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Umfragen zufolge waren zu Jahresbeginn rund 40 % der Betriebe von pandemiebedingten Arbeitsausfällen betroffen (IAB, 2022; ZDH, 2022). Damit stellt sich die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, zumal derzeit viele zusätzliche Faktoren einen spürbaren Einfluss auf das Ausmaß der Arbeitsausfälle und deren wirtschaftliche Bedeutung haben.

Krankheitsbedingte Arbeitsausfälle haben für gewöhnlich eine unterproportionale Auswirkung auf die Wirtschaftsleistung, da Arbeitsausfälle innerbetrieblich zum Teil aufgefangen oder Teile der entfallenen Wertschöpfung nach der Gesundung nachgeholt werden können. Zudem geht neben dem Faktor Arbeit auch noch der Kapitalstock in den Produktionsprozess ein. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsausfall und Wirtschaftsleistung ist empirisch schwer zu messen, da Schwankungen beim Krankenstand in der Vergangenheit kein wesentlicher Treiber der Produktion waren. Demzufolge variieren die Ergebnisse von empirischen Analysen je nach Modell. Insgesamt deuten solche Schätzungen jedoch ebenfalls auf einen unterproportionalen Effekt hin. Im Zeitraum 1991 bis 2019 ging demzufolge ein erhöhter Krankenstand je Arbeitnehmer:in um einen Arbeitstag in einem Quartal etwa mit einer um 0,7 bis 1,1 Prozentpunkte geringeren Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Quartal einher (Jannsen, 2020). Geht man von einem Effekt von 1 Prozentpunkt aus, so sprechen die Ergebnisse bei rund 50 Arbeitstagen je Quartal somit dafür, dass bei einem Ausfall von 2 % der Arbeitstage das BIP unterproportional um rund 1 % sinken würde. Sobald sich der Krankenstand wieder verringert, kehrt das Bruttoinlandsprodukt rasch auf sein altes Niveau zurück.

Vor der Pandemie schwankte der Krankenstand jenseits des saisonalen Musters nicht sehr stark. So lag saisonbereinigt der höchste Anstieg zwischen zwei Quartalen bei 0,5 Krankentagen und demzufolge der größte negative Effekt auf die Zuwachsrate des BIP bei etwa 0,5 Prozentpunkten (vgl. Abbildung 1). Im Zuge der Pandemie war bis zum dritten Quartal 2021 – aktuellere Daten liegen noch nicht vor – kein deutlich erhöhter Krankenstand zu verzeichnen. Im ersten Quartal 2021 war er sogar ausgesprochen niedrig, wohl vor allem, weil die Grippewelle aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen ungewöhnlich milde ausfiel.

Abbildung 1
Krankenstand und Bruttoinlandsprodukt
Krankenstand und Bruttoinlandsprodukt

Quartalsdaten. Krankentage saisonbereinigt mittels dem Saisonbereinigungsverfahren X11; BIP, saison- und kalenderbereinigt: Beitrag der Krankentage zur Zuwachsrate in Prozentpunkten, wenn ein erhöhter Krankenstand um einen Tag in einem Quartal zu einem Rückgang der Zuwachsrate des BIPs um 1 Prozentpunkt führt.

Quellen: IAB, Arbeitszeitrechnung; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des IfW Kiel.

Anhand der Höhe der Coronainfektionszahlen lassen sich die Auswirkungen auf den Krankenstand abschätzen, indem die Altersstruktur der Infizierten mit den nach Alterskohorten typischen Erwerbstätigenquoten in Verbindung gesetzt wird. Bislang schwankte der Anteil der Erwerbstätigen unter den Infizierten demzufolge von Woche zu Woche zwischen 50 % und 70 %. Seit Beginn dieses Jahres lag er im Durchschnitt bei rund 53 %. Geht man davon aus, dass ein infizierter Erwerbstätiger im Durchschnitt für sechs Arbeitstage ausfällt, waren die krankheitsbedingten Ausfälle durch die Pandemie bis zum Ende des vergangenen Jahres eher gering. Der größte Effekt ergab sich mit 0,2 Arbeitstagen je Erwerbstätigen im vierten Quartal 2021.

Im ersten Quartal des laufenden Jahres dürften die Neuinfektionen einen deutlich größeren Einfluss auf den Krankenstand haben. Bleiben die Fallzahlen bis Ende März in etwa auf dem zuletzt verzeichneten Niveau, so würde die Zahl der täglichen Neuinfektionen im ersten Quartal bei durchschnittlich etwa 130.000 liegen. Bei einer Erwerbstätigenquote von 53 % unter den Infizierten und einem Ausfall von durchschnittlich sechs Arbeitstagen durch Krankheit oder Quarantäne würde die Zahl der Krankentage im ersten Quartal um 0,6 Tage höher liegen als im vierten Quartal und die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts für sich genommen somit um etwa 0,6 Prozentpunkte gedrückt werden (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
Pandemiebedingte zusätzliche Krankentage je Erwerbstätigen
Pandemiebedingte zusätzliche Krankentage je Erwerbstätigen

Quartalsdaten. Krankentage anhand von Annahmen zur Zahl der Neuinfektionen, Erwerbstätigenquote und Ausfallzeit abgeschätzt. Andere Faktoren sind nicht berücksichtigt.

