeffentlichungen_node.html (27.9.2017).

Wirtschaftlich schwierig wird die Situation auch für alte Windkraftanlagen an Land. Aktuelle Studien schätzen deren Betriebskosten (unter anderem für Wartung und Reparatur, Landpacht, Versicherung, technische und kaufmännische Betriebsführung, Direktvermarktung) auf 2,5 Cent bis 3,5 Cent je kWh – je nach Anlagengröße und -standort.11 Und typischerweise steigen insbesondere die Reparaturkosten mit zunehmendem Anlagenalter (Badewannenkurve). Gleichzeitig liegen die Großhandelsstrompreise aufgrund des sogenannten Merit-Order-Effekts gerade zu Spitzenwindzeiten häufig deutlich unter dem Durchschnitt von 3 Cent je kWh.12

Insgesamt kann damit festgehalten werden: Das Förder­ende im Jahr 2020 bedeutet nicht automatisch das wirtschaftliche Aus für alte Erneuerbare-Energien-Anlagen. Gerade für die Stromerzeugung aus Biomasse und Windenergie an Land ist es aber durchaus plausibel anzunehmen, dass der wirtschaftliche Weiterbetrieb für viele Bestandsanlagen nach Ende der EEG-Förderung nicht mehr gewährleistet sein wird.

In welchen Umfang alte Anlagen tatsächlich vom Netz gehen werden, ist gegenwärtig jedoch schwer abzuschätzen. So kann der Wegfall der festen staatlichen Förderung auch dazu führen, dass der Einsatz von Biomasseanlagen noch flexibler an den Marktbedingungen ausgerichtet wird: Direktvermarktungserlöse können erhöht werden, wenn Strom insbesondere dann produziert und eingespeist wird, wenn der Börsenstrompreis hoch ist, etwa bei Nachfragespitzen oder Windflauten. Zudem stehen vielen Biomasseanlagen neben dem Großhandelsstrommarkt noch weitere Vertriebswege offen, etwa über den Regelenergie- oder Wärmemarkt.13 Bei der Windenergie an Land kann der zunehmende Kostendruck nach Förder­ende zu einer Senkung der Betriebskosten anreizen – etwa wenn Anlagenbetreiber von den noch weit verbreiteten Vollwartungsverträgen auf flexiblere und bedarfsorien­tiertere Verträge umsteigen oder Betriebspausen für Wartung und Instandhaltung der Anlagen noch konsequenter in Zeiten niedriger Börsenstrompreise legen.14

EEG-Ausbaupfade anpassen: Netto- statt Bruttoziele

In jedem Fall ist ab 2020 mit der Abschaltung von Bestandsanlagen in mehr oder weniger großem Umfang zu rechnen. Mithin ist es insbesondere problematisch, dass die im EEG 2017 vorgesehenen Ausbaupfade den zu erwartenden Ersatzinvestitionsbedarf nicht abbilden. Die Diskrepanz zwischen geplantem Ausbaupfad (jährlich 2900 MW ab 2020) und möglicher Anlagenstillegung (maximal 4500 MW im Jahr 2020) ist im Bereich der Windkraft an Land besonders gravierend. Das ist für die Energiewende insofern relevant, als die Windenergie gegenwärtig der wichtigste erneuerbare Energieträger in Deutschland ist – und dies perspektivisch auch bleiben wird. Sollen die mittel- und langfristigen Ziele der Energiewende tatsächlich erreicht werden, müssen im EEG im Rahmen der nächsten Novellierung also Netto- statt Brutto-Ausbauziele verankert werden. Eine solche Regelung würde bedeuten, dass die tatsächlich ausgeschriebenen Kapazitätsmengen für neue Erneuerbare-Energien-Anlagen über dem festgelegten Brutto-Ausbauziel liegen müssen, wenn Bestandsanlagen dauerhaft vom Netz gehen. Neu wäre ein Netto-Ausbauziel nicht: Zumindest für Windenergieanlagen an Land sah das EEG 2014 noch einen jährlichen Zubau von 2500 MW netto vor. Begründet wurde die Abschaffung dieser Regelung primär unter Kostengesichtspunkten: Der Wechsel von Netto- zu Brutto-Ausbauzielen sollte helfen, die EEG-Umlage um 0,4 Cent bis 0,5 Cent je kWh zu entlasten.15 Dies geschah unter Inkaufnahme einer Verlangsamung des Zubaus neuer Windkraftanlagen. Dabei gäbe es effektivere Wege, die Umlage zu reduzieren – etwa durch eine kritische Prüfung der Ausnahmeregelungen für industrielle Stromverbraucher16 –, welche die Erreichung der Energiewendeziele gerade nicht aufs Spiel setzten. Auch erscheint angesichts der fortschreitenden Kostendegression bei neuen Windkraftanlagen17 fraglich, ob eine Verlangsamung des Zubaus gegenwärtig und insbesondere auch zukünftig tatsächlich noch zu einer signifikanten Entlastung der EEG-Umlage beitragen kann.

