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Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Wirtschaft und Staat sollen in der Europäischen Union entsprechend der Lissabon-Strategie auf 3% des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden. Deutschland hat das 3%-Ziel bisher nur knapp verfehlt. Aber haben diese Anstrengungen wirklich zu mehr Innovations-Output und Wirtschaftswachstum geführt? Ist die indirekte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung oder die direkte Projekt-Förderung effektiver? Welche speziellen Anforderungen an die Forschungsförderung haben kleine und mittlere Unternehmen?

Wirtschaftliche Erfolgspotenziale als Förderkriterien

Eine Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) ist immer dann gerechtfertigt, wenn durch sie Marktunvollkommenheiten beseitigt werden, in deren Folge ein geringeres als das gesellschaftlich wünschenswerte Niveau von FuE-Anstrengungen realisiert würde. Dies betrifft Unternehmen wie öffentliche Einrichtungen gleichermaßen.

Die relevanteste dieser Marktunvollkommenheiten sind Spillover im Sinne nicht monetär kompensierter positiver Auswirkungen von FuE-Aktivitäten auf Dritte. Diese Spillover liegen nicht nur in der Grundlagenforschung vor, wo sie letztlich intendiert sind, sondern in unfreiwilliger Form ebenfalls im Bereich der anwendungsorientierten Forschung. Ursachen sind insbesondere Ineffizienzen bei der Durchsetzung von Patenten und anderen immateriellen Eigentumsrechten1 sowie Personalfluktuation, in deren Folge innovationsrelevantes Wissen auch von der Konkurrenz genutzt werden kann oder gar vollständig abwandert.2 Darüber hinaus führen Informationsasymmetrien zu Marktversagen.3 Da Erfinder und externe Finanziers unterschiedlich gut über relevante Sachverhalte wie beispielsweise die Qualität einer Erfindung oder das Marktpotenzial einer innovativen Idee informiert sind und diese Informationsasymmetrie nur unter Aufwendung substanzieller Kosten der Informationsbeschaffung aufgelöst werden kann, droht das von Akerlof4 aufgezeigte Phänomen des „Market for Lemons“ einzutreten, in dessen Folge es selbst für solche Projekte kommt zu Kreditrationierung, die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wünschenswert sind.

Ein weiteres Problem liegt in der schlechten Beleihbarkeit immaterieller Vermögensgüter. Während Maschinen oder ein Gebäude im Fall eines Scheiterns wieder verkauft werden können, wodurch der Verlust eines externen Finanziers begrenzt wird, sind die Ergebnisse von FuE-Aktivität (technologisches Wissen, Patente, Prototypen etc.) immaterieller und oft betriebsspezifischer Natur, sodass sie in der Regel schlecht bis gar nicht liquidierbar sind. Forschung und Entwicklung muss also in erster Linie aus Eigenkapital finanziert werden – mit der Folge, dass die Kreditrationierung bei der Innovationsfinanzierung primär kleine und mittelständische Unternehmen trifft. Marktunvollkommenheiten, insbesondere das Auseinanderfallen privater und sozialer Erträge von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, rechtfertigen somit ordnungspolitisch deren staatliche Förderung.

Empfänger von Fördermitteln

In Deutschland konzentrieren sich zusätzliche Fördermittel zunehmend auf den Wissenschaftssektor (Hochschulen, außeruniversitäre Forschungsinstitute sowie bundeseigene Forschungseinrichtungen). Hier wurden in den letzten Jahren mit der „Exzellenzinitiative“ und dem „Pakt für Forschung und Innovation“ in großem Stil zusätzliche Milliarden investiert. Die wissenschaftliche Forschung muss nicht in ein System der steuerlichen Forschungsförderung eingebunden werden, da sie in großen Teilen grundfinanziert wird und zusätzlich zahlreiche Instrumente der Projektförderung – und kein anderes Fördersystem ist im Hochschulbereich sinnvoll – zur Verfügung stehen, die inzwischen auch sehr gut mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Hingegen ist der Finanzierungsanteil des Staates an den FuE-Aufwendungen der Wirtschaft zwischen 1981 und 2015 drastisch und kontinuierlich gesunken – von 16,9% auf zuletzt nur noch 3,3%.5 Das Ziel, 3% seiner gesamten Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung zu investieren, wurde in Deutschland somit maßgeblich durch die Eigeninitiative der hiesigen Wirtschaft erreicht, die für den Löwenanteil der gesamtwirtschaftlichen FuE-Aufwendungen verantwortlich zeichnet. Dass noch größere Anstrengungen nötig sind, um die Lücke zu Ländern der internationalen Forschungsspitze (beispielsweise Korea oder der Schweiz) zu schließen, ist unbestritten. Ein sinnvolles Zwischenziel auf diesem Weg lautet, bis zum Jahr 2025 eine gesamtwirtschaftliche FuE-Quote von 3,5% zu erreichen.6

Steuerliche oder Projektförderung?

Auf eben diesem Weg wäre die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung ein zielführendes Instrument. Zur Erinnerung: Die steuerliche FuE-Förderung wurde bereits im Koalitionsvertrag des Jahres 2009 beschlossen,7 doch trotz aller nachdrücklichen und wiederholten Empfehlungen aus der Wissenschaft (vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung über den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung8 bis hin zur Expertenkommission für Forschung und Innovation) bislang nicht umgesetzt. Obwohl der Bundeshaushalt in den letzten Jahren Rekordüberschüsse verzeichnen konnte, wurde das Geld für die Rente mit 63 oder die Mütterrente ausgegeben, statt es in FuE zu investieren. Aber auch ministerielle Befindlichkeiten und Kompetenzstreitigkeiten tragen hieran eine Mitschuld. Denn während das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, in deren Aufgabengebiet die steuerliche FuE-Förderung fallen würde, deren Einführung befürwortet und unterstützt, beharren große Teile des Bundesministeriums für Bildung und Forschung – verantwortlich für die direkte Projektförderung – auf dem Status quo.

