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Die Politik in Deutschland und vielen anderen EU-Ländern hat seit Spätsommer 2022 zunehmend die Option einer Gaspreisbremse und von Transferzahlungen an private Haushalte bei Gas-, Wärme- und Strombezug diskutiert. Wie eine Gaspreisbremse ausgestaltet sein soll – für jede Gaskundschaft im Haushalts- und Industriebereich oder nur für bestimmte gasverbrauchende Sektoren –, ist bislang analytisch kaum ausgeleuchtet. In Deutschland hat die Kommission für Gas und Wärme Vorschläge gegen die Energiepreisschocks geliefert, wobei von der Politik auch noch eine EU-Verzahnung angedacht ist: Von der Bundesregierung wurde auf dem Brüsseler EU-Ratsgipfel im Oktober bislang nur grünes Licht für ein Mehr an gemeinschaftlichem Gaseinkauf gegeben. Auf Basis eines makroökonomischen Modells wird aufgezeigt, dass ein spezieller Gaspreisdeckel nur beim Strommarkt – ergänzt um bestimmte Transfermaßnahmen – für die Volkswirtschaft ökonomisch optimal ist.

Die massive Erhöhung der Gaspreise in Europa durch die vertragswidrigen russischen Lieferkürzungen – zunächst gegen einzelne Länder der EU und ab September gegen fast alle EU-Mitgliedstaaten – hat zu einem breiten Energiepreisschock 2022 beigetragen und massive ökonomische Anpassungsprobleme in Deutschland und Europa verursacht. In Deutschland hat die Bundesregierung die bisher angedachte Rettungspolitik für das Gas-Großhandelsunternehmen Uniper und zwei andere Gasverteilerfirmen sowie Unklarheiten über Transfers an Haushalte zur Eindämmung einer finanziellen Überforderungssituation geändert: Die für die Rettung großer Gasverteilerfirmen schon beschlossene Gaspreisumlage, die private Haushalte und Unternehmen als Gaskundschaft zur Finanzierung eines Rettungsbudgets von ca. 30 Mrd. Euro dienen sollte, wurde Ende September 2022 politisch beerdigt. Stattdessen soll eine Energiepreisbremse kommen, für deren Ausgestaltung eine unabhängige Expert:innenkommission für Gas und Wärme gegründet wurde (BMWK, 2022).

Der Budgetrahmen für nötige Anpassungshilfen im Energiemarkt soll über einen Sonderfonds bis 200 Mrd. Euro bis Frühjahr 2024 betragen. Die Kommission Gas und Wärme hat in einem ersten Teilgutachten zunächst vorgeschlagen, dass die Dezemberrechnung für 2022 bei privaten Haushalten als Gas- und Fernwärmekundschaft übernommen wird und dann 2023 ein 80 %-Kontingent des Verbrauchs aus einem Referenzmonat in 2022 mit einer Preisbremse von 12 Cent/kWh ab März 2023 preislich gedeckelt wird. Für Großhandelskundschaft soll ein 70 %-Kontingent für eine geringere, aber äquivalente Preisbremse gelten.

Ökonomisch gesehen belasten stark erhöhte Gaspreise, die gegenüber Januar 2021 bei einem zwei- bis vierfachen Wert Anfang Oktober 2022 lagen, mindestens in dreifacher Weise:

  1. Die privaten Haushalte im Wärmemarkt, weshalb das verfügbare Einkommen und daher auch die Konsumnachfrage zurückgehen.
  2. Die gasintensiv produzierenden Unternehmen, die Gas als Prozesswärme nutzen.
  3. Darüber hinaus kommt es aber wegen der gewichtigen Rolle der flexiblen Gasverstromung auf der Stromanbieterseite indirekt auch zu einem Strompreisschock, der praktisch alle Unternehmen und auch alle privaten Haushalte im zweiten Halbjahr 2022 stark trifft. Allerdings sind im Oktober die Gaspreise gegenüber den Spitzenwerten nach den ersten neun Monaten des Ukraine-Russland-Kriegs zeitweise auch schon deutlich gefallen, was die hohen Gasspeicherquoten der Mehrzahl der EU-Länder seit Oktober und die für 2023 erwartete Rezession in den OECD-Ländern (IWF, 2022) widerspiegeln dürfte – mit reduzierter globaler Energienachfrage.

Auch für 2023 könnten sich hohe Relativpreise bei Gas- und Strom ergeben, was die erwartete Rezession in Deutschland und der EU weiter verschärfen kann. Das Gemeinschaftsgutachten geht im Herbst 2022 von einer leichten Rezession im vierten Quartal 2022 und 2023 aus; außer für den Fall einer ernsten Gasmangellage, für die mit einem Real­einkommensrückgang von 7,9 % in 2023 in Deutschland zu rechnen sei (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2022). Das wäre immerhin dreifach so hoch wie in der Studie von Bachmann et al. (2022).

