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Dieser Beitrag ist Teil von Importierte Inflation und Zinswende: Herausforderungen für die EZB

Die derzeit hohe Inflation wird auch durch hohe Monopolrenten von Konzernen getrieben. Es liegt nicht eine Lohn-Preis-, sondern eine Gewinn-Preis-Spirale vor. Die Monopolrenten sind möglich, da zuletzt vor allem durch Firmenübernahmen marktbeherrschende Unternehmen entstanden sind. Auch europäische Konzerne erzielen Rekordgewinne, in Deutschland speziell die großen DAX-Konzerne. Die Bekämpfung der Inflation durch Zinserhöhungen ist aber kontraproduktiv. Es wäre effektiver, die Monopolrenten zu senken. Die Energiepreisinflation kann über eine Monopolrentenminderung für Strom- und Gasnetze bekämpft werden. Mit dem ASFINAG-Modell steht eine effizientere Form der Finanzierung dieser Netze zur Verfügung.

Die Biden-Administration betont, dass es wichtig ist, bei der Inflationsbekämpfung die Übergewinne der Monopole und Oligopole zu senken. Beispiele sind die US-Datenmonopole, aber auch Gazprom. Gazprom nutzte seine marktbeherrschende Stellung aus, indem es seine Gasspeicher in der EU nicht füllte. In Österreich sind Ende Januar 2022 die zu Gazprom gehörenden Speicher Astora und GSA nur zu 27,8 % bzw. 8,7 % statt zu 50 % und mehr wie in Normaljahren gefüllt worden. Gazprom hat zudem die Gaslieferungen in die EU gedrosselt und damit die Gaspreise in die Höhe getrieben. Die EU-Wettbewerbsbehörde und auch die Internationale Energieagentur haben Gazprom für dieses Verhalten kritisiert. Künftig könnten ein gemeinsamer EU-Gaseinkauf und eine Verpflichtung für Gazprom, einen Jahresimport an Gas in der EU zu speichern, Abhilfe schaffen. Zudem sollte es ausländischen Produzenten bzw. Importeuren nicht erlaubt sein, Gasspeicher zu besitzen.

Die zuletzt insbesondere in Deutschland und Österreich geforderte Bekämpfung der Inflation durch Zinserhöhungen im Eurosystem ist kontraproduktiv. Eine vor allem kostengetriebene Inflation (Energie-, Rohstoff-, Transportpreise, Probleme mit Lieferketten) durch Zinserhöhungen zu bekämpfen, dämpft die Nachfrage und lässt die Konjunktur einbrechen. Zinserhöhungen wirken auch erst mit einer langen Verzögerung (Long Variable Lags) und fördern die Inflation noch dadurch, dass auch das Kapital für die Unternehmen teurer wird. Es kommt zur Stagflation wie in den 1970er und 1980er Jahren, als eine kostengetriebene Inflation durch Zinserhöhungen bekämpft wurde. Die Inflation wird erst durch eine Rezession mit einem Kollateralschaden von Millionen zusätzlicher Arbeitsloser gesenkt. Das Eurosystem hat hoffentlich aus den Erfahrungen nach der globalen Finanzkrise gelernt, als die Zinsen ab 2010 zu rasch wieder angehoben wurden, der Aufschwung durch eine zu abrupte Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und eine restriktive Fiskalpolitik abgewürgt wurde und es zu einem Rückfall in die Rezession kam. Die Zinserhöhung musste rasch wieder korrigiert werden.

Viel effektiver wäre es, die Monopolrenten zu senken. Sogar der liberale Economist (2022) plädiert dafür. Damit würde auch die Inflation sinken – die Produzentenpreise steigen ja stärker als die allgemeine Inflation. Neben einer schärferen Wettbewerbspolitik bietet es sich an, die Einnahmen aus der für den Klimaschutz notwendigen höheren CO2-Bepreisung für die Senkung von belastenden Konsumabgaben zu nutzen.