Befürworter einer direkten Projektförderung argumentieren häufig, eine steuerliche Forschungsförderung führe zu gravierenden Mitnahmeeffekten, da die Unternehmen letztlich nur ihre ohnehin geplanten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen deklarieren, die entsprechenden Budgets jedoch nicht ausdehnen würden. Die Stichhaltigkeit dieses Arguments muss vor dem Hintergrund zahlreicher empirischer Untersuchungen bezweifelt werden. So zeigen die internationalen Erfahrungen vielmehr einen spürbaren Hebeleffekt der steuerlichen FuE-Förderung. Metastudien9 belegen diesen positiven Hebeleffekt steuerlicher FuE-Förderung mit einer langfristigen Preis­elastizität10 privater FuE-Investitionen in Höhe von -1,02 und einer Zuwachsrate11 von 0,96%. Im Durchschnitt investieren die Unternehmen folglich in hohem Maße zusätzliche Forschungsmittel, die ohne die Förderung nicht durchgeführt worden wären. Mitnahmeeffekte sind zwar nicht vollständig auszuschließen, ihr Niveau ist jedoch nicht besorgniserregend. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob z.B. bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausschließlich Fördergelder für solche Projekte beantragt werden, die ohne eine entsprechende Unterstützung auf keinen Fall durchgeführt würden? Und wie viele FuE-Projekte, für die Großunternehmen direkte Projektmittel vom Staat beantragen, liegen nicht bereits in weit entwickelter Form in deren Schubladen? Fazit: Die Gefahr von Mitnahmeeffekten einer steuerlichen FuE-Förderung im Sinne einer partiellen Verdrängung privater FuE-Mittel durch öffentliche FuE-Förderung besteht und ist nicht zu verhindern. Gleiches gilt jedoch im Rahmen der bislang ausschließlich praktizierten direkten Projektförderung.

Die staatliche Förderung unternehmerischer Forschung und Entwicklung bedarf dringend einer zweiten Säule, denn die direkte Projektförderung weist gravierende Probleme auf. Insbesondere wirkt sie stark technologieselektiv, d.h., es werden nur solche Technologiebereiche gefördert, die von der Politik auch als förderwürdig empfunden werden. Die Fördertöpfe der Hightech-Strategie stehen z.B. nur sehr ausgewählten Spitzentechnologiefeldern offen. Der entsprechende Prozess geht mit nicht weniger als einer Anmaßung von Wissen einher, denn woher soll die Politik das künftige Marktpotenzial eines Technologiebereichs besser einschätzen können als der Markt und die auf diesem agierenden Unternehmen selbst? Die deutsche Solarbranche, die Millionen an Forschungsmitteln erhält, obwohl sie bereits seit Jahren ihren wirtschaftlichen Untergang vollzieht, zeugt eindrucksvoll von der Gefahr solcher technologieselektiver Projektfördervorgaben durch die Politik.

Rückblickend auf die Erfahrungen mit der mp3-Technik sollte sich auch jeder Innovationspolitiker fragen, wer hierzulande die Forschungsergebnisse dieser Technik hätte kommerzialisieren sollen, wenn es in Deutschland doch bereits seit Jahrzehnten keine wettbewerbsfähige Unterhaltungselektronikindustrie mehr gibt. Die in Deutschland entwickelte mp3-Technik ist unbestritten eine der kommerziell erfolgreichsten Innovationen der jüngeren Vergangenheit, doch haben von ihr keine deutschen, sondern in erster Linie asiatische und US-amerikanische Unternehmen profitiert. Fehlschläge der direkten Projektförderung sind übrigens kein neues Phänomen. So avancierte Mitte der 1980er Jahre das hauptsächlich in den USA entwickelte TCP/IP-Protokoll zum internationalen Internetstandard im Bereich der Kommunikationsprotokolle und diffundierte zügig am internationalen Markt. Vom damaligen Bundesforschungsministerium wurden in Deutschland jedoch über Jahre hinweg ausschließlich solche Projekte gefördert, die einen alternativen Standard verwendeten, den man seitens des Ministeriums und seiner Berater als einzig zukunftsfähigen einschätzte. Diese selektive Förderpolitik führte schließlich dazu, dass die deutschen Unternehmen enorme Entwicklungsaufwendungen abschreiben mussten und gravierende Wettbewerbsnachteile zu erleiden hatten.

Mit Blick auf die aktuelle Politik der Forschungs- und Innovationsförderung muss auch gefragt werden, warum hierzulande in massivem Umfang Mittel in die Biotechnologie investiert werden, obwohl Deutschland in diesem Bereich de facto über keine im Vergleich zu den USA oder Singapur wettbewerbsfähige Industrie geschweige denn Wertschöpfungskette verfügt und nichts darauf hindeutet, dass dies in Zukunft der Fall sein könnte. Die technokratische Antwort hierauf lautet, dass der Biotechnologie – ebenso wie der Solartechnologie – als so-genannter Spitzentechnologie von der Politik eine besondere Förderwürdigkeit attestiert wird. Hier zeigt sich anschaulich der Widersinn des Begriffs Spitzentechnologie. Dieser bedeutet nämlich mitnichten, dass eine Branche am Markt spitzenmäßig erfolgreich wäre, sondern lediglich, dass sie gemessen an ihrem Umsatz viele Mittel in Forschung und Entwicklung investiert. Branchen wie der Fahrzeugbau, der Maschinenbau oder die Elektroindustrie, die mit ihren Produkten kommerziell erfolgreich sind, können in dieser Logik niemals den Status „Spitzentechnologie“ erreichen, denn wenngleich sie riesige Summen in die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse investieren, zieht ihr ebenso kapitaler Umsatz ihre FuE-Quote unter das als Spitzentechnologie definierte Maß.

