Europäische Fußballklubs spielen mit der Idee eine von der UEFA unabhängige Superliga zu gründen, in der nur ausgewählte Top-Mannschaften antreten würden. Am Beispiel des FC Bayern München wird sportökonomisch untersucht, welche Kosten und welche Nutzen die Bayern von einer solchen europäischen Superliga zu erwarten hätten.
Der Profisport und insbesondere der Profifußball erleben eine beispiellose Ökonomisierung.1 Die Lizenzspielerabteilungen der Klubs firmieren als Kapitalgesellschaften, was ökonomische Aspekte vermehrt in den Fokus der Akteure rückt. Zudem erfolgt im modernen Fußball eine Internationalisierung, die sich etwa in internationalen Arbeitsmärkten für Profifußballer und supranationalen Ligen zeigt. Laut der Plattform „Football Leaks“ nehmen die Planungen für eine Superliga im europäischen Profifußball konkrete Züge an.2 Nach Informationen des Spiegel sollen 16 Fußballklubs – aus Deutschland der FC Bayern und Borussia Dortmund – eine Absichtserklärung unterzeichnet haben. Die Liga soll rein privatwirtschaftlich organisiert werden, was eine Umgehung der UEFA als Dachorganisation und zwangsläufig eine Aushebelung des Monopols der UEFA zur Folge hätte. Die Auswirkungen auf die Champions League als bisherige „Königsklasse“ des europäischen Vereinsfußballs sind nicht abzusehen, allerdings dürfte ein Fortbestehen des Wettbewerbs in der jetzigen Form ausgeschlossen sein. Die Liga würde aus 16 Mannschaften bestehen, die nicht absteigen können – diese Organisationsform ist aus dem US-Mannschaftssport bekannt. Hinzu können Gastmannschaften in die Liga eingeladen werden. Wenngleich Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandsvorsitzender des FC Bayern) beteuert, dass die Bayern zu ihrer Mitgliedschaft in der Fußball-Bundesliga und zu den europäischen Wettbewerben der UEFA stehen,3 lohnt es sich, die Vor- und Nachteile einer Superliga abzuwägen.
Ökonomische Analyse
Aus ökonomischer Sicht wird der FC Bayern die Bundesliga zugunsten einer Superliga nur dann verlassen, wenn der erwartete Nutzen dieser Handlung die korrespondierenden Kosten übersteigt.4 Der FC Bayern wird folglich als Nutzenmaximierer charakterisiert. Aufgrund der Erklärung Rummenigges zur Loyalität mit der Bundesliga, wird die Annahme getroffen, dass das Entscheidungskalkül auch die Kosten berücksichtigt, die der Liga und dem Konsumenten des „Produkts“ Fußball entstehen, wenn der FC Bayern die Bundesliga verlässt. Dies dürfte dann den Regelungen des deutschen Aktiengesetzes entsprechen, wonach der Vorstand einer AG in erster Linie den Aktionären verpflichtet ist,5 sofern sich durch etwaige Reputationsverluste in Zukunft höhere Auszahlungen für die Aktiengesellschaft ergäben. Dieses Verhalten entspricht der angenommenen Nutzenmaximierung, lassen sich doch die Berücksichtigung von Interessengruppen oder moralisches Handeln in das ökonomische Verhaltensmodell integrieren,6 denn auch soziale Anerkennung stiftet dem Individuum einen Nutzen.7 Zudem wird vereinfachend angenommen, dass ein Ausstieg aus der Bundesliga vertragsrechtlich problemlos möglich ist. Während die Debatte um eine Ökonomisierung im Profifußball oft emotional geführt wird,8 lohnt der sachliche Blick auf die Kosten und Nutzen der Handlung.
