Luftfahrt: Wettbewerb bei der Slot-Vergabe
Nachdem die EU-Kommission die mögliche Übernahme der Air-Berlin-Tochter Niki Air durch die Lufthansa kritisch gesehen hat, zog die Lufthansa ihr Übernahmeangebot am 13.12.2017 zurück. Die Übernahme der kleineren Air-Berlin-Tochter Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) durch die Lufthansa hat die EU-Kommission mittlerweile unter Auflagen bewilligt – die Lufthansa muss Start- und Landerechte am Flughafen Düsseldorf abgeben.
Das Verhalten der Kommission überrascht nicht. Der relevante Markt im Flugverkehr wird häufig durch die jeweilige Flugstrecke bestimmt. Bei einem Flug von Deutschland oder Österreich nach Mallorca, die einstige Paradestrecke von Niki Air, üben Bahn, Bus oder Auto nur eingeschränkt Wettbewerb auf den Flieger aus. Auch andere Reiseziele, etwa nach Ibiza statt Mallorca, stellen nur für einige Reisende eine Alternative dar. Da es große Überschneidungen bei den Flugstrecken von Lufthansa und Niki Air gibt, hätte die EU-Kommission vermutlich kaum eine andere Wahl gehabt, als die Übernahme zu untersagen oder mit hohen Auflagen – insbesondere die Abgabe relevanter Start- und Landerechte – zu belegen. Was fehlender Wettbewerbsdruck bewirken kann, zeigen die teils drastischen Preiserhöhungen, die nach der Insolvenz von Air Berlin im deutschen Raum zu beobachten sind. Das Bundeskartellamt ermittelt hierzu gegen die Lufthansa.
Ende Dezember 2017 bestätigte die „International Airlines Group“, die Muttergesellschaft von British Airways und Iberia, dass sie Niki Air zu großen Teilen übernehmen möchte. Da bereits Teile von Air Berlin durch Easy Jet übernommen wurden, ist zu hoffen, dass ein gewisser Wettbewerbsdruck von diesen neuen bzw. gestärkten Akteuren im deutschsprachigen Flugraum ausgeht. Allerdings hatte bereits vor dem Ausscheiden von Air Berlin die Lufthansa auf vielen Flugstrecken in Deutschland eine dominante Marktposition inne. Gemäß Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurden im August 2017 über 70 % der Flüge auf innerdeutschen Strecken durch die Lufthansa durchgeführt. Zum Vergleich – im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird ausgeführt, dass „vermutet [wird], dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 % hat“.
Um diesen Zustand nicht zu verfestigen, ist das System der Vergabe von Start- und Landerechten zu hinterfragen. Derzeit bleibt ein Unternehmen, das diese Rechte hat und nutzt, im Besitz dieser Rechte (Großvaterrechte) und kann diese auch nur eingeschränkt handeln. Dieses unbefristete Nutzungsrecht ist aber weder zwingend noch ökonomisch sinnvoll. Bei den Rechten zur Nutzung von Telekommunikationsfrequenzen etwa werden schon seit längerem gute Erfahrungen damit gemacht, dass diese nur temporär vergeben werden. Daher spricht einiges dafür, einen Anteil der Start- und Landerechte zu versteigern, wie es die Monopolkommission vorschlägt. Dies sollte mit der Vorgabe erfolgen, dass sich kein Unternehmen durch Zukauf eine marktbeherrschende Position auf der jeweiligen Strecke aufbauen oder diese verstärken darf. Damit würde sichergestellt, dass Markteintreter eine Chance hätten, im deutschen Flugmarkt Fuß zu fassen.
Die Umstände um den Niedergang von Air Berlin haben Lehrbuch-Potenzial. Fragen zum Umgang mit gestrandeten Flugpassagieren, zum Für und Wider eines europäischen Champions, zur Abgrenzung des relevanten Marktes im Flugsektor und zur Preissetzung durch Algorithmen werden Seminararbeiten füllen. Es bleibt abzuwarten, ob die Verfestigung von Marktmacht durch ein überholtes System der Großvaterrechte auch Bestandteil dieser Liste sein wird.
Mieten: Mietpreisbremse reloaded?
