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Am 9. März 2017 hat der Bundestag die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit neuen Regeln zur Fusionskontrolle verabschiedet. Die Novelle sieht unter anderem die Einführung erweiterter Aufgreifkriterien vor. Diese neuen Kriterien sollen insbesondere der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen. So soll die Fusionskontrolle auch in Märkten angewendet werden können, in denen zwar nur geringe Umsätze generiert werden, die jedoch hohe Unternehmenskaufpreise gepaart mit starken Netzwerkeffekten und schädlichen Konzentrationsentwicklungen aufweisen. Daher wird insbesondere ein neues Kaufpreiskriterium eingeführt.

Bislang galten für Fusionen die Umsatzschwellenwerte des § 35 GWB und das Auswirkungsprinzip des § 130 Abs. 2 GWB. Überschritten Fusionsparteien bestimmte Umsatzwerte, mussten sie ihre Transaktion beim Bundeskartellamt bzw. der Europäischen Kommission anmelden. Die Behörden prüften daraufhin die Transaktion auf ihre wettbewerblichen Auswirkungen und nach einem positiven Urteil und der Freigabe durch die Behörden konnte die infrage stehende Fusion vollzogen werden. Dieses Umsatzkriterium wird nun für Deutschland mit der 9. GWB-Novelle ergänzt.

Ziel der GWB-Novelle

Insbesondere der Fusionsfall Facebook/WhatsApp im Jahr 2014 hatte gezeigt, dass ein rein auf Umsätzen basierendes Aufgreifkriterium wichtige Fälle nicht der Fusionskontrolle zuzuführen vermag. Facebook soll für den Erwerb von WhatsApp ca. 19 Mrd. US-$ bezahlt haben. Gleichwohl verfügte WhatsApp zumindest in Europa und in Deutschland über keine ausreichenden Umsätze, um allein aufgrund des Überschreitens von Umsatzschwellen der Fusionskontrolle unterzogen werden zu können. Gleichzeitig würden Marktteilnehmer und Nutzer von WhatsApp dem Unternehmen wohl eine erhebliche Marktstellung attestieren. Nicht zuletzt wäre sonst kaum erklärlich, dass Facebook 19 Mrd. US-$ für eine Gesellschaft zahlt, deren Marktposition dem (derzeitig) geringen Umsatz entspricht.

Was der Fall Facebook/WhatsApp besonders deutlich zeigte, muss für Geschäftsmodelle in der digitalen Wirtschaft keine Seltenheit sein. Insbesondere Netzwerkeffekte können dazu führen, dass Unternehmen innerhalb weniger Jahre starke wettbewerbliche Positionen erreichen, ohne nennenswerte Umsätze zu erzielen. In einem zweiten Schritt lässt sich leicht vorstellen, dass eine solche Position, wenn sie erst einmal etabliert ist, monetarisiert wird.1 Der Internet­unternehmer und Paypal-Gründer Peter Thiel bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, wer dauerhafte Profite generieren möchte, solle ein Monopol schaffen.2 Die digitale Ökonomie stellt die Wettbewerbspolitik damit vor neue Herausforderungen. Auf dieses Problem hat die Monopolkommission in ihrem 68. Sondergutachten „Herausforderung digitale Märkte“ hingewiesen und gefordert, die Fusionskontrolle an diese neuen Entwicklungen anzupassen.3 Ein Gesetz, dessen Anwendung bislang auf zurückliegenden Umsätzen basierte, greift hier natürlich zu kurz. Aus der Finanztheorie ist jedoch bekannt, dass sich Unternehmenswerte und somit Kaufpreise für Unternehmen aus diskontierten künftigen Cashflows ableiten lassen. Entsprechend lassen sich Kaufpreise in Höhe von 19 Mrd. US-$ mit künftigen Umsätzen erklären.

Gesetzestext

Im Vergleich zum bisherigen Gesetzestext werden daher in der 9. GWB-Novelle in §  35 GWB die Aufgreifkriterien erweitert. Die bisherige Formulierung sah vor, dass die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle angewandt werden, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. Euro sowie im Inland mindestens ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. Euro erzielten. Bei den beiden letztgenannten Schwellenwerten handelt es sich um die sogenannten Inlandsumsatzschwellen, die sicherstellen sollen, dass ein ausreichender Bezug zu Deutschland vorliegt. Die zweite Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. Euro wurde dabei erst 2009 mit dem Dritten Mittelstandsentlastungsgesetz eingeführt.

