Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Dieser Beitrag ist Teil von Was kann gegen die Investitionsschwäche in Deutschland getan werden?

Aufgrund der herausfordernden ökonomischen Situation Deutschlands mit Beginn einer technischen Rezession verstärkt sich der Handlungsdruck für den deutschen Gesetzgeber, Impulse für mehr Wachstum zu setzen. Handlungsbedarf zur Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Deutschland gibt es hierbei gleich in mehreren Bereichen. Aktuelle Untersuchungen zeigen wachsende Nachteile durch die Breite aller betrachteten Standortfaktoren (Heinemann et al., 2022). Deutschland befindet sich in der aktuellen Rangliste des Länderindex Familien­unternehmen auf Rang 18. Dies entspricht einer Verschlechterung um vier Positionen gegenüber wichtigen Industrienationen und zeichnet ein ernüchterndes Bild des deutschen Wirtschaftsstandorts. Neben bekannten Investitionshemmnissen, wie z. B. eines zunehmenden Fachkräftemangels, hoher Arbeitskosten und hohen Unternehmensteuern (Bardt et al., 2017), belasten insbesondere die in den vergangenen Jahren stark zunehmende Regulierungsdichte als auch die im internationalen Vergleich sehr hohen Energiekosten zunehmend die Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft sowie internationaler Investierender.

Investitions- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sind allerdings eine Voraussetzung für Wirtschaftswachstum, globale Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Wohlstand. Empirische Untersuchungen zeigen, dass eine Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE) um 1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) das Wirtschaftswachstum um 0,32 % bis 1,18 % erhöht (Akcali und Sismanoglu, 2015). Zudem zeigt sich, dass eine hohe FuE-Intensität als eine Art Versicherung gegen künftige Konjunkturabschwünge gewertet werden kann (Lome et al., 2016). Daher ist es von größter Bedeutung, dass der Gesetzgeber ein günstiges Umfeld für (innovative) Investitionen schafft. Dies gilt umso mehr in einer sich zuletzt verlangsamenden Wirtschaftsentwicklung und angesichts der Notwendigkeit der digitalen und grünen Transformation. Gleichzeitig ist der Handlungsspielraum aufgrund der angespannten Haushaltslage infolge krisenbedingter Ausgabenpakete stark eingeschränkt.

Wie steht der deutsche Wirtschaftsstandort im internationalen Steuerwettbewerb da?

Steuerpolitik wird seit Jahren immer wieder als Standortpolitik bezeichnet, da die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im internationalen Kontext auch stark von steuerlichen Belastungen geprägt ist. Zahlreiche Studien belegen, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen und insbesondere die effektive Steuerbelastung auf Unternehmens­ebene bei multinational agierenden Konzernen für Investitionsentscheidungen wesentliche Entscheidungsfaktoren darstellen (Schanz et al., 2017). Aus empirischen Studien lässt sich schlussfolgern, dass ein um 1 Prozentpunkte höherer Körperschaftsteuersatz die Investitionstätigkeit um ca. 2,49 % reduziert (Feld und Heckemeyer, 2011). Speziell in einem integrierten Wirtschaftsraum, wie dem europäischen Binnenmarkt, kann sich das bestehende Gefälle in der Ertragsteuerbelastung auf die Standortwahl, das Investitionsvolumen, die Gewinnallokation im Konzern sowie die Finanzierungsweise von Investitionen auswirken.

