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Das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada in der Nachfolge zum NAFTA ist seit Beginn 2020 Gesetz in den USA. Das Abkommen wird sowohl von den betroffenen Wirtschaftsbereichen als auch von den Gewerkschaften unterstützt. In den vom Kongress erzwungenen Nachverhandlungen wurden insbesondere arbeitsrechtliche Vorschriften vereinbart, die vor Lohndumping aus Mexiko schützen sollen. Diese Vorschriften könnten für weitere Handelsabkommen Vorbild sein.

Das 1994 in Kraft getretene Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) enthielt ein Nebenabkommen für Arbeit zur Sicherung des bestehenden arbeitsrechtlichen Schutzes der Lohnabhängigen. Es verpflichtete die Vertragsstaaten lediglich zur Einhaltung ihres jeweiligen nationalen Arbeitsrechts. Die Sanktionsmöglichkeiten des Nebenabkommens waren sehr begrenzt und mit umständlichen Verfahren verbunden. Beschwerdeführer mussten nachweisen, dass die jeweilige Regierung fortdauernd die Einhaltung der nationalen Gesetze nicht gewährleistet.1

Ähnliche Vereinbarungen wurden in der Folge in US-amerikanischen und europäischen Freihandelsabkommen zumeist in abgeschwächter Form übernommen. Sie enthalten Verweise auf die Kernarbeitsnormen wie Vereinigungsfreiheit, Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot der Zwangsarbeit und Kinderarbeit und Diskriminierungsverbot. Im Falle deren Verletzung in exportorientierten Betrieben sind in der Regel Dialoge zwischen den Parteien des Abkommens vorgesehen, die in einigen Abkommen der USA auch im Extremfall zu Handelssanktionen führen können. Doch die mangelnde Schutzwirkung wurde jedoch nicht nur von betroffenen Gewerkschaften kritisiert, sondern auch von der wissenschaftlichen Literatur bestätigt. Ein Rückgang an arbeitsrechtlichen Verstößen fand in den globalen Lieferketten nicht statt. Nur in seltenen Fällen konnten bisher die vorgesehenen Dialoge initiiert werden, noch seltener kam es zu Sanktionen.2 Deshalb fordert der US-Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO wirksamere Sozialkapitel, zumal seine Mitgliedsgewerkschaften hohe Arbeitsplatzverluste aufgrund von Outsourcing hinnehmen mussten und die wohlfahrtsstaatliche Abfederung in den USA gering ist.

Das im November 2018 zwischen den USA, Mexiko und Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen (USMCA) enthielt bereits einige Klauseln, die im Unterschied zu dem alten Nordamerikanischen Handelsabkommen (NAFTA) mehr Schutz vor Lohndumping versprachen.3 Allerdings bestanden erhebliche Bedenken, inwieweit die in einem Anhang des Abkommens vorgesehenen Reformen des mexikanischen Arbeitsrechts tatsächlich umgesetzt werden. Darüber hinaus enthielt das USMCA einen außerordentlich umfangreichen Schutz des geistigen Eigentums der im Wesentlichen in den USA beheimateten Pharma-Unternehmen. Die Möglichkeit der Berücksichtigung von weitergehenden Forderungen der US-amerikanischen Gewerkschaften und Konsumenten eröffnete sich aufgrund des Wahlerfolgs der Demokratischen Partei bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November 2018. Die Änderungen am Abkommen führten dazu, dass der AFL-CIO und die meisten, wenngleich nicht alle US-Gewerkschaften die Verabschiedung des für das Abkommen notwendige Umsetzungsgesetzes (USMCA Implementation Act) befürworten. Mit der Mehrheit der Abgeordneten beider Parteien wurde dieses Umsetzungsgesetz am letzten Sitzungstag im Jahr 2019 des Repräsentantenhauses und Anfang 2020 im Senat verabschiedet.