Ein großer Vorteil einer steuerlichen FuE-Förderung wäre, dass sie technologieoffen statt -selektiv erfolgen und somit einen fairen Wettbewerb zwischen Technologiebereichen ermöglichen würde, anstatt auch noch das zwanzigste dem Untergang geweihte Solartechnikprojekt zu fördern, nur weil noch Mittel in dem entsprechenden Topf sind und sich vielversprechende Projekte aus anderen Technologiebereichen nicht um diese bewerben dürfen.12 Eine steuerliche FuE-Förderung würde kleinere und mittelständische Technologieunternehmen außerdem besser erreichen, denn wie der aktuelle Bericht der Expertenkommission für Forschung und Innovation einmal mehr nachdrücklich zeigt, profitieren von dem aktuellen System der direkten Projektförderung in erster Linie Großunternehmen.13

Instrumente

Als Instrumente einer solchen steuerlichen FuE-Förderung kämen die Bemessungsgrundlage (z.B. Sonderabschreibungen und erhöhte Abschreibungen), der Steuersatz (z.B. reduzierte Steuersätze für Erträge aus der Überlassung von FuE-Know-how) oder die Steuerschuld (z.B. Steuergutschriften respektive Tax Credits) infrage. Darüber hinaus ist eine Reduktion von Lohnkosten für FuE-Personal denkbar, wie sie beispielsweise in Belgien praktiziert wird. Es besteht empirische Evidenz, dass an die Steuerschuld anknüpfende Tax Credits die größten FuE-Anreize entfalten.

An die Bemessungsgrundlage oder den Steuersatz anknüpfende Instrumente haben ebenfalls deutlich positive, wenngleich geringere Wirkungen. Liquiditätsengpässe können – soweit die Gutschrift die Steuerschuld übersteigt – durch eine vergütungsfähige Steuergutschrift vermieden werden. Die Steuergutschrift ist dann äquivalent mit einem Zuschuss oder einer Zulage. Die Förderung kann inkrementell oder volumenbasiert erfolgen. Bei einer volumenbasierten Förderung wird der Gesamtbetrag der qualifizierenden FuE-Aufwendungen zugrundegelegt. Besonders große Hebelwirkungen und besonders geringe Mitnahmeeffekte erzielen Systeme, die stattdessen auf eine inkrementelle Förderung setzen, deren Bemessungsgrundlage also nicht an dem Gesamtbestand der FuE-Aufwendungen ansetzt, sondern an dem im Vergleich zu einem bestimmten Referenzzeitpunkt und -niveau erzielten Zuwachs derselben. Wenngleich die Methode der Zuwachsförderung in der Theorie durchaus überzeugt, erscheint sie jedoch aufgrund des mit ihr einhergehenden sehr hohen bürokratischen Aufwands nicht wünschenswert für Deutschland. Gerade für den in puncto Heranführung neuer Gruppen an kontinuierliche FuE-Tätigkeit stark mittelständisch geprägten Adressatenkreis drohen die sehr hohen Dokumentationspflichten mögliche Vorteile zu überlagern.

In der internationalen Praxis hat sich die volumenbasierte steuerliche FuE-Förderung durchgesetzt und selbst Frankreich hat seine ehemals inkrementelle Förderung vor einigen Jahren auf ein volumenbasiertes System umgestellt. Länder wie Österreich oder Großbritannien, die erst in den letzten Jahren eine steuerliche FuE-Förderung eingeführt haben, haben sehr gute Erfahrungen bezüglich deren Wirksamkeit gemacht. Beide Länder haben eine klar definierte und gut anwendbare Kriterienliste für FuE-Aufwendungen entwickelt, die auch für Deutschland als Vorbild dienen könnte. Insbesondere in Österreich wurden sehr große Hebeleffekte bei der unternehmerischen Forschungsleistung erzielt und der Anteil unternehmerischer FuE am Bruttoinlandsprodukt ist von 1,47% (2004) auf 2,21% (2015) gestiegen.14 In Absolutwerten entspricht dies mehr als einer Verdopplung der unternehmerischen Forschungsaufwendungen von 3,6 Mrd. Euro auf 7,5 Mrd. Euro, womit die entsprechende Dynamik deutlich über dem deutschen Vergleichswert lag. Im Gegensatz zu den meisten anderen OECD-Ländern existiert in Deutschland jedoch keinerlei steuerliche Förderung von FuE, was in der Konsequenz bedeutet, dass Aufwendungen für FuE in keinem anderen Land unter steuerlichen Aspekten derart schlecht behandelt werden wie hierzulande.15 Erhalten etwa französische Mittelständler für jeden für Forschung ausgegebenen Euro fast 42 Cent Steuererleichterung vom Staat, gleicht die steuerliche Behandlung von FuE hierzulande eher einer Bestrafung. Im Vergleich zu anderen betrieblichen Aufwendungen zahlen Unternehmen in Deutschland für FuE sogar noch 2 Cent drauf, was sich in einem letzten Platz unter allen OECD-Ländern in puncto steuerlicher FuE-Förderung niederschlägt.

Fazit

Die Politik sollte ihre föderale Forschungsförderung künftig verstärkt anhand der wirtschaftlichen Erfolgspotenziale von Technologiebereichen ausrichten. Hierzu gehörte ergänzend zu der bisherigen Förderkulisse ein breitenwirksames und technologieoffenes Instrument in Form einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, die ordnungspolitisch durch die vorhandenen Marktunvollkommenheiten zu rechtfertigen ist. Die Einführung einer solchen steuerlichen FuE-Förderung ist dringend geboten, um insbesondere brach liegende Innovationspotenziale in mittelständischen Technologieunternehmen zu erschließen. Die entsprechende Förderung muss dabei auf Dauer angelegt sowie flexibel, verlässlich und unbürokratisch gestaltet sein. Ich persönlich favorisiere die Einführung einer volumenbasierten steuerlichen Forschungsförderung mit Tax Credits und einem deutlich höheren Fördersatz für kleine und mittelständische Unternehmen. Perspektivisch sollten Projektförderung und eine solche steuerliche FuE-Förderung als im Wesentlichen gleichberechtigte Säulen der Forschungs- und Innovationsförderung in Deutschland fungieren.