Die deutsche Bundesregierung hat Ende September 2022 angekündigt, man werde einen 200 Mrd. Euro großen Abwehrschirm außerhalb des normalen Bundeshaushalts (im Wirtschaftsstabilisierungsfonds) für eine Gasversorgungssicherung und eine Energiepreisbremse 2022/2023 bereitstellen. Geht man davon aus, dass der Staat durch die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ im Energiesektor 1 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) an zusätzlichen Staatseinnahmen hat, ergibt sich mit Blick auf die Dimension des Abwehrschirms immerhin eine Schatten-Zusatzdefizitquote von etwa 4 % des BIP 2023/2024; deutlich mehr als die Schuldenbegrenzung von jährlich 0,35 % Defizitquote für den Staat, wie das im Grundgesetz vorgesehen ist. Ein Vergleich mit den volumenmäßig noch höheren Beträgen in der transatlantischen Bankenkrise und während der Coronapandemie ist zum Teil wenig sinnvoll, da dort Liquiditätshilfen und Bürgschaften des Staats zusätzlich zu Konjunkturpaketen eine Rolle spielten; und die Zusatzbudgetrahmen jeweils nicht ausgeschöpft wurden.

Deutschlands Wirtschaftspolitik will offenbar der EU-internen Vereinbarung vom 30.9.2022 folgen und „Zufallsgewinne“ im Strom- bzw. Energiesektor abschöpfen. Im Stromsektor beträfe das vor allem die relativ hohen Gewinne der erneuerbaren Energien, der Atomkraftwerke und der Kohlekraftwerke; „Übergewinne“ entstehen bei diesen Stromproduzentenarten dadurch, dass zu großen Zeiten des Tages bzw. der Woche Gasstromanbieter zu – wegen unerwarteter Gaslieferkürzungen Russlands – sehr hohen Preisen als Gasverstromer in der Funktion des Grenzanbieters im Strommarkt aktiv sind: Die anderen Stromanbieter mit relativ geringen Grenz- und Durchschnittskosten realisieren dann eben sehr hohe Gewinne. Diese sektoralen Übergewinne wollen die EU-Kommission bzw. viele nationale Regierungen der EU-Länder abschöpfen, um damit Transfers für die private Haushaltsgaskundschaft im Wärmemarkt für oder Subventionen für Gasnutzende im Unternehmensbereich zu finanzieren. Mit so einem Modell der Gas- und Energiepreisbremse entstehen in Deutschland wohl Kosten von deutlich über 100 Mrd. Euro. Eine allgemeine Heruntersubventionierung des Gaspreises und hohe Transfers an private Haushalte mit Blick auf hohe Gas- und Stromrechnungen ist nicht nur fiskalisch sehr teuer, bei der Industrie senkt eine Gaspreisminderung die Substitutions- und Einsparanreize.

Zwar ist der Energiesektor traditionell reguliert, aber diese Regulierungen richten sich mit Blick auf Marktmachtprobleme vor allem auf den Bereich der Übertragungsnetze bzw. der Strom- und Gasverteilung, kaum aber auf die Stromerzeugung. Eine besondere Problematik im Stromsektor ergibt sich insoweit, als physikalisch gesehen Angebots- und Nachfragemenge jederzeit zwecks Netzstabilität auszubalancieren sind. Das gibt den flexiblen Gaskraftwerken dann häufig im Tagesablauf die Rolle als Grenzanbieter, der im Rahmen des Merit-Order-Ansatzes für alle Arten von Stromerzeugern den Marktpreis bestimmt.

Der Merit-Order-Ansatz ist eigentlich ein Normalfall der Herausbildung einer Angebotskurve mit positiven Grenzkosten, allerdings sind im Fall der Nutzung von Gasverstromung wegen der starken Gasexportkürzungen Russlands in die EU – einige wenige Länder wurden Ende September 2022 noch beliefert, darunter Italien, Ungarn und Österreich – die Gaspreise für die Gasverstromung massiv angestiegen, was den anderen Energiearten im Strommarkt Zufallsgewinne beschert; Russlands faktischer Gasexportstopp richtet indirekt den Fokus auf die aus der ersten Jahreshälfte bekannte Debatte in Deutschland zur Wirkung eines deutschen Gasimportembargos (Welfens, 2022).

Die starke Erhöhung der Gas- und Strompreise trifft nicht nur Haushalte und Unternehmen negativ, sondern es hat sich 2022, vermutlich auch 2023, ein zusätzlicher Inflationsdruck ergeben. Zudem kommt es im Winter 2022/2023 sowie wohl auch im Folgewinter zu erheblichen Verteilungseffekten: Bei relativ armen Haushalten, die keinen Zugang zum Kreditmarkt haben, sodass das verfügbare Einkommen die effektive Ausgabenschranke ist, ergibt sich ein relativ höherer Belastungseffekt als bei (ricardianischen) Haushalten, die kreditfähig sind.