Viele Städte sind im Teufelskreis von steigenden Mieten, immer höheren Ertragserwartungen und ungezügelter Immobilienspekulation gefangen: Grundstückspreise steigen, weil hohe Erträge aus der Bewirtschaftung erwartet werden, und Mieten steigen, weil die Grundstücke zu immer höheren Preisen verkauft werden. Die Mietpreisbremse sollte diesen Kreislauf unterbrechen. Im Sommer 2015 beschlossen und seitdem von vielen Seiten kritisiert wird sie uns wohl auch in diesem Jahr durch die wohnungspolitischen Debatten begleiten.
Den Praxistest hat das Instrument bisher nicht bestanden: Studien zeigen, dass die Neuvermietungsmieten trotz Mietpreisbremse weiter steigen. Bis zu 80 % der Wohnungsangebote sind teurer als erlaubt. Gründe dafür sind unter anderen clevere Umgehungsstrategien von Vermietungsbüros und Kontrolldefizite bei den Miethaushalten. Vermietertricksereien mit Angeboten von „möblierten Wohnungen“, schwer zu durchschauende Ausnahmen bei überhöhten Vormietermieten und die Scheu vor Aufwand und Prozessrisiken bei vielen Wohnungssuchenden haben die Mietpreisbremse selbst ausgebremst. Ein Blick auf die ökonomischen Wirkungsweisen des Instruments zeigt neben den Beschränkungen auch das Potenzial der Mietpreisbremse.
In vielen Städten wurde die Mietpreisbremse mit der Hoffnung eingeführt, die Dynamik der Mietsteigerungen zu durchbrechen und Haushalten mit geringen Einkommen die Wohnungssuche zu erleichtern. Doch mit einer Kappung knapp über den ortsüblichen Vergleichsmieten ist die Miete, selbst dort, wo die Mietpreisbremse umgesetzt wird, für viele Haushalte schlicht zu hoch. In Berlin müssten Alleinlebende auf der Wohnungssuche über ein verfügbares Einkommen von fast 1400 Euro im Monat verfügen, um unter den Bedingungen der Mietpreisbremse in einer 45 m² großen Wohnung nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für die Miete auszugeben. In Köln und Hamburg müssten die wohnungssuchenden Singles über ein Einkommen von über 1600 Euro verfügen, um die Mietbelastungsgrenzen der Leistbarkeit nicht zu überschreiten. In München erfüllt die Mietpreisbremse sogar erst ab einem Einkommen über 1900 Euro einen angemessenen Versorgungsbeitrag – Einkommen, die weit über dem Median liegen und zeigen, dass die Mietpreisbremse nur einen begrenzten Beitrag für eine soziale Wohnungsversorgung leistet.
Auch im Zusammenhang mit den Ertragserwartungen in den Städten lohnt ein Blick auf die Zahlen: In Städten mit angespannten Wohnungsmärkten vergrößert sich die Ertragslücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten. Im Falle einer Neuvermietung werden im Mittel der fünf größten Städte Mietsprünge von etwa 3 Euro/m² realisiert. Aus der Vermieterperspektive bietet ein Mietvertragswechsel – ohne jede Wohnwertverbesserung oder Zusatzinvestition – die Chance auf eine deutliche Ertragssteigerung. In Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main werden Jahr für Jahr mehr als 500 000 neue Mietverträge abgeschlossen. Allein die Differenz zu den vorherigen Mieten beträgt in der Summe aller Städte eine Ertragssteigerung von mehr als 1 Mrd. Euro pro Jahr. Bei voller Wirkung der Mietpreisbremse würden 72 % dieser Wiedervermietungsrendite entfallen.
Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Eigentümerverbände nach wie vor gegen die Mietpreisbremse polemisieren. Das Potenzial der Mietpreisbremse liegt weniger in den bisher ausgebliebenen Effekten für die soziale Wohnungsversorgung, als vielmehr in dem Mut zu einer Wirkungsweise, die Eigentümergewinne tatsächlich beschneidet. Denn auf lange Sicht – das zeigt die Entwicklung in den Städten – muss eine soziale Wohnungsversorgung gegen private Verwertungsinteressen durchgesetzt werden.