Monopolrenten der Strom- und Gasnetzbetreiber

Speziell die hohen Monopolrenten der Strom- und Gasnetzbetreiber führen zu hohen Strom- und Gaspreisen auf Kosten der Konsumierenden. Beim durchschnittlichen Strompreis in Deutschland 2021 von 32,16 ct/kWh entfielen etwa 24 % (7,9 ct/kWh) auf den Strompreis (Einkauf bzw. Eigenerzeugung), aber fast gleich viel auf die Netzgebühren 24 % (7,8 ct/kWh). Der drittgrößte Kostenblock sind die Abgaben für die Ökostromförderung mit einem Anteil von 20 % (6,5 ct/kWh). Die deutsche Ampelkoalition hat hier mit der Senkung der Abgabe die richtigen Schritte eingeleitet. Österreich könnte sich auch hier etwas abschauen, nachdem es, verspätet, die deutsche CO2-Steuer in gleicher Höhe einführte. Im noch größeren Kostenblock der Netzgebühren könnte der Staat über die durch die Bundesnetzagentur regulierte hohe Verzinsung der Stromnetze Preissenkungen relativ leicht durchsetzen.

Hohe Strompreise durch Monopolrenten

Ein wichtiger Schritt im Strombereich wäre, die Monopolrenten der Konzerne zu senken, die diese aus der extrem hohen Verzinsung für bestehende Netze, bzw. der noch höheren für den Netzausbau erhalten. Diese Monopolrenten werden von den Stromkonsumierenden bezahlt. Die Netzgebühren sind ja ein bedeutender Teil des Strompreises. Dies belastet Verbrauchende, speziell ärmere Haushalte. Es kommt hier zu einer Umverteilung von den Konsumenten zu den Konzernen.

Auch Unternehmen werden stark belastet. Der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, Georg Knill, sagte, Österreich habe viele energieintensive Unternehmen und die rasante Strompreiserhöhung sei eine „ernsthafte Bedrohung für die Industrie“. Auch in Deutschland kommt es zu Problemen. So titelt das Handelsblatt: „Wir verlieren unseren gesamten Cashflow: Strom- und Gaspreisrally bringt Unternehmen in Not. Viele Großkunden müssen zu Höchstständen neue Verträge für Strom und Gas abschließen. Teilweise unverschuldet, weil ihr Versorger die Lieferung einstellt.“ Auch hier kommt es zu einer Umverteilung von den Verbrauchenden zu den Netzbetreibern. Gerade für kleine stromintensive Unternehmen kann die rasche Preiserhöhung eine ernsthafte Bedrohung sein. Der Strompreis wird etwa zu einem Drittel durch die Netzgebühren bestimmt. Die Bundesnetzagentur (in Deutschland) bzw. E-Control (in Österreich) gewähren eine extrem hohe Verzinsung des eingesetzten Kapitals für die natürlichen regionalen Netzmonopole. Man könnte auch von „Regulatory Capture“ sprechen. Die Berechnung der den Netzbetreibern gewährten Zinsen – in Deutschland Eigenkapitalzinsen vor Steuern von 5,07 %, Eigenkapitalzinsen nach Steuern von 4,13 % (Bundesnetzagentur, 2021) – ergibt sich im Wesentlichen dadurch, dass die Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre verwendet wurden.

Zur Berechnung wird auch 2021 noch das neoliberale Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet, das von effizienten und fast vollkommenen Finanzmärkten ausgeht. Das hätte bis zur weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 noch durchgehen können. Seither ist aber klar, dass die Finanzmärkte eben nicht effizient sind, sondern es immer wieder zu Marktversagen kommt. Es ist auch nicht zu rechtfertigen, dass die Netzbetreiber für ihren Kapitaleinsatz eine Marktrisikoprämie erhalten, obwohl ihre Eigenkapitalverzinsung über Jahre stabil ist, während eine Marktrisikoprämie sich speziell durch die Marktvolatilität ergibt. Für einen fixen Ertrag eine Verzinsung von über 5 % zu erhalten, in Österreich noch höher als in Deutschland, ist durch nichts gerechtfertigt und gibt es derzeit auch sonst nicht.

