Auch wenn in Deutschland mittlerweile eine gewisse Abkühlung eingesetzt hat, ist die massive Dürre des Sommers 2018 noch in frischer Erinnerung. Für den Steuerzahler wird dieser Sommer noch länger in Erinnerung bleiben, denn im August 2018 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass der Landwirtschaft durch Finanzhilfen über die durch die Dürre verursachte Malaise hinweggeholfen werden soll. Etwa 340 Mio. Euro stehen hierfür zur Verfügung, gemeinsam finanziert durch Bund und Länder. Diese Summe ist deutlich geringer als die medienwirksam im Sommerloch platzierte Forderung des Bauernverbands, es möge wenigstens Hilfen im Umfang von 1 Mrd. Euro geben. Ist dies schon als Erfolg für die vielen mahnenden Stimmen zu werten, die vor den Hilfen gewarnt haben, oder ist auch diese Hilfe als nicht-marktkonformer Politikeingriff in einen an sich funktionierenden Markt zu kritisieren?
Zunächst einmal ist es wichtig, die Wirkungen der Dürre abschätzen zu können, bevor es überhaupt Sinn macht, über die Notwendigkeit von Hilfen zu diskutieren. Erst danach ist eine weitergehende Betrachtung der Sinnhaftigkeit von Hilfen möglich. Hier war die zunächst abwartende Haltung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchaus hilfreich; rationale Wirtschaftspolitik erfordert es selbstverständlich, zunächst einmal die Zahlen zu kennen. Die bis dato vorliegenden Zahlen relativieren bereits das Bild eines nationalen Notstands, denn nicht alle Betriebstypen in allen Regionen sind gleichermaßen betroffen. Bei Ackerbaubetrieben schwanken die Mindererträge erheblich. Relevant ist aber nicht allein die verminderte Erntemenge, denn aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Auswirkung auf den Erlös entscheidend.
Da die Dürre in diesem Sommer in ganz Europa spürbar war und da die Europäische Union insgesamt ein großer Produzent bei den hier wichtigen Getreidearten und Ölsaaten ist, haben die Weltmarktpreise auf die kleineren Ernten reagiert. Lag der Preis an der Matif Paris, dem wichtigsten Warenterminmarkt für Weizen in der EU, im März 2018 noch bei 165 Euro/t, so ist er aktuell (Anfang September 2018) um knapp ein Viertel auf rund 200 Euro/t gestiegen. Da die europäischen Getreide- und Ölsaatenmärkte vollständig in die internationalen Agrarmärkte integriert sind, sorgt dieser „natural hedge“ zumindest für eine Stabilisierung, in manchen Regionen gar für höhere Erlöse, nämlich überall dort, wo die Naturalerträge um weniger als 20 % zurückgegangen sind. Zum Vergleich: Bundesweit werden die Hektarerträge bei Getreide ohne Körnermais 2018 um 16 % niedriger ausfallen als im Dreijahresmittel der Vorjahre. Aus den gestiegenen Preisen ergeben sich dann aber auch höhere Kosten für Futtermittel bei den Erzeugern von Schweine- und Geflügelfleisch; dennoch ist diese indirekte Auswirkung bisher kaum in der politischen Diskussion betrachtet worden.
Anders sieht es bei den Milchbauern aus; dieser Teilbereich der Landwirtschaft war ja erst kürzlich aus der strengen Regulierung durch die Milchquote in die Marktwirtschaft entlassen worden und seitdem im Zuge der sogenannten Milchpreiskrise bereits wieder Gegenstand intensiver, wenig marktkonformer Politikeingriffe. Hier herrscht – auch wiederum mit großer regionaler Streuung – auf vielen Betrieben Futterknappheit vor, die nicht ohne Weiteres über internationale Märkte gelöst werden kann, da die Märkte für das Grundfutter für Milchkühe (vor allem Gras- und Maissilage) meist nur lokal vorhanden sind. Hier ist daher eher ein akuter Versorgungsengpass beim Futter zu konstatieren.
