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Die wachsende Präsenz aktivistisch Investierender in Deutschland fordert Unternehmen durch einen konfrontativen Stil und weitreichende Forderungen heraus. Dieser Beitrag ordnet das angloamerikanische Kapitalmarktphänomen im Spannungsfeld zwischen Corporate Governance und der Eigentümerstruktur von Unternehmen ein. Die Auswirkungen aktivistischer Kampagnen werden für eine Stichprobe deutscher Unternehmen anhand der kurzfristigen Aktienkursreaktionen analysiert. Der festgestellte Bewertungseffekt ist positiv und statistisch signifikant. Im Mittel beträgt die abnormale Aktienrendite infolge aktivistischer Kampagnen 3,96 %. Diese Reaktion des Kapitalmarkts kann durch Transaktions- und Informationseffekte erklärt werden.

Für Aufsehen sorgten jüngst zwei aktivistisch Investierende, als sie die Bayer AG dazu aufforderten, die Saatgutsparte des Unternehmens auszugliedern und den Vorstandsvorsitzenden zu ersetzen. Dieser musste kurz darauf vorzeitig seinen Platz räumen. Das Beispiel unterstreicht, dass aktivistisch Investierende sich zu prominenten Kapitalmarktakteuren entwickelt haben, gegen deren Einfluss selbst etablierte DAX-Konzerne nicht gefeit sind.

Die heutige Bewegung aktivistisch Investierender hat ihren Ursprung in den USA. Einer der frühesten Fälle von Aktionärsaktivismus ist die Auseinandersetzung zwischen dem Fondsmanager Benjamin Graham und dem Unternehmen Northern Pipeline im Jahr 1928. Graham forderte das Unternehmen in einer privaten Besprechung mit dem Management dazu auf, überschüssige Finanzanlagen zu liquidieren. Der Erlös solle mittels einer Sonderdividende an die Aktieninhaber:innen ausgeschüttet werden. Nachdem das Management dieses Vorhaben verweigerte, bildete Graham im Stil eines modernen aktivistischen Investors eine Koalition mit anderen Anteilseignern. Er konnte bei einer Abstimmung der Hauptversammlung einen Sitz im Verwaltungsrat des Unternehmens erringen. Daraufhin folgte das Management Grahams Vorschlag zur Kapitalausschüttung (Gramm, 2016).

Das historische Beispiel verdeutlicht exemplarisch die Vorgehensweise aktivistisch Investierender, die seit den 1920er Jahren vergleichbar geblieben ist. Waren es damals einige wenige Aktionäre, die das Auseinanderfallen von Kontrolle und wirtschaftlichem Eigentum großer Unternehmen mit ersten aktivistischen Kampagnen zu überwinden suchten, professionalisierte sich diese Aktionärsbewegung in den folgenden Jahrzehnten. Während in den 1980er Jahren der konfrontative Umgangston der Corporate Raider (deutsch: Unternehmensplünderer) dominierte, z. B. in Gestalt des ikonischen Carl Icahn, wandelte sich diese Investorengruppe mit Beginn der 1990er Jahre zum modernen Leitbild des konstruktiven Investorenaktivisten (Bessler und Vendrasco, 2022). Diese Akteure beabsichtigten, wesentliche Unternehmensentscheidungen über die Vermögens- und Kapitalstruktur sowie die Zusammensetzung und Vergütung des Managements zu beeinflussen. Seit den 1990er Jahren verbreitet sich diese Form des Investorenaktivismus zunehmend international. Eine bis heute anhaltende Kontinuitätslinie verbindet aktivistisch Investierende im Laufe der Jahrzehnte in ihrer Strategie und Vorgehensweise.

Zwischen Anteilseignern und Management

Unter aktivistisch Investierenden werden in diesem Beitrag spezialisierte Kapitalmarktakteure verstanden, die die Geschäftspolitik börsennotierter Unternehmen im Interesse der Aktionärsschaft beeinflussen. Aktivistisch Investierende, z. B. Hedgefonds oder Private-Equity-Gesellschaften, verfügen in der Regel lediglich über Minderheitsbeteiligungen zwischen 5 % und 13 % der ausstehenden Aktien an Unternehmen (Brav et al., 2021). Sie sind zur Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber dem Management aus diesem Grund auf die Unterstützung institutioneller Aktieninhaber:innen mit signifikanten Stimmrechtsanteilen angewiesen. Dazu bedienen sich aktivistisch Investierende der öffentlichen Auseinandersetzung mit Unternehmen und ihren Vertretern. Sie stellen spezifische Forderungen auf, betreiben zur Stärkung ihrer Verhandlungsposition systematisches Lobbying der Aktionärsbasis und forcieren Kampfabstimmungen bei Hauptversammlungen. Diese Strategie steht im Zusammenhang mit dem vorrangigen Ziel der Investorengruppe, positive Renditen auf das verwaltete Kundenvermögen zu erzielen. Daneben kann Investorenaktivismus auf inhaltliche Ziele ausgerichtet sein, z. B. im Rahmen von Environmental Social Governance (ESG)-Aktivismus, der auf eine Veränderung der Geschäftspolitik im Hinblick auf ökologische, soziale und führungskulturelle Aspekte abzielt.