Kritische Stimmen zum neoliberalen Modell wurden ignoriert. Minsky (1975) betonte in seinen Werken die zyklische Natur des Kapitalismus und stellte fest, dass schon Keynes in der General Theory (1936) dies als systemische Eigenschaft des Kapitalismus erkannte: “The General Theory is thus consistent with the wide spread view in the early 1930s: that what had gone wrong had its roots in the imperfections of the monetary-financial system. The greatness of the General Theory was that Keynes visualized these as systemic rather than accidental or perhaps incidental attributes of capitalism.” Neoliberale Reformen wie Deregulierung des Finanzsektors, Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbunden mit großen Kapitalzuflüssen, verursachen Finanzkrisen (Nauschnigg, 2003). „Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Krise, der nächste Crash kommt und wie wir darauf vorbereitet sind.“

Im Gegensatz zur konventionellen Ansicht, dass Ausländische Direktinvestitionen (FDI) stabile Kapitalflüsse darstellen, kam eine UNCTAD-Expertengruppe nach der Asienkrise zu folgendem Schluss: FDI können genauso volatil sein wie andere Formen von Kapitalflüssen und schützen ein Land nicht vor plötzlichen Stopps und Kapitalabflüssen. Nach der Finanzkrise 2008 erkannte man wieder, dass es effiziente Finanzmärkte nicht gibt, und der Staat griff verstärkt regulierend ein. Auch in der Coronapandemie und zur Bewältigung der Klimakrise, die sicherlich das größte Marktversagen ist, wurden die staatlichen Eingriffe verstärkt.

Das ASFINAG-Modell

In Europa liegt ein Marktversagen mit hohen Marktrisikoprämien (Equity Risk Premia) von 3 bis 7 Prozentpunkten vor. Dies bedeutet, dass das Eigenkapital für Unternehmen um 3 bis 7 Prozentpunkte teurer ist, als die Verzinsung für Safe Assets, wie Staatsanleihen. Wenn daher Unternehmen Infrastruktur finanzieren, müssen sie zuerst ihre hohen Eigenkapitalfinanzierungskosten erwirtschaften. Zusätzlich ist die Fremdfinanzierungsverzinsung für Unternehmen höher als für den Staat. Dies bedeutet, dass der Staat Infrastruktur wesentlich günstiger als private Unternehmen finanzieren kann. Bei der Infrastruktur, aber auch bei Alternativenergien wie Sonnen- und Windstrom, sind die Finanzierungskosten der wesentliche Kostenblock. Auch bei den Strom- und Gasnetzen ist die private Finanzierung der Infrastruktur wesentlich teurer als etwa das ASFINAG-Modell der staatlichen Finanzierung.

Die ASFINAG lastet dem Straßenverkehr seine externen Kosten zum Teil an. Nauschnigg stellte bereits 2015 fest, dass insbesondere der Lkw-Verkehr seine Straßenkosten nicht bezahlt. Die ASFINAG ist zu 100 % in Staatsbesitz und hat eine Staatsgarantie für die Schuldenaufnahme, wodurch sie sich günstig finanzieren kann, etwa 5 bis 10 Basispunkte über Staatsanleihen. Sie wird, da sie sich durch Markteinnahmen (Autobahnvignette Pkw, Lkw-Maut, Sondermauten) vollständig selbst finanziert, nach dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) dem Privatsektor zugerechnet.

Im Rahmen der Expertenkommission im Auftrag des BMWi (Fratzscher et al., 2016) wurde das ASFINAG-Modell vorgestellt und die Finanzierung des Infrastrukturausbaus diskutiert. Viele, speziell die Vertreter der Deutschen Bank, plädierten für Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) als ein wesentlicher Beitrag zur Schließung der Investitionslücke. Mit ÖPP gelinge es, private Ersparnisse gezielt zur Finanzierung öffentlicher Infrastruktur einzusetzen. In der wirtschaftlichen Beurteilung zeigte sich aber, dass die ÖPP dem ASFINAG-Modell deutlich unterlegen sind. Die Finanzierungskosten der ASFINAG lagen 5 bis 10 Basispunkte über den Staatsanleihen und somit eher am unteren Rand, da es gelang, die ASFINAG in das Anleihenankaufsprogramm des Eurosystems aufzunehmen. Die Oesterreichische Nationalbank finanziert damit den Infrastrukturausbau. Die Vertreter der Deutschen Bank schätzten die Finanzierungskosten mit 200 bis 600 Basispunkten über den Staatsanleihen ein. Das Ergebnis war daher klar, die private Finanzierung der Infrastruktur ist wesentlich teurer als das ASFINAG-Modell: „Als langfristige Lösung zur Sicherung der Investitionen in Bundesfernstraßen spricht sich die Expertenkommission dafür aus, die Einrichtung einer öffentlichen Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen (Verkehrsinfrastrukturgesellschaft) zu prüfen“ (Fratzscher et al., 2016). Das Vorhaben wurde, leider ohne Staatsgarantie für günstige Finanzierung, als Autobahn GmbH umgesetzt.

