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Zu den finanziellen Voraussetzungen kommunaler Selbstverwaltung zählt neben einer angemessenen Finanzausstattung über den kommunalen Finanzausgleich ebenso die hinreichende Ausschöpfung der originären Einnahmequellen durch Städte und Gemeinden. Dies steht sowohl in Einklang mit ökonomischen Effizienzüberlegungen als auch mit dem Subsidiaritätsgrundsatz und liefert den Ausgangspunkt dafür, die Realsteuerpolitik der Kommunen in Rheinland-Pfalz kritisch zu überprüfen.

Die kommunalen Aufgaben sowie die damit verbundenen Ausgaben erfordern eine entsprechende Ausstattung mit ausreichenden finanziellen Mitteln. Diese grundlegende Einsicht spiegelt sich in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG), wonach den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht gewährleistet sein muss, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Und weiter heißt es dort: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung.“ Dieser im Rahmen der Grundgesetzanpassung von 1994 hinzugefügte Satz stellt nicht allein eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Zuweisung eigener Steuerhoheiten an die kommunale Ebene dar. Er ist zugleich die grundgesetzliche Basis einer garantierten Zuweisung von finanziellen Mitteln an die Kommunen im Rahmen der auf Landesebene bestehenden kommunalen Finanzausgleichssysteme, deren Durchführung in den jeweiligen Landesverfassungen geregelt ist.1

Vor diesem Hintergrund hat auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 14. Februar 2012 zum Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) auf die Verpflichtung des Landes gemäß Art. 49 Abs. 6 Landesverfassung hingewiesen, über den kommunalen Finanzausgleich eine „angemessene Finanzausstattung“ der Kommunen zu gewährleisten, damit diese in die Lage versetzt werden, ihre Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen. Zugleich wird vom Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass als wesentliche Grundlage für einen funktionsfähigen Finanzausgleich „die Kommunen ihre eigenen Einnahmenquellen angemessen auszuschöpfen“ haben.2 Als unmittelbare Folge daraus könne das Land „im Gegenzug für seinen Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise verlangen, dass auch die Kommunen ihre Kräfte größtmöglich anspannen“3. Der Grundsatz der „finanziellen Eigenverantwortung“ als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie enthält somit nicht allein einen durch das Land zu deckenden Anspruch auf angemessene Finanzausstattung. Er fordert eine verantwortungsbewusste Einnahmenpolitik der Kommunen, die nicht zuletzt vermeiden sollten, Haushaltsdefizite aufgrund einer unzureichenden kommunalen Steuerpolitik anzuhäufen.

Kommunale Selbstverwaltung aus ökonomischer Sicht

Damit im Einklang steht die ökonomische Interpretation der in Art. 28 Abs. 2 GG festgelegten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die sich sowohl auf die Befugnis als auch die Möglichkeit bezieht, die Aufgaben von Gemeinden und Gemeindeverbänden als notwendiger Bedingung kommunaler Selbstverwaltungstätigkeit zu finanzieren. Auch aus finanzwissenschaftlicher Sicht enthält diese Garantie eine doppelte Verpflichtung: Zum einen hat eine jeweilige Landesregierung dafür zu sorgen, dass Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden eine eigenverantwortliche Verwaltungstätigkeit ermöglicht wird. Zum anderen verbindet sich mit der den Kommunen zuerkannten Realsteuergarantie (Art. 28 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 GG) die ökonomische Forderung, die daraus resultierende finanzielle Eigenverantwortung durch die kommunale Einnahmen- und Hebesatzpolitik auch umfassend auszuschöpfen. Damit soll das fiskalische Äquivalenzprinzip als maßgebliches Kriterium für eine effiziente Ausgestaltung des kommunalen Einnahmensystems hinreichend berücksichtigt werden. Fiskalische Äquivalenz bedeutet dabei, dass Nutznießer und Kostenträger öffentlicher Leistungen möglichst identisch sein sollten.4 Nur unter dieser Bedingung ist aus ökonomischer Sicht ein effizientes Güterangebot zu gewährleisten, da die Bürger den zusätzlichen Nutzen einer Ausweitung des kommunalen Leistungsangebots mit den daraus erwachsenden Finanzierungsnotwendigkeiten (z. B. der Steuerbelastung) gegeneinander abwägen.

Das kommunale Einnahmensystem gilt dann als in hohem Grade effizient, wenn eine Kommune die Einnahmen nicht nur flexibel den jeweiligen Aufgabenerfordernissen anpassen kann, sondern dafür vorrangig die originären Einnahmequellen ausschöpft. Wenn finanzielle Mittel bloß zugewiesen werden – wie im kommunalen Finanzausgleich –, limitiert der vorgegebene Einnahmenumfang tendenziell den Erfüllungsgrad zugewiesener Aufgaben. Für die politischen Akteure geht der Anreiz verloren, hinreichend in die positive Entwicklung der Bemessungsgrundlage eigener Einnahmenquellen zu investieren. Deshalb sollen die Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich nur einen nachrangigen (subsidiären) Charakter haben, d. h., sie ergänzen lediglich die Ausschöpfung der bestehenden originären Einnahmenquellen.5 Das fiskalische Äquivalenzprinzip macht es demgegenüber erforderlich, vorrangig die Finanzierungsmöglichkeiten aus Entgelten (Erwerbseinkünfte, Gebühren, Beiträge) und eigenen Steuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer A + B6, örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern) zu nutzen, um die Effizienzvorteile einer kommunalen Aufgabenerfüllung umfassend zu realisieren.