Erwarteter Nutzen
Aus Sicht des FC Bayern kann durch den Einstieg in eine Superliga ein breiterer Einkommensstrom generiert werden als dies bei Verbleib in der Bundesliga möglich wäre. Durch attraktivere Gegner wird nahezu jedes Spiel zu einem Spitzenspiel. Nimmt man eine entsprechende Nachfrage nach internationalem Spitzenfußball bei den Konsumenten an, führt dieses neue Angebot zu höheren Einnahmen auf Seiten des FC Bayern durch Fernsehgelder und Kartenpreise. Dies setzt freilich voraus, dass das Budget der Konsumenten elastisch ist und sich an das neue Angebot anpassen kann. Dies ist plausibel, wenn man bedenkt, dass die Nachfrage nach Fußballkarten sowie nach Bezahlfernsehen in den vergangenen Jahren gestiegen ist.9 Hier wird deutlich, dass die Anhänger des Fußballs ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Faktor im Entscheidungskalkül der Verantwortlichen sein werden. Ohne eine entsprechende Nachfrage nach dem „Produkt“ Fußball lassen sich keine Einzahlungen generieren und keinem der Beteiligten entsteht ein Nutzen. Die Zahlungsbereitschaft für Spitzenfußball ist demnach die entscheidende Determinante im Kalkül.10
Auch im Vergleich zu den europäischen Wettbewerben, die durch die UEFA organisiert werden, lassen sich durch die private Organisation und Vermarktung einer Superliga höhere Einzahlungen als unter dem Monopol der UEFA generieren.11 Der ökonomische Effekt12 dürfte daher eines der Hauptargumente für die Verantwortlichen des Vereins sein, sich konkrete Gedanken über die neue Liga zu machen. Sie setzen damit voraus, dass es eine entsprechende Nachfrage nach dieser Superliga und ihren Spielen gibt und weiterhin, dass diese Liga im Wesentlichen komplementär zur bisherigen Fußballbundesliga ist, zumindest, dass sie durch die Liga mehr neue Einkommensströme generieren können als sie in der Fußballbundesliga verlieren (Opportunitätskosten). Dabei kann die UEFA nur „im Spiel“ als Organisator einer Superliga bleiben, wenn sie die Superliga zu konkurrenzlos günstigen Kosten für die teilnehmenden Vereine organisiert und ihre Rechte an dieser Liga im Verhältnis zu teilnehmenden Vereinen weitgehend freiwillig reduziert.
Ein Nutzen kann aber auch auf Seiten der Fans ausgemacht werden: Durch die neue Superliga könnte dem Konsumenten hochklassiger Vereinsfußball auf internationalem Niveau an 34 Spieltagen im Jahr geboten werden. Da auch die nationalen Ligen bestehen bleiben, steigt das Angebot an Fußball. Aus sportpolitischer Perspektive ist ebenfalls ein Nutzen aus der Entscheidung erkennbar. Der FC Bayern stellt einen Großteil der deutschen Nationalspieler. Durch die Einführung einer europäischen Spitzenliga ergäbe sich für diese Spieler die Möglichkeit, Woche für Woche gegen internationale Spitzenspieler anzutreten, sodass angenommen werden kann, dass auch die Nationalmannschaft in sportlicher Hinsicht von dieser Niveausteigerung profitieren könnte. Ein weiteres Argument für den Einstieg in eine neue Liga kann darin gesehen werden, dass sich der Wettbewerb innerhalb der Bundesliga verschärfen würde. Die Dominanz des FC Bayern wird oft zum Anlass genommen, der Bundesliga Langeweile zu unterstellen. Die Bayern dominieren (zum Leidwesen vieler Fans) die Bundesliga. Ähnliche Tendenzen sind auch in anderen europäischen Ligen, z. B. in Frankreich oder Italien, erkennbar. Zwar hat theoretisch jede Mannschaft die Möglichkeit, die Meisterschaft für sich zu entscheiden, allerdings dominiert meist eine kleine Gruppe von Mannschaften die Liga, während andere Mannschaften keine nennenswerten Chancen haben. Der Titelkampf dürfte wesentlich abwechslungsreicher werden, wenn der FC Bayern die Bundesliga verlassen würde, was zu einer größeren Spannung und letztlich zu einer höheren Zufriedenheit bei den Konsumenten führen könnte.