Kasten 1
Übersicht über die zentralen Änderungen
 

Die folgende Liste der im Ergänzungsprotokoll zum USMCA und in der Umsetzungsgesetzgebung vorgenommenen Änderungen basiert weitgehend auf einer Zusammenfassung des Forschungsdiensts des US-Kongresses.1

Streitbeilegung: Der NAFTA-Streitbeilegungsmechanismus wurde in seiner 25-jährigen Geschichte nur in drei Fällen genutzt, zuletzt im Jahr 2000. Er galt als unbrauchbar. Der geänderte USMCA umfasst Folgendes:

  • Panel Blocking. Ein Streitschlichtungspanel soll auch dann eingerichtet werden können, wenn eine Streitpartei sich weigert, am Prozess der Auswahl der Schiedsrichter teilzunehmen.
  • Geschäftsordnung. Die Leitlinien für die Geschäftsordnung für Gremien sehen nun das Recht auf Prüfung der Wahrhaftigkeit der vorgelegten Zeugenaussagen und das Recht auf anonyme Zeugenaussagen vor. Diese Änderung ist besonders wichtig für Streitfälle im Bereich „Arbeit“, da nun auch Aussagen von Arbeitnehmer für die Prüfung von Verstößen gegen das Abkommen herangezogen werden können.


Arbeit: Bestimmungen wurden vor allem mit Blick auf die Durchsetzung der Arbeitsrechtsreform in Mexiko verändert:

  • Beweislastverschiebung hinsichtlich des Bezugs auf Handel und Investitionen. Die ursprünglichen Bestimmungen verlangten von einer Beschwerde führenden Partei den Nachweis, dass die Verletzung der Rechte der Arbeitnehmer in Bezug zu „Handel und Investitionen“ steht. Die Novellierung verschiebt die Beweislast auf die beklagte Partei, die nun nachweisen muss, dass kein Bezug besteht, und damit der Streitschlichtungsmechanismus des Abkommens nicht zuständig sei. Diese Umkehrung der Beweislast ist für die Rechtsprofessorin Kathleen Claussen die zentrale Verbesserung im Bereich „Arbeit“.2
  • Gewalt gegen Arbeitnehmer. Die Formulierung, dass die Beschwerde führende Partei beweisen müsse, dass eine Verletzung einem „nachhaltigen oder wiederkehrenden“ Muster folgt, wurde entfernt. Nun soll bereits auf einzelne Gewaltakte reagiert werden können.
  • „Schnellreaktionsmechanismus“ (Rapid Response Labor Mechanism). Bei begründetem Verdacht des Verstoßes gegen Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen bei einem Unternehmen soll rasch eine Untersuchungskommission eingesetzt werden können, deren Entscheidungen zu einer Aussetzung der Zollpräferenzen führen können.
  • Überwachung der mexikanischen Arbeitsrechtsreform. Eine interministerielle Kommission soll die Umsetzung der mexikanischen Arbeitsrechtsreform überwachen und regelmäßig dem Kongress darüber Bericht erstatten. Arbeitsattachés an der US-Botschaft in Mexiko sollen deren Arbeit unterstützen.


Umweltschutz: Analog zum Arbeitskapitel wird die Beweislast hinsichtlich des Bezugs auf „Handel und Investitionen“ ebenfalls umgedreht, eine interministerielle Kommission zur Überwachung der umweltlichen Verpflichtungen eingesetzt und ‚Umweltattachés‘ in die US-Botschaft in Mexiko entsandt. Zudem wird die Zusammenarbeit im Bereich der Umwelt an der Grenze zu Mexiko finanziell besser ausgestattet.

Ursprungsregeln für Kraftfahrzeuge: Für die Kraftfahrzeugproduktion wurde der vorgeschriebene Anteil von Stahl- und Aluminiumprodukten, die aus Nordamerika stammen, nochmals angehoben und zwar auf 70 %, wobei dieser Prozentsatz für Stahl ab dem siebten Jahr und für Aluminium im zehnten Jahr erreicht werden soll.