Auch wenn diese ökonomische Anforderung für sämtliche Kommunen in Deutschland gilt, soll hier die verfassungsgerichtlich noch nicht entschiedene Klage eines Teils der Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz gegen das Landesfinanzausgleichsgesetz 20147 zum Anlass genommen werden, um zu überprüfen, inwieweit die Einnahmenpolitik der Städte und Gemeinden des Landes der genannten Vorgabe aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Februar 2012 genügt. Hier werden die Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer) als jene Finanzierungsquellen betrachtet, die bekanntermaßen zu den bedeutendsten originären Einnahmen von Städten und Gemeinden zählen.8 Mit dem Zeitraum von 2009 bis 2015 ist die Untersuchung auf jene Jahre konzentriert, die für die noch ausstehende Urteilsfindung des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs bedeutsam sein werden.

Entwicklung des Realsteueraufkommens

Betrachtet man die Entwicklung des Realsteueraufkommens der rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden, wie dies für die Gewerbesteuer sowie die Grundsteuer (A und B) in Tabelle 1 dargestellt ist, zeigt sich ein Anstieg im Zeitraum von 2009 bis 2015, ohne dass damit jedoch bislang zum Durchschnitt der übrigen Flächenländer aufgeschlossen werden konnte. Das Nettoaufkommen der Gewerbesteuer hat sich im Betrachtungszeitraum erhöht, was in erster Linie auf eine Erholung von den negativen fiskalischen Wirkungen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zurückgeführt werden kann. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Einnahmen aus der Grundsteuer B. Auch hier ist das Pro-Kopf-Aufkommen in Rheinland-Pfalz gestiegen. Die Steigerungsrate liegt – anders als bei der Gewerbesteuer – aber nur leicht über dem Wachstum der Grundsteuer-B-Einnahmen der Flächenländer insgesamt. Eine positive Steigerungsrate findet sich auch bei der Grundsteuer A, wobei das Wachstum des Pro-Kopf-Aufkommens hier allerdings auf die „Nachkommastellen“ begrenzt ist. Zugleich lässt sich feststellen, dass die Entwicklung der Einnahmen aus der Grundsteuer A in Rheinland-Pfalz hinter der Gesamtentwicklung der Flächenländer zurückgeblieben ist.

Tabelle 1
Entwicklung des Realsteueraufkommens der rheinland-pfälzischen Kommunen im Vergleich
in Euro je Einwohner
  Gewerbesteuer (netto) Grundsteuer B Grundsteuer A
  Rheinland-Pfalz Flächen-länder Rheinland-Pfalz Flächen-länder Rheinland-Pfalz Flächen-länder
2009 251,81 325,93 106,04 122,23 4,59 4,65
2010 294,56 353,77 111,29 126,95 4,51 4,73
2011 333,35 403,00 115,80 131,60 4,68 4,82
2012 377,56 432,56 122,33 137,48 4,72 4,98
2013 375,36 437,91 125,34 142,19 4,71 5,03
2014 364,12 441,97 129,72 145,71 4,79 5,07
2015 398,24 463,26 134,06 151,32 4,79 5,18
  Veränderung in %
2009-2015 58,15 42,13 26,42 23,79 4,35 11,39

Quelle: Destatis – Realsteuervergleich 2009-2015 (Fachserie 14, Reihe 10.1); eigene Darstellung und Berechnung.

Die zumindest bezogen auf die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B positive Entwicklung des Aufkommens in Rheinland-Pfalz sagt aus finanzwissenschaftlicher Sicht jedoch noch nichts darüber aus, ob die Städte und Gemeinden des Landes das vorhandene Potenzial an Steuereinnahmen auch hinreichend ausgeschöpft haben. Eine erste Antwort auf diese Frage erhält man, wenn das jeweilige Ist-Aufkommen sowie die entsprechenden Grundbeträge9 der Gewerbesteuer sowie der Grundsteuer (A und B) für Rheinland-Pfalz mit den entsprechenden Werten für die Flächenländer insgesamt verglichen werden. Um den Ausschöpfungsgrad des vorhandenen Realsteuerpotenzials zu beurteilen, ist es dabei zweckdienlich, nicht die jeweiligen Aufkommens- und Grundbetragswerte als solche zu betrachten, sondern das jeweilige Verhältnis der rheinland-pfälzischen Werte zu den entsprechenden Durchschnittswerten der Gesamtheit der Flächenländer, wie dies in Tabelle 2 beispielhaft für die Jahre 2014 und 2015 vorgenommen wurde.