Einige Effekte eines isolierten nationalen Gaspreisdeckels konnte man bereits im Strommarkt in Spanien und in Portugal sehen. Spanien hatte sich im Mai bei der EU-Kommission eine Ausnahmegenehmigung erstritten, welche die Einführung eines Gaspreisdeckels bei der Verstromung erlaubte, ähnlich dem im Sommer mit EU-Erlaubnis schon praktizierten Modell in Spanien, das den Strompreisanstieg in Spanien bremste: Dabei wurde der Gaspreis-Cap bei der Verstromung zunächst auf 40 Euro/MWh im Mai 2022 festgesetzt, der dann in monatlichen 5 Euro-Schritten bis Ende 2022 auf 70 Euro/MWh ansteigt (Enerdata, 2022; Banco de Espana, 2022; zeigt auch die Auswirkungen der Strompreise auf die Inflation). In Spanien wird die Differenz zwischen Marktpreis und Gas-Preisdeckel von etwa 40 % der Haushalte und 70 % der Unternehmen mit einem regulierten Stromtarif bezahlt, wobei Gas in Spanien für 20 % der Stromerzeugung steht; am 31.8.2022 stand der spanische Stromgroßhandelspreis bei 193 Euro/MWh, in Frankreich bei 636 Euro, in Italien bei 661 Euro und in Deutschland bei 571 Euro; in Spanien zahlte die Kundschaft mit reguliertem Stromtarif aber noch 263 Euro/MWh zusätzlich (Handelsblatt, 2022; bei einer Subvention vom Staat wäre der effektive Strompreis niedriger). Die Kommission Gas und Wärme hat im Abschlussbericht Ende Oktober unter anderem vorgeschlagen, dass bis zu 25.000 Unternehmen Subventionszahlungen in Sachen Gasnutzung erhalten können, sofern bis ein Jahr nach Abschluss des Programms nur geringe Beschäftigungsverluste eintreten. Das dürfte den industriellen Wandel verlangsamen; zum Thema Strom- und Gasmarkt hat die Kommission keine Vorschläge präsentiert – und auch keine Makro-Simulationsergebnisse.

Bei einem sektoral auf den Strommarkt begrenzten oder allgemeinen Gaspreisdeckel entsteht ein Beihilfeprüfungsproblem auf EU-Ebene. Es ist von daher, abgesehen von den beiden schon bestehenden Ausnahmegenehmigungen für einen Gaspreis-Cap in Spanien und Portugal, notwendig, für eine solche Lösung einen Konsens in der EU herbeizuführen. Mit Blick auf den EU-Gas- und den EU-Strombinnenmarkt wäre es sinnvoll, dass möglichst alle EU-Länder einen Gaspreisdeckel bei der Verstromung für eine Übergangszeit einführten – in ähnlicher Höhe, damit Verzerrungen im EU-Binnenmarkt minimiert werden. Auch die Art der Subventionierung sollte ähnlich sein, also nicht dem Modell Spaniens folgen. Es sei hier unter anderem darauf hingewiesen, dass Spaniens EU-Stromexporte nach der staatlichen Stromverbilligung deutlich anstiegen, was einen Verzerrungseffekt darstellt.

Das Einschwenken der Wirtschaftspolitik auf eine Kombination von Gaspreisbremse und Transfers an private Haushalte, das seit Ende September die Politik in Deutschland zu prägen scheint – zuvor auch in Frankreich schon seit 2021 in einem spezifischen Ansatz sichtbar –, könnte ein sinnvoller Ansatz sein. Allerdings gibt es verschiedene Arten von Gaspreisbremsen (Heusaff et al., 2022). Die folgende Simulationsanalyse mit einem Makro­modell zeigt systematisch die Effekte alternativer Politik­ansätze auf und verdeutlicht, welche Intervention bzw. Maßnahmenkombination effizient ist.

Welche Makro-Effekte ergeben sich bei verschiedenen wirtschaftspolitischen Interventionsoptionen? Etwa bei der Betrachtung eines Gaspreisdeckels nur in der Stromversorgung versus einer reinen Transferlösung, bei der die privaten Haushalte faktisch eine Preissenkung für den Strom- und Gasbezug erhalten? Dieser Fragestellung geht die EIIW-Studie von Röger und Welfens (2022b) nach und präsentiert entsprechende Simulationsergebnisse auf Basis eines DSGE-Makromodells mit integriertem Strommarkt. Wenn man eine Gasverstromungs-Subvention realisiert – der Staat müsste den Gasverstromern die Differenz von Marktpreis und Gaspreisdeckel finanzieren –, so ergeben sich im Modell zahlreiche Effekte, die die Nachfrageseite, die Angebotsseite und mittelfristig eben Realeinkommen, Beschäftigung, Inflation und staatliches Defizit sowie einige andere wichtige Variablen betreffen. Transfermaßnahmen bringen andere Effekte, die zu beachten sind.

Makroökonomische DSGE-Simulationsergebnisse zu Politikalternativen im Gas- und Stromsektor

Hier wird ein Standard-Makromodell für eine offene Volkswirtschaft verwendet, um alternative politische Optionen im Energiesektor (Strom, Gas) zu analysieren und die makro­ökonomischen Auswirkungen verschiedener Interventionsmaßnahmen zu bestimmen. Die inländische Wirtschaft produziert ein Gut, das ein unvollkommenes Substitut für im Ausland produzierte, d. h. importierte Güter ist. Da wir berücksichtigen wollen, wie spezifische Merkmale des Stromsektors die Auswirkungen von Gaspreiserhöhungen verstärken, haben wir einen einfachen Stromsektor hinzugefügt. Es gibt Unternehmen, die inländische Quellen, und Unternehmen, die ausländische Quellen, insbesondere Gas, für die Stromerzeugung nutzen. Der Strommarkt ist nach dem üblichen Merit-Order-System organisiert, was bedeutet, dass der Grenzanbieter (oft Gaskraftwerke mit den höchsten Kosten bzw. dem höchsten Angebotspreis) den Preis für den gesamten Markt festlegt.