Weiterförderung von Bestandsanlagen?

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob möglicherweise auch alte Erneuerbare-Energien-Anlagen an den Ausschreibungen der (angepassten) Ausbaumengen teilnehmen dürfen sollen. Die Teilnahme von Bestandsanlagen an den Ausschreibungen, so die mögliche Argumentation, könne helfen, die zukünftigen EEG-Förderkosten zu senken. Diese Überlegung basiert auf einer simplen betriebswirtschaftlichen Arithmetik: Im Rahmen der zweiten Ausschreibungsrunde vom 1. August 2017 erhielten z.B. neue Windenergieanlagen an Land den Zuschlag für durchschnittlich 4,28 Cent je kWh.18 Im Vergleich dazu könnten Bestandsanlagen mit einer Förderung von maximal 3,5 Cent je kWh (vgl. die Betriebskosten) weiterbetrieben werden. Mithin könne die Weiterförderung von jenen Bestandsanlagen, die sich in den Ausschreibungen durchsetzen, helfen, die Kosten der EEG-Förderung weiter zu senken.

Mit der Öffnung der Ausschreibungen für Bestandsanlagen würde man dem Weg folgen, der im EEG 2017 für bestehende Biomassekraftwerke beschritten wird. Um Ersatzinvestitionen zu ermöglichen und effizienten Bestandsanlagen eine Weiterbetriebsperspektive zu bieten, sieht das Gesetz eine gemeinsame Ausschreibung für Neu- und Bestandsanlagen vor (§ 39f EEG 2017).19 Letztere können teilnehmen, wenn ihr bisheriger EEG-Zahlungsanspruch noch höchstens acht Jahre beträgt, und erhalten im Erfolgsfall eine zehnjährige Förderung (statt 20 Jahren für Neuanlagen, § 39g Abs. 3 EEG 2017).

Allokationspolitische Gründe für eine Weiterförderung fehlen meist

Aber kann die staatliche Weiterförderung von Bestandsanlagen allokationspolitisch gerechtfertigt werden? Ähnlich wie etwa bei einem Auto, stellt sich auch im Bereich der erneuerbaren Energien die Frage, wie lange der Weiterbetrieb einer alten Anlage mit immer weiter steigenden Wartungs- und Reparaturkosten noch sinnvoll ist – und ab wann besser eine Ersatzinvestition in eine Neuanlage (Repowering) mit langfristig niedrigeren Betriebskosten vorgenommen werden sollte. Diese Entscheidung kann der privatwirtschaftliche Anlagenbetreiber grundsätzlich am besten treffen. Er verfügt am ehesten über die notwendigen Informationen zu den aktuellen und erwarteten Betriebskosten der Bestandsanlage sowie den Kosten einer Ersatzinvestition. In diese Entscheidung sollte der Staat nur eingreifen, wenn allokationspolitische Gründe dafür sprechen, der Markt also nicht die richtigen Preissignale sendet. Im Fall der Entscheidung über den Ersatz alter Erneuerbare-Energien-Anlagen gibt es gute Gründe für die finanzielle Besserstellung der Errichtung von Neuanlagen gegenüber dem Weiterbetrieb von Altanlagen. Zwar werden Investitionen in erneuerbare Energietechnologien grundsätzlich durch diverse Formen von Markt- und Politikversagen verzerrt. Diese reichen von imperfekten Märkten für neue Technologien bis hin zu den nur unvollständig eingepreisten externen Umweltkosten der konventionellen (aber auch der erneuerbaren) Energieträger – und rechtfertigen grundsätzlich den Einsatz staatlicher Förderinstrumente.20 Diese Verzerrungen können hinsichtlich der Konkurrenz mit konventionellen Stromerzeugungstechnologien für die Bestandsanlagen durch die 20-jährige EEG-Vergütung aber wohl als korrigiert betrachtet werden. Ihren ökonomischen Zweck hat die staatliche Förderung bei Altanlagen damit zunächst erfüllt, bei neu zu installierenden Anlagen bestehen derartige Verzerrungen aber weiterhin. Insofern kann die Entscheidung über den Weiterbetrieb einer nicht mehr förderfähigen Anlage über das Ende der EEG-Vergütung hinaus dem privaten Betreiber unter Marktbedingungen überlassen werden, während für Neuanlagen aus den genannten allokationspolitischen Gründen auch weiterhin eine staatliche Förderung gerechtfertigt erscheint.