  • 1 E. Mansfield: How Rapidly Does New Industrial Technology Leak Out?, in: Journal of Industrial Economics, 34. Jg. (1985), H. 2, S. 217-223.
  • 2 H. Armbruster, S. Kinkel, E. Kirner, J. Wengel: Innovationskompetenz auf wenigen Schultern: Wie abhängig sind Betriebe vom Wissen und den Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter?, Fraunhofer ISI-Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung, Nr. 35, Karlsruhe 2005.
  • 3 B. H. Hall: The Financing of Research and Development, in: Oxford Review of Economic Policy, 18. Jg. (2002), H. 1, S. 35-51.
  • 4 G. A. Akerlof: The Market for Lemons: Quality, Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, 84. Jg. (1970), H. 3, S. 488-500.
  • 5 OECD: Main Science and Technology Indicators, Datenbankabfrage vom 3.8.2017.
  • 6 Expertenkommission Forschung und Innovation: Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017, Berlin 2017.
  • 7 „Wir streben eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung an, die zusätzliche Forschungsimpulse insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen auslöst.“ Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. 17. Legislaturperiode, 28.10.2009, http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Ministerium/koalitionsvertrag.html (5.8.2017).
  • 8 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Chancen für einen stabilen Aufschwung, Jahresgutachten 2010/11, Wiesbaden 2010.
  • 9 C. Spengel: Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland – Ökonomische Begründung, Handlungsbedarf und Reformoptionen, Berlin, Heidelberg 2009. Vgl. auch C. Spengel, C. Rammer, K. Nicolay, O. Pfeiffer, A.-C. Werner, M. Olbert, F. Blandinières, M. Hud, B. Peters: Steuerliche FuE-Förderung, Studien zum deutschen Innovationssystem, Nr. 15-2017, Berlin 2017.
  • 10 Die Preiselastizität misst die durchschnittliche prozentuale Veränderung der privaten FuE-Investitionen bei einer Reduktion der FuE-Kosten um einen Prozentpunkt.
  • 11 Die Zuwachsrate misst die durchschnittliche prozentuale Veränderung der privaten FuE-Investitionen durch eine Geldeinheit steuerliche FuE-Fördermaßnahmen.
  • 12 „Gezielte Förderung sollte das Ergebnis eines offenen Wettbewerbs um Fördermittel sein“. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Zeit für Reformen, Jahresgutachten 2016/17, Wiesbaden 2016.
  • 13 Expertenkommission Forschung und Innovation, a.a.O.
  • 14 OECD: Main Science ..., a.a.O.
  • 15 OECD: Science, Technology and Industry Outlook 2016, Paris 2016.

Forschungsförderung von kleinen und mittleren Unternehmen: Begrifflichkeiten und sachgerechte Abgrenzung

84 Mrd. Euro – das waren Deutschlands Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Jahr 2014. Allein in Bayern wurde so viel Geld für FuE eingesetzt wie in Spanien und Portugal zusammen.1 Ein nicht unerheblicher Beitrag wird hierbei vom Staat, vor allem in Form von Forschungsförderung von FuE-Projekten, zinsgünstigen Krediten für FuE-Vorhaben oder Förderprogrammen für innovative Unternehmensgründungen geleistet.2 Diese Förderung soll zielgerichtet auch in besonderem Maße kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Gründern zugutekommen. Dabei stellt sich die Frage, ob eine effektive und zielgerichtete staatliche Forschungsförderung die heterogene Natur der Begrifflichkeiten KMU und FuE in ausreichendem Maße anerkennen und entsprechend differenzieren sollte. Ob und wie das der Fall ist, lässt sich mit Statistik allein nicht vollumfänglich beantworten.

KMU und der deutsche Mittelstand

Neue Produkte entstehen dort, wo an Neuem gearbeitet wird. Der Bereich Forschung und Entwicklung ist nicht zuletzt deswegen ein elementarer Bestandteil eines Unternehmens, insbesondere in technologieorientierten Branchen. Neben universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird FuE hauptsächlich intern in Unternehmen betrieben, laut Bundesbericht Forschung und Innovation zu zwei Dritteln.3 Diese Aktivitäten werden zum Großteil von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern durchgeführt, die einen Anteil von rund 85% (2013) der gesamten Aufwendungen vorweisen können. KMU mit bis zu 250 Mitarbeitern vergeben dem Bericht zufolge häufiger FuE-Aufträge an Hochschulen und Einrichtungen der außeruniversitären Forschung. Mit rund 27% liegt der Anteil hier wesentlich höher als bei großen Unternehmen.4 Aufgrund der begrenzten Ressourcen, die KMU typischerweise kennzeichnen, ist dies nachvollziehbar.

Wenn man über KMU, oder wahlweise über den deutschen Mittelstand oder traditionelle deutsche Familienunternehmen spricht, kommt kaum eine Studie ohne die Feststellung aus, dass diese das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind.5 Immerhin sprechen die damit zusammenhängenden Zahlen eine eindeutige Sprache: 99,6% aller deutschen Unternehmen sind demnach KMU. Diese Unternehmen steuerten 2015 mit rund 2,2 Billionen Euro circa 35% des gesamten Umsatzes deutscher Unternehmen bei.6 Bei genauerer Analyse der Zahlen und Fakten fällt jedoch auf, dass kaum differenziertere Betrachtungen der Begrifflichkeiten vorgenommen werden. Immerhin ist das Spektrum von KMU noch sehr groß: Ein Hidden Champion mit 250 Mitarbeitern, der in seinem Bereich Weltmarktführer mit Umsätzen im zweistelligen Millionenbereich ist, hat in Bereichen wie FuE durchschnittlich deutlich mehr Möglichkeiten und Ressourcen als ein lokales Handwerksunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern.

