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Die zuletzt hohe Inflation hat die staatlichen Budgets vorübergehend entlastet. Gängige Schätzverfahren zur Konjunkturbereinigung dürften die grundlegende Haushaltslage dadurch temporär zu günstig zeichnen. Das gilt auch für die Konjunkturbereinigung in der deutschen Schuldenbremse des Bundes, wie wir im Folgenden argumentieren. Dem stellen wir unseren Reformvorschlag zur Konjunkturbereinigung gegenüber: Dieser dürfte die Lage bei überraschend hoher Inflation vorübergehend zu ungünstig ausweisen. Dass die Inflation derart deutlich unterschätzt wird, ist ungewöhnlich. In der Gesamtschau halten wir unseren Vorschlag gegenüber dem aktuellen Verfahren für vorteilhaft.

Die Konjunkturbereinigung ist ein wichtiger Bestandteil der Schuldenbremse. Sie soll ermöglichen, dass die staatlichen Haushalte im Konjunkturzyklus atmen. In der Praxis ist es allerdings nicht einfach, konjunkturelle Effekte von anderen Budgetschwankungen zu trennen. Um eine stetige und konjunkturgerechte Finanzpolitik zu erleichtern, hatten wir im letzten Jahr eine Reform der Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse vorgeschlagen (Deutsche Bundesbank, 2022a; Kremer et al., 2022). Im Folgenden vergleichen wir, wie der aktuelle Ansatz und unser Reformvorschlag mit den hohen Inflationsraten der jüngeren Zeit umgehen.

Gemäß Schuldenbremse des Bundes ist eine höhere Neuverschuldung zulässig, wenn die Konjunktur den Haushalt belastet. Dagegen sinkt die erlaubte Neuverschuldung, wenn die Konjunktur den Haushalt entlastet. Das Bereinigungsverfahren für die Schuldenbremse bezieht sich, wie auch andere gängige Konjunkturbereinigungsverfahren, auf konjunkturelle Schwankungen in der Realwirtschaft. Implizit unterstellen diese Verfahren, dass konjunkturelle Preisschwankungen die Staatshaushalte nicht wesentlich beeinflussen. Dies erscheint im Allgemeinen als eine angemessene Annahme, weil Preise die staatlichen Einnahmen und Ausgaben für gewöhnlich in ähnlicher Weise beeinflussen.

Die überraschend hohe Inflation der jüngeren Zeit schlug sich in den Staatshaushalten jedoch spürbar nieder. So entlastete die hohe Inflation die Budgets im vergangenen Jahr deutlich, weil sie die steuerlichen Einnahmen stark antrieb, während die nominalen staatlichen Ausgaben noch relativ wenig reagierten. Im laufenden Jahr sollte sich die vorübergehende preisbedingte Entlastung zurückbilden oder sogar in eine Belastung umkehren. Denn nun dürften die Ausgaben nachziehen (Deutsche Bundesbank, 2022b).

Soweit Konjunkturbereinigungsverfahren diese preisbedingten Einnahmen- und Ausgabenausschläge nicht richtig erfassen, bilden sie die strukturelle Haushaltslage nicht sauber ab. So dürfte das Bereinigungsverfahren des Bundes die strukturelle Budgetlage vorübergehend deutlich zu günstig zeichnen. Demgegenüber bildet unser Reformvorschlag für die Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse die Lage vorübergehend zu ungünstig ab. Vor dem Hintergrund der aktuellen Evaluation der Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse wird dies im Folgenden genauer beleuchtet (vgl. etwa IfW, 2023).

Unser Reformvorschlag zur Konjunkturbereinigung

Bei unserem Vorschlag zur Konjunkturbereinigung handelt es sich nicht um ein eigenständiges Bereinigungsverfahren. Vielmehr schlagen wir vor, die Konjunkturkomponente des Bundes um einen Fehlerterm zu ergänzen. Dieser Fehlerterm verstetigt die um Steuerrechtsänderungen und Konjunktureffekte bereinigten Niveaus der Steuereinnahmen in den Haushalts- und Finanzplanungen (im Folgenden: „verplanbare Steuern“). Auch andere gängige Konjunkturbereinigungsverfahren könnten um solch einen Fehlerterm erweitert werden. Dies gilt unter anderem für einige der Verfahren, die das IfW (2023) in einem Gutachten zur Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse diskutiert.