Europäische Union: „Schmalspur“-Brexit
Einiges deutet derzeit darauf hin, dass es weder einen „harten“ noch einen „weichen“ Brexit geben wird, sondern einen „Schmalspur“-Brexit. Der Grund dafür ist aber nicht die allgemeine Einsicht, dass dies das Beste für die EU und Großbritannien wäre. Viel eher herrscht die unrealistische Erwartung vor, dass selbst der Austritt aus der Gemeinschaft allen Beteiligten einen Vorteil – oder wenigstens einen „guten Deal“ – ermöglichen könnte. Diesem Eindruck kann man sich jedenfalls nicht entziehen, blickt man auf die politischen Verlautbarungen dies- und jenseits des Ärmelkanals im Anschluss an den verkündeten Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen Anfang Dezember 2017.
Doch dieses Versprechen wird der Brexit nicht einlösen können. Tatsächlich hat es zwar in drei wesentlichen Verhandlungsbereichen Fortschritte gegeben. Es bleibt aber fraglich, ob sich die entsprechenden Einigungen auch umsetzen lassen: So hat man sich, erstens, darauf verständigt, dass die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und von in der EU lebenden Briten weitgehend unangetastet bleiben. Wie dies in der Praxis aussehen kann und welche Rolle vor allem der Europäische Gerichtshof in diesem Zusammenhang spielen wird, bleibt im Dunkeln. Zweitens haben beide Seiten eine Regelung für die Abwicklung der finanziellen Einbindung Großbritanniens gefunden. Im Detail wird sich diese jedoch als weit komplizierter und konfliktträchtiger herausstellen, als in den aktuellen Erklärungen zum Stand der Verhandlungen deutlich wird. Drittens konnte man sich darauf verständigen, dass es zwischen Irland und Nordirland auch künftig keine „harte Grenze“ mit Pass- und Zollkontrollen geben soll. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie dies in der Praxis aussehen könnte und was dies für den Zugang zum EU-Binnenmarkt bedeutet.
Zwar wird es nach den letzten Fortschritten und der Eröffnung der zweiten Verhandlungsrunde ganz offenbar einen Deal geben, doch es wird kein guter sein. Er wird der EU nicht guttun, und er wird vor allem die britische Wirtschaft hart und nachhaltig treffen. All das ist nicht neu und – zumindest in den wissenschaftlichen Debatten – weitgehend unbestritten, wird aber in der Erfolgs-Rhetorik der Brüsseler Verhandlungen nur allzu gerne aus dem Blick verloren. Dabei liegt der letzte große „Durchbruch“ in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU noch nicht einmal zwei Jahre zurück. Damals war es David Cameron, der mit einem „good deal“ aus Brüssel abreiste. Mit den Konsequenzen muss jetzt nicht nur seine Nachfolgerin im Amt, sondern die gesamte EU (und dazu gehört auch noch immer Großbritannien) zurechtkommen. Manchmal ist offenbar selbst ein „good deal“ nicht gut genug. Trotz der Fortschritte in den Verhandlungen sind also Zweifel angebracht, ob sich diese auch in einer möglichst geordneten Scheidung niederschlagen, die allerdings immer nur Schadensbegrenzung sein kann. Im günstigsten Fall trennen sich die EU und Großbritannien gütlich und ohne weitere politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Verwerfungen. Und es bliebe zu hoffen, dass die gewachsene Fremdenfeindlichkeit in britischen Kleinstädten und die gegenseitigen Abneigungen zwischen Befürwortern und Gegnern des EU-Austritts so schnell wieder verschwinden, wie sie nach dem Referendum gekommen sind. Derzeit verdichten sich jedoch, aller Rhetorik zum Trotz, die Zeichen für einen in jeder Hinsicht suboptimalen „Schmalspur“-Brexit. Denn sowohl die EU als auch Großbritannien haben bereits so viel Zeit verspielt, dass eine der Komplexität des Projekts angemessene Abwicklung gänzlich unrealistisch erscheint – selbst, wenn man davon ausgeht, dass nach dem Dezember-Gipfel bereits genügend Einigkeit über die Kernfragen des Austritts besteht. Doch Letzteres ist nur oberflächlich betrachtet der Fall. Sollte in den zentralen Punkten keine hinreichende Einigung gefunden werden, würde dies auch den bisherigen Verhandlungserfolg gefährden, und alles wäre wieder offen. Die international operierenden Banken in London und ihre Chefstrategen haben dies offenbar erkannt und tun, was in einer solchen Situation zu tun ist: abwarten.