Begrifflichkeiten

Obwohl die Begriffe KMU, deutscher Mittelstand sowie FuE in den Medien omnipräsent sind, bleiben deren Definition und Umfang oft ungenau, diffus oder vieldeutig. So spricht beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung in seinem Bundesbericht Forschung und Innovation 2016 von „KMU gemäß nationaler Definition“, „KMU mit weniger als 500 Beschäftigten“, oder von „KMU mit weniger als 250 Beschäftigten“.7 Die Termini KMU und deutscher Mittelstand werden oft synonym verwendet, wobei es für den Mittelstand keine allgemeingültige Begriffsbestimmung gibt.8 Sucht man nach einer Definition für den Begriff Mittelstand, findet sich beispielsweise beim Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) folgende Festlegung: „In einem mittelständischen Unternehmen halten bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen (direkt oder indirekt) mindestens 50% der Anteile eines Unternehmens, diese natürlichen Personen gehören der Geschäftsführung an. Die Begriffe Mittelstand, Familienunternehmen, Eigentümerunternehmen und familiengeführte Unternehmen sind nach Definition des IfM Bonn als Synonyme anzusehen.“9 Klodt nennt neben quantitativen Indikatoren wie Umsatz, Beschäftigtenzahl und Bilanzsumme auch qualitative Faktoren wie Einheit von Eigentum und unternehmerische Verantwortung.10

Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission eine KMU-Definition in einem 60 Seiten starken Leitfaden veröffentlicht.11 Anhand dieses Leitfadens sollen sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Stellen, die Anträge bearbeiten, bestimmen können, ob Unternehmen Beihilfefähigkeitskriterien, z.B. für FuE-Förderungen, erfüllen.12 Allein die Notwendigkeit sowie der Umfang einer solchen Veröffentlichung durch die EU-Kommission zeigt bereits, wie differenziert die vermeintlich einfache Definition eines allgegenwärtigen Begriffs sein kann. Da jedoch die Forschungsförderung in vielen Programmen stark auf die Begrifflichkeiten von KMU und Nicht-KMU abstellt, ist eine zweifelsfreie Eingruppierung enorm wichtig.

Demnach definiert die EU-Kommission ein KMU als ein Unternehmen, das

  • weniger als 250 Beschäftigte hat und entweder
  • einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder
  • eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro vorweist.

Bei der Ermittlung der Eingruppierung werden somit sowohl die Unternehmensgröße (anhand von Kennzahlen wie Mitarbeiterzahl, Umsatz, Bilanzsumme) als auch Unternehmensressourcen (anhand von Kennzahlen wie Eigentum, Partnerschaften, Verflechtungen) einbezogen – analog zum Vorgehen in gängigen Rechnungslegungsvorschriften. Daraus folgt die Einstufung als eigenständiges Unternehmen, Partnerunternehmen oder verbundenes Unternehmen. Im Weiteren wird innerhalb der Kategorie der KMU eine Einstufung nach Kleinstunternehmen (weniger als zehn Mitarbeiter, höchstens 2 Mio. Euro Umsatz oder Bilanzsumme), Kleinunternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter, höchstens 10 Mio. Euro Umsatz oder Bilanzsumme) und mittelgroßen Unternehmen (weniger als 250 Mitarbeiter, höchstens 50 Mio. Euro Umsatz oder 43 Mio. Euro Bilanzsumme) vorgenommen.

Betrachtet man die Definitionen von KMU und Mittelstand in einer Gesamtschau, lassen sich Gemeinsamkeiten und Überschneidungen, aber auch wesentliche Unterschiede feststellen, die häufig durch eine zu allgemeine Betrachtungsweise unbeachtet bleiben. Ebenso verhält es sich mit der Begrifflichkeit des FuE: Brockhoff definiert FuE als „eine Kombination von Produktionsfaktoren, die die Gewinnung neuen Wissens ermöglichen soll.“13 Vahs und Brem ergänzen, dass in FuE sämtliche Aktivitäten zusammengefasst werden, die „dem Erwerb von neuem Wissen und der Verwendung dieses Wissens in neuen Produkten und Prozessen dienen.“14 Im Detail aber zeigen „[r]esearch activities […] fundamentally different characteristics from development activities as research typically involves more tacit knowledge, higher intangibility, greater outcome uncertainty, and larger distance to the market.“15 FuE umfasst somit die Grundlagenforschung, die angewandte Forschung und die konkrete Entwicklung.

Keine passgenaue Abgrenzung in der Forschungsförderung

Einer passgenauen Abgrenzung der FuE-Begrifflichkeiten wird in der Forschungsförderung jedoch kaum Rechnung getragen. Beispielhaft kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in seiner Infobroschüre zum Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) angeführt werden, das „Zuschüsse für anspruchsvolle Forschungs- und Entwicklungsprojekte (FuE-Projekte), die zu neuen Produkten, technischen Dienstleistungen oder besseren Produktionsverfahren führen“16 als förderwürdig erachtet. Zwar wird eine Differenzierung zwischen Dienstleistung und Produzierendem Gewerbe explizit vorgenommen, eine tiefergehende Differenzierung zwischen Forschung und Entwicklung jedoch nicht. Hierbei gehört die Art der Forschungsförderung des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand, also die Bezuschussung für die Durchführung von FuE-Projekten, zu den Hauptstandbeinen der KMU-Unterstützung von Bund, Ländern und der EU.17 So beläuft sich die FuE-Unterstützung aktuell auf etwa 14% der FuE-Ausgaben von deutschen KMU. Was auf den ersten Blick, auch im internationalen Vergleich, als relativ hoch erscheint, relativiert sich bei Gegenüberstellung der kumulierten direkten und indirekten Förderungen anderer Länder. So haben KMU in anderen Ländern die Möglichkeit zwischen 20% und 50% ihrer FuE-Ausgaben mit staatlichen Fördermaßnahmen zu finanzieren.18

So erklärt sich auch, dass Deutschland weltweit zu den Ländern mit den höchsten FuE-Aufwendungen zählt, dies jedoch nicht für die Forschungsförderung von KMU und für KMU im Allgemeinen gilt:19 Beispielhaft lässt sich hier die Innovationsintensität von KMU, die aktuell weniger als 1,5% (verglichen mit 2,5% Ende der 1990er Jahre) beträgt, anführen, während Großunternehmen nahezu 5% des Umsatzes in Innovationsprojekte reinvestieren. Somit ist das Wachstum in FuE-Ausgaben im Wesentlichen von den Großunternehmen getragen und nicht von den KMU.20 Auch entfallen etwa nur 10% der FuE-Ausgaben auf KMU.21 Dies liegt zum einen an der Forschungsstärke der großen Unternehmen, zum anderen an der Heterogenität der deutschen KMU.