Quelle: IAB, Arbeitszeitrechnung; eigene Schätzungen.

Zusätzliche Arbeitsausfälle ergeben sich, wenn sich Kontaktpersonen in Quarantäne begeben. Zuletzt sind die Quarantäneregeln gelockert worden. Ein großer Personenkreis muss sich demnach als Kontaktperson nicht mehr in Quarantäne begeben. Gleichwohl können sich durch die Quarantäne nennenswerte zusätzliche Effekte ergeben: Bei einem linearen Zusammenhang zwischen Arbeitsausfall und BIP würde sich bei einer betroffenen Kontaktperson je Infizierten der negative Effekt verdoppeln. Zusätzliche Arbeitsausfälle können entstehen, wenn Erwerbstätige pandemiebedingt die Kinderbetreuung übernehmen müssen. Zuletzt lag der Anteil der unter Elfjährigen an den Infizierten bei rund 15 %. Sofern deren Anteil im gesamten ersten Quartal auf diesem Niveau liegt, würden sich in dem hier zugrunde gelegten Szenario im ersten Quartal rund 20 % der unter Elfjährigen infizieren. Sofern entsprechend in den betroffenen Familien ein Erwerbstätiger zusätzlich für jeweils sechs Arbeitstage ausfallen würde, würde sich dadurch die Zahl der zusätzlichen Krankentage im ersten Quartal von 0,6 auf 0,7 erhöhen. In dem Ausmaß, in dem in Familien mehrere Kinder gleichzeitig betroffen sind, würde der Arbeitsausfall geringer ausfallen. Demgegenüber führen jedoch Quarantänefälle bei den unter Elfjährigen zu zusätzlichen Ausfällen. Schließlich würden größere Arbeitsausfälle auftreten, wenn sich eine große Zahl von Personen aufgrund vieler nicht erfasster Fälle über die hier zugrunde gelegten offiziellen Zahlen hinaus infizieren. Dabei dürfte es sich in der Tendenz jedoch um Fälle mit eher milderen Krankheitsverläufen handeln, die zu geringeren Arbeitsausfällen führen oder um asymptomatische, gänzlich unerkannte Fälle, die keinen Arbeitsausfall mit sich bringen.

Mehrere Faktoren sprechen aber auch für geringere Auswirkungen: So wirkt die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, bei asymptomatischen oder sehr milden Verläufen dem Arbeitsausfall entgegen. Laut Umfragen lag der Anteil der Erwerbstätigen, die in der ersten Jahreshälfte 2021 ganz oder überwiegend im Homeoffice gearbeitet haben bei bis zu 30 % (ifo Institut und infas, 2021). Wenn bei 30 % der Infizierten über Homeoffice der Arbeitsausfall um durchschnittlich 50 % reduziert würde, wären die Arbeitsausfälle im ersten Quartal um 15 % niedriger. Arbeitsausfälle führen zudem zu geringeren Produktionsausfällen, wenn die Kapazitäten in den Betrieben ohnehin nicht voll ausgelastet sind. So lag die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe aufgrund der Lieferengpässe zuletzt um rund 10 % unter dem Niveau, das angesichts der Auftragseingänge möglich gewesen wäre (Beckmann, Gern und Jannsen, 2021). Schließlich deuten die bislang vorliegenden Zahlen darauf hin, dass die Grippewelle auch in diesem Jahr sehr milde ausfällt. Grundsätzlich könnte dies die höheren Arbeitsausfälle durch Corona sogar vollständig kompensieren. Mit den nachlassenden Infektionsschutzmaßnahmen könnte jedoch die Zahl der Grippefälle wieder zunehmen.

Alles in allem sind die Auswirkungen der krankheitsbedingten Arbeitsausfälle auf das BIP wohl spürbar, aber nur einer von mehreren sich zum Teil überlappenden Faktoren.

Literatur

Beckmann, J., K.-J. Gern und N. Jannsen (2021), Lieferengpässe bleiben Belastungsfaktor, Wirtschaftsdienst, (101)11, 915-916, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/11/beitrag/lieferengpaesse-bleiben-belastungsfaktor.html (10. März 2022).

IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2022), Knapp 40 Prozent der Betriebe sind von Corona-bedingten Arbeitsausfällen betroffen, Presseinformation, 22. Februar, https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/becovidwelle21.aspx (8. März 2022).

ifo Institut und infas (2021), Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie, Themenreport Corona-Datenplattform, Juli 2021, via Internet 8. Februar 2022, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/I/infas-corona-datenplattform-homeoffice.pdf?__blob=publicationFile&v=4 b (8. März 2022).

Jannsen, N. (2020), Arbeitsausfall und Wirtschaftsleistung, IfW-Box, 2020.19, Institut für Weltwirtschaft, https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/-ifw/IfW_Box/2020/Box_2020-19_Deutschland_Winter.pdf (8. März 2022).

ZDH – Zentralverband des Deutschen Handwerks (2022), Umfrage zu den Auswirkungen von Corona – KW 5/2022, 3. März, https://www.zdh.de/ueber-uns/fachbereich-wirtschaft-energie-umwelt/sonderumfragen/zdh-umfragen-zu-den-auswirkungen-von-corona/umfrage-zu-den-auswirkungen-von-corona-kw-5/2022/ (8. März 2022).

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3141-4