Anfang 2023 wurde der Einstieg zweier aktivistisch Investierender bei der Bayer AG bekannt. Die Londoner Investmentgesellschaft Bluebell Capital Partners und der Hedgefonds Inclusive Capital Partners aus San Francisco forderten einen Wechsel an der Unternehmensspitze sowie die strategische Überprüfung einer potenziellen Aufspaltung des Unternehmens (Bluebell, 2023). Diese Auseinandersetzung verdeutlicht zentrale Eigenschaften aktivistischer Kampagnen. Zumeist haben aktivistisch Investierende ihren Sitz in englischsprachigen Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder den USA. Aktivistisch Investierende erwerben Minderheitsbeteiligungen an börsennotierten Unternehmen – im Fall der Bayer-Aktivisten betragen die Stimmrechtsanteile jeweils weniger als 1 % – und stellen spezifische Forderungen auf, die auf den Leitsatz Shareholder Value ausgerichtet sind. Dabei koordinieren sich aktivistisch Investierende mit institutionellen Anteilseignern, um ihren Forderungen Gewicht zu verleihen. Im Fall der Bayer-Aktivisten suchte Inclusive Capital Partners die Unterstützung der wichtigsten Großaktionäre, darunter des viertgrößten Bayer-Aktionärs Harris Associates (Farr et al., 2023). Aktivistisch Investierende zielen mit ihren Kampagnen auf Unternehmen ab, deren Aktienkurs in der jüngeren Vergangenheit schlechter abgeschnitten hat als der Benchmarkindex und bei denen strukturelle Probleme vorliegen (Brav et al., 2021). Beide Aspekte sind bei Bayer seit der Übernahme von Monsanto im Jahr 2018 erfüllt. Aktivistisch Investierende machen darüber hinaus Unternehmen zum Ziel ihrer Kampagnen, deren Kapitalmarktbewertung im Verhältnis zur Unternehmenssubstanz und Ertragskraft gering ist. Diese „Value“-Unternehmen bieten Renditechancen, sofern die vorhandenen strukturellen Probleme gelöst werden.

„Heuschrecken“ oder Governance-Intermediäre?

Die Rezeption des Phänomens aktivistisch Investierender ist gespalten. Zwei konträre Sichtweisen bestimmen den wissenschaftlichen Diskurs. Eine in Deutschland prominent vertretene Sichtweise betrachtet aktivistisch Investierende als kurzfristig orientierte „Heuschrecken“, die einen Störfaktor für das langfristige Unternehmenswohl darstellen. Demnach sind aktivistisch Investierende durch eine kurzfristige Erwartungshaltung hoher Renditen motiviert, die sie gegenüber ihren Kund:innen auszuweisen beabsichtigen. Das veranlasst Investorenaktivisten, Unternehmen zu plündern, d. h. auf kurzfristig wertsteigernde Maßnahmen zu drängen, während die betroffenen Unternehmen durch nachteilige Konsequenzen langfristig geschwächt werden. Eine in den USA verbreitete Sichtweise betont hingegen die positive Wirkung aktivistisch Investierender als Governance-Intermediäre, die das Spannungsfeld zwischen Prinzipal und Agent auflösen, das aus divergierenden Interessen zwischen den passiven Anteilseignern und dem Management entsteht (Bebchuk et al., 2015). Die beiden diametralen Sichtweisen stützen sich auf unterschiedliche empirische Befunde über die Effekte, die von aktivistischen Kampagnen auf die Aktienkurse und Fundamentaldaten von Unternehmen ausgehen. Sie sind darüber hinaus Ergebnis der unterschiedlichen kulturellen Prägung der Unternehmensführung zwischen Shareholder Value und Stakeholder Value.