Der Fehlerterm operationalisiert die gängige Empfehlung, mit unerwarteten Mehreinnahmen finanzielle Puffer aufzubauen (Rainy Day Funds), um damit im weiteren Verlauf negative Überraschungen abzufedern. Denn die Fehlerterme führen dazu, dass die Finanzpolitik positive Steuerüberraschungen nur zeitverzögert (schrittweise) voll verplanen darf. Sie muss sich spiegelbildlich aber auch nur schrittweise an eine negative Steuerüberraschung anpassen.

Wir stellen auf Steuerschätzfehler ab, weil diese ein wesentlicher Grund für ungeplante Revisionen der strukturellen Haushaltslage sind. Zudem deuten empirische Auswertungen daraufhin, dass unser Vorschlag im Allgemeinen eine antizyklische Haushaltsausrichtung unterstützt. Schließlich sind die Steuerschätzungen unverzerrt und sind aufgrund der unabhängigen Fachexpertise weniger anfällig für einen Politikbias (Büttner und Kauder, 2015). Dies ist wichtig, damit sich die Konjunkturkomponenten im Reformverfahren über die Zeit ausgleichen: Dazu müssen nicht nur die regulären Konjunkturkomponenten (und damit die geschätzten Produktionslücken) über die Zeit symmetrisch sein. Zusätzlich müssen auch die ergänzenden Fehlerterme symmetrisch sein, damit es nicht zu persistenten unbeabsichtigten Überschüssen oder Defiziten kommt.

Verplanbare Steuern nach Preisschock: aktuelles Verfahren vs. Reformvorschlag

Eine überraschende, preisbedingte Steuerentwicklung verändert den Finanzspielraum beim aktuellen Verfahren direkt, bei unserem Vorschlag hingegen zeitlich gestreckt. Dies liegt daran, dass die preisbedingte Revision in unserem Vorschlag über den Fehlerterm teils in der Konjunkturkomponente landet. Diesen Unterschied verdeutlicht Abbildung 1: Die Revisionen der Preise und der verplanbaren Steuern sind im aktuellen Verfahren deutlich stärker korreliert als im Reformverfahren.

Abbildung 1
Korrelation zwischen Revisionen der Preise und der verplanbaren Steuereinnahmen
Korrelation zwischen Revisionen der Preise und der verplanbaren Steuereinnahmen

Die Abbildung umfasst die Haushaltsplanungen für die Jahre 2015 bis 2023. Startpunkt der Schätzung für ein Haushaltsjahr t ist die mittelfristige Finanzplanung im Mai t-4.

Quellen: BMF, BMWK und eigene Berechnungen.

Im Ergebnis sind die verplanbaren Steuern für die Jahre 2023 bis 2025 mit dem aktuellen Verfahren sehr viel höher als mit dem Reformvorschlag (vgl. Abbildung 2). Der Arbeitskreis Steuerschätzungen revidierte die Steuer­erwartungen in den vergangenen Jahren deutlich nach oben (vor allem im Frühjahr 2022).1 Besonders für das Jahr 2023 erhöhten sich dadurch die verplanbaren Steuern gemäß dem aktuellen Verfahren ebenfalls deutlich. Mit dem Reformvorschlag erhöhten sie sich demgegenüber zunächst kaum. Er rechnet die Schätzrevisionen des Arbeitskreises über den Fehlerterm zunächst zu einem Großteil der Konjunkturkomponente zu, die nicht verplant werden darf. Im Vergleich zum aktuellen Verfahren sind mit dem Reformvorschlag die verplanbaren Steuermehreinnahmen somit im Jahr 2024 nur etwa halb so groß (etwa 35 Mrd. Euro niedriger). Mit fortschreitendem Planungsjahr nimmt die Differenz dann ab: Im Jahr 2025 sind die verplanbaren Steuermehreinnahmen noch gut ein Drittel (etwa 20 Mrd. Euro) und im Jahr 2026 immer noch ein Viertel (etwa 6 Mrd. Euro) niedriger.

Abbildung 2
Revision der verplanbaren Steuereinnahmen
Revision der verplanbaren Steuereinnahmen

Dargestellt ist die Revision der verplanbaren Steuereinnahmen für das Jahr t von der ersten Schätzung (jeweils im Mai t-4) bis zur Schätzung im November 2022 für die Haushaltsplanung 2023 und bis zur Schätzung im Mai 2023 (aktuellste Schätzung) für die Haushaltsplanungen 2024 bis 2026.

Quellen: BMF, BMWK und eigene Berechnungen.