Ein Beispiel mag diese Argumentation verdeutlichen: So ist es unter anderem zentrales Anliegen des EEG, den technologischen Fortschritt im Bereich der Erneuerbare-Energien-Technologien zu fördern und damit mittel- und langfristig deren Kosten zu senken. Insbesondere hinsichtlich der Lernkurveneffekte kann dieser Fortschritt aber nur gelingen, wenn neue und innovative Anlagen großskalig produziert und eingesetzt werden.21 Die Weiterförderung von Bestandsanlagen kann diesbezüglich keinen gesellschaftlichen Mehrwert mehr generieren. Sie zögerte Neuinvestitionen hinaus und führte im Extremfall zum staatlich alimentierten Weiterbetrieb längst abgeschriebener und möglicherweise bald stilllegungsreifer Bestandsanlagen. Im Fall der Biomasseanlagen ist allerdings zu beachten, dass der Weiterbetrieb im Regelfall mit Ersatzinvestitionen sowie Investitionen in die Anlagenflexibilisierung verbunden ist, sofern letztere nicht bereits stattgefunden hat.22 Nach § 39f Abs. 3 EEG 2017 gelten für Bestandsanlagen, die eine Anschlussförderung erhalten, die gleichen Rechte und Pflichten wie für Neuanlagen, inklusive Flexibilisierungsanforderungen.23 In diesem Fall kann eine Stimulation von Lerneffekten möglich sein.24 Zudem werden durch die Begrenzung des Mais­ein­satzes auch für Bestandsanlagen Anreize gesetzt, nach ökologisch vorteilhafteren Substraten Ausschau zu halten (§ 39h Abs. 1 EEG 2017). Ein Wechsel in die Anschlussförderung kann insofern auch als Gelegenheit zur Korrektur der in alten EEG-Versionen gesetzten Anreize verstanden werden, wozu auch Anreize für einen grundlastorientierten, strompreisunabhängigen Betrieb gehören.

Allerdings kann der Ersatz von Bestands- durch Neuanlagen auch einen Beitrag dazu leisten, die externen gesellschaftlichen Kosten der erneuerbaren Stromerzeugung jenseits der Stromgestehungskosten zu reduzieren. Beispielsweise wären viele der alten Windenergieanlagen heute nicht mehr genehmigungsfähig, weil sie außerhalb der mittlerweile definierten Vorranggebiete liegen oder nicht mehr mit den heute geltenden Mindestabständen zu Siedlungen vereinbar sind.25 Folglich werden Investitionen in Neuanlagen bei gleichzeitigem Marktaustritt der Bestandsanlagen auch dazu führen, dass die Stromerzeugung in jene Gebiete verschoben wird, die heute noch rechtlich zulässig sind. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann dies durchaus sinnvoll sein, um Externalitäten zu begrenzen. Schließlich werden diese Gebiete im Idealfall in einem demokratisch legitimierten Entscheidungs- und Planungsprozess so festgelegt, dass die mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien verbundenen Akzeptanz- und Umweltprobleme (bzw. im ökonomischen Sinne Kosten) möglichst minimiert werden. Diese Flächen sind knapp. Umso wichtiger ist es, dass im Zuge eines Repowerings auch innerhalb dieser Gebiete verhältnismäßig kleine Bestandsanlagen durch leistungsstärkere und effizientere Neuanlagen ersetzt werden, die bei gleichem Flächenverbrauch eine höhrere Stromerzeugung gewährleisten können. Gleichzeitig bietet die Installation von Neuanlagen die Gelegenheit, verstärkt Anlagentechnologien mit systemdienlicher Einspeisecharakteristik einzusetzen.26

