Die neue Zukunftsstrategie der Bundesregierung setzt die Hightech-Strategie fort, die erstmals 2006 vorgestellt und danach im vierjährigen Rhythmus überarbeitet wurde. Nachdem sich die Hightech-Strategie von einer Technologiestrategie (2006: 17 Technologiefelder als Priorität) in Richtung einer Missionsorientierung (2018: zwölf gesellschaftliche Missionen als übergeordnete Ziele) entwickelt hat, rückt die neue Zukunftsstrategie stärker die Prozesse ins Zentrum, um Wissenschaft, Forschung und den Transfer zu fördern. Neu ist die Betonung einer agilen und lernenden Forschungs- und Innovationspolitik, die stärker ressortübergreifend zusammenarbeiten und rasch (proaktiv) auf Änderungen im Umfeld reagieren soll. Neu ist die Angabe von Messwerten (Indikatoren), an denen der Erfolg der Strategie abgelesen werden soll. Stärker hervorgehoben werden der Transfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und die technologische Souveränität. Der Missionsgedanke wird gleichwohl beibehalten. Unter sechs sehr breit formulierten Missionen setzt sich die Zukunftsstrategie weit mehr als 100 Einzelziele. Diese reichen von Zielen, deren Erreichung weit jenseits des Einflussbereichs einer Zukunftsstrategie liegen („Wir wollen den Verlust der Artenvielfalt stoppen“) bis zu konkreten Einzelmaßnahmen (wie die Einrichtung eines Dateninstituts).
Damit setzt die Zukunftsstrategie den Ansatz der Hightech-Strategie fort, einen breiten Rahmen zu geben, in dem sich alle Ministerien und Einrichtungen wiederfinden, die die Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland gestalten. Die Umsetzung der Strategie erfolgt dann dezentral über viele Einzelmaßnahmen. Eine Priorisierung bestimmter Themen, Programme oder Förderansätze unterblieb in der Zukunftsstrategie ebenso wie in den Vorgängerstrategien. In Zeiten großer Unsicherheit ist so ein offener, flexibler Prozess allerdings auch besser als auf wenige – und dann womöglich die falschen – Pferde zu setzen. Und diese Vielfalt stützt auch die Stärken des deutschen Innovationssystems – nämlich unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Technologien zu komplexen Systemen zusammenzufügen, wie dies z. B. für Kraftfahrzeuge, Maschinen oder umwelt- und energietechnische Anlagen erforderlich ist.
Die große Herausforderung für die Zukunftsstrategie wird sein, die zahlreichen Ziele auch wirklich zu verfolgen und entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten. Zu diesen Mühen der Ebene steht in dem Strategiedokument relativ wenig. Zu den konkret angeführten Projekten zählt die neu einzurichtende Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), die den Wissensaustausch zwischen den Hochschulen für angewandte Wissenschaft sowie kleinen und mittleren Universitäten und der mittelständischen Wirtschaft fördern soll. Eine solche Förderung ist sicherlich nicht falsch, wird aber nur wenig im Innovationssystem bewegen. Denn zum einen sind die anwendungsnahen Hochschulen bereits heute sehr transferstark und zählen zu den vorrangigen Kooperationsbeteiligten der mittelständischen Wirtschaft. Zum anderen bilden sie – auch zusammen mit den kleinen und mittleren Universitäten – lediglich einen kleinen Baustein im deutschen Innovationssystem, auf den nur wenige Prozent der gesamten Forschungsleistung Deutschlands entfallen. Von daher sollte man die Erwartungen an DATI nicht allzu hoch ansetzen und die DATI selbst möglichst schlank halten.
Es wird interessant zu beobachten sein, welche Auswirkungen die Vorgabe von Zielwerten haben wird, die die Bundesregierung bis 2025 – also in sehr kurzer Zeit – mit der Zukunftsstrategie erreichen möchte. Als zentraler Messwert dient sicherlich die Erhöhung der FuE-Quote auf 3,5 % (Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt). In der Vergangenheit haben ambitionierte FuE-Ausgabenziele wesentlich dazu beigetragen, zusätzliche Budgetmittel für FuE freizumachen und sich den gesetzten Zielmarken zu nähern. Ob dies auch in der restlichen Legislaturperiode gelingt und die finanziellen Mittel für die Erreichung der Ziele der Zukunftsstrategie deutlich ausgeweitet werden, bleibt abzuwarten. Eine Gefahr besteht darin, dass das 3,5 %-FuE-Ziel mit dem 2 %-Ziel bei den Militärausgaben vermengt wird und höhere Entwicklungsausgaben für neue Rüstungsgüter dem 3,5 %-Ziel zugerechnet werden. Damit wäre für die Zukunftsstrategie nichts gewonnen.
Bei den anderen quantifizierten Indikatoren der Zukunftsstrategie hat es die Bundesregierung viel weniger selbst in der Hand, die angestrebten Messwerte zu erreichen. Ob die Wagniskapitalinvestitionen steigen, mehr Unternehmen im Hightech-Sektor gegründet werden, die Universitäten zusätzliches Forschungspersonal aus dem Ausland anstellen, mehr kleine und mittlere Unternehmen Innovationen einführen oder mehr Personen ein Hochschulstudium abschließen, ist nur bedingt durch die in der Zukunftsstrategie skizzierten Maßnahmen zu erreichen. Wenn in drei Jahren viele der Zielwerte verfehlt werden, könnte dies zur raschen Abkehr einer Quantifizierung innovationspolitischer Ziele führen. Dies wäre allerdings der falsche Weg. Sinnvoller wäre es, Zielwerte nicht auf Ebene der übergreifenden Strategie festzulegen, sondern für konkrete Einzelmaßnahmen. Dann bestünde ein klarer Zusammenhang zwischen Regierungshandeln und erzielten Ergebnissen.