Berechnet man für die drei Realsteuern die genannten Verhältniswerte, zeigt sich, dass für 2014 und 2015 der prozentuale Wert des Ist-Aufkommens je Einwohner bei den kreisfreien Städten und den kreisangehörigen Kommunen in Rheinland-Pfalz im Verhältnis zu diesem Indikator für die Flächenländer in Hinblick auf alle drei Realsteuern niedriger ausfällt als der prozentuale Verhältniswert für die jeweiligen Grundbeträge. Lediglich bei der aufkommensmäßig eher unbedeutenden Grundsteuer A liegt 2014 der Verhältniswert der Grundbeträge der kreisfreien Städte über dem errechneten Prozentwert für das Ist-Aufkommen. Abgesehen von der zuletzt genannten Ausnahme ist dies als ein Hinweis darauf zu verstehen, dass die Hebesatzpolitik der Kommunen in Rheinland-Pfalz in den beiden Untersuchungsjahren so gestaltet war, dass sowohl das Einnahmenpotenzial der Gewerbesteuer als auch das der Grundsteuer (A und B) jeweils nicht in dem Umfang ausgeschöpft wurde, wie dies gemessen am in den Flächenländern insgesamt praktizierten Ausschöpfungsgrad der Realsteuern grundsätzlich möglich gewesen wäre.

Tabelle 2
Ist-Aufkommen und Grundbeträge 2014 und 2015
in Euro je Einwohner
2014 Gewerbesteuer Grundsteuer B Grundsteuer A
  Ist-Aufkommen Grundbetrag Ist-Aufkommen Grundbetrag Ist-Aufkommen Grundbetrag
Kreisfreie Städte
Rheinland-Pfalz (RLP) 666,72 164,39 167,66 40,13 1,36 0,44
Flächenländer (FL) 762,59 170,72 191,64 37,69 0,61 0,20
Verhältnis RLP zu FL 87 % 96 % 87 % 106 % 223 % 220 %
Kreisangehörige Städte und Gemeinden
Rheinland-Pfalz 368,03 100,95 116,54 31,71 5,98 1,91
Flächenländer 445,31 122,03 129,10 33,34 6,69 2,09
Verhältnis RLP zu FL 83 % 83 % 90 % 95 % 89 % 91 %
2015 Gewerbesteuer Grundsteuer B Grundsteuer A
  Ist-Aufkommen Grundbetrag Ist-Aufkommen Grundbetrag Ist-Aufkommen Grundbetrag
Kreisfreie Städte
Rheinland-Pfalz 711,91 171,03 173,99 40,09 1,4 0,44
Flächenländer 780,82 173,22 197,26 37,47 0,61 0,19
Verhältnis RLP zu FL 91 % 98 % 88 % 106 % 229 % 231 %
Kreisangehörige Städte und Gemeinden
Rheinland-Pfalz 406,42 110,94 120,11 31,91 5,98 1,89
Flächenländer 473,15 128,61 134,61 33,54 6,85 2,09
Verhältnis RLP zu FL 85 % 86 % 89 % 95 % 87 % 90 %

Quelle: Destatis – Realsteuervergleich 2014 und 2015 (Fachserie 14, Reihe 10.1); eigene Darstellung und Berechnung.

Entwicklung der Realsteuerhebesätze

Mit dem Befund, dass das unterdurchschnittliche Realsteueraufkommen der Kommunen in Rheinland-Pfalz vorrangig auf eine unzureichende Hebesatzpolitik zurückzuführen ist, richtet sich der Blick auf die Entwicklung der Realsteuerhebesätze im Untersuchungszeitraum sowie die (hypothetischen bzw. rechnerischen) Aufkommens­einbußen, zu denen diese Politik der rheinland-pfälzischen Kommunen in den Jahren 2009 bis 2015 geführt hat. Dabei zeigt ein Ländervergleich, dass sich das Niveau der Gewerbesteuerhebesätze in Rheinland-Pfalz zumindest ab 2012 sichtbar erhöht hat (vgl. Abbildung 1). Trotz dieser Steigerung lagen die jährlichen Hebesätze der Kommunen in Rheinland-Pfalz innerhalb des gesamten Betrachtungszeitraums dennoch deutlich unterhalb des (gewogenen) Durchschnittswerts der Kommunen der übrigen westdeutschen Flächenländer sowie des gesamten Bundesgebiets.

Ähnlich sieht es bei der Grundsteuer B mit den Hebesätzen der rheinland-pfälzischen Kommunen aus, die von 2009 bis 2015 durchgehend deutlich unterhalb des Niveaus der beiden Referenzwerte lagen. Zwar ist in Rheinland-Pfalz der durchschnittliche Hebesatz der Grundsteuer B im Untersuchungszeitraum stetig erhöht worden. Da jedoch sowohl in den übrigen westlichen Flächenländern als auch im gesamten Bundesgebiet zeitgleich ebenfalls die Hebesätze entsprechend angehoben wurden, ist der Abstand der Grundsteuer-B-Hebesätze in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu den anderen westlichen Flächenländern sowie zu den Werten für das gesamte Bundesgebiet mehr oder weniger konstant geblieben. Ein Aufholen der rheinland-pfälzischen Kommunen beim Hebesatzniveau kann lediglich bei der Grundsteuer A festgestellt werden.

Abbildung 1
Gewogene Durchschnittshebesätze im Ländervergleich
Gewerbesteuer
Grundsteuer B
Grundsteuer A

Quelle: Destatis – Realsteuervergleich 2009-2015 (Fachserie 14, Reihe 10.1); eigene Darstellung und Berechnung.