Erwartete Kosten
Allerdings stehen diesen Nutzen auch Kosten gegenüber. Ein Einstieg in eine Superliga könnte dem FC Bayern in seiner Außenwirkung schaden, da bei den Konsumenten der ohnehin bestehende Eindruck einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der sich der Klub aus München einer europäischen Elite eher zugehörig fühlt als der Bundesliga, noch verstärkt werden könnte. Dies könnte zu einer Entfremdung von den Fans führen.13 Zudem können Kosten auf Seiten der Bundesliga befürchtet werden: Der FC Bayern ist ein Publikumsmagnet. Dies führt dazu, dass die Bayern auch für die übrigen Bundesligavereine einen Wert besitzt, da das heimische Stadion auch bei kleineren Vereinen mit geringerer Nachfrage mindestens bei einem Spiel pro Saison ausverkauft sein wird, wenngleich die Siegchancen der Heimmannschaft nur gering sind.14 Zudem interessieren sich viele Anhänger gerade aus dem Grund für die Bundesliga, weil die Bayern viele Spitzenspieler in ihren Reihen halten. Dieses Merkmal der Bundesliga würde entfallen, was zu Kosten für die anderen Vereine führen könnte. Es ist denkbar, dass die Verhandlungsposition gegenüber Fernsehsendern oder Sponsoren durch den Rückzug der Bayern geschwächt würde. Für die Fußballanhänger dürfte ferner negativ zu Buche stehen, dass die geplanten Spiele der Superliga wohl zum Teil unter der Woche stattfänden und die Reiseentfernungen deutlich größer sein würden als in der Bundesliga, was bislang nur für wenige Spiele in europäischen Wettbewerben der Fall ist. Somit würde das Angebot an „Bayern-Fußball“ für den Konsumenten künstlich verknappt, da die Restriktionen sich verändern und die Hürden, ein Spiel des Lieblingsvereins zu sehen, sich erhöhen. Nicht zuletzt würde eine Superliga die Champions League verwässern, möglich wäre sogar ihr Aus. Allenfalls würde sie zu einem Wettbewerb zweiter Klasse verkommen, was die Anreizwirkung für die übrigen Vereine mindert.
Unternehmerische Entscheidung unter Unsicherheit
Letztlich liegt die Entscheidung, ob und zu welchen Konditionen der FC Bayern in eine europäische Liga einsteigt beim Vorstand der FC Bayern und ist eine individuelle unternehmerische Entscheidung, die von außen nur schwer beurteilt werden kann. Tendenziell dürften aus sportökonomischer Sicht insbesondere die ökonomischen Vorteile überwiegen. Allerdings sind zukünftige unternehmerische Entscheidungen stets der Unsicherheit unterworfen,15 sodass eine „a priori“-Beurteilung schwierig ist. Der Vorstand des FC Bayern muss also unter Unsicherheit entscheiden.16 Von außen ist nicht erkennbar, welchen Wert der Vorstand den erwarteten finanziellen Nutzen der Superliga beimisst, zumal der Klub finanziell bereits gut aufgestellt ist.17 Allerdings ist es für ein modernes Fußballunternehmen nicht abwegig, dass es versucht, die finanziellen Vorteile zu maximieren. Negative Auswirkungen auf andere Vereine bzw. die ganze Liga darf der Vorstand der FC Bayern aus aktienrechtlicher Perspektive nur dann berücksichtigen, wenn dies künftig – z. B. durch Reputationsverluste – zu Auszahlungen für den FC Bayern führen könnte, da der Vorstand in erster Linie der AG und den Aktionären verpflichtet ist.
Die Effekte einer solchen Entscheidung können erst ex post beobachtet werden, sodass es eine Variante wäre, erst einmal testweise an einer europäischen Liga teilzunehmen. Zudem bleibt angesichts der Mitgliederversammlung, dem höchsten Organ, eine gewisse Unsicherheit, da langjährige Mitglieder Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich nicht immer streng rational treffen. Eine Rückkehroption in die nationale Liga sollte bestehen bleiben, um einen Teil der Unsicherheit zu reduzieren. Ob die Deutsche Fußballliga diese Möglichkeit gewähren würde, hängt wohl nicht zuletzt von der Verhandlungsmacht des FC Bayern ab. Sollte es zu einer Superliga kommen, die nach US-Vorbild organisiert ist,18 bleibt abzuwarten, ob dies die Zielfunktionen der Fußballunternehmen nachhaltig verändert. Während in den US-Sportligen der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht,19 ist im europäischen Fußball bislang eine Maximierung des sportlichen Erfolgs besonders wichtig.20 Hier stellt die sogenannte „50+1“-Regel jedoch eine deutsche Besonderheit dar, weil der eingetragene Verein regelmäßig der Hauptaktionär ist. Für diesen steht die Gemeinnützigkeit im Vordergrund, sodass weiterhin der sportliche Erfolg im Mittelpunkt des Interesses der Vereinsmitglieder stehen könnte. Möglicherweise wird bei der Beurteilung der Kosten und Nutzen eines Einstiegs in die Superliga insbesondere die erwartete Nachfrageveränderung der Konsumenten die ausschlaggebende Rolle spielen, denn auch auf dem Fußballmarkt regieren letztlich Angebot und Nachfrage, sodass schließlich „die Fans […] das letzte Wort [haben]“21.
- 1 Vgl. F. Follert: Ökonomisierung des Fußballs, in: Das Wirtschaftsstudium, 47. Jg. (2018), S. 668-670.