Daher stellt sich die Frage, wie gut die gegenwärtigen steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland für Investitionen und Innovationen sind. Die Ergebnisse des Mannheim Tax Index1 2022 zeigen, dass Deutschland gemessen an der effektiven Durchschnittsteuerbelastung einer profitablen Investition innerhalb der EU, aber auch im Vergleich zu wichtigen Drittstaaten ein Hochsteuerland ist (vgl. Abbildung 1). Für einen Vergleich der Steuersysteme und eine Beurteilung der steuerlichen Standortattraktivität ist der effektive Durchschnittsteuersatz ein etabliertes Maß, da dieser über den gesetzlichen Steuersatz hinausgeht und aufgrund der aggregierten Darstellung steuerlicher Rahmenbedingungen alle Länder vergleichbar macht (Spengel, 2003; Devereux und Griffith, 2003). Konkret lag die effektive durchschnitt­liche Steuerbelastung eines rentablen Investitionsprojekts in Deutschland 2022 bei 28,8 % und damit um 10 Prozentpunkte über dem (ungewichteten) EU-Durchschnitt und knapp 3,5 Prozentpunkte über dem BIP-gewichteten EU-Durchschnitt. Seit der letzten grundlegenden Unternehmensteuerreform 2008 stagniert bzw. steigt die deutsche steuerliche Effektivbelastung aufgrund der im Durchschnitt gestiegenen Gewerbesteuerhebesätze leicht an. Diese Entwicklung der vergangenen Jahre steht im starken Kontrast zu anderen großen Industrienationen (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 1
Effektive Durchschnittsteuerbelastung für Kapitalgesellschaften in der EU und ausgewählten Drittstaaten, 2022
Effektive Durchschnittsteuerbelastung für Kapitalgesellschaften in der EU und ausgewählten Drittstaaten, 2022

Quelle: Mannheim Tax Index, ZEW (2023).

Abbildung 2
Effektive Durchschnittsteuerbelastung für ausgewählte Nachbarstaaten Deutschlands
Effektive Durchschnittsteuerbelastung für ausgewählte Nachbarstaaten Deutschlands

Quelle: eigene Darstellung basierend auf dem Mannheim Tax Index, ZEW (2023).

Seit 2017 liegt Deutschlands effektive Durchschnittsteuerbelastung wieder über dem BIP-gewichteten EU-Durchschnitt und somit hat Deutschland seinen Vorsprung in der steuerlichen Standortattraktivität durch die Steuerreform 2008 gegenüber anderen großen EU-Ländern komplett eingebüßt. Inzwischen hat Deutschland sogar gegenüber Frankreich und Großbritannien Hochsteuerlandcharakter für Investitionen. Seit 2018 liegt Deutschlands Effektivsteuerbelastung zudem über dem Niveau der USA. Diese haben durch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes im Rahmen des „Tax Cuts and Jobs Act“ deutlich an steuerlicher Standortattraktivität gewonnen. Die anhaltend hohe Belastung von Investitionen in Deutschland seit der grundlegenden Steuerreform 2008 gefährdet die Position im Mittelfeld der Belastungen vergleichbarer Industrienationen, wodurch Deutschland aus steuerlicher Perspektive ein relativ unattraktiver Standort für Unternehmen mit internationalen Investitionsalternativen ist.

Wie sehen die steuerlichen Rahmenbedingungen aus?