Rechnerische Mindereinnahmen der Kommunen

Aus finanzwissenschaftlicher Sicht ist allerdings anzumerken, dass der Hebesatz der aufkommensmäßig mit Abstand schwächsten der drei Realsteuern am stärksten angehoben wurde. Eine auch nur ansatzweise Schließung der bestehenden Lücke beim Pro-Kopf-Realsteueraufkommen der rheinland-pfälzischen Kommunen im Vergleich zum Länderdurchschnitt wäre jedoch nur dann möglich gewesen, wenn von 2009 bis 2015 die Hebesätze bei der Gewerbesteuer ebenso wie bei der Grundsteuer B deutlich stärker angehoben worden wären, als dies in Rheinland-Pfalz de facto der Fall war. Ein nennenswerter Aufholprozess infolge einer entsprechenden Hebesatzpolitik der rheinland-pfälzischen Kommunen in ihrer Gesamtheit hat innerhalb des Betrachtungszeitraums nicht stattgefunden. Um bewerten zu können, ob mit den tatsächlich erzielten Einnahmen aus Gewerbe- und Grundsteuer zugleich das vorhandene Aufkommenspotenzial hinreichend ausgeschöpft wurde, bedarf es einer Gegenüberstellung des Ist-Aufkommens der drei Realsteuern mit dem rechnerischen Realsteueraufkommen,10 das die rheinland-pfälzischen Kommunen hätten erzielen können, wenn von diesen die jährlichen (gewogenen) bundesdurchschnittlichen Hebesätze angewendet worden wären. Auf der Grundlage einer entsprechenden Simulationsrechnung,11 kann für den Zeitraum von 2009 bis 2015 über alle drei Realsteuern hinweg das von den rheinland-pfälzischen Kommunen nicht ausgeschöpfte und damit (rein rechnerisch) entgangene Einnahmenpotenzial auf 1081 Mio. Euro geschätzt werden (vgl. Tabelle 3).

Quantität der Hebesatzvariationen

Tabelle 3
Rechnerische Realsteuermehreinnahmen der rheinland-pfälzischen Kommunen1
in Mio. Euro
  Gewerbesteuer Grundsteuer B Grundsteuer A Summe
2009 56,3 80,7 0,6 137,6
2010 80,5 87,5 0,9 168,9
2011 84,9 81,9 0,5 167,3
2012 76,5 75,1 0,4 152
2013 78,7 83,9 0,2 162,8
2014 67,3 78,6 0,4 146,4
2015 62,6 83,3 0,7 146,6
Summe 506,8 571,0 3,7 1081,50

1 Unter Anwendung der jährlichen bundesdurchschnittlichen Realsteuerhebesätze.

Quelle: Destatis – Realsteuervergleich 2009-2015 (Fachserie 14, Reihe 10.1); eigene Darstellung und Berechnung.

Eine Auswertung der vorliegenden Hebesatzstatistik für den Zeitraum von 2008 bis 2016 macht deutlich, dass sich mit Blick auf die Zahl von Hebesatzvariationen der Kommunen in Rheinland-Pfalz zwei Phasen mit einem merklich divergierenden Aktivitätsniveau voneinander unterscheiden lassen (vgl. Tabelle 4). So haben bis 2010 insgesamt lediglich 610 der 2306 rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden mindestens einen Hebesatz der drei Realsteuern entweder angehoben oder gesenkt. Bezogen auf 2007 bis 2010 haben dabei 420 Kommunen den Hebesatz der Gewerbesteuer verändert (darunter in 288 Fällen in Form einer Anhebung). Bei der Grundsteuer B wiederum haben 388 Kommunen den entsprechenden Hebesatz geändert (davon 239 Städte und Gemeinden, die den Satz angehoben haben). Hinsichtlich der Grundsteuer A kann schließlich bei 410 Städten und Gemeinden eine Veränderung der Hebesätze festgestellt werden, wobei in 232 Fällen der Steuersatz angehoben wurde.

Im Unterschied zu dieser ersten Phase, die lediglich durch eine vergleichsweise geringe Zahl von Hebesatzvariationen gekennzeichnet ist, hat die Quantität der Änderungen in der darauffolgenden Phase von 2011 bis 2016 stark zugenommen. So wurde der Hebesatz der Gewerbesteuer im zuletzt genannten Zeitraum 2848-mal variiert (davon 2825-mal erhöht). Im Fall der Grundsteuer B beläuft sich die Zahl der Hebesatzveränderungen auf 4990, wobei in 4967 Fällen der Hebesatz gesteigert wurde. Bei der Grundsteuer A finden sich in dieser zweiten Phase 3863 Hebesatzvariationen (darunter 3820 Erhöhungen). Aber auch für diese zweite Phase sind die in Tabelle 4 ausgewiesenen Werte für das arithmetische Mittel sowie den Median Ausdruck einer lediglich moderaten Politik der Hebesatzerhöhungen,12 die nicht darauf hindeutet, dass die Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz bemüht sind, das vorhandene Realsteuerpotenzial möglichst weitreichend auszuschöpfen.

