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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, unterstützt durch die Energieminister der Länder, Bundesnetzagentur, Verbände und Gewerkschaften, schlägt aktuell einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen vor. Dabei sollen 80 % des Stromverbrauchs derart subventioniert werden, dass lediglich ein niedriger Höchstpreis pro Kilowattstunde zu zahlen ist. Für die Dauer dieser Maßnahme, die zunächst bis 2030 vorgeschlagen wird, sollen bis zu 30 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Ziel dieser Subvention ist es, die aus der Energiekrise und der deutschen Energiewende resultierenden höheren Stromkosten zu mindern. Damit soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleiben. Problematisch dabei sind die negativen Wirkungen und Anreize für den Klimaschutz und die weiteren ordnungspolitischen Implikationen.

Durch einen wirksamen Höchstpreis erhalten die Unternehmen einen Anreiz mehr Strom nachzufragen, bzw. wird der Anreiz zur klimaneutralen Umstellung von Produktionsprozessen gemildert. Aufgrund der mittelfristig nicht ausreichend verfügbaren Leistung aus erneuerbaren Energien wird so der Teil des deutschen Stromangebots, der aus Kohle- und Gaskraftwerken stammt, nicht nur gefestigt, sondern tendenziell erhöht. Da die Differenz zu einem zugehörigen Angebotspreis subventioniert wird, induziert hier die Nachfrage ein entsprechendes Angebot. Da temporäre Gleichgewichte auf dem inländischen Strommarkt bereits gegenwärtig im unelastischen Teil der Angebotsfunktion stattfinden, ergibt sich ein hoher Subventionssatz für jede erzeugte Kilowattstunde. Dieser steigt, wenn die erwartete höhere CO₂-Bepreisung den Einsatz fossil erzeugter Strommengen weiter verteuert. Ein relativer Vorteil könnte dabei aus einem aus Klimaschutzperspektive bestehenden Nachteil resultieren. Die Stromnachfrage der energieintensiven Unternehmen kann für die bestehenden Produktionspläne mittelfristig unelastisch erwartet werden, sodass die zu erwartende Nachfrageausweitung begrenzt sein dürfte. Neben den Umverteilungswirkungen der Subventionsleistungen ergeben sich bei (nicht vollständig) unelastischem Angebot und Nachfrage allerdings zusätzliche Wohlfahrtsverluste für die Volkswirtschaft.

Aus einem Industriestrompreis ergeben sich hohe Belastungen für den Bundeshaushalt oder den zur Finanzierung vorgeschlagenen Klima- und Transformationsfonds, der als Schattenhaushalt allerdings bereits überfrequentiert erscheint. Einerseits stehen diese Mittel nicht für alternative Zwecke zur Verfügung, andererseits bestehen für die geplante Langfristigkeit der Subventionsgewährung ordnungspolitische Zweifel.

Wenn die profitierenden Unternehmen in einem so langen Zeitraum nicht ohne Subventionierung eine angemessene Wettbewerbsfähigkeit erlangen können, ist es fiskalisch fragwürdig, ob es sich um einen gerechtfertigten Mittel­einsatz handelt. Das Argument, dass in der Zukunft niedrigere Strompreise aus der weitreichenden Umstellung auf erneuerbare Energien in der deutschen Stromerzeugung resultieren, ist eine Ausprägung der ökonomischen Wette, die Deutschland mit seiner Energiewende eingeht. Die gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einschränkungen des inländisch erzeugten Stromangebots bei zunehmend auf Elektrifizierung setzende Maßnahmen zur Dekarbonisierung haben bereits zu hoher Unsicherheit bei Unternehmensentscheidern und im Privatsektor geführt.

Hier wird die Widersprüchlichkeit der aktuellen deutschen Klimaschutz- und Wirtschaftspolitik bezüglich einer sozialverträglichen, auf Preislenkung basierenden Energiewende deutlich. Diese besteht sowohl für den Unternehmens- als auch den Privatsektor. Aus der Energiewende entstehen mindestens mittelfristig höhere Strompreise, die zu klimaschutzpolitisch vorteilhaften Anreizen führen können. Will man die daraus resultierenden Belastungen begrenzen, dann verursacht dies regelmäßig weitere Staatsausgaben und schmälert zusätzlich die Anreizwirkungen. Ob das politische Kalkül dabei aufgeht, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht zu stark zu gefährden und den Konsumenten lediglich begrenzte Vermögensbelastungen zuzumuten, ist unsicher. Dabei dürfen die strukturellen Veränderungen aufgrund aus dem Marktgeschehen ausscheidender oder ausgeschlossener Wirtschaftssubjekte nicht vergessen werden. Beiträge zum Ziel der Dekarbonisierung werden auch durch die Einstellung der Produktion und durch unterlassene, weil nicht mehr finanzierbare Konsumausgaben geleistet.

Aus ökonomischer Sicht würde der Bund mit einem Industriestrompreis den energieintensiven Unternehmen eine Art Klimageld zahlen. Dies hat er den Konsumenten bisher lediglich in Aussicht gestellt. Ein Industriestrompreis wäre daher auch aus verteilungspolitischer Sicht, einerseits innerhalb des Unternehmenssektors und andererseits zwischen Unternehmens- und Privatsektor, zu hinterfragen.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0181