Außerdem wird davon ausgegangen, dass der Strommarkt wirksam reguliert ist, d. h., dass die Grenzanbieter im Gleichgewicht keinen Gewinn erzielen. Gas ist eine marginale Quelle für die Stromerzeugung (mit einem Anteil von 15 %, was der Situation in Deutschland bzw. der EU entspricht). Dennoch sind Gasimporte wichtig, da es kurzfristig nur begrenzte Möglichkeiten gibt, Gas durch inländische Inputsubstitute zu ersetzen. Darüber hinaus gehen wir in dem Modell davon aus, dass die Angebotsverknappung bzw. der Preisanstieg bei Gas zwei Jahre lang anhält, also so lange, bis alternative Lieferketten (z. B. neue LNG-Terminals) für Gas aufgebaut sind. Wir gehen ferner davon aus, dass Strom ein wesentlicher komplementärer Faktor für die Produktion und den Verbrauch von Unternehmen und Haushalten ist, d. h. die Substitutionselastizität zwischen Strom und anderen Produktions- und Verbrauchsfaktoren ist gering. Es wird nach Einfügung der Nachfrageseite in Gaspreisdeckel nur für den Strommarkt simuliert bzw. eine Subvention bei der Gasverstromung; Transfers an private Haushalte werden ergänzend thematisiert.

Auf der Nachfrageseite unterscheiden wir zwischen zwei Arten von Haushalten, einerseits Haushalten, die Gewinne, Lohn- und Transfereinkommen beziehen und Zugang zu den Finanzmärkten haben und über Ersparnisse verfügen, und andererseits relativ armen Haushalten, die nur Einkommen aus Löhnen und Transfers beziehen und darüber hinaus in ihrer Liquidität eingeschränkt sind (LC = liquidity constrained).

Dieses Modell ermöglicht es, verschiedene Dimensionen eines Gaspreisschocks zu untersuchen. Insbesondere können wir zwischen einem Angebots- und einem Nachfragekanal unterscheiden und verschiedene Verteilungs­aspekte einer Gaspreiserhöhung untersuchen. Auf der Angebotsseite erhöht ein Anstieg der Gaspreise die Produktionskosten und verringert die Produktivität anderer Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeit, was sich auf die Reallöhne und die Beschäftigung auswirkt. Auf der Nachfrageseite belastet der Preisanstieg in Verbindung mit den begrenzten Möglichkeiten, Strom zu ersetzen, die Budgets der Haushalte und verringert die Nachfrage nach inländischen Gütern. Dies gilt insbesondere für die Haushalte der kleinen und mittleren Einkommen, die nur begrenzte Möglichkeiten haben, den Verbrauch durch Entsparen auszugleichen. Schließlich führt der Gasversorgungsschock aufgrund der Organisation des Strommarktes zu Mitnahmeeffekten im Stromsektor. Mitnahmeeffekte kommen einem Teil des Haushaltssektors zugute. Somit hat der Gaspreisschock zusätzliche Verteilungseffekte.

Wir verwenden das Modell, um zwei alternative Politiken zu vergleichen. Wir betrachten eine Transferpolitik, die darauf abzielt, das Einkommen von Haushalten mit niedrigem Einkommen zu stabilisieren. Dies ist weitgehend die Politik, die von vielen EU-Regierungen vertreten wird. Die Politiken können sich durch die Art der Finanzierung der Transferausgaben unterscheiden. Wir ziehen zwei Finanzierungsoptionen in Betracht, die Defizitfinanzierung und die Finanzierung über eine Steuer auf Mitnahmegewinne von Unternehmen, die auf dem Strommarkt tätig sind. Eine zweite Option ist eine Subventionierung von Gaseinsätzen für Gaskraftwerke. Diese Politik entspricht einer Preisobergrenze für Strom, bei der nur der Grenzanbieter (in diesem Fall die Gaskraftwerke) für die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem gedeckelten Preis entschädigt wird. Wir werden in diesem Papier argumentieren, dass die Subvention eine interessante politische Option ist, da sie im Gegensatz zur Transferpolitik auch die Probleme der Produktionseffizienz angeht, die durch die Gaspreiserhöhung entstehen.