Staatliche Gesellschaft für Strom- und Gasnetze

Nach dem ASFINAG-Modell könnten Netz AGs geschaffen werden, beginnend mit Deutschland-Netz AG, bzw. Österreich-Netz AG, später in weiteren EU-Ländern und einer gemeinsamen EU-Netz AG. Diese wären zu 100 % staatliches Eigentum und es würden Staatsgarantien für die Kreditaufnahme vergeben. Damit könnte der Netzausbau kostengünstig finanziert werden. Der Vorschlag:

  • Verzinsung von Neuanlagen: Rendite 10-jährige deutsche bzw. österreichische Bundesanleihe (Jahresdurchschnitt, jährliche Preisanpassung) + 2 Prozentpunkte Risikoprämie
  • Verzinsung von Altanlagen: Rendite 10-jährige Bundesanleihe (Jahresdurchschnitt) + 2 Prozentpunkte Risikoprämie – 1,27 Prozentpunkte (Anstieg Verbraucherpreisgesamtindex im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre).

Nach fünf Jahren wird eine Überprüfung durchgeführt, ob die Risikoprämie adäquat ist, damit die Strom/Gas AG kostendeckend ist. Vermutlich kann die Risikoprämie dann nochmals gesenkt werden.

Wenn private Netzbetreiber mit der niedrigeren Verzinsung für bestehende Netze nicht einverstanden sind, können sie ihre Netze an die Netz AGs verkaufen. Dieses private Kapital könnte dann wieder als Risikokapital für den Umbau des Energiesystems verwendet werden. Auch die staatlichen Netz AGs sollten die Möglichkeit haben, sich bei privaten Projekten für den Umbau des Energiesystems, bei Alternativenergien wie insbesondere Sonnen- und Windstrom, zu beteiligen. Nur wenn beträchtliche zusätzliche Mittel durch Private, aber auch den Staat bereitgestellt werden, kann der rasche Umbau des Energiesystems gelingen. Die EU-Kommission schätzt im mittleren Szenario ihres Impact Assessment, dass jährlich durchschnittlich zusätzlich 360 Mrd. Euro für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 investiert werden müssen. Ein schneller Ausbau der alternativen Stromerzeugung wirkt auch kostendämpfend auf den Strom- und Gaspreis. Die Netzverzinsung und damit die Strom- und Gaskosten für Konsumierende und Unternehmen könnten damit wesentlich gesenkt werden.

Literatur

Bundesnetzagentur Deutschland, (2021), Beschluss der Beschlusskammer 4, BK4-21-055, 31. Oktober.

Fratzscher, M. et al. (2016), Stärkung von Investitionen in Deutschland, Expertenkommission des BMWI.

Minsky, H. (1975). John Maynard Keynes.

Nauschnigg, F. (2003), Internationale Finanzarchitektur im Zeitalter der Globalisierung, in M. Häupl (Hrsg.): Wirtschaft für die Menschen, Alternativen zum Neoliberalismus im Zeitalter der Globalisierung.

Nauschnigg, F. (2015), Die österreichische Infrastrukturgesellschaft. ASFINAG als verkehrspolitisches Modell, Wirtschaftsdienst, 95(5), 342-346.

The Economist (2022), The growing demand for more vigorous antitrust action, 10. Januar.

Title:Fighting inflation through lowering of monopoly rents – starting with electricity and gas networks

Abstract:The high current inflation is also driven by monopoly rents of big companies. We do not have wage-price, but profit-price spirals. These are possible as, mostly through mergers and acquisitions, market dominating firms were created. To fight a supply driven inflation through higher interest rates is not very efficient, better to lower inflation by lowering the monopoly rents of companies e. g. Gazprom. Energy price inflation could be lowered by regulators through lower monopoly rents for electricity and gas networks. The ASFINAG model offers a better financing alternative for these networks.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3212-6