Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Das Jahressteuergesetz 2022 hat kurz vor Weihnachten den Bundesrat passiert. Damit wurden auch die Anpassungen bei der Immobilienbewertung für die Erbschaftsteuer beschlossen. Bayern konnte keine höheren Freibeträge zum Ausgleich der höheren Immobilienwerte erreichen.

Die Wahrnehmung der Reform war etwas schief. Betroffen von den höheren Immobilienwerten sind vor allem Renditeobjekte wie Mietwohnhäuser oder Geschäftsgrundstücke, sofern die lokalen Gutachterausschüsse keine aktuellen Bewertungsparameter bereitstellen. Das betrifft zumeist hohe Erbschaften oder Schenkungen, die häufig steuerpflichtig werden. Hier ist die Anpassung der veralteten Bewertungsparameter dringlich – das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach eine marktnahe Bewertung eingefordert, damit einzelne Vermögensarten nicht systematisch bevorzugt werden. Normalsterbliche vererben Eigenheime oder Eigentumswohnungen, die zumeist mit aktuellen Vergleichswerten angesetzt werden. Das bedeutet aber auch: Hier sind die deutlich gestiegenen Immobilien­preise schon längst bei der Erbschaftsteuer angekommen. In den gehobenen Mittelschichten befürchten daher viele, dass sie ihr Familienvermögen nicht mehr erbschaftsteuerfrei weitergeben können. Das ist meistens übertrieben, denn es gelten Freibeträge von 500.000 Euro für Ehepartner und von 400.000 Euro je Kind und Elternteil. Ein Paar kann also 1,6 Mio. Euro steuerfrei an zwei Kinder weitergeben. Mit Schenkungen kann man das alle zehn Jahre wiederholen, was Hochvermögende häufig nutzen. Bei normalen Eigenheimen oder Eigentums­wohnungen wird es selbst in Ballungsräumen nur dann eng mit den Freibeträgen, wenn sie an Ehepartner oder ein Kind gehen oder noch weiteres Vermögen vorhanden ist. Allerdings wird keine Erbschaftsteuer erhoben, wenn Ehepartner oder Kinder die Immobilie selbst nutzen.

Die Erbschaftsteuer-Freibeträge wurden seit 2009 nicht mehr erhöht. Zugleich sind die Immobilienpreise seitdem um durchschnittlich 50 % bis 70 % gestiegen, in Ballungsräumen wesentlich stärker. Tatsächlich kommen in den vergangenen Jahren deutlich mehr Fälle in die Steuerpflicht. Derzeit werden jedes Jahr 40.000 Personen mehr zur Erbschaftsteuer veranlagt als vor zehn Jahren, das entspricht einem Zuwachs von einem Drittel. Davon sind knapp die Hälfte Ehepartner und Kinder, hier liegt der Zuwachs sogar bei knapp 90 %. Auch das Steueraufkommen hat sich seitdem mehr als verdoppelt, auf inzwischen knapp 10 Mrd. Euro im Jahr. Hier wirkt der gleiche Effekt wie bei der „kalten Progression“ der Einkommensteuer.

Diese Entwicklungen verstärken einen Trend, der schon länger bei der Erbschaftsteuer angelegt ist: Belastet werden vor allem die „armen Reichen“, die Immobilien oder Finanzvermögen bis zu höheren einstelligen Millionenbeträgen erben oder geschenkt bekommen. Dabei gibt es meist nur wenige Gestaltungs­möglichkeiten, abgesehen von Schenkungen alle zehn Jahre. Bei sehr großen Vermögen entstehen dagegen häufig geringere oder gar keine Belastungen. Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen bleiben steuerfrei, wenn die Nachfolger das Unternehmen weiterführen. Selbst höhere dreistellige Millionenvermögen können im Rahmen einer Verschonungsbedarfsprüfung steuerfrei weitergegeben werden, wenn die Nachfolger kein Privatvermögen haben. Und es gibt weitere Steuersparmöglichkeiten, etwa mit Stiftungen. Insoweit ist eine deutliche Erhöhung der Erbschaftsteuer-Freibeträge sinnvoll. Das reduziert die Vorbehalte gegen die Erbschafsteuer und vermeidet die Veranlagung von vielen Fällen mit keinem oder geringem Aufkommen. Wenn die Vermögensgrenzen des progressiven Tarifs konstant bleiben, halten sich die Mindereinnahmen in Grenzen: Eine Erhöhung der Freibeträge um 25 % reduziert das Steueraufkommen um 0,6 Mrd. Euro im Jahr, eine Erhöhung um 50 % bedeutet Mindereinnahmen von 1,1 Mrd. Euro.

Eine Regionalisierung der Freibeträge, wie sie Bayern fordert, ist dagegen schwierig. Soll man sich dabei am Ort des Erben oder des Erblassers orientieren, wenn verschiedene Länder betroffen sind? Außerdem wird der Finanzausgleich komplizierter. Leichter umzusetzen wären Zu- oder Abschläge der Länder auf die Steuersätze. Aber das würde einen Steuerwettbewerb unter den Ländern anheizen, der bei der Erbschaftsteuer nicht sinnvoll ist. Vor allem sollte man im Zuge einer größeren Erbschaftsteuerreform die überzogenen Vergünstigungen für große Unternehmen und andere Steuerprivilegien deutlich reduzieren. Es ließe sich ein deutliches Steuermehraufkommen erzielen, bis zu einer Verdopplung. Damit lassen sich die Freibeträge weiter erhöhen oder die Steuersätze senken, wenn das Steuer­aufkommen nicht steigen soll. Eine stärkere Belastung von großen Vermögen durch die Erbschaftsteuer könnte aber auch dazu verwendet werden, die hohe Steuer- und Abgabenbelastung der Mittelschichten zu senken.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.

Mehr zu diesem Thema bei EconBiz