Teilnahme von Bestandsanlagen an Ausschreibungen nur im begründeten Ausnahmefall

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich die Weiterförderung von EEG-Bestandsanlagen unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zunächst nicht pauschal empfiehlt. Lediglich im Falle von Biomasseanlagen kann – bei hinreichend stringenten Flexibilitäts- und Umweltverträglichkeitsanforderungen – die Öffnung der Ausschreibungen für Bestandsanlagen sinnvoll sein, wenn sich hierdurch die Flexibilisierung des Anlagenbestands vorantreiben und die ökologische Nachhaltigkeit der Bioenergieerzeugung verbessern lässt. Durch die Konkurrenz von Neu- und Bestandsanlagen wird zumindest sichergestellt, dass Bestandsanlagen nur dann eine Anschlussförderung erhalten, wenn sie eine bedarfsgerechte Stromerzeugung günstiger leisten können als Neuanlagen.

Kritisch geprüft werden könnte die Teilnahme von Bestandsanlagen an den EEG-Ausschreibungen zudem als Ausnahmelösung, wenn der reguläre Ausbau neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen ins Stocken geraten sollte und die Ursachen der Investitionshindernisse nicht unmittelbar beseitigt werden können. So ist es zumindest theoretisch möglich, dass die ausgeschriebenen Kapazitätsmengen nicht voll ausgeschöpft werden – etwa weil die Genehmigungspraxis der Länder für Neuanlagen zu restriktiv ist und nicht in Einklang mit den nationalen Ausbauzielen steht. Diese Befürchtung wurde etwa im Zusammenhang mit den in Bayern für Windkraftanlagen festgelegten großen Mindestabständen zu Siedlungen geäußert.27 Des Weiteren könnten auch die Realisierungsraten der bezuschlagten Investitionsprojekte hinter den Erwartungen zurückbleiben – eine in Bezug auf Ausschreibungen oft geäußerte Sorge, etwa wenn die Pönalen bei Nichtrealisierung zu niedrig sind.28 In diesen Fällen wäre die Einbeziehung von Bestandsanlagen in die EEG-Ausschreibungen bestenfalls eine zweitbeste Lösung. Zunächst sollte stets versucht werden, die Ursachen zu geringer Investitionen in Neuanlagen zu adressieren, zumal ein Ausweichen auf Bestandsanlagen diese Problematik allenfalls aufschieben könnte.

Fazit: Anpassung der Ausbaupfade statt genereller Weiterförderung von Bestandsanlagen

Insgesamt wird damit deutlich, dass das Förderende für die ältesten Erneuerbare-Energien-Anlagen ab 2020 durchaus eine Herausforderung für das Gelingen der Energiewende darstellt. Das liegt primär daran, dass die damit einhergehende Abschaltung alter Anlagen, insbesondere im Bereich der Windenergie, bei der Festlegung der zukünftigen Ausbaupfade nicht berücksichtigt wurde. Dieses Problem kann aber durch den Umstieg von Brutto- auf Nettoausbauziele leicht geheilt werden. Eine staatliche Weiterförderung der Bestandsanlagen jenseits der bislang vorgesehenen 20 Jahre ist insoweit nicht generell notwendig.

Von den Biomasseausschreibungen abgesehen wurden Forderungen nach einer Verlängerung der Förderung von alten Erneuerbare-Energien-Anlagen eher verhalten geäußert. Es ist jedoch zu erwarten, dass derartige Forderungen bald auf die politische Agenda gesetzt werden. Darauf deutet unter anderem die Tatsache hin, dass Interessenverbände der erneuerbaren Energien – etwa der Bundesverband WindEnergie29 – bereits Gutachten in Auftrag geben, die den Anlagen eine mangelnde Wirtschaftlichkeit nach Förderende attestieren. Eine generelle Weiterförderung der Bestandsanlagen schüfe jedoch keinen Zusatznutzen für die Energiewende, sondern vergoldete lediglich die längst abgeschriebenen Investments der Anlagenbetreiber.

Zu bedenken ist zudem: Auf die Wettbewerbsfähigkeit von Bestandsanlagen hat auch die zukünftige Strompreisentwicklung entscheidenden Einfluss. Künftige Strompreise werden aber maßgeblich von den politischen Rahmenbedingungen für fossile Stromerzeugungskapazitäten bestimmt.30 Mithin wird sich die Wettbewerbssituation für (alte) Erneuererbare-Energien-Anlagen verbessern, wenn z.B. durch angemessen höhere CO2-Preise oder als Folge eines auf anderem Wege staatlich forcierten Kohleausstiegs der Börsenstrompreis wieder ansteigt.