Neben fehlenden steuerlichen Anreizen zur Stärkung des Investitionsstandorts hat Deutschland im vergangenen Jahrzehnt einen starken Fokus auf die Einschränkung von internationaler Steuervermeidung gelegt und in vielen Punkten Steuerverschärfungen eingeführt. Bereits im Vorfeld der BEPS-Debatte (Base Erosion and Profit Shifting) war Deutschland Vorreiter bei der Einführung der Zinsschranke. Auch mit den Teilabzugsbeschränkungen für Lizenzgebühren durch die sogenannte Lizenzschranke zeigte sich Deutschland besonders restriktiv gegenüber grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Zuletzt wurden zahlreiche steuerliche Reformen auf supranationaler Ebene verabschiedet und in Deutschland implementiert (z. B. EU Anti Tax Avoidance Directive, ATAD). Hierbei ging Deutschland häufig über die geforderten Mindeststandards hinaus, wie z. B. in der ATAD, sowohl bei der Ausnahme von der Zinsschranke als auch bei der Niedrigsteuergrenze der Hinzurechnungsbesteuerung (Bührle et al., 2023; Hardeck und Heckemeyer, 2023). Diese Maßnahmen schränken die Möglichkeiten zur Verlagerung von Buchgewinnen ein, die in der Vergangenheit mutmaßlich die negativen Investitionswirkungen hoher Steuersätze abmilderten (Hong und Smart, 2010). Somit fällt ein hoher Gewinnsteuersatz für zukünftige Investitionsentscheidungen stärker ins Gewicht, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Bereits 2020 war Deutschland in Bezug auf den administrativen Aufwand, ohne Berücksichtigung von Steuerplanung und Steuerberateraufwand, im oberen Drittel führender Industrienationen in Europa angesiedelt (World Bank, 2020). Durch die Erweiterung der länderbezogenen Berichterstattung (Country-by-Country Reporting, CbCR) – welche zudem Anreize zur Verlagerung von Kapital und Arbeit in Niedrigsteuerländer schafft –, sowie die Einführung der globalen Mindeststeuer ist vorerst kein Abbau der steuerlichen Bürokratie zu erwarten. Eine aktuelle Studie schätzt, dass sich hierdurch zusätzliche Deklarationskosten der betroffenen deutschen Unternehmen in Höhe von jährlich knapp 100 Mio. Euro an laufenden Kosten sowie Einmalkosten in Höhe von rund 319 Mio. Euro ergeben (Gaul et al., 2022).

Neben all der Kritik muss aber auch festgehalten werden, dass durch die Einführung einer gesonderten steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung in Form des Forschungszulagengesetzes 2020 erste Schritte zur Aufwertung der steuerlichen Standortattraktivität für Investitionen in Innovationen erfolgten. Mit dieser Einführung folgt Deutschland dem anhaltenden Trend zu steuerlichen Präferenzregimen, die gezielt auf hochprofitable und mobile realökonomische Aktivitäten und Arbeitnehmer abzielen (Bührle et al., 2023; Fischer et al., 2022). Durch die Steuergutschrift in Höhe von 25 % der personalbezogenen FuE-Aufwendungen konnte Deutschland im internationalen Vergleich seine effektive Durchschnittsteuerbelastung deutlich reduzieren (Spengel et al., 2022). Allerdings unterliegt die Forschungszulage einer doppelten Einschränkung: zum einen werden nur Personalaufwendungen berücksichtig und zum anderen ist die Bemessungsgrundlage auf aktuell 4 Mio. Euro beschränkt.2 Daher kann die aktuelle steuerliche Förderung bestehende Wettbewerbsnachteile durch deutlich großzügigere Ausgestaltungen in der steuerlichen FuE-Förderung der internationalen Wettbewerber nicht ausgleichen und somit keine deutliche Verbesserung in der Standortattraktivität erreichen.

Aus deutscher Perspektive sind diese steuerlichen Entwicklungen im Hinblick auf ein investitionsfreundliches Umfeld sehr bedenklich. Das geläufige Argument, dass das hohe Steuersatzniveau und die sonstigen steuerlichen Investitionshemmnisse durch exzellente nicht steuerliche Standortvorteile kompensiert werden würde, greift nicht mehr. Dass es sich hierbei um ein reales, besorgniserregendes Risiko handelt, verdeutlicht die Rekordhöhe des Nettokapitalabflusses aus Deutschland von 125 Mrd. Euro im Jahr 2022 (Rusche, 2023). Dieser ist zum einen durch einen Einbruch ausländischer Direktinvestition in Deutschland, aber auch durch zunehmende deutsche Investitionen im Ausland getrieben. Da steuerliche Rahmenbedingungen ein wesentlicher Faktor in der Abwägung alternativer Investitionsstandorte von Unternehmen sind, erscheint es plausibel, dass sich auch die deutsche Steuerpolitik unter diesen Bedingungen zunehmend auf ein Werben um realökonomische Aktivitäten konzentrieren muss.

Wie ist vor diesem Hintergrund das Wachstumschancengesetz zu bewerten?

