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Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde in der 19. Legislaturperiode ein weiteres Mal geändert. Die Novelle stand im Zeichen des Ziels, bis 2050 klimaneutral zu werden und auf dem Weg dahin die Bevölkerung mehr mitzunehmen als bisher. Die erneuerbaren Technologien brauchen mehr Fläche als die fossil-basierten Vorgängertechnologien, wegen ihrer geringeren Energiedichte. Sie rücken deshalb an mehr Bürger:innen näher heran. Deswegen ist für ihre Einbettung in ihr betroffenes soziales Umfeld mehr zu leisten. Da soll auch Geld zum Ausgleich fließen dürfen. Die Ursprungsidee des EEG, für neue Technologien zur Ernte von natürlichen Umgebungsenergien zu sorgen, ist kaum berücksichtigt worden.

Das EEG wurde am 7. Dezember 1990 unter dem Namen „Stromeinspeisungsgesetz“ in Kraft gesetzt – seinen 30. Geburtstag hätte man gerade groß feiern können. Unter den vielen Novellierungen, die es in seiner Geschichte erfahren hat, gab es zwei formidable Veränderungen. Im Jahr 2000 wurde es umbenannt in ein Gesetz, das dann auch wirklich „EEG“ hieß, im Titel mit „für den Vorrang“ erneuerbarer Energien. Die Idee war, fixe Preise (für die Einspeisung) zu setzen und den Zuwachs an Anlagen die Resultante sein zu lassen. Das war erfolgreich, für die konservative Seite der Politik und für viele Ökonom:innen in Deutschland sogar erschreckend erfolgreich. Das überbordende Maß des Erfolgs ließ sie „Kontrollverlust“ konstatieren. Die Konservativen schafften es nicht, die Kontrolle wiederzuerlangen – zu groß war inzwischen der parteiinterne Einfluss der Begünstigten, auf dem Lande und bei den kapitalanlegenden Freiberuflern.

Die EU hatte inzwischen erkannt, dass das deutsche politische System die Zuwachsdynamik, die es entfacht hatte, nicht mehr aus eigenen Kräften eindämmen konnte, und übernahm die Initiative. Im Sommer 2014 kam es zu einer Fassung, bei der die EU-Kommission der deutschen Gesetzgebung mit harschen Sanktionsdrohungen die Feder führte. Das brachte einen neuen zentralen Titelbegriff, seitdem heißt es korrekt, das EEG sei nurmehr „für den Ausbau“ von Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Quellen da. Es geht nur um einen kosteneffizienten Ausbaupfad von Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Quellen. Dem dient der Zwang zur Ausschreibung. Das EEG ist heute ein typisches Infrastruktur-Planungsgesetz. Die Dynamik des Ausbaus wurde gezähmt und die technische Innovativität gekappt. Diese Variante des EEG wies Unprofessionalitäten auf, von denen zwei zentrale Punkte in der aktuellen Novelle bereinigt wurden.

Eine Infrastruktur bauen kann nur, wer auch über eine Vorstellung vom Zielzustand verfügt. Bislang fehlt es daran in Deutschland. Das Stromnetz wird mit einem Zeithorizont von zehn bis 15 Jahren umgebaut. Das EEG 2021 bringt nun immerhin eine Neuformulierung des Ziels in § 1. Der in Deutschland im Jahr 2050 verbrauchte Strom ist statt „zu 80 %“ nun mit „zu 100 %“ bestimmt. Aber statt „aus erneuerbaren Quellen“ heißt es nun, er solle dann vollständig „treibhausgasneutral“ sein. Dieser Wechsel des Attributs ist ein Wechsel von einer Eigenschaft, die auf deutschem Boden geschaffen wird, zu einer Prozess-Eigenschaft, die auf Produktionsverhältnisse in Drittstaaten abstellt. Das ist revolutionär.

Der Soll-Pfad für den (Netto-)Ausbau der vier Kraftwerkstypen Wind offshore, Wind onshore, Photovoltaik (onshore) und Biomasse (im Verbrennungskraftwerk) über die nächste Dekade wurde (in § 4a) detailliert. Seit 2014 drohte der Zielpfad häufig verfehlt zu werden. Bis die Gesetzgebung reagieren konnte, vergingen Jahre. Nun wurde gelernt. Man hat mit dem sogenannten Kooperationsausschuss in § 97 ff. einen Regelkreis zur Nachjustierung eingebaut. Das Verfahren ist dem in § 8 Bundes-Klimaschutzgesetz nachempfunden. Die Länder sind nun eingebunden. In deren Kompetenz liegen häufig die Hindernisse, die für die Zielabweichung verantwortlich sind. Nun sind sie mit in der Pflicht – so wird der Föderalismus pragmatisch weiterentwickelt.

Das EEG in seiner ersten Fassung war ein innovatives Gesetz zur Förderung energietechnischer Innovationen. Es hat mit dem Förderprinzip „erfolgsabhängige Vergütung“ eine F & E-politische Revolution herbeigeführt. Im Ergebnis kamen zwei spezielle Stromerzeugungstechnologien zum Durchbruch. Mit ihnen ist Strom heute günstiger zu produzieren als aus Anlagen, deren technologisches Prinzip zu Beginn der Industriellen Revolution erfunden wurde: via Dampfmaschinen. Mit den beiden Technologien ist das Innovationspotenzial der Erneuerbaren offenkundig nicht ausgeschöpft. Es steht an, weitere Technologieaspiranten unter diesen Fördermechanismus zu bringen. Dafür war bei der aktuellen Novelle die sogenannte „Agri-PV“ an den Start gegangen, eine Technologie, bei der landwirtschaftliche und energetische Erträge in einem Kuppelproduktionsverhältnis entstehen. Dieser Kandidat erhielt eine Startfreigabe – doch nur in homöopathischer Dosis.

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© Der/die Autor:in(nen) 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-2813-9