Kalibrierung

Die Parameter werden so gewählt, dass das Modell mittelfristig wichtige Kennziffern der deutschen Wirtschaft abbilden kann, wie die Beschäftigungsquote, den Öffnungsgrad, die Staatsquote sowie wichtige Komponenten der Staatsausgaben und -einnahmen. Auf der Handelsseite unterscheiden wir zwischen der Einfuhr von Endprodukten, die für den inländischen Verbrauch verwendet werden können, und der Einfuhr von Gas, das als Input für die Stromerzeugung in Gaskraftwerken verwendet wird. Ein wichtiger Parameter in der aktuellen Diskussion ist der Anteil der Haushalte mit Liquiditätsengpässen, den wir auf 40 % aller privaten Haushalte festlegen (Bach und Knautz, 2022). Eine ausführlichere Diskussion zur Parameterwahl findet sich in Clemens und Röger (2022). Ein neues Merkmal des Modells ist der Strommarkt. Elektrizität wird als komplementär in Produktion und Verbrauch mit einer Substitutionselastizität von 0,1 modelliert (Bachmann et al., 2022, für eine aktuelle Diskussion). Bei der Energieerzeugung gehen wir davon aus, dass die inländischen Quellen für die Stromerzeugung (d. h. Kohle, Kernkraft und erneuerbare Energien) 85 % des Strombedarfs zum Basiszeitpunkt als festes Angebot decken können, während Gaskraftwerke der Grenzanbieter auf dem Strommarkt sind. Außerdem wird davon ausgegangen, dass der Strommarkt wirksam reguliert ist und die Gaspreise durch ein Merit-Order-System festgelegt werden, d. h. der Grenzanbieter setzt den Preis in Höhe der Grenzkosten fest. Die Stromerzeugung1 (in % des BIP) wird im Basisszenario mit 2 % angenommen, der Gasanteil liegt bei 15 %. Industrie und private Haushalte verbrauchen 75 % bzw. 25 %. Da wir uns auf die Besonderheiten des Strommarkts konzentrieren, vernachlässigen wir die Auswirkungen von Gaspreiserhöhungen für Heizzwecke und als Vorleistung in der Produktion.

Szenarien

Ausgangspunkt unserer Analyse ist ein Basisszenario mit einer Gaspreiserhöhung von 100 % über einen Zeitraum von zwei Jahren ohne politische Intervention. Vor dem Hintergrund dieses Basisszenarios werden verschiedene finanzpolitische Optionen verglichen. Die erste untersuchte Option ist eine Politik der Transfers an Haushalte mit niedrigem Einkommen in der Größenordnung von 0,1 % des BIP. In einem weiteren Szenario wird eine Subvention für importiertes Gas in Höhe von 25 % für Gaskraftwerke in Betracht gezogen. Unter der Annahme einer effizienten Regulierung begrenzt dies den Anstieg des Gaspreises (und damit auch des Strompreises) auf 50 %. Angesichts des Gasanteils an der Stromerzeugung entspricht dies einer Gaspreissubvention von ebenfalls etwa 0,1 % des BIP. Damit sind beide Maßnahmen aus haushaltspolitischer Sicht vergleichbar. Wir nehmen ferner an, dass beide fiskalischen Maßnahmen über das öffentliche Defizit finanziert werden (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Pauschaler Transfer versus Subvention
Pauschaler Transfer versus Subvention

O: Gasimporte; GDP: BIP (real); CRIC: Konsum (finanziell unbeschränkte Haushalte); CLC: Konsum (finanziell beschränkte Haushalte); PHIC: vierteljährliche Verbraucherpreisinflation; DEFG: primäres Staatsdefizit (in % des BIP).

Quelle: eigene Darstellung.

Basisszenario: keine politische Reaktion

Der Gaspreisschock allein führt zu einem erheblichen Rückgang der Gasnachfrage (Importe) um fast 50 %. Dieser erhebliche Rückgang tritt trotz einer niedrigen kurzfristigen Preiselastizität für Strom von 0,1 ein. Der Stromverbrauch sinkt um etwa 10 %, aber da das inländische Stromangebot fix ist, ist der 10 %ige Rückgang ausschließlich auf den Rückgang des importierten Gases zurückzuführen. Der Gaspreisanstieg hat negative Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage in der heimischen Wirtschaft. Da Strom ein Produktionsfaktor ist, führt eine Strompreiserhöhung zu höheren Produktionskosten und einer geringeren Arbeitsproduktivität (d. h. zu einem Effizienzverlust). Auf der Nachfrageseite führen die begrenzten Möglichkeiten der Verbraucher, Strom zu substituieren, zu einem Rückgang des Verbrauchs (auch von inländischen Gütern). Haushalte mit Liquiditätsengpässen können den Verbrauch nicht glätten und erleiden daher größere Verbrauchsverluste.2 Dies wirkt sich negativ auf das reale BIP und die Beschäftigung aus. Der Kosteneffekt einer Strompreiserhöhung führt zu Inflationsdruck und einer Lohnpreisspirale, die über die Dauer des Gaspreisschocks hinaus anhält.

Subventionierung von Gaskraftwerken

Die Subventionierung des Stromsektors kann die negativen Auswirkungen des Gaspreisschocks gemessen am BIP erheblich abmildern und stabilisiert insbesondere die (realen) Löhne und die Beschäftigung. Die Subvention zielt sowohl auf die negativen Auswirkungen des Gaspreisanstiegs als auch auf die Produktionseffizienz ab, indem sie die Stromkosten in der Produktion begrenzt und dadurch einen Rückgang der Arbeitsproduktivität abmildert. Dadurch wird der Rückgang der Reallöhne und der Beschäftigung stabilisiert. Die Subvention korrigiert auch weitere Verteilungseffekte, indem sie die Überraschungsgewinne der inländischen Stromerzeuger, die den Haushalten mit hohem Einkommen zufließen, verringert. Ein weiterer interessanter Aspekt der Subvention ist der große Multiplikator, der über eins liegt.3 Dieser Multiplikator ist auf einen starken Hebeleffekt zurückzuführen. Die Regierung kann die Kosten der Stromerzeugung senken, indem sie nur 15 % der Produktion subventioniert. Folglich sind die Haushaltskosten der Subvention minimal.

