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Dass manche Leute einen mehr oder minder stark ausgeprägten (Glücks-)Spieltrieb haben, mag bedauerlich sein oder auch nicht. Durch Verbote allein wird dieser jedoch nicht gestillt – im Gegenteil: Die Lehren der Vergangenheit zeigen, dass das Spielbedürfnis dann illegal befriedigt wird und so insbesondere Spieler- und Jugendschutz besonders schwer zu gewährleisten sind. Der Spieltrieb verschwindet nicht durch Verbote, denn gerade im digitalen Zeitalter wird es durch Online-Angebote zunehmend einfach, diesem Bedürfnis nachzugehen. Dies gilt umso mehr, weil in der ganz überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten Online-Glücksspiele wie Online-Poker (in 23 von 27 Staaten) und Online-Casinos (in 22 von 27 Staaten) legal sind. Ein Totalverbot in Deutschland ist daher auch mit dem Binnenmarkt schwer zu vereinbaren. Diese Einsicht hat auch die Gesetzgebung inzwischen gewonnen. Nach einer fast 20-jährigen Historie europarechts- und teils auch verfassungsrechtswidriger Verbote von Online-Glücksspielen ist zum 1. Juli 2021 der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) in Kraft getreten.

Ein wesentliches Ziel der Glücksspielregulierung besteht darin, das Spielen in legale Bahnen zu lenken. Auch aus ökonomischer Sicht ist dies aus mindestens zwei Gründen zu begrüßen: Erstens kann so der Markt reguliert und Spieler- und Jugendschutz, wenn auch nicht perfekt, so doch besser gewährleistet werden als auf dem Schwarzmarkt. Und zweitens lassen sich durch eine sachgerechte Besteuerung auch Staatseinnahmen erzielen, die – zumindest theoretisch – für sinnvolle Vorhaben ausgegeben werden können. Die Glücksspielregulierung der vergangenen 20 Jahre war hingegen im Wesentlichen ein Lehrstück für politisches Versagen. Unter fortwährender Missachtung von Europa- und bisweilen auch Verfassungsrecht wurden zum einen Grundfreiheiten der Bürger:innen eingeschränkt, zum anderen gab es aber keinen wirksamen Jugend- und Spielerschutz.

Um ein Marktversagen durch Informationsasymmetrien zu verhindern und um die Gefahr der Spielsucht zu reduzieren, ist es essenziell, die Nachfrage in ein legales Umfeld zu kanalisieren. Damit eine hohe Kanalisierungsrate erreicht werden kann, dürfen legale Angebote im Vergleich zum Schwarzmarkt nicht zu unattraktiv sein. Ansonsten kommt es zu einer Abwanderung der Spieler:innen in den unregulierten Schwarzmarkt, wie die deutsche und die internationale Erfahrung lehrt. Spielangebote im legalen Markt sind wiederum attraktiv, wenn Spielangebote nicht zu sehr eingeschränkt werden, Steuern keine wettbewerbsfähigen Angebote (Quoten) verhindern und die Authentifizierung nicht zu umständlich ist. Auch wenn mit dem GlüStV 2021 nach fast 20 Jahren rechtlicher Schwebezustände und blühender Schwarzmärkte nun eine weitgehend sachgerechte Regulierung des Glücksspiels vorliegt, weisen die Regulierungen im Hinblick auf Werberegeln, Spielprogramme, Einsatzlimits und anderes im Detail noch Schwächen auf. So wurde etwa nach § 6c Abs. 1 GlüStV 2021 ein anbieterübergreifendes Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat eingeführt. Erhaltene Gewinne, die wiederum eingesetzt werden, zählen nicht dazu. Besser als ein Einsatzlimit wäre ein Verlustlimit, gegebenenfalls sogar mit höheren Limits, sofern jemand ein höheres Einkommen nachweisen kann.

Ratsam wäre es auch gewesen, angesichts der Dynamik des Glücksspielmarkts, der technologischen Entwicklungen und der Notwendigkeit, Regulierungen immer wieder zu evaluieren, weniger Details im Glückspielstaatsvertrag auf Gesetzesebene vorzugeben, sondern besser der neuen Aufsichtsbehörde für das Glücksspiel mehr Ermessen zuzugestehen und gegebenenfalls auch die rechtliche Kompetenz einzuräumen, selbst Verordnungen zu erlassen. Wie die Geschichte der letzten 20 Jahren zeigt, verläuft die Abstimmung zwischen 16 Bundesländern stets schleppend. Die Anpassung der Glücksspielstaatsverträge dauert daher sehr lange. Da aber in der Regulierung auch schnelles Handeln erforderlich sein kann, wäre es umso wichtiger, die Aufsichtsbehörde mit den entsprechenden Regelungskompetenzen auszustatten. Scheitern kann die gesamte Glücksspielregulierung schließlich an der unsachgemäßen Besteuerung. Die beschlossene Spieleinsatzsteuer von 5,3 % droht, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter im Bereich von Online-Poker, Online-Casino und bei virtuellen Automatenspielen sehr ernsthaft zu gefährden. Deutschland ist in der EU das einzige Land mit einer Spieleinsatzsteuer, alle anderen EU-Staaten verwenden bei Online-Glücksspielen außer Sportwetten eine sogenannte Bruttospielertragssteuer, bei der allein die Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen besteuert wird. Eine Spieleinsatzsteuer von 5,3 % entspricht umgerechnet einer Bruttospielertragssteuer von etwa 57 %. Dies ist das Dreifache des EU-Durchschnitts und dürfte daher ein massives Abwandern von Spieler:innen in den Schwarzmarkt induzieren. Bei allen Schwächen in den Details ist die überbordende Besteuerung eindeutig das gravierendste Problem, das den gesamten GlüStV 2021 letztlich auch zum Scheitern bringen kann. Hier besteht erheblicher Korrekturbedarf.

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© Der/die Autor:in(nen) 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-2972-8