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage, den drängenden ökonomischen Herausforderungen und einer Steuerpolitik, die seit zehn Jahren überwiegend auf eine Eindämmung der aggressiven Steuerplanung statt auf attraktive Investitionsbedingungen ausgerichtet war, erscheint der aktuelle steuerpolitische Handlungsbedarf enorm. Gleichzeitig schränken rechtliche Restriktionen (insbesondere die Umsetzung der Zwei-Säulen-Lösung der OECD sowie die EU-ATAD-Richtlinien) sowie die angespannte Haushaltslage mögliche Reformoptionen ein. Vor diesem Hintergrund ist das Wachstumschancengesetz als eine Reihe von kleineren Schritten in die richtige Richtung zu sehen. Für den Investitionsstandort Deutschland sind insbesondere die folgenden Maßnahmen von Bedeutung.

Befristete Einführung der degressiven Abschreibung

Als eine wesentliche Neuerung gegenüber dem Referentenentwurf enthält der Regierungsentwurf eine befristete (Wieder-)Einführung der degressiven Abschreibung. Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die ab dem 1. Oktober 2023 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt werden, ist eine befristete Wiedereinführung der degressiven AfA (Absetzung für Abnutzung) von bis zu 25 %, maximal dem 2,5-fachen der linearen Abschreibung, vorgesehen. Für Wohngebäude mit Baubeginn ab dem 1. Oktober 2023 soll ein degressiver Abschreibungssatz von 6 % befristet auf sechs Jahre gelten.

Die befristete Einführung der degressiven AfA bietet einen direkten Anreiz zur Steigerung der Wirtschaftsaktivität, da nur Unternehmen, die tatsächlich investieren, von den beschleunigten Abschreibungen profitieren. Ökonomische Vorteile einer verbesserten Abschreibung gegenüber einer Senkung des Körperschaftsteuersatzes ergeben sich des Weiteren aus der Rechtsformneutralität, wodurch sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften profitieren, und einer temporalen Verschiebung des Steueraufkommens im Gegensatz zu einem finalen Steueraufkommensverlust. In einer CGE-Modell-Simulation zeigen Dorn et al. (2021), dass die Verbesserung der Abschreibungen deutlich stärkere ökonomische Wirkung entfaltet als eine alleinige Steuersatzsenkung.

Gewinnunabhängige Prämien für „grüne“ Investitionen

Neben der degressiven Abschreibung sieht der Regierungsentwurf für die Jahre 2024 bis 2029 gewinnunabhängige Prämien für Investitionen vor, die eine Bewältigung der Energietransformation ermöglichen. So können auf Antrag Investitionen von Unternehmen gefördert werden, die zu einer Minderung des Energieverbrauchs beitragen und somit den Umwelt- und Klimaschutz verbessern. Um förderfähig zu sein, muss die Energieeffizienz zertifiziert sein, z. B. im Rahmen eines Energieaudits oder innerhalb eines Energie- oder Umweltmanagementsystems. Die Bemessungsgrundlage soll im Förderzeitraum insgesamt maximal 200 Mio. Euro pro Anspruchsberechtigtem betragen und die Investitionsprämie 15 % hiervon (d. h. max. 30 Mio. Euro).

Vorteilhaft ist, dass sich die Investitionsprämie anders als die degressive Abschreibung auch dann positiv auf die Liquidität der Unternehmen auswirkt, wenn diese Verluste machen. Dies ist insbesondere in Rezessionen relevant sowie für junge Unternehmen mit Anlaufverlusten. Zu bedenken bleibt, dass sich das zukünftige Abschreibungspotenzial der geförderten Wirtschaftsgüter um die Prämie verringert. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erscheint hinderlich, dass die maximale Zahl an Anträgen im Förderzeitraum auf vier Anträge begrenzt ist und jeweils eine Bemessungsgrundlage von mindestens 10.000 Euro Anschaffungs- oder Herstellungskosten je Antrag erreicht werden muss. Dies führt zu erhöhtem Planungsaufwand anstatt einer bürokratischen Entlastung. Durch die Beschränkung des Einsatzgebiets der Investitionsprämie auf eng umrissene Klimaschutzinvestitionen werden nicht in der Breite Investitionsanreize gesetzt. Insbesondere sind entgegen der ursprünglichen Ankündigung der Bundesregierung Investitionen in die digitale Transformation nicht in die Förderung einbezogen worden.

Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung

Zu begrüßen ist die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung und eine Angleichung an internationale Wettbewerber durch eine Ausweitung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und eine Erhöhung der Forschungszulage um 10 Prozentpunkte für KMU. Mit dieser Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung liegt Deutschland im Trend, denn unter anderem auch die USA verabschiedeten kürzlich eine starke Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung. Durch die Erweiterung der förderfähigen Ausgaben auf Aufwendungen für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens liegt der Fokus nicht mehr nur bei personalintensiven FuE-Projekten, sondern unterstützt zukünftig auch sehr kostenintensive Investitionen. Diese Maßnahme wird flankiert von einer erweiterten Berücksichtigung der Kosten von Auftragsforschung (70 % vs. 60 %) sowie einem erhöhten Stundensatz für Eigenleistungen bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern (70 Euro vs. 40 Euro). Im Einklang mit der Ausweitung der förderfähigen Ausgaben führt auch die Verdreifachung der maximalen Steuergutschrift auf bis zu 3 Mio. Euro jährlich zu weiteren finanziellen Entlastungen. Insgesamt erhöht sich branchenübergreifend die Attraktivität der Forschungszulage in Deutschland und lässt eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit für FuE-Investitionen erwarten.

Ausweitung der Verlustverrechnung

Parallel zu den zielgerichteten Maßnahmen ist zu begrüßen, dass der Regierungsentwurf die Verlustverrechnungsmöglichkeiten deutlich ausweitet. Durch diese Maßnahme werden die Investitionsanreize für alle Unternehmen verbessert. Dies lässt sich dadurch erklären, dass bei besserer Verrechenbarkeit von Verlusten ein größerer Teil der Gewinne von der hohen Gewinnsteuerbelastung in Deutschland abgeschirmt wird (Koch und Langenmayr, 2020). Bei der aktuell hohen Gewinnsteuerbelastung in Deutschland fällt dies besonders ins Gewicht. Konkret sieht der Regierungsentwurf vor, den Verlustrücktrag nach § 10d für bis zu drei Jahre und in Höhe von 10 Mio. Euro zuzulassen. Während die Verbesserung des Verlustrücktrags eine dauerhafte Maßnahme ist, soll zusätzlich temporär der Verlustvortrag ausgeweitet werden. Für die Jahre 2024 bis einschließlich 2027 soll die Prozentgrenze, bis zu der Verlustvorträge oberhalb von 1 Mio. Euro verrechnet werden dürfen, vorübergehend auf 80 % (statt bisher 60 %) angehoben werden. Die im Referentenentwurf vorgesehene komplette Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung ist im Regierungsentwurf nicht länger enthalten.

Insbesondere für Investitionen mit hohem Risiko (beispielsweise in Forschung und Entwicklung) stellt es einen besonderen Anreiz dar, wenn sich der Staat durch bessere Verlustverrechnung stärker am Investitionsrisiko beteiligt, indem Gewinne und Verluste eher symmetrisch behandelt werden (Langenmayr und Lester, 2018).

