Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Vollelektrische Autos haben in Deutschland wegen der Umweltprämien von bis zu 9.000 Euro eine Sonderkonjunktur. Knapp 356.000 Pkw oder 13,6 % aller Neuwagen waren 2021 vollelektrisch. Ein Jahr zuvor hatten reine Elektroautos einen Marktanteil von 6,6 %. Die Prämie wirkt. Aber was passiert, wenn 2025 die Prämie ausläuft? Die Ampelkoalition schweigt dazu, ebenso wie zur Prämie für Plug-in-Hybride. Die soll zwar 2023 wegfallen, aber unklar ist, ob sie völlig oder nur zum Teil wegfällt. Für die Investitionen der Autoindustrie und der Ladeinfrastrukturanbieter in das politisch gewünschte Elektroauto existiert damit ein Risiko. Das Ziel der Bundesregierung, 2030 mindestens 15 Mio. E-Autos auf der Straße zu haben, steht damit auf tönernen Füßen.

Wie sich der völlige Wegfall der Plug-in-Prämie auswirkt, haben wir am CAR-Center in einer Analyse der Leasing-Konditionen für Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotor, reine Elektroautos und Plug-in-Hybride ermittelt. Der Analyse lagen die Konditionen für Leasingverträge mit 24 Monaten Laufzeit und 15.000 Jahreskilometern zugrunde. Ausgewählt wurden die meistverkauften Benziner und Diesel sowie Plug-in- und vollelektrische Fahrzeuge. Interessiert hatten die Restwerte der Fahrzeuge nach 24 Monaten. Bei Wegfall der Plug-in-Prämie droht der Markt für diese Fahrzeuge zusammenzubrechen. Danach wird der Plug-in-Hybrid 2025 nur noch einen Restwert von 56 % des Neuwagenpreises haben. Ein enormer Wertverfall in zwei Jahren, wohingegen das vollelektrische Auto (BEV) noch 79 % des Neuwagenpreises aufweist.

Die Ampelkoalition hat angedeutet, dass nach 2025 die Elektroauto-Prämie eingestellt wird. Derzeit beträgt die Preisdifferenz des Elektroautos gegenüber dem Verbrenner mindestens 8.000 Euro. Fällt die Umwelt- oder amtlich bezeichnete Innovationsprämie nach 2025 weg, kippt der Kostenvorteil. Zwar wird Benzin und Diesel im Laufe der nächsten Jahre durch die CO2-Steuer teurer, aber der Effekt reicht bei weitem nicht aus, um die Kostenlücke zu decken. Seit 1. Januar 2022 wird 1 t CO2 mit 30 Euro besteuert. Bis 2025 soll die CO2-Steuer auf 55 Euro/t CO2 steigen. Unterstellt man, dass 2026 1 t CO2 gar mit 60 Euro besteuert wird, liegt gegenüber 2022 eine Verteuerung von 9 Cent/l Benzin vor. Bei einem Pkw, der über seinen gesamten Lebenszyklus 200.000 km zurücklegt und einen Treibstoffverbrauch von rund 5,5 l/100 km aufweist, müssen die Käufer:innen dann mit zusätzlichen Benzinkosten von 990 Euro rechnen. Zusätzlich kann man davon ausgehen, dass mit dem Hochlauf der Elektroautos Skaleneffekte in Produktion und bei der Batterie verbunden sind. Die notwendigen Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien sind in Planung, aber der Aufbau ist zeitintensiv. Folglich werden auch nach 2025 eher Nachfrageüberhänge bei Lithium-Ionen-Akkus vorliegen. Preissenkungen dürften also überschaubar bleiben. Dennoch soll von 10 % Kosten- und damit Preisverbesserungen beim Elektroauto bis 2026 ausgegangen werden. Das Durchschnittselektroauto in Deutschland hat 2022 einen Listenpreis von rund 38.000 Euro. Damit ergeben sich Kosteneinsparungen von 3.800 Euro. Zusammen addieren sich CO2-Steuern und Kostenreduktionen in der Autoindustrie auf 4.790 Euro. Bei Wegfall der Umweltprämie von bis zu 9.000 Euro hätte das Elektroauto jetzt 4.200 Euro Kostennachteil für den Autokaufenden. Die Marktreaktion ist gut vorstellbar. Die Verbraucher:innen wenden sich wieder dem Verbrenner zu. Der zu erwartende Nachfrageeffekt hat deutliche Auswirkungen etwa auf die Pläne der Ladesäulenbetreibenden. Gleiches gilt für die Produktionspläne der Batteriehersteller und Autobauer.

Verschiedene Möglichkeiten bieten sich an, um den Wachstumspfad nach 2025 ohne Prämie fortzusetzen. Eine Möglichkeit wäre, eine Treibstoffsteuerhöhung über die bisherigen CO2-Steueranpassungen hinaus. Wichtig ist dabei nicht, 2026 eine Spritsteuererhöhung umzusetzen, sondern sie jetzt anzukündigen, um die Pläne der Investierenden abzusichern. Davon wären mehr als 40 Mio. Fahrzeugbesitzer:innen betroffen. Pendler-Diskussionen und Gelbwesten-Proteste aus Frankreich zeigen, dass dies politisch nicht umsetzbar ist. Also brauchen wir einen Weg, der weder bestehende Autobesitzende tangiert noch als Prämie den Staatshaushalt belastet. Am einfachsten lässt sich das Ziel durch eine höhere Mehrwertsteuer für Verbrenner erreichen. Bei einem Durchschnittspreis vom Verbrenner von rund 36.000 Euro würde eine Mehrwertsteuererhöhung um 7 Prozentpunkte 2.520 Euro bedeuten. Damit wären der Betrag der staatlichen Umweltprämie und ein Teil der heutigen Herstellerzugabe durch die drei Komponenten CO2-Steuer, Kostensenkung Elektroauto, Mehrwertsteuer­erhöhung für Verbrenner ersetzt. Je nachdem, wie sich die Kostensenkungen beim Elektroauto entwickeln, lässt sich der Mehrwertsteuersatz anpassen, also im Zeitverlauf senken. Die Maßnahme ist administrativ einfach umsetzbar, jederzeit anpassbar und gibt das richtige Signal für Autokäufer:innen, Autoindustrie, Infrastruktur­investierende und schont die Autobesitzer:innen. Wer 15 Mio. Elektroautos für 2030 ausruft, muss Klarheit über die Preissysteme und den regulatorischen Rahmen schaffen, sonst sind die Zielvorgaben unseriös.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2022

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-022-3124-5