Christiano Ronaldo: rund 200 Mio. Euro. Karim Benzema: ebenfalls rund 200 Mio. Euro. Neymar: 150 Mio. Euro. N‘Golo Kanté: rund 100 Mio. Euro. Diese Namen sind die Spitze eines Eisbergs. Saudi-Arabien ist auf Einkaufstour zum Shoppen in den Regalen der europäischen Spitzenfußballklubs. Dabei kaufen die Saudis nicht nur alternde Stars, sondern auch relativ junge Spieler, die nach Alter und Qualität für viele europäische Spitzenklubs interessant wären. Saudische Öl-Dollars fließen in die Kassen der europäischen Spitzenfußballklubs.
Ökonomisch betrachtet ist dieser Geldfluss nicht neu, Anfang der 1970er Jahre nannte man das „Petro- oder Öldollar-Recycling“ und meinte damit den Kapitalrückfluss der Einnahmen aus dem Ölexport der OPEC-Staaten (sowie Norwegen und Russland) in die Ölkonsumländer in Form von Finanz- oder anderen Investitionen. Das Geld, das die energiehungrigen Staaten für Öl ausgaben, floss über Investitionen und Güterkäufe der Ölexportländer wieder zurück. Die heutigen Fußball-Superstar-Investitionen der Saudis sind eine neue Form des PetroDollar-Recyclings – Öl gegen Fußballer.
Der Kauf von Top-Stars des Fußballs durch Saudi-Arabien ist die zweite Stufe einer Image-Offensive eines Staates, um dessen Ansehen es in Europa und anderswo nicht zum Besten steht. Die neue Variante des Petro-Dollar-Recyclings lautet also Öl gegen Fußballer respektive gegen ein besseres Image. Eine erste Stufe des Versuchs der Image-Verbesserung (auch Sportswashing genannt), gekoppelt mit einem lukrativen Business Case, war der Kauf von europäischen Spitzenfußballteams. Insbesondere die Premier League in England bot sich dafür an, da dort internationale Investoren im Fußball möglich sind. Im Jahr 2021 kaufte der saudische Staatsfonds über ein Konsortium Newcastle United für 305 Mio. Pfund, neben Chelsea und Manchester City der dritte Klub der Premier League, dessen Eigner mit einem autoritären Staat in Verbindung steht. Allerdings hat das von der FIFA eingeführte Fair-Play-System der Finanzierung aus dem operativen Ertrag der Klubs dazu geführt, dass es schwieriger geworden ist, Profifußballklubs mit von außen kommenden Mitteln zu finanzieren.
Die zweite Stufe der Imageverbesserung läuft nun also über den Kauf berühmter Top-Stars des Fußballs für die eigenen Klubs in der nationalen Liga. Damit fließen die Petro-Dollars nach Europa zurück und die Aufmerksamkeit der Welt wird auf den Staat selbst gelenkt: Die Berichterstattung über diese Deals war so ausgeprägt, dass auch Fußball-Uninteressierte sie wahrnehmen mussten. Auch wenn die Berichte kritisch und kaum freundlich für Saudi-Arabien waren, so haben sie dennoch sehr große Aufmerksamkeit generiert. Und schließlich gilt doch, wenn so bekannte Stars nach Saudi-Arabien gehen: kann es dort so schlimm sein?
Die dritte Stufe der saudischen Image-Offensive hat bereits begonnen: Ein lukratives Golfturnier droht den USA und Europa den Rang abzulaufen, Handball- und Fußball-WM auf der arabischen Halbinsel zeigen, wohin die Reise vermutlich geht. Das Ziel könnte sein, eigene Ligen zu schaffen, die Klubs hervorbringen, die mit den europäischen konkurrenzfähig sind. Die damit generierte Aufmerksamkeit ist geeignet, das Image der Staaten zu verbessern. Man spielt nicht nur gegen deren Mannschaften, man spielt eben auch mit ihnen. Das wiederum könnte ein probates Mittel sein, mit einem aufgebesserten Image in Europa in anderen Bereichen zu investieren und neue Investoren zu gewinnen. Am Ende steht unter dem Strich die Formel Öl gegen Image.
Was bedeutet das für den europäischen Fußball? Durch die inflationären Preise, die für die neuen Petro-Dollar-Spieler aufgerufen werden, werden auch die Preise für weniger talentierte Spieler steigen – das Preisgefüge der europäischen Ligen dürfte sich nach oben verschieben. Und da die Angebotskurve für Top-Spieler recht steil verläuft, könnte das – vorausgesetzt, die Saudis führen diese Strategie fort und engagieren sich dauerhaft im Kauf ausländischer Spieler – dazu führen, dass nur noch die absoluten Spitzenklubs sich die besten Spieler leisten können. Die marginalen Top-Klubs werden nicht mehr mit den absoluten Top-Klubs mithalten können, das Leistungsgefälle und die Konzentration innerhalb der europäischen Ligen könnten damit noch ausgeprägter werden. Damit wird es zunehmend schwieriger, das Financial Fair Play einzuhalten – die Petro-Dollar-Millionen könnten das Ungleichgewicht zwischen den europäischen Vereinen nachhaltig stören und die europäischen Ligen damit unattraktiver machen. Möglicherweise wird eine Neuregelung der Einnahmenverteilung zwischen den Vereinen erforderlich werden. Andernfalls könnte das neue Petro-Dollar-Recycling in letzter Konsequenz zu mehr Eintönigkeit im europäischen Spitzenfußball führen.