Geistige Eigentumsrechte: Die Umsetzungsgesetzgebung hat den auch von der mexikanischen und kanadischen Regierung unerwünschten, übertriebenen Schutz der Pharmaindustrie im USMCA nicht übernommen. Seitdem unterstützt die US-Pharmaindustrie nicht mehr das Abkommen. Die Novellierung schließt auch die Verfügbarkeit von Patenten für neue Anwendungen, Methoden oder Prozesse eines bestehenden Produktes aus und begrenzt die Umstände, unter denen der Patentschutz aufgrund verzögerter Marktzulassung verlängert werden kann. Diese Änderungen sollen aus Sicht der Demokraten im Kongress vor allem dazu dienen, dass der Preisanstieg bei Medikamenten gebremst wird.

1 M. A. Villareal: USMCA: Amendment and Key Changes; Update 20.12.2019, Congressional Research Service, https://crsreports.congress.gov/product/pdf/IF/IF11391.

2 K. Claussen: A First Look at the New Labor Provisions in the USMCA Protocol of Amendment, International Economic Law and Policy Blog, 2019, https://ielp.worldtradelaw.net/2019/12/a-first-look-at-the-new-labor-provisions-in-the-usmca-protocol.html#comments.

Der Verabschiedung im Repräsentantenhaus ging wenige Tage zuvor die Unterzeichnung eines Ergänzungsprotokolls zum USMCA (Protocol of Amendments) durch die Handelsbeauftragten der drei Länder voraus. Dadurch haben die Regierungen Mexikos und Kanadas dem Nachverhandlungsergebnis zugestimmt. Präsident Trump hat es im Januar 2020 unterzeichnet, die Ratifizierung durch das kanadische Parlament wird für April 2020 erwartet, das Inkrafttreten des Abkommens ist für den 1. Juli 2020 vorgesehen (vgl. Kasten 1 zu den wesentlichen Änderungen).

Durchsetzungsmechanismen zur Umsetzung der mexikanischen Arbeitsrechtsreform

Das Arbeitskapitel im USMCA enthält einen Anhang zur Reform des mexikanischen Arbeitsrechts mit dem Ziel, unabhängigen Gewerkschaften Tarifverhandlungen zu ermöglichen (Annex 23-A). Im Einzelnen ist vorgesehen:

  • eine unabhängige Schlichtungsstelle zu schaffen, die zudem die Tarifverträge registriert. Sie soll auch das Recht erhalten, bei Verstößen gegen ihre Entscheidungen Sanktionen zu erlassen. Ihre Entscheidungen sollen aber vor einem unabhängigen Gericht angefochten werden können;
  • die Einrichtung unabhängiger Arbeitsgerichte;
  • die Schaffung eines effektiven Systems zur Sicherstellung, dass gewerkschaftliche Wahlen frei und geheim stattfinden;
  • die Einschaltung von Arbeitsgerichten zur Sicherstellung geheimer Wahlen bei Anfechtungen der gewerkschaftlichen Vertretung von Belegschaften;
  • die Sicherstellung, dass die Tarifverträge durch freie und geheime Wahlen mehrheitlich von der Belegschaft befürwortet werden;
  • die Neuverhandlung aller bestehenden Tarifverträge innerhalb von vier Jahren zur Sicherstellung, dass eine Mehrheit der Beschäftigten den neuen Tarifverträgen zustimmt;
  • die Bekanntmachung der Inhalte von Tarifverträgen gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmern.

Der 2018 ins Präsidentenamt gewählte Andrés Manuel López Obrador (AMLO) war ebenso wie die von ihm gegründete Morena-Partei mit einem Wahlprogramm angetreten, das eine progressive Reform des Arbeitsgesetzes versprach. Dieses Versprechen wurde am 2. Mai 2019 weitgehend im Einklang mit dem Anhang 23-A des USMCA eingelöst.4 Der AFL-CIO und viele Abgeordnete der Demokratischen Partei zweifelten jedoch an der Fähigkeit des mexikanischen Staats, die Reformen tatsächlich umzusetzen. Insbesondere fürchteten sie, dass nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden würden.5 Deshalb drängten sie auf eine Nachverhandlung des Arbeitskapitels.