An dieser Stelle sei ein zusätzlicher Aspekt erwähnt, der in der Simulation nicht berücksichtigt wurde. Wenn eine Subventionspolitik zugunsten von Gaskraftwerken mit einer niedrigeren Inflationsrate verbunden ist, wird die Volatilität der relativen Gütermarktpreise typischerweise geringer sein (wie oft in der Realität) – da eine niedrigere Inflationsrate die Signalqualität auf den Gütermärkten stärkt – und daher können zusätzliche positive Produktionseffekte, die Effizienzgewinne widerspiegeln, erwartet werden.

Transfers

Die Transferpolitik beeinflusst hauptsächlich die Nachfrage und korrigiert die Verteilungseffekte der Gaspreiserhöhung. Insbesondere im ersten Jahr können zielgerichtete Transfers den Konsum liquiditätsbeschränkter Haushalte besser stabilisieren, nicht aber in den Folgejahren.

Policy-Mix

Ein Vergleich der Auswirkungen einer Subvention und eines Transfers zeigt, dass die Subvention vor allem die Produktionsineffizienz korrigiert, während der Transfer die negativen Verteilungseffekte korrigiert. Dies deutet darauf hin, dass ein Politikmix aus beiden Instrumenten sowohl die Effizienz- als auch die Verteilungsverzerrung gleichzeitig korrigieren kann. Angesichts der geringen Haushaltskosten der Subvention kann die Regierung auf die mittelfristig einnahmenseitig positive Wirkung dieses Instruments zählen.

Man kann zusätzlich zwei interessante Fälle betrachten (Röger und Welfens, 2022): Erstens erörtern wir die Auswirkungen einer Transferpolitik, die durch Steuern auf Zufallsgewinne von Nicht-Gas-Stromerzeugern finanziert wird. Zweitens untersuchen wir die Empfindlichkeit der Produktionssubvention, indem wir eine endogene Reaktion des Gasimportpreises berücksichtigen. Der Effekt von Steuern auf Zufallsgewinne ist gering, weil in beiden Fällen die Ricardianischen Haushalte die budgetären Kosten tragen. Im ersten Fall werden dies durch „Lump-Sum-Steuern“ und im zweiten Fall auch durch Steuern auf Zufallsgewinne finanziert. Es zeigt sich aber auch, dass der Subventionsmultiplikator durch die Nachfrageelastizität der Gasimportpreise negativ beeinflusst wird. Hier nehmen wir eine Elastizität des Gaspreises in Bezug auf die Gasnachfrage von 0,5 an, wodurch der Gaspreis um etwa 30 % höher bleibt. Dies reduziert den Multiplikator proportional und erhöht die Inflation.

Schlussfolgerungen und Politikimplikationen

Unsere Ergebnisse zeigen das zur Erreichung von Effizienz und Verteilungszielen ein optimaler Politikansatz in der Kombination eines Gaspreisdeckels in der Stromproduktion und Transfers an liquiditätsbeschränkte Haushalte besteht. Dabei sollte dieser Ansatz sowohl in Deutschland wie in der EU angewendet werden, wobei der Anteil der Verstromung von Gas an der Gesamtgasnutzung in der Eurozone bzw. der EU ähnlich hoch wie in Deutschland ist – etwa 13 % (2021). Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Subvention in erster Linie die Preisverzerrung bei Produktion und Verbrauch korrigiert und daher einen erheblichen Multiplikatoreffekt bei der Produktion hat und zur Stabilisierung von BIP, Beschäftigung und Reallohn beiträgt. Die fokussierte Subvention hat einige direkte Verteilungseffekte, da sie Zufallsgewinne im Stromsektor begrenzt, die Haushalten mit höherem Einkommen zugutekommen, und sie hat indirekte Verteilungseffekte, da sie den Anstieg der Energiepreisinflation begrenzt.

Im Gegensatz dazu hat ein Transfer einen sehr kleinen Multiplikator, da er den Konsum der beiden Haushaltstypen (liquiditätsbeschränkte und Ricardianische Haushalte) in unterschiedliche Richtungen beeinflusst. Der gleiche Betrag an Staatsausgaben, der für die Entschädigung von Haushalten mit niedrigem Einkommen und Liquiditätsengpässen aufgewendet wird, bewirkt jedoch eine stärkere Stabilisierung des Konsums von Haushalten mit niedrigem Einkommen, zumindest in der kurzen Frist. Wir zeigen außerdem, dass eine Transferpolitik in Kombination mit einer effektiven Steuer auf Zufallsgewinne das Ergebnis für Transfers nicht wesentlich verändert, da eine Zufallsgewinnsteuer die Steuerlast der Haushalte mit höherem Einkommen hauptsächlich von der Zukunft in die Gegenwart verlagert.