Heterogenität und Forschungsförderung

In verschiedenen Studien und Untersuchungen kommt zum Ausdruck, dass sich KMU und FuE substanziell voneinander unterscheiden. Dies wird vor allem in Bezug auf folgende Punkte deutlich:

  • Größe des KMU,
  • FuE-Aktivitätenspektrum,
  • Innovationsstrategie,
  • regionale Besonderheiten,
  • Art der Forschungsförderung.

Auch wenn bei Großunternehmen höhere Spillover-Effekte festgestellt werden, so mögen KMU stärker auf finanzielle FuE-Anreize reagieren.22 Größe erscheint somit als ein differenzierender Faktor der Forschungsförderung und von FuE-Aufwendungen in Unternehmen. Auf supranationaler Ebene haben Studien, die z.B. den Effekt von staatlicher Forschungsförderung oder Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit FuE-Aufwendungen behandeln, herausgefunden, dass die Unternehmensgröße uneinheitliche Effekte auf FuE-Ausgaben hat.23 So konnte für einige Länder festgestellt werden, dass KMU stärker auf Forschungsförderung reagieren, während in anderen Fällen Großunternehmen stärker reagierten. Neuere Studien kommen sogar überwiegend zu dem Ergebnis, dass eher größere Unternehmen positiv auf diese Art der Förderung reagieren.24

Aufgrund der Größenunterschiede zwischen Unternehmen, die als KMU klassifiziert werden, stellt sich die Frage, ob hier nicht stärker differenziert werden muss: So definiert der bereits genannte Leitfaden der Europäischen Kommission nicht nur die KMU an sich, sondern bricht diese Gruppe in drei weitere Untergruppierungen auf – Kleinstunternehmen, Kleinunternehmen und mittelgroße Unternehmen – und erkennt damit die Notwendigkeit für eine weitergehende Differenzierung an. Dem Leitfaden ist auch ein Muster für eine Erklärung – Angaben zur Einstufung als KMU – angefügt, das jedoch auf diese weitere Untergruppierung verzichtet und hier versäumt, eine stärkere Differenzierung angemessen zu berücksichtigen.25 Dabei erscheint es selbsterklärend, dass Kleinstunternehmen mit unter zehn Mitarbeitern andere Charakteristika, Aktivitäten und Bedürfnisse als mittelgroße Unternehmen mit an die 250 Mitarbeitern haben. Dies lässt sich auch anhand der gängigen FuE-Kennzahlen ersehen, wenn man KMU mit unter 50 Beschäftigten und die darüberliegende KMU-Gruppe vergleicht.26 Mittelgroße Unternehmen sind bei der Internationalisierung oder bei Zugangsmöglichkeiten zu Finanzierungsquellen wie Beteiligungskapital oder Anleihen unter Umständen eher mit Großunternehmen vergleichbar, als mit Kleinstunternehmen, denen in der Regel externe Finanzierungsmöglichkeiten wie der Zugang zum Kapitalmarkt nicht offenstehen.27 Dafür spricht auch, dass vor allem innovationsstarke, mittelgroße KMU in die Gruppe der Großunternehmen hineinwachsen. Diese Heterogenität findet sich auch in der Berichterstattung. In vielen KMU ist FuE wenig formalisiert, sodass zwar FuE-Aktivitäten vorliegen, diese aber nicht als solche gesondert erfasst werden.28 Tendenziell sind hier mittelgroße KMU besser aufgestellt, da sie eher über die personellen und finanziellen Ressourcen für eine entsprechende Erfassung verfügen.

 

Gleiches betrifft die Innovationsstrategie, die bei vielen KMU auf die Entwicklung inkrementeller Verbesserungen und kundenspezifischen Anpassungen ausgerichtet ist und dementsprechend wenig auf eigene FuE abzielt. Dies steht im Gegensatz zu neuen und radikalen Innovationen, die eher ein erhöhtes Maß an FuE, hier verstärkt auch (Grundlagen-)Forschung, benötigen, um erfolgreiche Angebote am Markt realisieren zu können. Hinderlich ist hierbei, dass viele Fördermaßnahmen ein bestimmtes Maß an bestehenden FuE-Aktivitäten voraussetzen, was einen Neueintritt, vor allem vor dem Hintergrund der weiter steigenden Ressourcenanforderung an FuE in der Zukunft, erschwert.29 Der Mangel an innovationspolitischen und strategischen Kompetenzen und Fähigkeiten in vielen KMU, einhergehend mit dem Fehlen langfristiger Innovations- und Unternehmensziele, verstärkt diese Problematik.30 Um diese Heterogenität in die Betrachtung von FuE einzubeziehen, untergliedert die Studie „Innovativer Mittelstand 2025“ KMU nach ihren unterschiedlichen Innovationsaktivitäten in sieben Gruppen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Unterschiedliche Innovationsaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen
Unterschiedliche Innovationsaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen

Quelle: eigene Darstellung, basierend auf dem ZEW – Mannheimer Innovationspanel – Berechnungen des ZEW und entnommen aus M. Astor et al.: Innovativer Mittelstand 2025 – Herausforderungen, Trends und Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Politik, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Prognos AG/Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, 2016. Angaben beziehen sich auf das Mittel der Jahre 2008 bis 2014. Hightech-Start-ups werden als Unternehmen bis zehn Jahre mit FuE-Intensität von zumindest 10% und KMU als Unternehmen mit fünf bis 499 Beschäftigten definiert.