Das Umsetzungsgesetz sieht die Einrichtung eines Interministeriellen Ausschusses zur Überwachung und Durchsetzung von Arbeitsrecht unter der gemeinsamen Leitung des Handelsbeauftragten und des Arbeitsministers vor.6 Dieses soll halbjährlich beurteilen, inwieweit Mexiko seinen Verpflichtungen bezüglich der vereinbarten Arbeitsrechtsreformen nachkommt, und insbesondere auch, „ob Mexiko Mittel in Übereinstimmung mit seiner Verpflichtung bereitgestellt hat“.7 Der Ausschuss wird von einem unabhängigen mexikanischen Arbeitssachverständigenausschuss unterstützt,8 dessen zwölf Mitglieder von beiden Parteien im Kongress und dem gewerkschaftlich dominierten Beratenden Ausschuss für Arbeit (Labor Advisory Committee) im Büro des Handelsbeauftragten ernannt werden.9 Stellt der Ausschuss nach einem mehrstufigen Verfahren mit vorgeschriebenen Fristen für jede Stufe fest, dass Mexiko seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, soll er dem Handelsbeauftragten empfehlen, Durchsetzungsmaßnahmen zu initiieren. Diese können die Aufnahme von Konsultationen, die Einleitung eines Streitschlichtungsverfahrens oder Maßnahmen in Bezug auf das Rapid Re­sponse Labor Panel beinhalten. Die Arbeit des Ausschusses soll sich zunächst auf prioritär zu behandelnde Sektoren konzentrieren.10 Dieser Interministerielle Ausschuss ist gegenüber den entsprechenden Ausschüssen des Kongresses in festgelegten Zeitabschnitten berichtspflichtig.

Der Schnellreaktionsmechanismus zielt darauf ab, rasch Abhilfe zu schaffen, wenn in einer Fabrik bzw. in einem Callcenter (facility) das im neuen mexikanischen Arbeitsgesetz verankerte Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen verletzt wird. Dieser bezieht sich nur auf die Vertragspartner USA und Mexiko (ähnlich lautende Bestimmungen finden sich im Annex 31-B für Kanada und Mexiko). Der Fokus auf eine bestimmte Arbeitsstelle ist beispiellos. Frühere Arbeitsrechtsklauseln in Freihandelsabkommen betrafen das Versagen einer Regierung, die Arbeitsgesetze effektiv durchzusetzen. Konkrete Verstöße in einer bestimmten Fabrik lagen außerhalb des Geltungsbereichs dieser Abkommen. Dieser Mechanismus kann in Mexiko nur hinsichtlich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen in Anspruch genommen werden, und in den USA nur bezogen auf Arbeitsstellen, denen zuvor Verletzungen US-amerikanischen Arbeitsrechts nachgewiesen werden konnte.

Die Novellierung sieht die Einrichtung eines Rapid Re­sponse Labor Panel (Schiedsgericht) vor, das sich aus einer vorab vereinbarten Liste von Arbeitsexperten zusammensetzt. Die Einrichtung des Schiedsgerichts soll nicht davon abhängig sein, ob ein Land seine Nominierung von Experten vorgenommen hat. Damit wird dem vorgebeugt, dass das Land, in dem eine Verletzung der Arbeitsrechte vermutet wird, die Einrichtung des Schiedsgerichts blockiert.