Vorrangiges Motiv für die Hebesatzveränderungen

Tabelle 4
Zahl der Realsteuerhebesatz-Variationen der rheinland-pfälzischen Kommunen
  Zahl der Hebesatz-Variationen Veränderung in %
Gesamt Erhöhung Senkung Median Mittelwert
Gewerbesteuer
2008 30 25 5 0,0 0,0
2009 34 26 8 0,0 0,1
2010 45 37 8 0,0 0,1
2011 482 477 5 0,0 1,2
2012 323 319 4 0,0 0,8
2013 240 236 4 0,0 0,5
2014 1264 1262 2 1,4 2,5
2015 399 395 4 0,0 0,9
2016 140 136 4 0,0 0,3
Grundsteuer B
2008 32 26 6 0,0 0,1
2009 35 29 6 0,0 0,1
2010 49 44 5 0,0 0,1
2011 1765 1765 0 6,3 6,1
2012 790 784 6 0,0 3,2
2013 382 378 4 0,0 1,6
2014 1409 1403 6 4,9 4,5
2015 462 457 5 0,0 1,7
2016 182 180 2 0,0 0,6
Grundsteuer A
2008 22 18 4 0,0 0,1
2009 25 23 2 0,0 0,1
2010 38 32 6 0,0 0,1
2011 1414 1412 2 3,6 4,3
2012 584 581 3 0,0 2,4
2013 289 280 9 0,0 1,1
2014 1123 1115 8 0,0 2,8
2015 301 293 8 0,0 1,2
2016 143 139 4 0,0 0,7

Quelle: Destatis – Arbeitsunterlage zu den Änderungen von Realsteuerhebesätzen (Ausgabe 2007-2016); eigene Darstellung und Berechnung.

Fragt man nach der Motivation für die genannte Zahl von Hebesatzsteigerungen der rheinland-pfälzischen Kommunen im Betrachtungszeitraum, können diese nur begrenzt als Ausdruck einer aktiven (eigenmotivierten) Politik der gezielten Einnahmensteigerung bewertet werden. Vielmehr erfolgten diese nicht zuletzt aufgrund von veränderten externen Rahmenbedingungen der kommunalen Hebesatzpolitik – namentlich durch die Einrichtung des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz im Jahr 2012 sowie eine zweimalige Anhebung der Nivellierungssätze im kommunalen Finanzausgleich mit Wirksamkeit ab 2011 sowie ab 2014.

Anreizwirksam sind die genannten institutionellen Änderungen insofern, als die betroffenen Kommunen entweder mit entgangenen Verschuldungsbeihilfen des Landes oder geringeren Finanzausgleichszuweisungen rechnen mussten, wenn sie ihre Hebesätze nicht angehoben hätten. So lassen sich für 2011 rund 69 % der Hebesatzsteigerungen bei der Grundsteuer B, 66 % bei der Grundsteuer A und knapp 23 % bei der Gewerbesteuer auf die Erhöhung der Nivellierungssätze zurückführen.13 Für 2014 belaufen sich die entsprechenden Anteilswerte der gesamten Hebesatzerhöhungen sogar auf etwas mehr als 88 % bei der Grundsteuer B, 79 % bei der Grundsteuer A sowie knapp 75 % im Fall der Gewerbesteuer. Berücksichtigt man zudem, dass ein Teil der Anpassungen an die erhöhten Nivellierungssätze erst zeitverzögert erfolgt, weisen im Nachgang zur Reform des Landesfinanzausgleichsgesetzes von 2014 etwas mehr als 69 % der Hebesatzerhöhungen bei der Gewerbesteuer 2015 diesen Charakter auf, d. h., sie sind ausschließlich durch die Vermeidung von Zuweisungsverlusten und nicht durch eine expansive Realsteuerpolitik motiviert. Die entsprechenden Werte für die Grundsteuer lauten annähernd 54 % (Grundsteuer B) bzw. 51 % (Grundsteuer A) für 2015.14 Im direkten Zusammenhang mit der Einrichtung des Kommunalen Entschuldungsfonds 2012 stehen wiederum knapp 74 % der Hebesatzerhöhungen bei der Grundsteuer B, rund 60 % bei der Grundsteuer A und etwas mehr als 35 % im Fall der Gewerbesteuer.

Sowohl die zeitliche Konzentration der Hebesatzerhöhungen auf die drei genannten Ereignisse als auch deren Ausmaß legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Steuersatzanhebungen insbesondere bei der Grundsteuer, für 2014 und 2015, aber auch bezogen auf die Gewerbesteuer nicht vorrangig „intrinsisch motiviert“ waren, um als Ausdruck einer willentlichen Entscheidung zur weitreichenden Ausschöpfung des eigenen Realsteuerpotenzials gelten zu können. Vielmehr lassen sich die Hebesatzsteigerungen bei den drei Realsteuern zu einem nennenswerten Teil auf externe Anstöße zurückführen, was die Interpretation einer mehrheitlich „extrinsisch motivierten“ Hebe­satzpolitik nahelegt.