Gemäß § 130 Abs. 2 GWB alte Fassung war ferner zu beachten, dass das Gesetz nur auf Wettbewerbsbeschränkungen angewendet wird, die sich in Deutschland auswirken, sogar dann, wenn sie außerhalb Deutschlands veranlasst werden.4 Diese Regelung gilt auch für die Zusammenschlusskontrolle insgesamt und insbesondere für die Anmeldepflicht für Unternehmenszusammenschlüsse nach § 39 GWB. Daraus folgt, dass Zusammenschlüsse, welche die Umsatzschwellenwerte überschreiten, nicht zwangsläufig anmeldepflichtig sind. Die Einführung der zweiten Inlandsumsatzschwelle in Höhe von 5 Mio. Euro hat dies zwar für einen Zusammenschlussfall mit zwei beteiligten Unternehmen konkretisiert, bei anderen Fallgestaltungen enthält die zweite Inlandsumsatzschwelle jedoch keine abschließende Regelung, die § 130 Abs. 2 GWB verdrängen würde.

Die Umsatzkriterien des § 35 GWB werden nunmehr durch nachfolgende Kriterien in § 35 Absatz 1a GWB ergänzt, wonach die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle auch dann Anwendung finden, wenn

  1. die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. Euro erzielten,
  2. ein beteiligtes Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro erzielte, aber weder das Zielunternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 5 Mio. Euro erzielten.
  3. Zudem muss der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss, also der Kaufpreis, mehr als 400 Mio. Euro betragen und
  4. das zu erwerbende Unternehmen muss in erheblichem Umfang im Inland tätig sein.

Unter die Umsatzschwellen dürften insbesondere Fusionen fallen, bei denen ein großes Unternehmen, das maßgeblich zur Erreichung der „500 Mio. Euro“-Schwelle beiträgt und das in Deutschland bereits nicht unerhebliche Umsätze von über 25 Mio. Euro erzielt, ein kleineres Unternehmen erwirbt, das nur sehr geringe Umsätze in Deutschland erzielt, die unterhalb der Schwelle von 5 Mio. Euro liegen. Würde das Zielunternehmen diese Schwelle überschreiten, würde ohnehin die bereits bestehende Umsatzschwelle des bisherigen § 35 GWB greifen. Für die neue Konstellation, in der diese Schwelle unterschritten wird, kommen jedoch noch die weiteren Kriterien hinzu. Die Transaktion bzw. der Kaufpreis muss einen erheblichen Wert, 400 Mio. Euro, aufweisen, und das Zielunternehmen muss in erheblichem Umfang in Deutschland tätig sein. Mittels dieser Formulierung sollte explizit die Konstellation erfasst werden können, in der das betroffene Unternehmen nur geringe Umsätze in Deutschland erzielt und hierfür gleichwohl ein hoher Kaufpreis gezahlt wird, eben wie bei der Fusion Facebook/WhatsApp.

Local Nexus

Da ein geringer Umsatz des Zielunternehmens in Deutschland und ein hoher Transaktionswert, der sich nur schwerlich geografisch zuordnen lässt, sehr viele Transaktionen erfassen könnten, ist eine Einschränkung der zu prüfenden Transaktionen notwendig und international üblich, um einen Inlandsbezug herzustellen.5 Hier sieht das Gesetz neben dem beibehaltenen Erfordernis der Inlandsauswirkungen in § 35 Absatz 1a GWB zwei Bausteine vor. Ein Local Nexus wird dadurch sichergestellt, dass ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland einen Umsatz in Höhe von 25 Mio. Euro erzielt haben muss und für das Zielunternehmen ein erheblicher Umfang der Tätigkeit in Deutschland gefordert wird. Dies wird beispielhaft in der Gesetzesbegründung dargelegt.

So läge eine erhebliche Inlandstätigkeit beispielsweise in folgendem Fall vor:6 Ein weltweit tätiger Konzern beabsichtigt, den Anbieter einer Kommunikations-App für Smartphones zu erwerben. Die App richtet sich an Endkunden und wird von dem zu erwerbenden Unternehmen bislang kostenfrei bzw. nahezu kostenfrei angeboten. Zum Zeitpunkt der Anmeldung der Fusion beim Bundeskartellamt hat sich für dieses Produkt der sogenannte „Monthly Active User“ (MAU) als branchenübliche Maßzahl für die Messung von Nutzerzahlen herausgebildet. In diesem Fall ließe sich die Inlandstätigkeit anhand dieser Maßzahl beurteilen. So wird bei einer Nutzerzahl von 1 Mio. bei einer App, die sich an alle Verbraucher in Deutschland wendet, von einer erheblichen Inlandstätigkeit ausgegangen.