Ein Schritt in die richtige Richtung?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen steuerlichen Investitionshemmnisse einer hohen Unternehmensteuerbelastung weist das von der Bundesregierung beschlossene Wachstumschancengesetz in die richtige Richtung. Durch die aufgeführten Maßnahmen können gezielte Impulse für eine Stärkung von Investitionen gesetzt werden. Allerdings wird diese Reform nichts daran ändern, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten weiterhin eine hohe Unternehmensteuerbelastung aufweist. In der Breite kann somit kein riesiger Sprung im Steuerwettbewerb erwartet werden. Eine Absenkung des Körperschaftsteuersatzes war vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage allerdings auch nicht zu erwarten. Durch den sich abzeichnenden Wandel im Steuerwettbewerb von reiner Buchgewinnverlagerung hin zur Verlagerung realer Aktivitäten gehört eine Reduzierung der Unternehmensteuerbelastung auf ein international konkurrenzfähiges Niveau jedoch zukünftig, bei sich entspannender Haushaltslage, wieder auf die steuerpolitische Agenda.

In Bezug auf die erhoffte bürokratische Entlastung bietet das Wachstumschancengesetz wenig Potenzial, sondern verstärkt durch die Einführung einer Zinshöhenschranke, der Pflicht zur Mitteilung von innerstaatlichen Steuergestaltungen sowie der Beschränkungen in der Antragstellung der „grünen“ Investitionsprämie tendenziell eher noch den administrativen Aufwand für betroffene Unternehmen. Vorbild für einen Abbau steuerlicher Bürokratie könnte hier das digitale Antragsverfahren bei der steuerlichen FuE-Förderung sein, dem ein geringer administrativer Aufwand und kurze Bearbeitungsdauern attestiert werden (IHK, 2023; Deloitte, 2023).

  • 1 Im Mannheim Tax Index werden Steuern auf die Gewinne und das eingesetzte Kapital von Kapitalgesellschaften berücksichtigt. Hierbei werden sowohl die Tarifbelastungen dieser Steuern als auch die Interaktion verschiedener Steuerarten und die wichtigsten Regelungen zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage (unter anderem Abschreibungen, fiktive Eigenkapitalabzüge) berücksichtigt. Der Index beinhaltet eine umfassende Reihe von Ländern (EU27, Großbritannien, Schweiz, Norwegen, USA, Kanada, Japan, Nord-Mazedonien und Türkei) für den Zeitraum von 1998 bis 2022.
  • 2 Die Bemessungsgrundlage im Bereich der eigenbetrieblichen Forschung war dabei zunächst auf 2 Mio. Euro jährlich begrenzt, was bei einem Fördersatz von 25 % eine maximale Fördersumme von 500.000 Euro pro Jahr und pro Unternehmen ergab. Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurde die maximale jährliche Bemessungsgrundlage für förderfähige Aufwendungen, die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Juli 2026 entstanden sind, von 2 auf 4 Mio. Euro verdoppelt.

Literatur

Akcali, B. Y. und E. Sismanoglu (2015), Innovation and the effect of research and development (R&D) expenditure on growth in some developing and developed countries, Procedia – Social and Behavioral Sciences, 195, 768-775.

Bardt, H., M. Grömling, T. Hentze und T. Puls (2017), Investieren Staat und Unternehmen in Deutschland zu wenig? Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf, IW-Analyse, 118.

Bührle, T., K. Nicolay, C. Spengel und S. Wickel (2023), Vom Steuerwettbewerb zur koordinierten globalen Unternehmensbesteuerung? Trends, Perspektiven und Belastungswirkungen. Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.

Deloitte (2023), Forschungszulagengesetz (FZulG): Hinweise zum Anspruch auf die steuerliche Forschungszulage, https://www2.deloitte.com/de/de/pages/tax/articles/fzulg-steuerliche-forschungszulage.html (29. September 2023).

Devereux, M. P. und R. Griffith (2003), Evaluating Tax Policy for Location Decisions, International Tax and Public Finance, 10, 107-126.

Dorn, F., C. Fuest, F. Neumeier und M. Stimmelmayr (2021), Wie beeinflussen Steuerentlastungen die wirtschaftliche Entwicklung und das Steueraufkommen?, Eine quantitative Analyse mit einem CGE-Modell, ifo Schnelldienst, 10-2021, 3-11.

Feld, L. P. und J. Heckemeyer (2011), FDI and Taxation: A meta-study, Journal of Economic Surveys, 25(2), 233-272.