Dass sich mit fortschreitenden Planungsjahren die verplanbaren Steuern angleichen, liegt an der Konstruktion des Reformvorschlags. Die preisbedingte Änderung des finanzpolitischen Spielraums stimmt ab dem vierten Jahr nach dem Inflationsschock in beiden Verfahren überein. Wenn bis dahin der Kreditspielraum Jahr für Jahr vollständig ausgeschöpft würde, läge mit unserem Verfahren der Saldo jeweils höher. Das heißt, unser Verfahren erlaubt übergangsweise weniger Schulden.

Mögliches Problem des Reformvorschlags bei preisbedingten Mehrausgaben

Ein wesentliches Ziel unseres Vorschlags ist es, eine stetigere Haushaltsplanung nach Steuerüberraschungen zu ermöglichen. Bei einer unerwartet hohen Inflation können die stetigeren verplanbaren Steuern hierfür aber nachteilig sein. Denn steigende Preise schlagen sich teils quasi-automatisch in höheren staatlichen Ausgaben nieder. Dürfen preisbedingte Steuermehreinnahmen dann nur zeitverzögert verplant werden, könnte eine vorübergehende Konsolidierung nötig sein.

Tabelle 1
Abschätzung preisbedingter Mehrausgaben (Niveau) bei einem Preisschock in t von 1 Prozentpunkt1
in Mrd. Euro t t+1 t+2
Mehrausgaben insgesamt 1,0 2,1 3,4
davon für:      
Personal 0,2 0,4 0,5
Investitionen 0,1 0,3 0,4
Laufender Sachaufwand 0,3 0,4 0,4
Zuweisungen an Rentenversicherung 0,2 0,2 1,0
Zinsen 0,3 0,6 0,8
Sozialleistungen 0,0 0,3 0,3

1 Überschlagsrechnung unter vereinfachten Annahmen: 1) Personal- sowie Investitionsausgaben passen sich über drei Jahre gleichmäßig dem neuen Preisniveau an. 2) Der laufende Sachaufwand erhöht sich noch im selben Jahr um drei Viertel des Preisanstiegs, ab t+1 spiegelt sich das höhere Preisniveau vollständig im laufenden Sachaufwand wider. 3) Die Zuschüsse an die Rentenversicherung entwickeln sich gemäß den rechtlichen Regelungen, die sich teils auf die Lohnentwicklung und die Umsatzsteuer beziehen. Die Rechnung unterstellt, dass sich die Löhne und die Umsatzsteuer kontemporär mit der Inflationsrate erhöhen. 4) Die Reaktion der Zinsausgaben wurde mit vereinfachten Annahmen aus der Schuldenstruktur des Bundes aus der Vor-Corona-Zeit abgeleitet. 5) Bei den Sozialleistungen reagieren Bürger- und Elterngeld in t+1 auf den Preisanstieg und kompensieren diesen vollständig.

Quelle: eigene Berechnungen.

Im Folgenden wird die Bedeutung dieses Problems anhand von Überschlagsrechnungen verdeutlicht. Dafür wird zuerst mit vereinfachten Annahmen (siehe Erläuterung unter Tabelle 1) abgeschätzt, wie sich ein Inflationsschock auf die Ausgaben des Bundes auswirkt. Demnach reagieren die Ausgaben im Jahr des Preisanstiegs nur wenig, legen in den Folgejahren dann aber stärker zu. Wie stark die Ausgaben steigen, ist insbesondere davon abhängig, wie sich die Inflation in den gesamtwirtschaftlichen Löhnen niederschlägt. Denn gewichtige Ausgaben wie Zuweisungen an die Rentenversicherung und Teile der Sozialleistungen passen sich (verzögert) mit der Lohnentwicklung an. In unseren Rechnungen haben wir dabei unterstellt, dass die Löhne den Preisschock unmittelbar und vollständig kompensieren. Für die daraus resultierenden staatlichen Budgetlasten ist dies eine vorsichtige Annahme. Tabelle 1 zeigt die preisbedingten Mehrausgaben für einen beispielhaften Inflationsschock von 1 Prozentpunkt.

Abbildung 3
Verplanbare Steuermehreinnahmen und preisbedingte Mehrausgaben
Verplanbare Steuermehreinnahmen und preisbedingte Mehrausgaben

Zur Herleitung der verplanbaren Steuermehreinnahmen siehe Abbildung 2. Für die Abschätzung der preisbedingten Mehrausgaben wurden die Revisionen der Projektionen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für den Deflator des privaten Konsums zugrunde gelegt. Die Revisionen der Preisniveaus wurden mit den Ausgabensensitivitäten in Tabelle 1 verknüpft, wobei die dort abgebildeten zeitlichen Verzögerungen berücksichtigt sind. Startpunkt für ein Jahr t ist jeweils die Schätzung aus dem Frühjahr t-4. Die finale Schätzung für das Jahr 2023 stammt vom Herbst 2022 und für die Jahre 2024 bis 2026 aus dem Frühjahr 2023 (aktuellste Schätzung).