Als Gegenbeispiel zeigt die Gesetzesbegründung auch auf, welcher Fall typischerweise keinen erheblichen Inlandsbezug erwarten lässt.7 Ein ausländischer Konzern verkauft sein Geschäft mit Spezialmotoren an einen deutschen Wettbewerber. Die weltweiten Umsätze des erworbenen Unternehmens und des Käufers lagen im letzten Jahr bei jeweils über 300 Mio. Euro, dabei erzielte der deutsche Käufer in Deutschland Umsätze von weit über 25 Mio. Euro. Die Umsätze des erworbenen Unternehmens lagen in Deutschland hingegen nur bei rund 1 Mio. Euro. Die hier betroffene Branche zeichnet sich jedoch seit vielen Jahren durch hohe Umsatzvolumina und nicht durch unentgeltlich bereitgestellte Produkte aus. Hier werden also das wettbewerbliche Potenzial eines Unternehmens und dessen Marktposition durch die bisher erzielten Umsätze zuverlässig reflektiert.

Wert der Gegenleistung

Wie der Wert der Gegenleistung zu bestimmen ist, wird in der Gesetzesbegründung ebenfalls dargelegt. Hierzu wird in § 38 GWB neue Fassung erläutert, dass die Gegenleistung alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen umfasst, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem infrage stehenden Zusammenschluss erhält. Ferner sind der Wert der vom Erwerber übernommenen Verbindlichkeiten hinzuzuziehen sowie erfolgsabhängige Zahlungen. Besteht ein Kaufpreis aus den genannten verschiedenen Bestandteilen, so ist der Wert der Gegenleistung zu bestimmen, indem die Werte der einzelnen Komponenten ermittelt, addiert und in einen Geldwert in Euro umgerechnet werden. Die Gegenleistung erfasst damit auch dann den Kaufpreis korrekt, wenn er z.B. in Form von Aktien beglichen wird. Dass dies auch gerade bei Start-Ups in der digitalen Wirtschaft vorkommen kann, zeigte der Fusionsfall Facebook/WhatsApp, bei dem sich der Kaufpreis von 19 Mrd. US-$ zu 12 Mrd. US-$ aus Facebook-Aktien, zu 4 Mrd. US-$ aus Barmitteln und zu 3 Mrd. US-$ aus Facebook Restricted Stock Units zusammensetzen sollte.8 Die Auswertung einer Datenbank der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für öffentliche Übernahmeangebote zeigt jedoch auch, dass für die überwiegende Mehrheit der zu erwartenden Transaktionen von Bartransaktionen auszugehen ist.9 In den Fällen, bei denen gleichwohl ein Wertpapiertausch vorliegt, verweist die Gesetzesbegründung für die Wertermittlung dieser Papiere auf deren aktuellen Wert, der sich auf einem liquiden Markt ergibt, oder falls ein solcher Markt nicht existiert, auf eine Wertbestimmung mittels (vorliegender) Gutachten.

In Fällen, in denen die Gegenleistung in anderen Vermögenswerten besteht, wird ebenfalls darauf verwiesen, dass für den Wert der Gegenleistung Wertgutachten heranzuziehen sind, die typischerweise bereits bestehen sollten. Einschränkend wird nur ausgeführt, dass Wertgutachten einer vertretbaren Methodik folgen sollen, dass also Bewertungsmethoden heranzuziehen sind, die von einer Unternehmensfortführung ausgehen. Eine Wertbestimmung anhand von Liquidationswerten ist damit ausgeschlossen.