- 2 Vgl. o. V.: Geheimsache Luxus-Liga. Neue Football Leaks Enthüllungen, in: Der Spiegel, 2018, H. 45.
- 3 Erklärung zur aktuellen Berichterstattung des „Spiegel“ über Rummenigge und den FC Bayern, Pressemitteilung des FC Bayern vom 2.11.2018, https://fcbayern.com/de/news/2018/11/pressemitteilung-erklaerung-zur-aktuellen-berichterstattung-des-%E2%80%9Espiegel%E2%80%9C-ueber-rummenigge-und-den-fc-bayern (22.11.2018).
- 4 Vgl. G. Kirchgässner, W. W. Pommerehne: Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens: Implikationen für die Beurteilung staatlichen Handelns, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 71. Jg. (1988), S. 230-250; und G. Kirchgässner: Homo oeconomicus, Tübingen 2013.
- 5 M. Olbrich, D. Rapp: Einige bewertungstheoretische Anmerkungen zur aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht bei Unternehmenstransaktionen, in: G. Seicht (Hrsg.): Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen, Wien 2013, S. 225.
- 6 Vgl. D. Schmidtchen: Homo oeconomicus und das Recht, CSLE Discussion Paper, Nr. 2000-03, 2000.
- 7 Vgl. W. T. Harbaugh: The Prestige Motive for Making Charitable Transfers, in: AEA Papers and Proceedings, 88. Jg. (1998), S. 277-282; und J. Flatau, E. Emrich, C. Pierdzioch: Zur empirischen Prüfbarkeit des homo oeconomicus anhand der Motive ehrenamtlichen Engagements in Sportvereinen, in: Schmollers Jahrbuch, 134. Jg. (2014), S. 451-476.
- 8 Vgl. F. Follert, a. a. O.
- 9 Vgl. etwa ebenda, S. 668.
- 10 Die Zahl verkaufter Stadionplätze ist ein problematischer Indikator für die Nachfrage, da die Nachfragefunktion den eventuellen Nachfrageüberhang nicht abbilden kann. Als Ersatzindikator könnte man den Schwarzmarktpreis heranziehen.
- 11 Vgl. M. Ashelm: Das Phantom der Superliga ist nützlich, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.11.2018, http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bayern-kommentar-das-phantom-der-superliga-ist-nuetzlich-15872412.html (22.11.2018).
- 12 N. Berthold: Super League in Europa: Die Fans haben das letzte Wort, in: Wirtschaftliche Freiheit vom 4.11.2018, http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=24030#more-24030 (22.11.2018).
- 13 Vgl. ebenda.
- 14 Vgl. M. Gärtner, W. W. Pommerehne: Der Fußball-Zuschauer – ein homo oeconomicus?, in: Jahrbuch für Sozialwissenshaft, 29. Jg. (1978), S. 88-107; D. Czarnitzki, G. Stadtmann: Uncertainty of Outcome versus Reputation: Empirical Evidence for the First German Football Division, in: Empirical Economics, 3. Jg. (2002), S. 101-112; T. Pawlowski, C. Anders: Stadium Attendance in German Professional Football – the (Un)Importance of Uncertainty of Outcome Reconsidered, in: Applied Eonomics Letters, 19. Jg. (2012), S. 1553-1556; und B. Frick: Angebot I – Ziele von Sportunternehmen, in: C. Deutscher, G. Hovemann, T. Pawlowski, L. Thieme (Hrsg.): Handbuch Sportökonomik, Schorndorf 2016, S. 83-93.
- 15 Vgl. F. H. Knight: Risk, Uncertainty, and Profit, Boston 1921.
- 16 J. Rawls: A Theory of Justice, Cambridge 1971; deutsche Übersetzung: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1975; und B. S. Frey: Ökonomie ist Sozialwissenschaft: Faszinierende Anwendungen eines neuen Denkens, in: Neue Zürcher Zeitung vom 4.7.1995, S. 23.
- 17 Vgl. Jahresabschluss der FC Bayern München AG, https://fcbayern.com/binaries/content/assets/downloads/homepage/jhv/jahresabschluss_ag_16-17.pdf (11.2.2019).
- 18 Vgl. N. Berthold, a. a. O.
- 19 Vgl. M. Gärtner, W. W. Pommerehne, a. a. O.; und B. Frick, a. a. O.
- 20 Vgl. P. J. Sloane: The Economics of Professional Football: The Football Clubs a Utility Maximiser, in: Scottish Journal of Political Economy, 17. Jg. (1971), S. 121-146; und B. Frick, a. a. O.
- 21 N. Berthold, a. a. O.