Quelle: BMF, BMWK und eigene Berechnungen.

Anschließend schätzen wir aus den für Tabelle 1 ermittelten Ausgabensensitivitäten preisbedingte Mehrausgaben des Bundes für die Jahre 2023 bis 2026 ab. Abbildung 3 stellt diese den Revisionen der verplanbaren Steuern gegenüber. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Reformvorschlag nur für 2023 eine preisbedingte strukturelle Haushaltslücke bewirkt hätte. Die geschätzten preisbedingten Mehrausgaben übersteigen die verplanbaren Steuermehreinnahmen aber immerhin in einer Größenordnung von 10 Mrd. Euro. Die Revision der Preise in den Planungen für das Jahr 2023 sind allerdings außergewöhnlich hoch (vgl. Abbildung 4). In den Planungen für die Jahre 2024 bis 2026 übersteigen dann auch mit dem Reformvorschlag die verplanbaren Steuermehreinnahmen die preisbedingten Mehrausgaben.2

Abbildung 4
Revision des Preisniveaus des privaten Konsums in der Haushaltsplanung
Revision des Preisniveaus des privaten Konsums in der Haushaltsplanung

Die mit den Boxplots dargestellte Verteilung umfasst die Haushaltsplanungen für die Jahre 2015 bis 2023. Erfasst sind die prozentualen Abweichung des Preisindex des privaten Konsums von der Vergleichsschätzung. Der rechte Boxplot zeigt die Verteilungen der Revisionen von November t-1 gegenüber Mai t-1. Die übrigen Boxplots beziehen sich auf die Revision gegenüber dem Mai des jeweiligen Vorjahrs. Die eingekreisten Ausreißer sind die Preisrevisionen für die Planung des Jahres 2023.

Quelle: BMWK und eigene Berechnungen.

Im aktuellen Verfahren erhöht sich der finanzpolitische Spielraum deutlich schneller, weil die umfangreichen positiven Steuerüberraschungen sofort verplant werden dürfen. Der Spielraum geht dabei weit über den abgeschätzten inflationsbedingten Ausgabendruck hinaus. Das aktuelle Verfahren dürfte die Haushaltslage also vorübergehend zu günstig zeichnen. Dies liegt daran, dass es das Budget nicht um Einflüsse von Preisschwankungen bereinigt (wie auch andere übliche Verfahren zur Konjunkturbereinigung).

Besonderheit kalte Progression

Hier nicht vertieft ist das Thema der kalten Progression bei der Einkommensteuer (Deutsche Bundesbank, 2022c): Schätzungen des Effekts der kalten Progression unterliegen ebenfalls Revisionen, die bei überraschend sehr hoher Inflation quantitativ bedeutsam sind. Wenn der Steuertarif an die kalte Progression angepasst wird, bietet es sich für unseren Reformvorschlag an, den Effekt der kalten Progression den verplanbaren Steuern vollständig zuzuschlagen (statt diesbezügliche Schätzfehler dem Fehlerterm zuzurechnen).

Fazit

Bei stark steigenden Inflationsraten dürften gängige Verfahren zur Konjunkturbereinigung die strukturelle Haushaltslage in der Regel vorübergehend zu günstig zeichnen. Denn sie glätten preisbedingte Einnahmen- und Ausgabenausschläge nicht, und die Einnahmen reagieren gewöhnlich schneller auf Preisentwicklungen als die Ausgaben. Unser Reformvorschlag funktioniert (nur) anders, wenn die höhere Inflation überraschend kommt. In diesem Fall bildet er das strukturelle Budget temporär zu ungünstig ab. Dies liegt daran, dass er überraschende Mehreinnahmen nur schrittweise für die Haushaltplanung freigibt, um die verplanbaren Einnahmen zu verstetigen. Bei einem Inflationsschock laufen die verplanbaren Einnahmen den preisbedingten Ausgabenzuwächsen dann tendenziell hinterher. Andere Verfahren, die Revisionen von verplanbaren Steuern begrenzen, dürften bei Inflationsschocks ähnlich wirken.

