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Damit Bauinvestitionen getätigt werden, müssen sie sich lohnen. Der diskontierte Wert der zu erwartenden Einnahmen soll dafür die Baukosten übersteigen. Beim Verkauf entsprechen die Einnahmen dem Kaufpreis, bei der Vermietung sind es die Mieten, die über einen Planungshorizont an den Vermieter fließen werden. Der Kaufpreis basiert auf den erwarteten Mieteinnahmen. Neben dieser fundamentalen Komponente kann er auch eine spekulative Komponente enthalten. Dabei steigen die Immobilienpreise nicht, weil der Wohnraum stärker nachgefragt wird, sondern weil die Investoren auf zukünftige Preisanstiege setzen und deshalb jetzt Immobilien erwerben, um sie später zu höheren Preis zu verkaufen.

Zu Beginn des Immobilienbooms 2010 haben sich die Immobilienpreise in Deutschland besonders dynamisch entwickelt. Deutschlandweit haben sie sich verdoppelt. Zwischen dem 1. Quartal 2022 und dem 1. Quartal 2023 sind sie dann aber um 7 % zurückgegangen. Damit fand eine Korrektur der spekulativen Komponente statt, die im Zuge des Immobilienbooms auf 20 % bis 30 % aufgeschwollen war (Deutsche Bundesbank, 2023). Die Mieten dagegen sind seit 2010 stetig aber im Vergleich zu den Immobilienpreisen moderat angestiegen. Seit Anfang 2022 haben sie an Dynamik gewonnen, sodass sie um 2 % gestiegen sind. Zwischen 2010 und 2021 sind die Baukosten deutlich schneller als die Mieten gewachsen, aber langsamer als die Immobilienpreise. Danach führten die infolge der Coronapandemie entstandenen Lieferengpässe zu einem starken Anstieg der Materialkosten. Gleichzeitig trug der sich verschärfende Fachkräftemangel zu einem merklichen Anstieg der Personalkosten bei. So sind die Baukosten zwischen dem 1. Quartal 2022 und dem 1. Quartal 2023 um 9 % gestiegen. Aktuell scheinen sie sich auf einem Plateau zu stabilisieren. In den nächsten Jahren wird es wahrscheinlich zu einem leichten Rückgang der Baupreise kommen (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 2023). Doch die dadurch entstandene Diskrepanz zwischen den Einnahmen und den Kosten kann noch einige Jahre spürbar bleiben und sich negativ auf die Rendite der Bauunternehmen auswirken.

Einige der von der Bundesregierung angestrebten Maßnahmen könnten die Baukosten zusätzlich erhöhen. Die Reform des Gebäudeenergiegesetzes gibt beim Neubau bestimmte Anteile an regenerativen Energien vor. Außerdem müssen die Eigentümer bestehender Gebäude bestimmte Nachrüst- und Austauschpflichten erfüllen, um ihre Gebäude energieeffizienter zu machen. All das erfordert zusätzliche Ausgaben, weshalb weniger Mittel für den Neubau zur Verfügung stehen werden. Ein zusätzlicher Faktor, der die Investitionstätigkeit erschwert, ist ein rasanter Anstieg der Zinssätze. So stieg der Effektivzinssatz bei den Wohnungsbaukrediten an private Haushalte von 1,22 % im März 2021 auf 4,08 % im Juli 2023. Das bedeutet eine Verdreifachung der Zinskosten für die Kreditnehmer und reduziert weiter die Rendite. Die Wirkung dieser Faktoren spiegelt sich in einer Stagnation des Wohnungsbaus auf einem Niveau von unter 300.000 Wohnungen pro Jahr seit 2021 wider. Die schwache Entwicklung der realen Wohnbauinvestitionen lässt für die nahe Zukunft wenig Optimismus auf eine Erholung des Wohnungsbaus zu.

Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren ist 2022 die Zahl der Insolvenzen im Bausektor gestiegen. Zwischen Januar 2022 und Mai 2023 hat die Zahl der beantragten Insolvenz­verfahren um mehr als ein Drittel auf fast 200 zugenommen. Das ist zwar relativ wenig im Vergleich zu Anfang der 2010er Jahre (damals gab es rund 300 Insolvenzverfahren pro Monat), ist aber sehr deutlich und besorgniserregend. Das Verschwinden eines Teils der Bauunternehmen kann teilweise durch die Konzentration der Produktion erklärt werden, teilweise könnte es zu einer Schrumpfung der Produktionskapazitäten führen. Dies könnte die Erweiterung des Wohnungsbaus in der nächsten Zukunft erschweren. Angesichts der hier angedeuteten Herausforderungen befindet sich die Bauwirtschaft in einer schwierigen Lage. Die angestiegenen Kosten und die fallenden Immobilienpreise wirken sich negativ auf ihre Bereitschaft, neue Wohnungen zu bauen, aus. Und das ausgerechnet in dem Moment, in dem der Bedarf an Wohnraum groß ist und weiter steigt. Der Wohnungsbau benötigt starke Impulse, um aus der „Lethargie“ aufzuwachen. Eine berechenbare und weniger interventionistische Wohnungspolitik der Regierung könnte bessere Rahmenbedingungen für die Bauinvestitionen schaffen. Hohe Material- und Personalkosten könnten ein Stimulus für Mechanisierung und Rationalisierung des Baus werden. Es gibt viel Raum für Verbesserung.

Literatur

Deutsche Bundesbank (2023), Monatsbericht August 2023, https://www.bundesbank.de/resource/blob/914452/88b462130c1cd6b356bd0b5f5a7cf911/mL/2023-08-monatsbericht-data.pdf (27. September 2023).

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2023), Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2023, https://gemeinschaftsdiagnose.de/2023/09/28/gemeinschaftsdiagnose-herbst-2023-kaufkraft-kehrt-zurueck-politische-unsicherheit-hoch/ (28. September 2023).

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DOI: 10.2478/wd-2023-0182