Tabelle 5
Gewogene Durchschnittshebesätze von Gewerbesteuer und Grundsteuer B 2015
in %
  Kreisfreie Städte Kreisange-
hörige Städte und Gemeinden
Landes-
durchschnitt
Baden-Württemberg
Gewerbesteuer 415 349 365
Grundsteuer B 486 363 388
Hessen
Gewerbesteuer 454 363 405
Grundsteuer B 504 419 444
Nordrhein-Westfalen
Gewerbesteuer 475 430 449
Grundsteuer B 591 500 538
Saarland      
Gewerbesteuer - 422 422
Grundsteuer B - 380 380
Rheinland-Pfalz
Gewerbesteuer 416 366 384
Grundsteuer B 434 376 394

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder – Hebesätze der Realsteuern (Ausgabe 2015); eigene Darstellung und Berechnung.

Standorteffekte im interkommunalen Steuerwettbewerb

Bezogen auf die drei Realsteuern und hier insbesondere die Gewerbesteuer argumentieren die Kommunen häufig, dass Städten und Gemeinden aufgrund der Bedeutung des Hebesatzniveaus für die Standortattraktivität eine stetige Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze nicht möglich wäre. Mit ihr würden Abwanderungseffekte drohen und damit seien die hieraus resultierenden Einnahmemöglichkeiten erheblich eingeschränkt.15 Aus finanzwissenschaftlicher Sicht lassen sich jedoch insbesondere für die Gewerbesteuer (aber auch für die Grundsteuer) die beiden Argumente der drohenden Abwanderungseffekte sowie der eingeschränkten Standortattraktivität kritisch hinterfragen. Zwar gehen auch ökonomische Ansätze des interkommunalen Steuerwettbewerbs davon aus, dass Gebietskörperschaften, die in Wettbewerb zueinander stehen, versuchen werden, über ein möglichst attraktives Angebot an öffentlichen Leistungen und adäquaten „Steuerpreisen“ mobile Produktionsfaktoren anzuziehen. Dies soll zugleich – analog zum Preiswettbewerb auf Gütermärkten – zu einer Orientierung an den Konkurrenten führen und damit die Möglichkeiten zu Steuererhöhungen beschränken.16

Empirische Untersuchungen zeigen allerdings, dass sich die steuerpolitischen Entscheidungen von Kommunen nicht an der Gesamtheit der übrigen Kommunen ausrichten, sondern vor allem an den Hebesätzen der Kommunen im räumlich nahen Umfeld.17 Damit muss von einer geografisch stark begrenzten Intensität des interkommunalen Steuerwettbewerbs ausgegangen werden. Daraus folgt, dass die damit verbundene Wirkung auf die kommunale Steuerpolitik einen räumlich sehr engen Radius aufweist. Solange auch in der „Nachbarschaft“ einer Gemeinde Kommunen mit vergleichbar hohen Steuer- bzw. Hebesätzen anzutreffen sind, ist ein negativer Wettbewerbseffekt – vor allem in Form entsprechender Abwanderungsbewegungen ortsansässiger Unternehmen – unwahrscheinlich bzw. marginal und kann folglich angesichts seiner empirisch geringen Wirksamkeit entsprechend vernachlässigt werden. Darüber hinaus lässt das gegenüber den angrenzenden Bundesländern vergleichsweise niedrige Niveau der Realsteuerhebesätze der rheinland-pfälzischen Kommunen (vgl. Tabelle 5) nicht erwarten, dass unternehmensbezogene Erweiterungs- und Neuinvestitionen durch eine Anhebung der Hebesätze verhindert werden könnten. Differenziert nach Gebietskörperschaftsgruppen waren 2015 die durchschnittlichen Hebe­sätze beider Realsteuern im Fall der kreisfreien Städte in Rheinland-Pfalz niedriger als in den angrenzenden Bundesländern. Lediglich bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden erwies sich der durchschnittliche Hebesatz der Gewerbesteuer in zwei Vergleichsfällen (Hessen und Baden-Württemberg) und jener der Grundsteuer in einem Fall (Hessen) als geringfügig höher.

Neben dem Argument der drohenden Abwanderungseffekte ist auch die von kommunaler Seite häufig geäußerte Befürchtung eines steuerinduzierten Verlusts an Standortattraktivität zu relativieren. So ist vor dem Hintergrund regionalökonomischer Untersuchungen sowohl theoretisch als auch empirisch davon auszugehen, dass aufgrund der vergleichsweise geringen Bedeutung der Höhe von lokalen Steuern und Abgaben für unternehmerische Standortentscheidungen18 eine (weitere) Erhöhung insbesondere der Gewerbesteuerhebesätze die Standortattraktivität der rheinland-pfälzi­schen Kommunen nicht nennenswert beeinträchtigen würde. Für den Fall einer Erhöhung der Realsteuern ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Grundsteuer ebenso wie die Gewerbesteuer hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die lokale Standortattraktivität aus ökonomischer Sicht nicht mit Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer vergleichbar sind. Verantwortlich hierfür ist, dass aus finanzwissenschaftlicher Sicht alle drei Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer A und B) im Kern lokale (gruppenmäßige) Äquivalenzsteuern sind, die dazu dienen sollen, jene von den Kommunen bereitgestellten Leistungen (bzw. damit verbundenen Ausgaben), die sich wertsteigernd auf die jeweilige steuerliche Bemessungsgrundlage (betrieblicher Ertrag, Wert unbebauter und bebauter Grundstücke) auswirken, zumindest teilweise fiskalisch abzugelten. Wenn rheinland-pfälzische Städte und Gemeinden bislang mittels finanzausgleichsbedingter Zuweisungen oder auch über Kassenkredite finanzierte Ausgaben im Bereich der kommunalen Infrastruktur zukünftig verstärkt aus einem gesteigerten Realsteueraufkommen finanzieren werden, dann dient dies letztlich einer Stärkung der fiskalischen Äquivalenz und wäre unter Effizienzaspekten uneingeschränkt zu begrüßen.