Ein Großteil der KMU unternimmt danach keine oder keine internen FuE-Tätigkeiten. Um in diesen Unternehmen FuE-Tätigkeiten anzustoßen, muss auf ihre besonderen Voraussetzungen eingegangen werden. Dies benötigt eine stärkere Differenzierung der KMU- und FuE-Begrifflichkeiten, wenn man die unterschiedlichen Anforderungen an Forschung und Entwicklung berücksichtigt und in die Forschungsförderung einfließen lassen möchte. Da in der Regel die Aufwendungen für Forschung höher und mit unsicherem Ausgang behaftet sind, ist davon auszugehen, dass Unternehmen eher in die Entwicklung investieren, vor allem wenn ihre finanziellen Ressourcen beschränkt sind, was kleinere KMU stärker betreffen sollte. Wenige Studien haben bisher den Effekt von Forschungsförderung auf (Grundlagen-)Forschung einerseits und Entwicklung andererseits untersucht. Mögliche Unterschiede in den Ergebnissen zwischen allgemeiner und zielgerichteter Förderung von Forschung und Entwicklung scheinen bisher unerforscht.31 Am Beispiel einer Forschungsförderung in Belgien zeigt sich jedoch, dass „[w]ith higher outgoing spillovers, higher risk and constrained access to external financing, gaps between social and private returns as well as market failures tend to be more severe for research than for development projects […] Our findings on higher direct additionality effects from research grants compared to development grants are consistent with theory suggesting higher market failures associated with research“32. Hier scheint es unterschiedliche Effekte zu geben, die man bei einer differenzierten Größen- und Innovationstätigkeitenanalyse in der Forschungsförderung berücksichtigen sollte – und vielleicht sogar müsste.

Auch die Region, in der ein KMU ansässig ist, mag eine Differenzierung nach Größe und Art der FuE-Tätigkeit beeinflussen. In strukturell starken Regionen, wie in weiten Teilen Bayerns und Baden-Württembergs, können kleine KMU von bestehender Infrastruktur wie Forschungsclustern oder größeren Unternehmen als Kooperationspartner für FuE profitieren, indem sie so die eigene beschränkte Ressourcenverfügbarkeit erweitern und leichter eigene FuE-Kompetenzen entwickeln und testen können. Ein solcher Verbund mag es sogar kleineren KMU ermöglichen eher in Forschung als in Entwicklung aktiv zu werden. Dies ist in strukturschwachen Regionen, wie in weiten Teilen Ostdeutschlands, die über keine vergleichbare Infrastruktur verfügen, erheblich schwerer und erfordert eine andere Herangehensweise, weil z.B. der Pool regionaler Unternehmen, die in eine Kooperation mit eingebunden werden könnten, beschränkt ist.

Auch bei einer Tätigkeitsbetrachtung über verschiedene Branchen hinweg muss stärker differenziert werden: Produktinnovationen sind leichter, z.B. durch Patente, zu erfassen und zu quantifizieren, anders als Dienstleistungsinnovationen. Patente sind jedoch kostspielig: Neben den Kosten der Anmeldung, die in jedem Land, in dem Schutz gesucht wird, anfallen, ist vor allem die Rechtsdurchsetzung kostspielig und kann die Kosten der Anmeldung und Aufrechterhaltung weit übertreffen. Zwar wurde in einer Studie über die Förderung von Unternehmen in Ostdeutschland festgestellt, dass Forschungsförderung generell zu einer höheren Zahl von Patenten führt, dies aber nicht für Kleinstunternehmen zutrifft, obwohl deren FuE-Intensität von der Förderung profitiert hat und gestiegen ist.33 Dies erscheint schlüssig, da kleinere Unternehmen weniger patentieren und dabei entweder gänzlich auf geistigen Eigentumsrechtsschutz verzichten oder auf andere Schutzmechanismen wie Geschäftsgeheimnisse oder Markenrechte ausweichen. Gleiches ist bei Dienstleistungsinnovationen zu beobachten, die, verglichen mit Produktinnovationen, selten durch Patente abgesichert werden können. Eine Forschungsförderung, die diese Umstände berücksichtigt, kann möglicherweise mit der gezielten Förderung der Entwicklung anderer geistiger Eigentumsrechte kleinere Unternehmen dazu ermutigen, aktiv(er) FuE zu betreiben.

Forschungsförderung für den Mittelstand

Im Allgemeinen herrscht Konsens in der Wissenschaft, dass staatliche FuE-Fördermaßnahmen generell geeignet sind, zusätzliche privatwirtschaftliche Investitionen in FuE anzustoßen und nach sich zu ziehen.34 Vor diesem Hintergrund ist das erklärte Ziel der Politik, jährlich 3% des Bruttoinlandprodukts, in Deutschland, also ca. 70 Mrd. Euro pro Jahr, in die Förderung von FuE-Projekten zu investieren, ausdrücklich zu begrüßen. So beabsichtigt das Bundesministerium für Bildung und Forschung, sich auf bisher wenig forschungsaktive KMU zu konzentrieren und „größenbedingte Nachteile bei KMU auszugleichen und Entwicklungspotenziale zu erschließen“35. Um diesem Ziel nahe zu kommen, sollte eine effektive und zielgerichtete staatliche Forschungsförderung die heterogene Natur der Begrifflichkeiten KMU und FuE in stärkerem Maße anerkennen und konsequent nach Förderziel (also Forschung, Entwicklung oder beides gemeinsam) und Förderempfänger (Kleinstunternehmen oder mittelgroße KMU) differenzieren. Ob die in ihrer jetzigen Form bestehende, überwiegend auf projektbezogene Förderung ausgelegte, Forschungsförderung dieser Differenzierung gerecht werden kann, ist weiter zu untersuchen. Vorschläge für andere Ausgestaltungen und Formen der Forschungsförderung, wie eine indirekte (steuerliche) Förderung von FuE, eine verstärkte öffentliche Auftragsvergabe oder eine Random Allocation von Fördermitteln, sollten in diese Analyse mit einbezogen und unter Berücksichtigung der Heterogenität von KMU und FuE kritisch hinterfragt werden: „Unternehmerischer Mut, Weitblick und Aufgeschlossenheit für neue Ideen dürfen keine Frage der Unternehmensgröße sein.“36

