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In Europa setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine moderne Industrie die zentrale Stütze von Produktivität und Wohlstand ist. Die Europäische Kommission hat 2014 entsprechend das Ziel einer Renaissance der Industrie in der EU ausgerufen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Erneuerung der industriepolitischen Strategie versprochen. Moderne Industriepolitik ist dabei zu allererst Technologiepolitik. Grundlagenforschung allein reicht nicht mehr. Erforderlich ist eine gestaltende missionsorientierte Technologiepolitik. Dort geht es auf der einen Seite um die Bündelung von Forschungsmitteln, um so technologische Durchbrüche zu erzielen. Auf der anderen Seite muss dazu passendes Wissenskapital in den Unternehmen aufgebaut werden, um die Innovationen zur Marktreife zu führen. Zu einem Paradebeispiel für eine solche gestaltende Technologiepolitik auf europäischer Ebene könnte sich die Förderung innovativer Batteriezellen und -systeme entwickeln.

In Hochtechnologiefeldern wie der Batterietechnik reichen nationale Anstrengungen nicht aus. Europa braucht breite Kooperationen für Investitionen wie das Dachkonzept „Forschungsfabrik Batterie“ des BMBF in Deutschland in ähnlichem Umfang, wie sie die konkurrierenden US-amerikanischen und asiatischen Großkonzerne und staatliche Agenturen stemmen. Um dies zu erreichen, wurden von der Europäischen Kommission die sogenannten „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) definiert. Dies sind große, gemeinsame Projekte für durchschlagende Technologien, die über den Stand der Technik hinausgehen und von Staat und Privaten gemeinsam finanziert werden. Im Rahmen dieses neuen Instruments hat die Europäische Kommission erst im Dezember 2019 3,2 Mrd. Euro für eine paneuropäische IPCEI-Initiative zur Batteriezellfertigung bewilligt. Damit soll der Aufbau einer strategischen Batterie-Wertschöpfungskette unterstützt werden, die von der Gewinnung der Rohstoffe über die Entwicklung innovativer Batteriezellen und -systeme bis zum Recycling der Materialien reicht. Aus Deutschland sind BMW, BASF und Varta beteiligt. Mit solchen Innovationsvorhaben werden technologische Prioritäten gesetzt. Die EU geht dabei ebenso wie die privaten Unternehmen hohe technologische und finanzielle Risiken ein. Wichtig ist, dass die Bewertungsmaßstäbe für die Auswahl der Vorhaben möglichst transparent und nachvollziehbar sind. Um für eine Förderung im Rahmen von IPCEI in Betracht zu kommen, muss ein Projekt folgende Kriterien erfüllen: Es muss einen Beitrag zu den strategischen Zielen der EU leisten und mehrere Mitgliedstaaten betreffen. Es muss private Finanzierungen durch die Begünstigten einbeziehen und positive Spillover-Effekte in der gesamten EU erzielen, mit denen mögliche Wettbewerbsverzerrungen begrenzt werden. Außerdem muss das Projekt innovativ und forschungsstark sein.

Im Rahmen von IPCEI wurde versucht, auch den beihilfe- und wettbewerbsrechtlichen Bedenken entgegenzutreten. So sollen die Ergebnisse der Vorhaben der Batteriezellenförderung auch der europäischen Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung stehen und an Unternehmen weitergegeben werden, die nicht an den Vorhaben beteiligt sind. Auf einer jährlichen öffentlichen Konferenz werden die Ergebnisse vorgestellt. Das Vorhaben wird von einem Leitungsgremium überwacht, dem Vertreter der EU- Kommission, der teilnehmenden Mitgliedstaaten und der Beteiligten angehören. Ferner soll ein beträchtlicher Teil der zusätzlichen Gewinne der Unternehmen über einen Rückforderungsmechanismus den Steuerzahlern wieder zugutekommen.

Um im globalen Technologiewettbewerb mitzuhalten, ist der europäische Fahrzeugbau auch auf aussichtsreiche radikale Innovationen in den elektrischen Antriebstechnologien angewiesen. Auf die Erstellung innovativer Kernkomponenten wie Batterien zu verzichten, würde nicht nur enorme Wertschöpfungspotenziale verschenken, sondern auch neue Abhängigkeiten von Zulieferungen aus Asien oder den USA schaffen. Da einzelne europäische Unternehmen die Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie neue Produktionsanlagen nicht tragen können, sind unternehmens- und branchenübergreifende Allianzen notwendig. Darüber hinaus decken europäische Staaten in der Anschubphase die Finanzierungslücke. Fehlinvestitionen müssen dabei ebenso toleriert werden wie in der privaten Wirtschaft auch. Zugleich muss die Europäische Kommission einen funktionstüchtigen Wettbewerb sichern und die Wohlstandseffekte gerecht verteilen. Inwieweit dies mit den bisher angedachten Instrumenten gelingt, wird sich als der Lackmustest der neuen europäischen industriepolitischen Strategie erweisen. Jetzt abzuwarten und sich auf Strategien technologieoffener Förderung zu beschränken, wäre allerdings mit größeren Gefahren für den Industriestandort Europa verbunden.

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© Der/die Autor(en) 2020

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DOI: 10.1007/s10273-020-2548-z