Unsere Analyse zeigt, dass es zur Erreichung zweier politischer Ziele ratsam ist, eine Kombination aus zwei Instrumenten zu verwenden, in diesem Fall sowohl eine Subvention/Preisobergrenze als auch einen Transfer. Das schließt grundsätzlich nicht aus, vorübergehend begrenzte Subventionen an gasintensive Industrieunternehmen zu zahlen, aber die große Mehrzahl der Unternehmen sollten sich an die – persistente – relative Preisänderung kurz- und mittelfristig anpassen müssen. In diesem Zusammenhang sollte jedoch auf die Herausforderung hingewiesen werden, die sich aus isolierten nationalen Strategien der EU-Länder ergibt, die nicht kohärent wären – Länder, die den Gas- bzw. Strommarkt subventionieren, werden mit niedrigeren Strompreisen konfrontiert, was einen Anreiz für höhere Stromexporte schafft (wie beispielsweise bereits im Sommer 2022 zu beobachten war, als Spanien seine nationale Gaspreisobergrenze für Gaskraftwerke einführte). Im Idealfall sollten alle EU-Länder sehr ähnliche oder sogar identische Strategien verfolgen. Der jeweilige nationale Anteil von Gas an der Stromerzeugung wird zu leichten Unterschieden bei den gewünschten politischen Maßnahmen führen.

Sollten Transfers durch eine Form von sektoralen Mitnahmeeffekten subventioniert werden – in diesem Fall für den Elektrizitätssektor – könnte es zwei Haupthindernisse geben: Zum einen müsste die Europäische Kommission grünes Licht für solche Subventionen im Elektrizitätssektor geben; zum anderen würden die Unternehmen rechtliche Möglichkeiten ausloten, um ein Gerichtsurteil zu erwirken, das die Besteuerung von Mitnahmeeffekten als diskriminierend und rechtswidrig erklären könnte. Die EU27 – deren Strommarkt auch Verbindungen zu den entsprechenden Märkten in Großbritannien, in Norwegen und der Schweiz (und in geringerem Umfang in der Ukraine) aufweist – wäre gut beraten, Verhandlungen insbesondere mit Großbritannien aufzunehmen, das bereits eine Übergewinnsteuer für den Energiesektor eingeführt hat, die – im Gegensatz zur Debatte in Deutschland und Spanien – auch multinationale Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft umfasst. Bisher hat es Großbritannien nicht in Erwägung gezogen, einen großen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen für die Subventionierung von Gaskraftwerken zu verwenden, sondern die Mehreinnahmen in Form höherer Transfers an die Haushalte weitergeleitet.

Wie die Simulationen gezeigt haben, könnte ein bestimmter Policy-Mix aus Subventionen und Transfers aus makroökonomischer Sicht attraktiv sein. Im Hinblick auf die Vermeidung von Verzerrungen im EU-Binnenmarkt wäre die Europäische Kommission jedoch gut beraten, die EU-Mitgliedsländer zu ermutigen, in jedem Land einen Policy-Mix zu entwickeln, der unter dem Strich den EU-Binnenmarkt als Ganzes nicht untergräbt und damit zusätzliche negative Wohlfahrtseffekte erzeugt. Von daher ist eine staatliche Intervention in Form einer Gaspreis-Subventionierung für den Strommarkt vorziehenswert.

Auf Basis der vorstehenden Analyse sollte die EU den Mitgliedsländern zügig eine größere Bandbreite an Regulierungen im Stromsektor erlauben. Die wichtigsten Maßnahmen, die EU-seitig ermöglicht werden sollten sind:

  • Subventionierung der Gasverstromung, die den Strompreis senken soll, wobei einer damit zu erwartenden höheren Gasnachfrage entgegenzuwirken ist.
  • Das im Tagesverlauf schwankende Nachfrageprofil im Strommarkt sollte durch zusätzliche Verträge mit Unternehmen in den Lastspitzen vermindert werden: Damit wird dann auch weniger Gas für monatliche Stromerzeugung eingesetzt und der Gaspreis kann daraufhin parallel mit dem Strompreis sinken.
  • In den EU-Ländern sollten ähnliche Policy-Mix-Ansätze verfolgt werden, um Verzerrungen und Ineffizienzen auf dem EU-Binnenmarkt – gerade auch im Strommarkt – zu vermeiden.
  • Die drei noch 2022 aktiven AKWs in Deutschland, die für 6 % der Strommenge stehen, sollten zumindest bis Jahresmitte 2023 nach Möglichkeit sicher weiterbetrieben werden; auch wenn seit jeher die AKW-Haftplicht mit 2,5 Mrd. Euro pro AKW sonderbar gering gegenüber den Kosten etwa eines GAU ist.