Ergibt sich aus dieser heterogenen Ausgangslage nun eine Notwendigkeit für staatliches Eingreifen? Ein Marktversagen im engeren Sinne lässt sich jedenfalls bei Ackerbaubetrieben nicht feststellen; die wetterbedingten Mindererträge sollten im Regelfall durch das Risikomanagement auf der einzelbetrieblichen Ebene abgedeckt werden. Da die meisten Ackerbaubetriebe auch keinen großen Beschränkungen beim Kreditzugang unterliegen, können kurzfristige Liquiditätsengpässe auch ohne staatlichen Eingriff abgefedert werden. Nur bei den Betrieben, deren wirtschaftliche Situation auch bereits vor der Dürre aus Sicht der Banken nicht langfristig als tragfähig beurteilt wurde, kann der Kreditmarkt nicht helfen; aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wäre dies aber kein Nachteil, denn die Flächen, die von diesen Betrieben bewirtschaftet werden, würden im Falle einer Betriebsaufgabe ja nicht ungenutzt brachfallen, sondern würden über Pacht oder Kauf an andere Betriebe übergehen, die auf diesen Flächen dann wieder Wertschöpfung erzielen dürften. Das heutige Niveau der Pachtpreise bei Neuverpachtungen, die sich seit 2003 im Bundesdurchschnitt etwa verdoppelt haben und im früheren Bundesgebiet mittlerweile bei 500 Euro/ha liegen, zeigt deutlich, dass im Ackerbau positive Wertschöpfung möglich ist. Allerdings darf an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden, dass in den aktuellen Pachtpreisen auch die Kapitalisierung der Direktzahlungen, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der EU gewährt werden, enthalten ist. Diese liegen bei knapp 300 Euro/ha, die sich je nach lokalen Pachtmärkten bis zu 100% in den Pachtpreisen kapitalisiert wiederfinden. Bei Milchkuhhaltern ist die Situation etwas schwieriger; hier könnte es vorkommen, dass Investitionen z. B. in Stallungen durch eine Betriebsaufgabe entwertet werden, sodass eine Unterstützung durch die Politik zur Vermeidung von Liquiditätskrisen vielleicht gerechtfertigt sein könnte.
Wenn also für die Masse der Betriebe Politikeingriffe aufgrund von Allokationsproblemen nicht notwendig sind, dann ließen sich Eingriffe nur mit der Bedürftigkeit der Subventionsempfänger rechtfertigen. Und vordergründig scheint dieser Gedanke bei den nun beschlossenen Dürrehilfen berücksichtigt: So hat das BMEL festgelegt, dass Hilfen nur „existenzgefährdeten Betrieben“ gewährt werden dürfen, wobei eine Prüfung der Bedürftigkeit zwingend vorgeschrieben ist. Hier werden die Begriffe der Bedürftigkeit und der Existenzgefährdung verquickt, sodass zu befürchten ist, dass die Prüfung nicht auf die Bedürftigkeit der Subventionsempfänger aus sozialen Gründen, sondern auf die Bedürftigkeit zur Vermeidung von Betriebsaufgaben abgestellt wird. Dies widerspräche dem Grundgedanken von staatlichen Beihilfen für Bedürftige in einer sozialen Marktwirtschaft. Es bleibt abzuwarten, wie diese Bedürftigkeitsprüfung dann am Ende umgesetzt wird. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass es zu einer umfassenden Prüfung der Einkommens- und Vermögenslage dürregeschädigter Landwirte kommen wird. In einem anderen Eckpunkt ist die Lage hingegen bereits klar – eine Rückzahlung der Zuschüsse ist nicht vorgesehen. Diese Entscheidung verstärkt die Gefahr von Fehlallokationen. Diese Gefahr hätte vermindert werden können, wenn man anstelle einer direkten Subvention die lokalen Kreditgeber mit eingebunden hätte, indem die Hilfe zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen mit einer Rückzahlungspflicht verbunden worden wäre, z. B. über subventionierte Darlehen oder die Übernahme von Ausfallbürgschaften.
Nicht nur die Entscheidung für die Dürrehilfen selbst, sondern auch deren konkrete Umsetzung lassen also Zweifel an ihrer gesamtwirtschaftlichen Sinnhaftigkeit aufkommen. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest auf EU-Ebene im Rahmen der Reform der Agrarpolitik für die Zeit nach 2020 die richtigen Weichen gestellt werden, indem eine klare Orientierung an gesamtwirtschaftlich sinnvollen Zielen vorgenommen wird. Hierunter könnten dann auch verstärkte Anreize für ein einzelbetriebliches Risikomanagement fallen, sodass bei zukünftigen Wetterextremen der Ruf nach Ad-hocStaatseingriffen weniger Gehör findet.