Fazit

Zusammengefasst zeigt eine finanzwissenschaftliche Bewertung der Realsteuerpolitik der rheinland-pfälzischen Kommunen für den Zeitraum von 2009 bis 2015, dass trotz feststellbar gestiegener Realsteuereinnahmen das vorhandene Potenzial an eigenen Einnahmen bislang nicht in vollem Umfang zur Finanzierung der kommunalen Haushalte genutzt wurde. Es bestehen vielmehr nach wie vor fiskalische Spielräume zur Erhöhung des Realsteueraufkommens von Städten und Gemeinden, die mittels Hebesatzsteigerungen zugunsten einer stärker am fiskalischen Äquivalenzprinzip ausgerichteten Einnahmenstruktur genutzt werden könnten. Dieser Befund deckt sich mit früheren Untersuchungen zur Realsteuerpolitik der rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden,19 entspricht jedoch nicht der aus Sicht des Verfassungsgerichts Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 14. Februar 2012 gegenüber den Kommunen formulierten Erwartung, dass diese im Rahmen der Einnahmenpolitik „ihre Kräfte größtmöglich anspannen“, um den Ausschöpfungsgrad ihrer originären Finanzierungsquellen angemessen zu erhöhen.

  • 1 Vgl. H. Meffert, W. Müller: Kommunaler Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz, Stuttgart 2008, S. 7.
  • 2 Vgl. Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.2.2012 in dem Normenkontrollverfahren betreffend §§ 5 bis 13 des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 30.11.1999 (GVBl. S. 415) in der Fassung des Dritten Landesgesetzes zur Änderung des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 12.6.2007 (GVBl. S. 80) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 vom 19.12.2006 (GVBl. S. 421) und den Ansätzen für die Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2007 (VGH N3/11), Koblenz 2012, S. 33.
  • 3 Ebenda.
  • 4 Vgl. M. Olson: The Principle of „Fiscal Equivalence“ – The Division of Responsibilities between Different Levels of Government, in: American Economic Review, 59. Jg. (1969), H. 2, S. 479-487; vgl. auch B. Hansjürgens: Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, Berlin 2001, S. 198 ff.
  • 5 Vgl. H. Zimmermann: Kommunalfinanzen – Eine Einführung in die finanzwissenschaftliche Analyse der kommunalen Finanzwirtschaft, 3. Aufl., Berlin 2016, S. 117 ff.
  • 6 Die Grundsteuer A besteuert den Grundbesitz von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft. Demgegenüber zielt die Grundsteuer B auf die Besteuerung von bebauten und unbebauten Grundstücken von privaten Haushalten und Unternehmen jenseits der Land- und Forstwirtschaft.
  • 7 Vgl. Kommunale Spitzenverbände Rheinland-Pfalz: Pressemitteilung vom 30.1.2014.
  • 8 Neben den Realsteuern zählen die örtlichen Aufwand- und Verbrauchsteuern sowie die Einnahmen aus „Verwaltung und Betrieb“ (Entgelte und Gebühren, Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, Einnahmen aus Vermögensveräußerungen) zu den Einnahmequellen von Städten und Gemeinden, die (weitgehend) eigenverantwortlich gestaltet werden können. Für eine Überprüfung des Ausschöpfungsgrades sämtlicher Einnahmen der rheinland-pfälzischen Kommunen vgl. T. Döring, F. Rischkowsky: Finanzwissenschaftliche Bewertung der Einnahmenpolitik der rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden für den Zeitraum 2009-2015, sofia-Studien zur Institutionenanalyse, Nr. 17-1, Darmstadt 2017.
  • 9 Der Grundbetrag von Gewerbe- und Grundsteuer wird ermittelt, indem das Brutto-Steueraufkommen der jeweiligen Realsteuer durch den gewogenen durchschnittlichen örtlichen Gewerbe- bzw. Grundsteuerhebesatz dividiert wird.
  • 10 Das rechnerische Aufkommen der Grundsteuern A und B lässt sich ermitteln, indem die jeweiligen jährlichen Grundbeträge beider Teilsteuern mit den bundesdurchschnittlichen Hebesätzen des entsprechenden Jahres multipliziert werden. Analog wurde auch das rechnerische Aufkommen der Gewerbesteuer ermittelt, allerdings erfolgte hier zur Berechnung des hypothetischen Nettoaufkommens zudem eine Bereinigung um die (rechnerische) Gewerbesteuerumlage, deren prozentuale Höhe für jedes Jahr aus dem Verhältnis von tatsächlicher Gewerbesteuerumlage und tatsächlichem Bruttoaufkommen der Gewerbesteuer errechnet wurde.
  • 11 Dabei wurden dynamische Effekte nicht berücksichtigt, was allerdings angesichts der geringen Standortwirksamkeit der Realsteuerhebesätze in Rheinland-Pfalz vertretbar erscheint.