Gaspreisbremsen könnten auf verschiedene Weise ausgestaltet werden; auch mit Fokus auf die Haushalte, wobei Anreizwirkungen sinnvoll zu berücksichtigen sind. Besonders wichtig ist insgesamt, nicht eine Gaspreisbremse auf den gesamten oder überwiegenden volkswirtschaftlichen Gaseinsatz zu realisieren; sondern mit einem sektoral auf den Strommarkt fokussierten Gaspreisdeckel zu arbeiten, der mit Blick auf die mittelfristige Defizitentwicklung ebenso günstig ist wie bei der Output- und Beschäftigungsentwicklung sowie der Inflation. Übergewinne können durch einen „großen Gaspreisdeckel“ weitgehend vermieden und die privaten Haushalte bei der Stromrechnung ebenso wie die Unternehmen massiv entlastet werden. Dann braucht man die komplizierte, rechtlich unsichere und ökonomisch problematische Übergewinn-Abschöpfung im Stromsektor auch nicht. Eine solche Abschöpfung in 2022/2023 führt in den anderen Sektoren zu kritischen Reaktionen: Die Abschöpfung von Stromsektor-Gewinnen wird in anderen Sektoren zur Frage führen, welcher Sektor als nächstes von effektiven Sondersteuern belastet werden wird, was künftig bzw. mittel- und langfristig die Investitionsquote vermindern dürfte. Anreizeffekte gilt es daher nicht nur mit Blick auf die kurze Frist zu bedenken.

Der hier vorgeschlagene auf den Stromsektor fokussierte Gaspreisdeckel plus Transfers ist im Gegensatz zu anderen Ansätzen ökonomisch effizient und kann helfen, die erwartete Rezession zu vermeiden oder mindestens zu minimieren: in Deutschland und der Eurozone bzw. der EU. Es ist im Übrigen nicht vernünftig, staatliche Mechanismen vorzusehen, die auf eine quasi 100 %ige Anpassung der Unternehmen an die sehr hohen Gas- bzw. Strompreise im dritten Quartal 2022 abzielen. Vielmehr sollte nur die persistente – also langfristige – Erhöhung der relativen Gas- und Strompreise zum wesentlichen Maßstab der Anpassung bei Haushalten und Unternehmen werden. Die Elastizität der Gas- und Stromnachfrage ist mittel- und langfristig viel höher als kurzfristig: Gaspreisschocks haben demnach eben auch einen starken Strompreisschock zur Folge in der kurzen Frist.

Zur Verständnis der aktuellen Anpassungsproblematik kann man in Analogie auf die problematischen Verzerrungseffekte im Anpassungsprozess der US-Exportunternehmen bei der ganz ungewöhnlich hohen Aufwertung von 60 % 1980 bis 1985 hinweisen, bei der viele Exportunternehmen in Konkurs gingen. Mit dem Plaza-Abkommen von 1985 ergab sich in den beiden Folgejahren eine US-Dollar-Abwertung um rund 50 %, sodass sich in den 1980er Jahren in den USA eine teilweise ineffiziente Anpassungsdynamik der US-Wirtschaft ergab, wie das von Baldwin und Krugman (1989) exemplarisch analysiert wurde.

Wenn man die hier vorgeschlagene Gasverstromungssubvention mit sinnvollen Transfers an die Haushalte verknüpft, dürfte dies in Deutschland über 18 Monate gerechnet deutlich weniger als die rund 5 % Zusatz-Defizitquote bedeuten, über die man seitens der Politik Ende September als Größenordnung sprach. Eine effiziente Politik in Deutschland und der EU ist dringlich. Ein handwerklich ernster Fehler im Vorfeld einer problemadäquaten Wirtschaftspolitik wäre es, wenn Entscheidungsalternativen nicht thematisiert und die makroökonomischen Wirkungen sehr umfassender Transfers und zusätzlicher Subventionierungen für die Industrie nicht simulationsmäßig ausgeleuchtet werden: Denn sonst kann man kaum ein effizientes Politikkonzept formulieren. Wenn insbesondere Deutschland und Frankreich sich entscheiden könnten, einen gemeinsamen Politikansatz für einen Gaspreisdeckel für den Strommarkt zu formulieren – im Kern entlang der hier vorgeschlagenen ökonomischen Argumentation –, ergäben sich für beide Länder und die EU-Partner sehr gute Möglichkeiten einer ökonomischen Stabilisierung und im Zuge positiver Realeinkommenseffekte auch verbesserte Transfer-Politikoptionen.

  • 1 Ohne Kosten für das Stromnetz.
  • 2 Das Modell unterschätzt den Konsumverlust der Haushalte mit Liquiditätsengpässen, da wir nicht berücksichtigen, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen einen größeren Einkommensanteil für Energie ausgeben.
  • 3 Infolge der höheren Wirtschaftstätigkeit (im Vergleich zur Ausgangssituation ohne Politikmaßnahme) steigt auch die Nachfrage nach Strom und damit nach Gas. Dies kann zu weiteren Preiserhöhungen für Gas führen und den Multiplikator verringern.

Literatur

Bach, S. und J. Knautz (2022), Hohe Energiepreise: Ärmere Haushalte werden trotz Entlastungspaketen stärker belastet als reichere Haushalte, DIW Wochenbericht, 17.

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Title:Gas Price Cap, Electricity Market and Macro Effects in Germany and the EU

Abstract:Since late summer 2022, policymakers in Germany and many other European Union countries have increasingly discussed imposing a gas price cap and introducing transfer payments to private households. Against the background of current policy proposals with a rather limited analytical foundation for gas price caps, the following model based analysis with a special emphasis on a gas price cap only in the electricity market – combined with certain transfers – is optimal from a economic perspective.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3309-y