Netzneutralität: Jüngste Entwicklung in den USA
Gesetze und Regulierungen der Obama-Regierung zurücknehmen steht auf der Agenda von Präsident Trump ganz weit oben. Die Netzneutralität ist das jüngste Opfer dieser Strategie. Mitte Dezember hat die Federal Communications Commission (FCC), die 2015 in Kraft getretene Open Internet Order zurückgenommen. Somit haben Internet Service Provider nun viel Gestaltungsspielraum für sogenanntes Verkehrsmanagement im Internet. Das soll Innovation und Investitionen stärken, so die Trump-Regierung. Vielen Bürgern und Politikern geht dieser Schritt jedoch zu weit. Nun lautet der Slogan vielerorts: „Netzneutralität durch die Hintertür“ – beispielweise in Form von geänderten Verbraucherschutzgesetzen. In Kalifornien, New York und einigen anderen Bundesstaaten wollen sich Politiker beider großen Parteien so zur Wehr setzen gegen die Mitte Dezember 2017 gefallene Entscheidung der FCC. Solche Einigkeit über Parteigrenzen hinweg ist selten. Doch rund 23 Mio. Kommentare im Vorfeld der aktuellen Entscheidung und eine hitzige öffentliche Debatte zu diesem eigentlich staubtrockenen Thema sprechen auch für die Politik eine deutliche Sprache. Das Internet ist ein zentraler Bestandteil des Lebens der meisten US-Amerikaner: Es gibt über 50 Mio. Netflix-Abonnenten. Man tauscht sich über verschiedene soziale Medien miteinander aus und verbringt so oft mehrere Stunden täglich auf Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat und anderen Diensten. Zwei von drei US-Bürgern sind Amazon-Prime-Mitglieder.
Angesichts der Zwischenwahlen im Herbst 2018 möchte sich kein Politiker die Finger verbrennen, sondern sich stattdessen als treuer Kämpfer für das offene, freie und faire Internet positionieren. Ob Kalkül oder Überzeugung, John Oliver hatte genau damit großen Erfolg. Seine satirisch-journalistischen Beiträge pro Netzneutralität wurden sowohl 2015 als auch im Herbst letzten Jahres weit über die von ihm moderierte Sendung „Last Week Tonight“ hinaus zum viralen Hit. Mit klaren Beispielen und einer zugänglichen Sprache hat er es geschafft, Konsumenten für die Idee von Netzneutralität zu begeistern.
Dem Konsumenten auf Augenhöhe zu begegnen gehört zu den wesentlichen Bausteinen für eine erfolgreiche Kommunikation. So wird selbst ein so abstraktes Thema wie Netzneutralität vermittelbar. Dass dies möglich ist, auch ohne die Meinungsbildung zu beeinflussen, zeigt eine repräsentative Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK-Consult) und anderen aus dem Jahr 2015. Dort wurde erforscht, wie Konsumenten tatsächlich über das Internet, seine Funktionsweise und Netzneutralität sprechen und denken. Gute Verbraucherinformation ist ohne einheitliche Netzneutralitätsregeln über die US-Bundesstaaten hinweg wichtiger denn je. Das sollte auch die FCC beachten. Denn die mit viel Eigenlob versehene weiter geltende Transparenzrichtlinie der FCC wird nicht ausreichen, um die von den Firmen in den AGBs versteckten Angaben zur Netzneutralität für den Kunden verständlich zu machen. Allerdings hilft Information nur, wenn der Kunde auch tatsächlich die Wahl hat, sich frei für einen Internet Service Provider zu entscheiden. Anders als in Europa ist die Auswahl in den USA limitiert. Möchte man schnelles Internet (mindestens 25 Mbit/s) haben, ist man in den USA in fast der Hälfte der Fälle auf nur einen Anbieter beschränkt. Neben guter Information braucht es also unbedingt auch starken Wettbewerb. Dann können Internet Service Provider kaum ihre Position als Gatekeeper missbrauchen. Das würde nicht zuletzt auch einem möglichen Flickenteppich an Regelungen in einzelnen Bundesstaaten vorbeugen.