  • 1 Germany Trade & Invest (GTAI): Economic Overview Germany 2016/2017 – Market, Productivity, Innovation, Berlin 2016, http://www.gtai.de/GTAI/Content/EN/Invest/_SharedDocs/Downloads/GTAI/Brochures/Germany/economic-overview-germany-market-productivity-innovation-en.pdf?v=9 (6.9.2017).
  • 2 Vgl. C. Rammer et al.: Die Rolle von KMU für Forschung und Innovation in Deutschland – Studie im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation, Studien zum deutschen Innovationssystem, Nr. 10/2016, Berlin 2016.
  • 3 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Bundesbericht Forschung und Innovation 2016, Forschungs- und innovationspolitische Ziele und Maßnahmen, Berlin 2016, https://www.bmbf.de/pub/Bufi_2016_Hauptband.pdf (6.9.2017).
  • 4 Ebenda.
  • 5 C. Müller: Die Zukunft von Familienunternehmen – der Kern der Wirtschaft, PwC-Studie, 2012, http://www.pwc.de/de/mittelstand/assets/studie_family_business_v3.pdf (6.9.2017).
  • 6 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn: Mittelstand im Überblick, 2017, http://www.ifm-bonn.org/statistiken/mittelstand-im-ueberblick/ (6.9.2017).
  • 7 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Daten und Fakten zum deutschen Forschungs- und Innovationssystem: Bundesbericht Forschung und Innovation 2016, Ergänzungsband I, Berlin 2016, S. 41 und S. 15.
  • 8 Vgl. Expertenkommission Forschung und Innovation Gutachten: Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland, 2016, http://www.e-fi.de/fileadmin/Inhaltskapitel_2016/EFI_2016_B1.pdf (6.9.2017).
  • 9 Institut für Mittelstandsforschung Bonn: Mittelstandsdefinition des IfM Bonn, 2017, http://www.ifm-bonn.org/definitionen/mittelstandsdefinition-des-ifm-bonn/ (6.9.2017).
  • 10 Vgl. Springer Gabler Verlag (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon, Eintrag: Mittelstand, 2013, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/71994/mittelstand-v9.html (6.9.2017).
  • 11 Vgl. Europäische Kommission: Benutzerleitfaden zur Definition von KMU, 2015, https://ec.europa.eu/docsroom/documents/15582/attachments/1/translations/de/renditions/pdf (6.9.2017).
  • 12 Vgl. ebenda.
  • 13 K. Brockhoff: Forschung und Entwicklung, Berlin 1999, S. 48.
  • 14 D. Vahs, A. Brem: Innovationsmanagement, 5. Aufl., Stuttgart 2015, S. 26.
  • 15 H. Hottenrott, C. Lopes-Bento, R. Veugelers: Direct and cross scheme effects in a research and development subsidy programme, in: Research Policy, 46. Jg. (2017), H. 6, S. 1118-1132.
  • 16 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Infobroschüre ZIM: Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand, Berlin 2015.
  • 17 Vgl. C. Rammer et al., a.a.O.
  • 18 Vgl. ebenda.
  • 19 Vgl. ebenda; M. Hud, K. Hussinger: The impact of R&D subsidies during the crisis, in: Research Policy, 44. Jg. (2015), H. 10, S. 1844-1855.
  • 20 Vgl. M. Astor et al.: Innovativer Mittelstand 2025 – Herausforderungen, Trends und Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Politik, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Prognos AG/Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, 2016.
  • 21 C. Rammer et al., a.a.O.
  • 22 Vgl. Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB): A study on R&D tax incentives, EC Taxation Papers, Nr. 52 – 2014, conducted by a consortium under the leadership of the Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis CPB, Den Haag, 28.11.2014.
  • 23 Vgl. ebenda; C. Dimos, G. Pugh: The effectiveness of R&D subsidies: A meta-regression analysis of the evaluation literature, in: Research Policy, 45. Jg. (2016), H. 4, S. 797-815.
  • 24 Vgl. Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB), a.a.O.
  • 25 Vgl. Europäische Kommission, a.a.O.
  • 26 Vgl. C. Rammer et al., a.a.O.
  • 27 Vgl. H. Belitz, C. Dreher, M. Kovac, C. Schwäbe, O. Som: Steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in KMU – Irrweg für Deutschland?, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 5, S. 344-353.
  • 28 Vgl. C. Rammer et al., a.a.O.
  • 29 Vgl. ebenda.
  • 30 Vgl. M. Astor et al., a.a.O.
  • 31 Vgl. H. Hottenrott, C. Lopes-Bento, R. Veugelers, a.a.O.
  • 32 Vgl. ebenda.
  • 33 B. Alecke et al.: Does Firm Size Make a Difference? Analyzing the Effectiveness of R&D Subsidies in East Germany, in: German Economic Review, 13. Jg. (2012), H. 2, S. 174-195.
  • 34 Vgl. H. Hottenrott, C. Lopes-Bento, R. Veugelers, a.a.O.
  • 35 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Forschungs- und Innovationsförderung – Ein Wegweiser für kleine und mittlere Unternehmen, Berlin 2017.
  • 36 Ebenda.

Title:Research Funding – Effective and Well Targeted?

Abstract:Public subsidies for research and development (R&D) are acknowledged to stimulate R&D activities. But Oliver Koppel complains that the subsidies are only used to support projects directly, while tax incentives remain lacking, especially in Germany, one of only a few OECD countries without tax-­based research funding. Concerning small and medium­-sized enterprises, the authors demand that decision makers account for their heterogeneous nature by further differentiating these firms based on activity and other factors.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2187-1