Auswirkungen

Nach der 8. GWB-Novelle aus dem Jahr 2013, mit der der SIEC-Test (significant impediment of effective competition) in die deutsche Fusionskontrolle Einzug erhielt, werden nunmehr die Aufgreifkriterien wesentlich ergänzt. Die Gesetzesänderung ist offensichtlich dazu geeignet, Fälle mit einem umsatzschwachen, aber hoch bewerteten bzw. bepreisten Zielunternehmen zu erfassen; eine Konstellation, die sich auch im Falle Facebook/WhatsApp zeigte. Daher ist es auch nicht überraschend, dass das Gesetz bereits während der Gesetzgebungsphase von Teilen der Start-Up-Community kritisch begleitet wurde. Wie jedoch sowohl die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung als auch die Monopolkommission in ihrem 21. Hauptgutachten darlegen, ist ein Schaden für deutsche Start-Ups nicht zu befürchten.10 Ein Transaktionswert von 400 Mio. Euro wird für viele Start-Ups nicht zutreffen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die deutsche Fusionskontrolle einem sehr engen und zügigen Fristenregime unterliegt und die meisten Fusionsfälle des Bundeskartellamts innerhalb der ersten Prüfungsphase von einem Monat freigegeben werden. Die Anforderungen an eine Anmeldung eines Fusionsfalls beim Bundeskartellamt sind dabei sehr gering. Fusionsfälle, die in einer sogenannten zweiten Phase ausführlicher geprüft werden und dann auch noch untersagt werden, sind selten. In den letzten Jahren handelte es sich dabei um einen Fall jährlich. Dies waren die Fälle Edeka/Kaiser’s Tengelmann 2015, Klinikum Esslingen/Kreiskliniken Esslingen 2014 und Kabel Deutschland/Tele Columbus 2013. Offensichtlich waren die betroffenen Unternehmen ihrer Start-Up-Phase längst entwachsen. Dieses Bild ändert sich auch nicht, wenn man weiter zurückliegende Fälle betrachtet. Dass mit der Gesetzesnovellierung deutschen Start-Ups Exitkanäle verbaut werden, ist also nicht zu erwarten.

Zudem müsste gerade Start-Ups die Gesetzesänderung entgegenkommen. Schließlich sind es die Start-Ups, die sich in der Regel ihre Kunden und eine Marktposition noch erarbeiten müssen. Ihnen müsste daher gerade an frei zugänglichen Märkten ohne Eintrittsbarrieren gelegen sein. Nur bei einem funktionierenden Wettbewerb können neue Ideen zur Marktreife und darüber hinaus entwickelt werden. Vermachtete Marktstrukturen, die von einem oder wenigen dominanten Marktteilnehmern bestimmt werden, sind hingegen ein problematisches Umfeld für die Entwicklung junger Unternehmen. So käme wahrscheinlich derzeit kaum ein Unternehmensgründer auf den Gedanken, ein neues Suchportal zu gründen, um z.B. Google Konkurrenz zu machen. Entsprechend erachtet auch die Monopolkommission in ihrem 21. Hauptgutachten Vorwürfe, dass mit der Gesetzesänderung Investoren abgeschreckt werden könnten, als unbegründet.11

Insbesondere für Großunternehmen und deren Transaktionen ist festzuhalten, dass es sich bei den neuen Regeln um eine ergänzende, subsidiäre Aufgreifschwelle handelt. Die bislang herrschenden Umsatzschwellen bleiben bestehen. Daher ist davon auszugehen, dass sich für eine Vielzahl von Fällen keine Änderungen ergeben. Wenn sie die bisherigen Umsatzschwellenwerte erfüllen, bleiben sie nach wie vor anmeldepflichtig. Ähnliches gilt für die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden. Die Arbeitsteilung in der Fusionskontrolle zwischen Bundeskartellamt und Europäischer Kommission bleibt erhalten. Die Europäische Kommission verfügt über klare Umsatzkriterien in Art. 1 der Fusionskontrollverordnung (Nr. 139/2004), bei deren Überschreitung durch Fusionsparteien die Kommission für die Prüfung eines Zusammenschlusses zuständig ist. In § 35 Abs. 3 GWB ist hierzu klar geregelt, dass die deutsche Fusionskontrolle nur zuständig ist, bzw. das GWB nur Anwendung findet, wenn die Kommission nicht ausschließlich zuständig ist.

Ein internationaler Vergleich zeigt überdies, dass sich Transaktionswerte bzw. Kaufpreise als Aufgreifkriterium bereits als praxistauglich erwiesen haben.12 So hat die US-amerikanische Fusionskontrolle bereits umfangreiche Erfahrungen mit solchen Werten im Rahmen ihres Size-of-Transaction-Test gesammelt. Der direkte Vergleich mit den US-Regeln zeigt ferner, dass die GWB-Novelle hinsichtlich der Informationsanforderungen an die Fusionsanmelder ein sehr einfach zu handhabendes Kriterium in die deutsche Fusionskontrolle einführt.13 Hier werden sich durch die Novelle nur verhältnismäßig geringe Änderungen in den Informationspflichten des § 39 GWB ergeben.

