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Oft wird gefordert, dass Deutschland seine Rüstungsanstrengungen in Zukunft erheblich steigern müsse und dies unabhängig von den beträchtlichen Pandemie-Ausgaben bzw. den damit verbundenen Steuermindereinnahmen. Man habe sich schließlich dafür bei der NATO verbürgt. Dort seien mindestens 2 % des BIP vereinbart und Deutschland sei somit ein Drückeberger. Drei Fakten sind dabei wichtig.

Erstens ist die 2 %-Regel gar kein fest vereinbartes Ziel. Es wurde von den USA zwar länger gefordert, aber lange ohne Erfolg. Erst 2014 ist bei einem NATO-Gipfel vereinbart worden, dass dies eine Zielmarke sei. Allerdings, wie es in einem Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik heißt, eher weich formuliert: „Das Gipfelkommuniqué fordert, dass die NATO-Mitglieder, die unter dem Zwei-Prozent-Wert liegen, sich in den kommenden 10 Jahren, also bis 2024, auf diesen ‚zubewegen‘ sollen“ (Kamp, 2019). Sich auf eine Marke zuzubewegen ist doch etwas anderes, als diese zu erreichen. Im Vergleich erreichten zweitens nur sieben Länder 2019 die 2 %-Marke oder überschritten sie (NATO, 2019). Die Breite der Rüstungsausgaben als Anteil am BIP ist beachtlich. Sie reicht von 3,42 % in den USA bis zu 0,55 % in Luxemburg. Im Durchschnitt geben die Bündnisstaaten 1,63 % aus. Deutschland belegt mit 1,36 % Platz 17 von 28. Das ist weniger als in Frankreich oder Großbritannien mit ihren kostspieligen Atomwaffenarsenalen und postkolonialen Interventionsvorstellungen, aber mehr als in anderen, vergleichbaren Ländern wie Italien oder Kanada. Zudem ist gegenüber 2014 mit 1,18 % eine gewisse Steigerung zu verzeichnen. Friedenssicherung ist drittens mehr als Investitionen in Panzer und Drohnen. Internationale Problemlagen mit potenziellen Kriegsentwicklungen präventiv zu entschärfen, ist oft erfolgreicher und ökonomisch sparsamer, als sie später mit Soldat:innen gewinnen zu wollen. Ist zudem in einem Krisengebiet bereits das heimische Militär kostspielig aktiv, ist es politisch fast unmöglich, noch ausreichend Ressourcen für Zivilprojekte zu mobilisieren. Das Abenteuer Afghanistan mit sehr hohen Ausgaben für militärische Präsenz und relativ geringen für zivilen Aufbau demonstriert dies. Für Deutschland liegen die finanziellen Belastungen bei 12,2 Mrd. Euro für die Bundeswehr und nur 425 Mio. Euro für humanitäre Hilfe (Tagesschau, 2021). Die Relation von gut 29:1 ist ein groteskes Missverhältnis, wenn es das Ziel gewesen sein sollte, eine Bevölkerung für sich zu gewinnen. Die Relation verbessert sich, wenn man auf alle armen Länder des Südens blickt.

Neben dem NATO-Ziel haben sich wohlhabende Staaten, auch Deutschland, noch ein anderes Ziel gegeben, das in der öffentlichen Debatte weniger präsent, aber älter und härter formuliert ist: „Mit der Resolution 2626 der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1970 haben sich die Staaten mit hohen Pro-Kopf-Einkommen dazu verpflichtet, mindestens 0,7 % ihres Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Das zur globalen Armutsbekämpfung festgesetzte Ziel sollte im Jahre 1975, spätestens 1980 erreicht sein“ (Aktionsbündnis gegen Aids, 2020). Auch hier erreicht Deutschland die Zielmarke nicht, ist ihm aber mit 0,6 % nahe. Für 19 NATO-Staaten liegen Angaben für beide Ziel-Werte vor. Diese Überschneidung ist für einen Vergleich groß genug. Luxemburg liegt mit 1,06 % des BIP vorne. Letzte sind Polen und die Slowakei mit jeweils 0,12 %. Nicht weit entfernt sind die USA mit 0,16 %. Deutschland liegt auf einem achtbaren Platz 5. Im Schnitt geben die Staaten 0,39 % aus (Welthungerhilfe, 2020). Das ist im Vergleich weiter entfernt vom lange zugesagten 0,7 %-Ziel als die durchschnittlichen 1,63 % von den für 2024 angestrebten 2 % bei den NATO-Mitgliedsbeiträgen.

Betrachtet man die Ausgaben für zivile und militärische Friedenssicherung zusammen, sind die USA aufgrund ihrer hohen Rüstungsausgaben weiter Spitzenreiter, Spanien ist Schlusslicht. Im Schnitt werden 1,91 % des BIP der 19 NATO-Staaten aufgewandt, Deutschland liegt mit 1,96 % leicht darüber. Das ist Platz 8 von 19 und damit kein schlechter Wert. US-Präsident Biden wird im Juni 2021 am Treffen der Staats- und Regierungschefs der NATO teilnehmen. Er scheint im Unterschied zu seinem Vorgänger rationalen Argumenten zugeneigt und in der Lage zu sein, Ziele langfristig auch bei medialem Störfeuer zu verfolgen. Vielleicht nutzt die Bundesregierung die Chance, bei ihren Verbündeten dafür zu werben, zukünftig auch Zahlungen der Entwicklungszusammenarbeit für eine umfassend definierte Friedenssicherung in die Kalkulationen der NATO aufzunehmen. Das wäre ein Anfang für eine ausgewogenere Debatte, wie knappe Mittel für internationale Verpflichtungen am sinnvollsten auszugeben wären.

Literatur

Aktionsbündnis gegen Aids (2020), 50 Jahre halbleere Versprechungen/ 0,7 Prozent-Ziel zur Finanzierung globaler Armutsbekämpfung immer noch nicht erreicht.

Kamp, K.-H. (2019), Mythen der Zwei-Prozent-Debatte, Zur Diskussion um die NATO-Verteidigungsausgaben.

NATO (2019), Defence Expenditure of NATO Countries (2012-2019).

Tagesschau (2021), 12,5 Milliarden Euro für Bundeswehreinsatz.

Welthungerhilfe (2020), Deutsche ODA in Daten, Fakten und Trends, Welternährung. Das Fachjournal der Welthungerhilfe, 5.

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© Der/die Autor:in(nen) 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-2929-y