Beschwerden über eine Verletzung der Rechte können direkt von mindestens zwei Arbeitnehmern vorgebracht werden. Nach Erhalt der Beschwerde soll, wenn „in gutem Glauben davon ausgegangen werden kann, dass den Arbeitnehmern in einer betroffenen Fabrik die Rechte verweigert werden“11, zunächst das betroffene Land aufgefordert werden, den Sachverhalt zu prüfen. Falls das beklagte Land nichts unternimmt, kann das klageführende Land mittels des Rapid Response Labor Panels eine Untersuchung einleiten. Im Falle, dass sie bei der Untersuchung behindert wird, kann das Schiedsgericht dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen.12 Alle Schritte des gesamten Prozesses müssen innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens abgeschlossen werden. Falls die Verweigerung der Rechte nicht innerhalb von etwa 120 Tagen behoben wird, kann der US-Handelsbeauftragte den Finanzminister (zuständig für den US-Zoll) anweisen, „die Einfuhr von Waren zu verweigern“ oder „Zölle oder Strafen anzuwenden“ auf Waren, die von der die Rechte verletzenden Fabrik hergestellt wurden.13 Bereits zu Beginn des Prozesses können die Waren aus der belasteten Fabrik „nicht liquidiert“ werden,14 d. h. die zu zahlenden Zölle werden nicht endgültig festgelegt, sodass auch später noch Strafzölle auf die Waren erhoben werden können. Während des gesamten Prozesses werden die entsprechenden Kongresskomitees vom Handelsbeauftragten konsultiert, um sicherzustellen, dass der Prozess nicht allein in den Händen der Exekutive liegt, die möglicherweise die Interessen der Arbeitnehmer weniger im Blick hat.

Kritik am Nachverhandlungsergebnis

Die US-Gewerkschaft der Maschinenschlosser und Luft- und Raumfahrtarbeiter15 sowie etliche Demokratische Abgeordnete lehnen weiterhin die Verabschiedung des USMCA mit der Begründung ab, dass das Abkommen in nicht ausreichender Weise vor der Abwanderung der Industrie nach Mexiko schützt. Eine detaillierte Begründung findet sich in ihren öffentlichen Verlautbarungen leider nicht. Die Demokratische Abgeordnete Marcy Kaptur aus Ohio, einem Bundesstaat mit hohen Verlusten an Industriearbeitsplätzen, fragte unter Bezug auf das Verhalten Mexikos im Rahmen des NAFTA, „warum soll ich glauben, dass Mexiko irgendetwas durchsetzen wird?“.16 Aus einer der Gewerkschaftsbewegung freundlich gesonnenen juristischen Sicht wird das Ergebnis der Nachverhandlungen positiv bewertet,17 wobei allerdings folgende Lücken und Unklarheiten in den Vertragstexten identifiziert werden:

  • Unklar sei, ob die US-Regierung, die vom mexikanischen Parlament verabschiedete Arbeitsrechtsreform für ausreichend in Bezug auf die im Annex 23-A des USMCA getroffene Vereinbarung hält.18
  • Die Beschränkung des Rapid Response Labor Mechanism in den USA nur auf Fälle, bei denen die Nationale Behörde für Arbeitsbeziehungen (National Labor Relations Board; NLRB) bereits tätig wurde.19
  • Das konkrete Procedere des Rapid Response Labor Mechanism bedürfe noch weiterer Konkretisierungen. Dies trifft auf das Überprüfungsverfahren bei einem Verdacht auf Verstoß gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen bei einer Arbeitsstelle zu, da insbesondere die Einhaltung dieser Rechte schwer zu überprüfen sei, da deren Einhaltung mit geschickten Methoden umgangen werden kann.20 Auch sei unklar, wie die Verantwortlichkeiten für mögliche Behinderungen bei der Überprüfung identifiziert werden können.21
  • Bei den Fristen für die einzelnen Stufen des Rapid Response Labor Mechanism bestünden Lücken, sodass derzeit die maximale Dauer des Verfahrens noch nicht genau festzustellen sei.22
  • Die Art von Strafmaßnahmen im Falle von grenzüberschreitenden Dienstleistungen sei unklar, da solche Dienstleistungen nicht vom Zoll erfasst werden. Zudem wird die US-Zollbehörde Schwierigkeiten haben, die von einer inkriminierten Fabrik hergestellten Güter zu identifizieren, da bisher in den Zollpapieren nicht die konkrete Fabrik des Herstellers, sondern höchstens der Hersteller, wenn nicht sogar nur der Exporteur eingetragen wird. Ein Hersteller kann viele unterschiedliche Fabriken besitzen.23
  • Schließlich sei nicht auszuschließen, dass das US-Arbeitsministerium für eine größere Zahl von Verfahren unvorbereitet sei.24