Schlussbemerkung

Die digitale Wirtschaft stellt die Wettbewerbspolitik vor neue Herausforderungen. Ein Wettbewerbsrecht, das nur auf Märkten anwendbar ist, in denen hohe Umsätze generiert werden, kann auf Märkten, die zumindest in ihrer Entstehungsphase wenig oder keine Umsätze aufweisen, keine ausreichende Schutzwirkung entfalten. Wenn diese Märkte zudem durch erhebliche Netzwerkeffekte geprägt sind und nach nur kurzer Zeit ein Marktteilnehmer sämtliche Wettbewerber verdrängen kann, wird offensichtlich, dass hier ein Schaden für den Wettbewerb möglich ist. Hierauf wurde mit der 9. GWB-Novelle reagiert. Jedoch ist in dieser Begründung keine Einschränkung der Gesetzesänderung zu sehen. Denn hier wurde keine branchenspezifische Lösung vorgenommen. Vergleichbare Konstellationen mit hohen Kaufpreisen und geringen Umsätzen lassen sich schließlich auch auf anderen Märkten feststellen. So können etwa auch im Pharmasektor für Patente neuer Medizinprodukte hohe Kaufpreise erzielt werden, obwohl die Generierung von Umsätzen noch aussteht. Gleichermaßen besteht auch in solchen Fällen die Möglichkeit, dass mit der Übertragung bzw. dem Erwerb von Patenten erheblich konzentrierte Marktstrukturen und Markteintrittsbarrieren entstehen können.

Die mit der Novelle adressierte Lücke in der Fusionskontrolle ist kein deutsches Phänomen und die Einführung eines Transaktionswertkriteriums erscheint nicht nur für Deutschland als gangbarer Weg, diese Lücke zu schließen. Das zeigen entsprechende Gesetzesinitiativen, die aktuell auch in Österreich und auf der Ebene der Europäischen Kommission vorangebracht oder zumindest evaluiert werden.

Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder, die nicht notwendigerweise mit der des Bundeskartellamts übereinstimmt.

  • 1 Für eine ausführliche Diskussion der digitalen Ökonomie bzw. Internetplattformen und ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb vgl. Bundeskartellamt: Digitale Ökonomie – Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz – Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht am 1.10.2015; vgl. L. Hamelmann, J. Haucap: Kartellrecht und Wettbewerbspolitik für Online-Plattformen, in: Düsseldorf Institut für Wettbewerbspolitik – Ordnungspolitische Perspektiven, Nr. 78 (2015), S. 3 ff.
  • 2 Vgl. P. Thiel: Competition is for Losers, Wall Street Journal vom 12.9.2014.
  • 3 Vgl. Monopolkommission: Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, Sondergutachten 68, Bonn 2015, S. 154 ff.
  • 4 Vgl. hierzu Bundeskartellamt: Merkblatt Inlandsauswirkungen in der Fusionskontrolle, 2014, S. 2 f.
  • 5 Vgl. OECD: Local Nexus and Jurisdictional Thresholds in Merger Control, 2016, S. 4 ff.
  • 6 Vgl. Bundestags-Drucksache 18/10207 vom 7.11.2016, S. 75.
  • 7 Vgl. ebenda.
  • 8 Vgl. Europäische Kommission: Case No COMP/M.7217 – Facebook/ WhatsApp, Entscheidung nach Art. 6 (1)(b), 2014, S. 2.
  • 9 Vgl. Bundestags-Drucksache, a.a.O., S. 44.
  • 10 Vgl. ebenda S. 73; vgl. Monopolkommission: Wettbewerb 2016 – Einundzwanzigstes Hauptgutachten, Bonn 2016, S. 13.
  • 11 Vgl. Monopolkommission: Wettbewerb 2016 ..., a.a.O., S. 25.
  • 12 Vgl. OECD, a.a.O., S. 15.
  • 13 Vgl. R. Harty, S. Pepper: United States, in: Merger Control – The international regulation of mergers and joint ventures in 74 jurisdictions worldwide, 2016, S. 428-436; vgl. Title 15 U.S. Code § 18a(a)(2).

Title:New Merger Control Thresholds in the Ninth Amendment of the German Competition Act

Abstract:The Ninth amendment of the German Competition Act introduces new merger control thresholds. These thresholds are designed to close an enforcement gap that is especially found in parts of the digital economy. As the takeover of Facebook and WhatsApp revealed, traditional turnover-based thresholds are inapplicable to business models prevalent in some parts of the digital economy. The amendment addresses these limitations and specifically introduces a transaction value-based threshold that will enable the Federal Competition Authority to carry out merger control in certain mergers with high transaction values and low turnovers.


DOI: 10.1007/s10273-017-2155-9