„Für den Zeitraum Juni bis August 2022 wird ein Tarif angeboten, der für ein Entgelt von 9 Euro pro Kalendermonat die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ermöglicht“, so steht es im Regionalisierungsgesetz. Zeitgleich zur befristeten Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe (Tankrabatt), die der Entlastung von Nutzenden konventioneller Kraftfahrzeuge dienen soll, wurde damit auch eine Subventionierung der Abonnierenden (von Monats-/Jahreskarten) des ÖPNV beschlossen. So wurden etwa die Preise für die IsaCard-Monat zur Nutzung des ÖPNV in München von je nach Zone zwischen 59,10 Euro und 227,50 Euro auf 9 Euro abgesenkt. In dem Gesetz ist zudem ein Ausgleich des Bundes an die Länder in Höhe von 2,5 Mrd. Euro für die entstehenden finanziellen Nachteile festgelegt. Bei den finanziellen Nachteilen der ÖPNV-Betreibenden handelt es sich zuvorderst um die Einnahmeausfälle der abgesenkten Abopreise. Dazu kommen die Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur zum (überwiegend digitalen) Verkauf der Tickets und die Kosten für die Ausweitung des Angebots, die aufgrund von Knappheiten bei Fahrzeugen und Personal sowie der Fahrplanbindung eher gering sind. Bei dem überwiegenden Teil der 2,5 Mrd. Euro handelt es sich also nicht um zusätzliche Kosten im volkswirtschaftlichen Sinne, sondern um eine reine Umverteilung von Steuerzahlenden zu ÖPNV-Abonnierenden.
In der Politik wird der Erfolg von Subventionen üblicherweise am Abruf derselben gemessen. Im Juni 2022 wurden 21 Mio. 9-Euro-Tickets verkauft. Zusammen mit den 10 Mio. Abonnierenden konnten also ca. 40 % der Bevölkerung in Deutschland den ÖPNV ohne marginalen Fahrpreis nutzen. Die Verkehrswende in den Städten, der Umstieg der Pendler:innen aus dem Pkw in den ÖPNV blieb jedoch aus. Vielmehr konnte ein deutlicher Anstieg an Reisen mit Distanzen des Fernverkehrs besonders am Wochenende beobachtet werden. Insbesondere die Bahn bietet im subventionierten und bestellten Nahverkehr, definiert über Reiseweiten von in der Regel unter 50 km, Züge an, die wie der RE5 von Rostock über Berlin nach Elsterwerda 390 Kilometer in fünf Stunden ohne Umstieg ermöglichen und somit dem Fernverkehr zuzuordnen sind. Es ist ein Erfolg, wenn die bisher nicht befriedigten Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung im Freizeit- und Fernverkehr ermöglicht werden, ein Beitrag zur Lösung von Verkehrsproblemen wird damit jedoch nicht geleistet. Mehr als die Hälfte der privaten Busunternehmen im Fernverkehr berichtet über Fahrgastrückgänge von über 50 %, weil Ausflugsfahrten vom (privat finanzierten) Reisebus in die (subventionierte) Bahn verlagert werden. Dies ist nicht nur aus ökologischer Sicht kein Vorteil.
Ein Kundenvorteil des 9-Euro-Tickets ist es, dass nach dem Kauf zusätzliche Ticketkäufe nicht mehr notwendig sind. Insbesondere auf unbekanntem Terrain sind Tarifstruktur und Kaufvorgang im deutschen ÖPNV oftmals so kompliziert, dass Nutzende fürchten, ein falsches oder zu teures Ticket zu kaufen. Aus diesem Grund gibt es für Gelegenheitsfahrende ohne Tarifkenntnisse in NRW mittlerweile eine automatische Fahrpreisermittlung anhand der Luftkilometer zwischen Start- und Zielhaltestelle mit Hilfe einer App. Mit Flatrates oder rein entfernungsabhängigen Tarifen nimmt man sich jedoch die Lenkungsmöglichkeiten, die ein knappheitsorientiertes Preissystem ermöglicht. Grenzkostenorientierte Tarife sind nur bei Überfüllung entfernungsabhängig und lenken flexible Kundschaft in die Verkehrsnebenzeiten. Ein zu einfacher Flatratetarif (x-Euro-Ticket) ist deshalb mit höheren Kosten für zusätzliche Fahrzeuge und Personal oder mit geringerem Komfort wegen größerer Überfüllung verbunden. So beklagen Rollstuhlfahrer:innen und Fahrgäste mit Kinderwagen im Zuge des 9-Euro-Tickets, dass ihre Mobilität wegen der Überfüllung massiv eingeschränkt wird, und auch die Fahrradmitnahme ist beeinträchtigt.
Vor dem Hintergrund des verkehrswissenschaftlichen Basiswissens, dass man mit günstigen Angeboten freizeitliche Verkehre induzieren kann und sich Berufspendler:innen bei der Verkehrsmittelwahl habituell verhalten und der Preis hier einen eher geringen Einfluss hat, sind die Erkenntnisse des 9-Euro-Experiments nicht überraschend.
Der Bund wird das 9-Euro-Ticket nicht verlängern. Ein Nachfolgeticket, das bundesweit oder länderweit gilt, und deren Preis im zweistelligen Eurobereich liegt, würde Subventionen benötigen, die kein Bundesland zu leisten bereit ist. Subventionen für den Nahverkehr können in erster Linie damit begründet werden, dass der Pkw-Verkehr die Straßen grenzkostenfrei nutzen darf und damit zu viel Pkw-Verkehr die Straßen der Städte verstopft. Innerhalb der nächsten Dekade sollte dieses Problem mit Hilfe einer entfernungs- und tageszeitabhängigen Straßenmaut gelöst werden können. Dann ist aber auch die Zeit dafür gekommen, dass normalverdienende Kundschaft des ÖPNV nicht mehr subventioniert werden muss.