Die Budgeteffekte üblicher Preisrevisionen dürften quantitativ wenig relevant sein. Bei starken Preisüberraschungen wie im Jahr 2023 sind die Verzerrungen aber deutlich. Im Ergebnis erlaubt das aktuelle Verfahren nach unserer Einschätzung zeitweise einen „zu lockeren“ Haushaltskurs. Unser Reformvorschlag hätte im Jahr 2023 hingegen potenziell einen „zu restriktiven“ finanzpolitischen Kurs verlangt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt davon ab, ob noch Puffer in den Budgets vorhanden sind (oder gegebenenfalls die Sondersituation eine Notlage im Sinne der Schuldenbremse rechtfertigt). Zu bedenken ist auch, dass bei hoher Inflation ein eher restriktiver Fiskalkurs aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive Vorteile hat: Er trägt dazu bei die Inflation wieder zu senken.

Im Idealfall versagt das Verfahren zur Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse auch in Ausnahmesituationen nicht. Ein Verfahren, das wichtigen Anforderungen an die Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse gerecht wird (Kremer et al., 2022) und alle Eventualitäten abdeckt, gibt es aber nicht. Dies verdeutlicht auch die jüngste Evaluation der Konjunkturbereinigung des Bundes (IfW, 2023). Dabei ist aus unserer Sicht nicht zuletzt wichtig, dass das Verfahren stabil ist, damit sich Kreditspielräume nicht durch Ad-hoc-Anpassungen gestalten lassen. Als Kehrseite kann solch ein Verfahren dann in Sondersituationen zu starr sein. Unsere Auswertungen deuten darauf hin, dass unser Reformvorschlag bei gewöhnlichen Konjunkturbewegungen gut funktioniert funktioniert (Deutsche Bundesbank, 2022a; Kremer et al., 2022). Insgesamt halten wir ihn weiterhin für eine sinnvolle Verbesserung der Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse. Denn gegenüber dem aktuellen Verfahren erleichtert er in der Gesamtschau eine stetige und konjunkturgerechte Haushaltspolitik.

  • 1 Die Revisionen liegen zum Teil an der überraschend hohen Inflation. Aber auch hinsichtlich anderer Entwicklungen war die Unsicherheit in der Corona- und in der Energiekrise außergewöhnlich hoch und die Steuerschätzung im Nachhinein betrachtet zu vorsichtig.
  • 2 Das Jahr 2027 ist nicht mehr abgebildet, weil sich dann die verplanbaren Steuern in den beiden Verfahren wieder vollständig angleichen (sofern es zu keinem neuen Preisschock kommt).

Literatur

Büttner, T. und B. Kauder (2015), Political biases despite external expert participation? An empirical analysis of tax revenue forecasts in Germany, Public Choice, 164, 287-307.

Deutsche Bundesbank (2022a), Die Schuldenbremse des Bundes: Möglichkeiten einer stabilitätsorientierten Weiterentwicklung, Monatsbericht, April, 53-70.

Deutsche Bundesbank (2022b), Wie Inflation in der Regel auf die Staatsfinanzen wirkt, Monatsbericht, August, 67-68.

Deutsche Bundesbank (2022c), Zur kalten Progression im Einkommensteuertarif, Monatsbericht, Juni, 65-76.

IfW (2023), Potenzialschätzung und Produktionslücken der Bundesregierung – Darstellung und Vergleich von Vorschlägen zur Anpassung der Bestimmungsmethode, Gutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zum Projekt Nr. 08/22, Mai.

Kremer J., J. Kuckuck und K. Wendorff (2022), Konjunkturbereinigung in der Schuldenbremse reformieren: Revisionen erst zeitverzögert einrechnen, Wirtschaftsdienst, 102(11), 830-833, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2022/heft/11/beitrag/konjunkturbereinigung-in-der-schuldenbremse-reformieren-revisionen-erst-zeitverzoegert-einrechnen.html (5. Oktober 2023).

Title:Cyclical Adjustment of the Debt Brake in the Event of Surprisingly High Inflation

Abstract:The recent high level of inflation temporarily eased government budgets. As a result, conventional estimation methods for cyclical adjustment are likely to temporarily paint an overly favourable picture of the underlying budgetary situation. This also applies to the cyclical adjustment in the German Federal Government’s debt brake, as we argue below. We compare this with our proposal for cyclical adjustment reform: it is likely to be too optimistic in the face of surprisingly high inflation. However, it is very unusual that inflation is underestimated so much. Overall, we continue to consider our proposed reform to be advantageous compared with the current approach.

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© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0190

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