  • * Wir danken Lukas Jany für umfassende Recherchen und Forschungs­assistenz sowie zahlreichen Mitgliedern des Netzwerks strommarkttreffen.org für hilfreiche Kommentare und Hinweise. 1Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts, BGBl, Jg. 2016, Teil I, Nr. 49, Bonn, 18.10.2016, S. 2258-2357.
  • 2 Dabei wird wettbewerblich ermittelt, wer anspruchsberechtigt ist und wie hoch der anzulegende Wert für die gleitende Marktprämie ausfällt (§ 22 Abs. 1 EEG 2017). Diese deckt die Differenz aus anzulegendem Wert und dem durchschnittlichen Monatsmarktwert des Erneuerbare-Energien-Stroms ab (Anlage 1 EEG 2017).
  • 3 Für eine kritische Würdigung dieser Reform vgl. E. Gawel, A. Purkus: EEG 2017 – Mehr Markt bei der Erneuerbare-Energien-Förderung?, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 12, S. 910-915.
  • 4 Vgl. M. Bauchmüller: Förderflaute, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.2.2017, S. 5, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energie-foerderflaute-1.3398766 (27.9.2017); M. Bauchmüller: Grüner Abbau, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.3.2017, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/erneuerbare-energie-gruener-abbau-1.3439748 (27.9.2017).
  • 5 Vgl. ebenda.
  • 6 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): BDEW-Strompreisanalyse November 2016: Haushalte und Industrie, Berlin, 24.11.2016, https://www.bdew.de/internet.nsf/res/17C4483BB515C7F4C125807A0035E077/$file/161124_BDEW_Strompreisanalyse_November2016.pdf (27.9.2017).
  • 7 Insgesamt war in den letzten Jahren ein starker Verfall der Großhandelspreise am Strommarkt zu beobachten, vgl. L. Hirth: What Caused the Drop in European Electricity Prices? A Factor Decomposition Analysis, in: Energy Journal, 39. Jg. (2017), H. 1, S. 143-157.
  • 8 Vgl. Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ) et al.: Vorhaben IIa Stromerzeugung aus Biomasse. Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichts 2014 gemäß § 65 EEG im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, https://www.dbfz.de/fileadmin/eeg_monitoring/berichte/02_Erfahrungsbericht_Juli_2015.pdf (27.9.2017).
  • 9 Vgl. Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016), Bundestags-Drucksache, Nr. 18/8860, 21.6.2016, S. 223, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/088/1808860.pdf (27.9.2017).
  • 10 M. Scheftelowitz, D. Thrän: Biomasse im EEG 2016. Hintergrundpapier zur Situation der Bestandsanlagen in den verschiedenen Bundesländern, DBFZ, Leipzig 2016, https://www.dbfz.de/fileadmin/user_upload/Referenzen/Statements/Hintergundpapier_Biomasse_EEG2016.pdf (27.9.2017).
  • 11 Vgl. P. Svoboda: Betriebskosten als Werttreiber von Windenergieanlagen – aktueller Stand und Entwicklungen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 63. Jg. (2013), H. 5, S. 34-38; Deutsche Windguard: Kostensituation der Windenergie an Land in Deutschland – Update, Varel 2015, http://www.windguard.de/_Resources/Persistent/97073b8b6b69ea37fda7b3a70e7b1f4a410db79e/Kostensituation-der-Windenergie-an-Land-in-Deutschland-UPDATE-20151214.pdf (27.9.2017).
  • 12 Vgl. L. Hirth, a.a.O.
  • 13 Vgl. E. Hauser, B. Wern: The role of bioenergy in the German „Energiewende“ – whose demands can be satisfied by bioenergy?, in: Energy, Sustainability and Society, 6. Jg. (2016), https://doi.org/10.1186/s13705-016-0101-0 (27.9.2017).
  • 14 Vgl. P. Svoboda, a.a.O.; Deutsche Windguard, a.a.O.
  • 15 Vgl. Deutscher Bundestag, a.a.O., S. 181.
  • 16 Vgl. E. Gawel, C. Klassert: Besondere Ausgleichsregelung im EEG: Quo vaderis?, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 63. Jg. (2013), H. 10, S. 29-34.