  • 12 Mithilfe der Berechnung des Medians lässt sich zusätzlich zur Ermittlung der durchschnittlichen prozentualen Veränderung der Realsteuerhebesätze eine Einschätzung darüber gewinnen, ob über alle Städte und Gemeinden hinweg ein nennenswerter (struktureller) Wandel in der Hebesatzpolitik stattgefunden hat. Weist die „Median-Kommune“ einen Wert von 0 % auf, bedeutet dies, dass mehr als die Hälfte aller Kommunen keinerlei Hebesatzvariationen vorgenommen hat, es folglich keinen Hinweis auf einen solchen grundlegenden Wandel in der kommunalen Steuerpolitik gibt.
  • 13 Hierzu wurden solche Hebesatzerhöhungen gezählt, bei denen der Realsteuerhebesatz entweder dem Nivellierungssatz genau angepasst oder auf ein Niveau leicht unterhalb (-5 Prozentpunkte) oder leicht oberhalb des Nivellierungssatzes (+5 Prozentpunkte) angehoben wurde.
  • 14 Ein solcher verzögerter Anpassungseffekt findet sich auch im Nachgang der Anhebung der Nivellierungshebesätze des Landesfinanzausgleichsgesetzes 2011, wenngleich dieser für das Jahr 2012 schwächer ausgeprägt ist, als dies bezogen auf die Hebesatzveränderungen 2015 der Fall war. So sind 2012 von den insgesamt 319 Gewerbesteuersatzanhebungen 135 Fälle bzw. 42,32 % als an den gestiegenen Nivellierungshebesätzen ausgerichtet zu bewerten. Bei der Grundsteuer B fällt dieser Wert mit 234 von 784 Hebesatzsteigerungen (29,84 %) geringer aus. Dies gilt ebenso für die Grundsteuer A, bei der 167 von 581 Hebesatzanhebungen (28,74 %) an den Nivellierungshebesätzen ausgerichtet waren.
  • 15 Vgl. zu dieser These etwa M. Junkernheinrich, G. Micosatt, B. Holler, J. Blome: Finanzen im Kreis und finanzielle Unterausstattung, Bottrop und Kaiserslautern 2009, S. 109.
  • 16 Die Grundlage für diese Überlegungen bildet die sogenannte Fragmentierungshypothese, die auf Überlegungen von G. Brennan und J. M. Buchanan zurückgeht und die einen dämpfenden Einfluss einer großen Zahl von konkurrierenden Gebietskörperschaften auf die Staatstätigkeit insgesamt behauptet, da der fiskalische Wettbewerb die staatliche Macht zur Steuereinnahmemaximierung zügelt. G. Brennan, J. M. Buchanan: The Power to Tax – Analytical Foundation of a Fiscal Constitution, Cambridge MA 1980.
  • 17 Zur empirischen Analyse entsprechender Nachbarschaftseffekte vgl. R. P. Inman: The Local Decision to Tax – Evidence from Large U.S. Cities, in: Regional Science and Urban Economics, 19. Jg. (1989), H. 3, S. 455-491; H. F. Ladd: Mimicking of Local Tax Burdens among Neighboring Countries, in: Public Finance Quarterly, 20. Jg. (1992), H. 4, S. 450-467; L. Saavedra: A Model of Welfare Competition with Evidence form AFDC, ZEW Discussion Paper, Nr. 99-27, Mannheim 1999; T. Büttner: Steuerwettbewerb im Föderalstaat – Eine empirische Analyse der kommunalen Hebesatzpolitik, in: T. Büttner (Hrsg.): Finanzverfassung und Föderalismus in Deutschland und Europa, Baden-Baden 2000, S. 61-87.
  • 18 Vgl. für eine überblicksartige Darstellung der Literatur zu diesem Themenkomplex T. Döring, B. Aigner: Standortwettbewerb, unternehmerische Standortentscheidungen und lokale Wirtschaftsförderung, in: G. van der Beek, T. Korn, E. Fischer (Hrsg.): Aktuelle Herausforderungen in der Wirtschaftsförderung, Lohmar 2010, S. 13-49; vgl. für eine empirische Meta-Studie zur Relevanz von Standortfaktoren zudem Institut der deutschen Wirtschaft, IW Consult: Die Messung der industriellen Standortqualität in Deutschland, Köln 2012.
  • 19 Vgl. T. Döring: Kommunale Realsteuerpolitik auf dem Prüfstand, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 64. Jg. (2015), H. 3, S. 337-361.

Title:Insufficient Exploitation of Local Taxes – a Case Study of Rhineland-Palatinate

Abstract:In Germany, state and local authorities repeatedly come into conflict with one another regarding the funding of municipal budgets. The sufficient fiscal endowment of local public authorities depends not only on a satisfactory provision of state grants but also requires an adequate exhaustion of existing sources of revenues at the local government level. Against this background, the paper analyses local tax policy in order to assess whether the budget finance potential is being sufficiently exploited. Taking Rhineland­Palatinate as a case study, the degree of tax exploitation (local business tax, local property tax) is empirically estimated for the time period 2009 to 2015.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2239-1