Fischer, L., J. Heckemeyer, C. Spengel und D. Steinbrenner (2022), Tax policies in a transition to a knowledge-based economy – The effective tax burden of companies and highly skilled labour, Intertax, 50(4), 286-321.

Gaul, J., D. Klein, J. M. Müller, A. Pfrang, I. Schulz, C. Spengel, S. Weck und S. Wickel (2022), Die Kosten der globalen Mindeststeuer in Deutschland, ZEW Policy Brief, 22-07.

Hardeck, I. und J. Heckemeyer (2023), Deutschland im Steuerwettbewerb: Positionierung und Handlungsempfehlungen für eine Zukunft im Wandel, Steuer und Wirtschaft – StuW 2023, 207-218.

Heinemann, F., M. Kraus, L. Fischer, H. Gundert und S. Weck (2022), Länderindex Familienunternehmen, 9. Aufl.

Hong, Q. und M. Smart (2010), In Praise of Tax Havens: International Tax Planning and Foreign Direct Investment, European Economic Review, 54(1), 82-95.

IHK (2023), Veranstaltung zur steuerlichen Forschungsförderung – Wie Unternehmen profitieren, https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/Recht-und-Steuern/Steuerrecht/Steuerliche-F%C3%B6rderung-von-F-E/veranstaltung-steuerliche-forschungsfoerderung/ (29. September 2023).

Koch, R. und D. Langenmayr (2020), Der steuerliche Umgang mit Verlusten: Reformoptionen für die Corona-Krise, Wirtschaftsdienst, 100(5), 367-373, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/5/beitrag/der-steuerliche-umgang-mit-verlusten-reformoptionen-fuer-die-corona-krise.html (6. Oktober 2023).

Langenmayr, D. und R. Lester (2018), Taxation and Corporate Risk-Taking, The Accounting Review, 93(3), 237-266.

Lome, O., A. G. Heggeseth und Ø. Moen (2016), The effect of R&D on performance: Do R&D-intensive firms handle a financial crisis better?, The Journal of High Technology Management Research, 27(1), 65-77.

Rusche, C. (2023), Deindustrialisierung – Eine Analyse auf Basis von Direktinvestitionen, IW-Kurzbericht, 43/2023, 1-3.

Schanz, D., A. Dinkel und S. Keller (2017), Tax attractiveness and the location of German controlled subsidiaries, Review of Managerial Science, 11(1), 251-297.

Spengel, C. (2003), Internationale Unternehmensbesteuerung in der Europäischen Union: Steuerwirkungsanalyse, empirische Befunde, Reformüberlegungen.

Spengel, C., B. Stage und D. Steinbrenner (2022), R&D Tax Incentive Regimes – A Comparison and Evaluation of Current Country Practices, World Tax Journal, 14(2), 331-364.

World Bank (2020), Doing Business, Paying Taxes: Time (Hours per Year) [PAY.TAX.TM], https://databank.worldbank.org/source/doing-business (4. Oktober 2023).

ZEW (2023), Mannheim Tax Index – Update 2022, https://www.zew.de/mannheim-tax-index (4. Oktober 2023).

Title:How Can the Weakness of Investment in Germany be Countered in Terms of Tax Policy?

Abstract:Various obstacles, such as a shortage of skilled workers, high labour costs, high corporate taxes, as well as increasing regulatory
density and high-energy costs, hamper investment in Germany. In particular, the lack of signifi cant tax reforms has eroded Germany’s tax attractiveness compared to other competitors, including France, the UK and the US in recent years. While the Growth Opportunities Act has positive aspects such as the broadening of tax incentives for research and development and the extension of loss carry back regulations, it does not generally alleviate the issue of high corporate taxes in Germany. Additionally, it does not substantially reduce bureaucratic burdens for businesses, as some of its provisions may increase administrative complexity.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0186

Mehr zu diesem Thema bei EconBiz

Alle Suchergebnisse anzeigen