  • 17 In der letzten Ausschreibungsrunde für Windenergie an Land lag die ermittelte durchschnittliche Vergütung für Neuanlagen mit 4,28 Cent/kWh (vgl. Bundesnetzagentur: Ergebnisse der zweiten Ausschreibung für Wind an Land, 15.8.2017, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/15082017_WindAnLand.html?nn=265778 [27.9.2017]) nur noch knapp 1,5 Cent über dem durchschnittlichen Spotmarktpreis des Jahres 2016 an der Strombörse (vgl. Fraunhofer ISE: Jährliche Börsenstrompreise in Deutschland, https://www.energy-charts.de/price_avg_de.htm?year=2016&price=nominal&period=annual [27.9.2017]).
  • 18 Vgl. Bundesnetzagentur, a.a.O.
  • 19 Vgl. Deutscher Bundestag, a.a.O., S. 3 und S. 223.
  • 20 Vgl. P. Lehmann, E. Gawel: Why Should Support Schemes for Renew­able Electricity Complement the EU Emissions Trading Scheme?, in: Energy Policy, 52. Jg. (2013), S. 597-607.
  • 21 Vgl. ebenda.
  • 22 Vgl. M. Scheftelowitz et al.: Entwicklung eines Ausschreibungsdesigns für Biomasse im Rahmen des EEG 2017, DBFZ, Leipzig 2016, https://www.dbfz.de/fileadmin/user_upload/Referenzen/Studien/Ausschreibungsdesign_Biomasse_EEG_2016_Endbericht.pdf (27.9.2017).
  • 23 Um eine Flexibilisierung zu gewährleisten, ist die vergütungsfähige Strommenge bzw. Bemessungsleistung von Biogasanlagen auf 50% ihrer installierten Leistung begrenzt (§ 39h Abs. 2 i. V. m § 44b Abs. 1 EEG 2017). Anlagen, die feste Biomasse einsetzen, bekommen eine Bemessungsleistung von 80% ihrer installierten Leistung vergütet.
  • 24 Die Aussicht auf Kostensenkungen wird gleichwohl durch die hohe Bedeutung der Ressourcenkosten beschränkt. Vgl. Deutsches Biomasseforschungszentrum (DBFZ) et al., a.a.O., S. 42 ff.
  • 25 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Windenergieanlagen und Raumordnungsgebiete, BBSR-Analysen Kompakt, Nr. 01/2014, http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/AnalysenKompakt/2014/DL_01_2014.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (27.9.2017).
  • 26 Wie Schwachwindanlagen, die durch eine bessere Ausnutzung niedriger Windgeschwindigkeiten ein kontinuierlicheres Einspeiseprofil und eine höhere Zahl von Volllaststunden pro Jahr ermöglichen, vgl. M. Eichhorn et al.: Towards energy landscapes – „Pathfinder for sustainable wind power locations“, in: Energy, 134. Jg. (2017), S. 611-621.
  • 27 Vgl. F. Masurowski et al.: A spatially explicit assessment of the wind energy potential in response to an increased distance between wind turbines and settlements in Germany, in: Energy Policy, 97. Jg. (2016), S. 343-350.
  • 28 Vgl. E. Gawel et al.: Auktionen als Förderinstrument für erneuerbare Energien. Erfahrungen mit den Ausschreibungsrunden 2015 nach FFAV und Implikationen für die Weiterentwicklung im EEG 3.0., in: Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft (EnWZ), 5. Jg. (2016), H. 4, S. 153-159.
  • 29 Vgl. Deutsche Windguard, a.a.O.
  • 30 Vgl. Agora Energiewende: Energiewende 2030: The Big Picture. Megatrends, Ziele, Strategien und eine 10-Punkte-Agenda für die zweite Phase der Energiewende, Berlin 2017.

Title:Does the Phase-out of Public Support for Existing Renewable Energy Plants Jeopardise Germany’s Energy Transition?

Abstract:In 2020 Germany’s Renewable Energy Sources Act celebrates its twentieth anniversary. Pioneers of the German energy transition, who have invested early in wind, photovoltaic and biomass plants, may expect this anniversary with sorrow. This is because it will also imply that public support expires for the first renewable energy installations, after 20 years of guaranteed feed­in tariffs. It is unclear whether existing installations can be operated profitably without public support. Concerns are growing that the objectives of Germany’s energy transition may be difficult to attain if existing renewable energy plants go offline. Are these concerns justified? And if yes, how should they be addressed by public policy?

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DOI: 10.1007/s10273-017-2205-3