Ein Hauptmanko des gesamten Beschwerdeverfahrens besteht darin, dass, wenngleich der Kongress konsultiert wird, es letztlich in der Hand der Exekutive liegt. Erfahrungen mit bisherigen Arbeitsrechtsklauseln in den Handelsverträgen der USA haben gezeigt, dass ihr Gebrauch, insbesondere die Nutzung von Strafmaßnahmen, den politischen Kalkülen der Exekutive unterliegt.25

Abschließende Bewertung

Der umfassende Charakter der Durchsetzungsmechanismen macht es wahrscheinlich, dass die mexikanischen Arbeitsrechtsreformen umgesetzt und damit die Rechte der Arbeitnehmer in Mexiko gestärkt werden. Daher sollten diese Mechanismen auch für andere Handelsabkommen in Betracht gezogen werden. Sie wurden durch eine Kombination von Faktoren ermöglicht, nicht zuletzt aufgrund der starken Verhandlungsposition der USA, einer unabhängigen Gewerkschaften aufgeschlossenen Regierung in Mexiko und einer Demokratischen Partei, die aus Gründen einer starken Ablehnung von Präsident Trump unter Druck stand, nur dann dem neuen Abkommen zustimmen zu können, wenn es auch ihre Handschrift trägt. Ob die zukünftigen Umstände für eine solche starke Vertragssprache zugunsten von Arbeitsnormen ebenso förderlich sind, wird sich zeigen. In der Vergangenheit war der Demokratischen Partei der Schutz der Lohnabhängigen weniger wichtig, auch gerade dann, wenn sie sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat die Mehrheit hielt.

Das neue USMCA stärkt nicht nur die Rechte der Lohnabhängigen im Vergleich zum NAFTA, sondern auch die der Internetkonzerne. Letzteren wird der freie Datenverkehr innerhalb Nordamerikas garantiert und Online-Plattformen sind von der Haftung für die Inhalte auf ihren Plattformen befreit. Allerdings sind die Großkonzerne begünstigenden Schiedsgerichte für Investorenklagen gegen staatliche Maßnahmen fortgefallen.26 Trotz dieser Schattenseiten des Abkommens, befürwortet es die Mehrheit der US-amerikanischen Gewerkschaften. Die Gründe liegen auf der Hand. Gegenüber NAFTA sind ihre Rechte gestärkt worden, also ist dies ein Fortschritt gegenüber dem Status quo. Die Nachteile sind weniger unmittelbar spürbar. Die langjährigen Kritiker von Freihandelsabkommen, Thea M. Lee und Robert E. Scott, brachten es auf den Punkt: „As a result, it is better than the alternatives.“27

Der Beitrag beruht auf einer Kurzstudie für die Arbeiterkammer Wien.

Title:Successful Renegotiation of the Free Trade Agreement with Mexico

Abstract:In early 2020, the United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) became law in the USA. The Democrats’ support for this free trade agreement, renegotiated by the Trump administration, is mainly due to the fact that they have tied in unprecedented monitoring and enforcement mechanisms to reform Mexican labour law. These mechanisms have been welcomed by the AFL-CIO and most – though not all – US trade unions. The hope is that strengthening the rights of Mexican workers will discourage corporations from moving jobs to Mexico. The article describes these innovative elements and presents an assessment by labour and trade specialists.

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© Der/die Autor(en) 2020

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DOI: 10.1007/s10273-020-2605-7