Effektives Monitoring als Koordinationsproblem

In der theoretischen Literatur wird das Problem der wirksamen Überwachung des Managements als Koordinationsproblem der Aktieninhaber:innen modelliert. Zwar liegt es im kollektiven Interesse der Aktionärsschaft, die Handlungen des Managements zu überwachen, um eine Konvergenz der gegenseitigen Interessen zu gewährleisten. Bevor einzelne Anteilseigner jedoch aktiv werden, um im Interesse der Aktionärsgemeinschaft zu handeln, wägen sie die Kosten des Aktivwerdens gegenüber ihrem individuellen Nutzen ab, der sich an der Größe der Anteilsposition bemisst. Während ein wirksames Monitoring der gesamten Aktionärsschaft kollektiv zugutekommt, entfallen die Kosten der Initiative auf die individuellen Akteure (Gong, 2013). Dieses Problem wird durch eine fragmentierte Aktionärsstruktur verschärft. Für Aktionäre mit geringen wirtschaftlichen Eigentumsanteilen besteht weder eine realistische Möglichkeit noch ein wirksamer Anreiz zur Kontrolle des Managements. Dieses Collective-Action-Problem kann durch Investorenaktivisten gelöst werden.

Die weitgehende Regulierungsfreiheit von Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften, die meisten davon ansässig in den USA sowie dem Vereinigten Königreich, erlaubt, aktivistisch Investierenden konzentrierte Portfolios aufzubauen, innerhalb derer die Anteile einzelner Positionen wesentlich größer sind, als es unter anders regulierten Anlageformen möglich wäre. Daneben ermöglicht der Einsatz von Derivaten, beispielsweise Aktienoptionen, mit dem gleichen Kapitaleinsatz eine deutlich größere wirtschaftliche Eigentumsposition aufzubauen als mittels Aktien des Unternehmens. In Verbindung mit der performanceorientierten Vergütungsstruktur ergeben sich aus den institutionellen Rahmenbedingungen wirksame ökonomische Anreize für spezialisierte Akteure, als Investorenaktivisten aufzutreten und das Koordinationsproblem der Aktionärsschaft gegenüber dem Management abzuschwächen (Gilson und Gordon, 2013).

Bewertungseffekte aktivistischer Kampagnen

Die Bewertungseffekte, die von Kampagnen aktivistisch Investierender auf die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen ausgehen, erlauben eine kapitalmarktorientierte Einordnung dieser Investorengruppe. Im Rahmen einer Ereignisstudie werden daher in diesem Beitrag die Bewertungseffekte aktivistischer Kampagnen im Zeitraum um den Tag ihres Bekanntwerdens anhand abnormaler Ak­tienrenditen gegenüber dem CDAX-Kursindex ermittelt. Von besonderer Bedeutung ist in dieser Betrachtung derjenige Tag, an dem die Auseinandersetzung zwischen dem aktivistischen Investor und dem Unternehmen erstmalig bekannt wird (Tag 0). Unter Abwesenheit konkurrierender wertbeeinflussender Faktoren kann eine kausale Verknüpfung zwischen der Reaktion des Kapitalmarkts und der Nachricht der aktivistischen Kampagne hergestellt werden. Die auftretenden Bewertungseffekte reflektieren das kollektive Urteil der Kapitalmarktteilnehmer über die barwertigen Auswirkungen der aktivistischen Kampagne auf den Unternehmenswert. Sie stellen insofern eine praxis­orientierte Möglichkeit dar, die Ad-hoc-Effekte aktivistischer Kampagnen auf Unternehmen zu beurteilen.

Zur Bestimmung der durch die aktivistischen Kampagnen bedingten Kapitalmarktreaktion werden die tatsächlichen Aktienrenditen um hypothetische Renditen bereinigt, die aufgetreten wären, wenn das Ereignis nicht stattgefunden hätte. Die erwarteten Aktienrenditen sind Prognosewerte eines Regressionsmodells der Aktienrenditen des jeweiligen Unternehmens auf den CDAX-Index über einen 200-tägigen Zeitraum, der 80 Tage vor Ereignisbeginn endet (in Anlehnung an Mietzner und Schweizer, 2009). Die beiden Parameter alpha und beta des Regressionsmodells erfassen spezifische Eigenschaften der jeweiligen Aktien, die für die Berechnung der hypothetischen Renditen bedeutsam sind. Der Parameter alpha gibt an, ob eine Aktie im Beobachtungszeitraum vor der aktivistischen Kampagne eine risikolose Über- oder Unterrendite gegenüber dem Benchmarkindex erzielt hat. Die Risikoeigenschaft ist im Parameter beta enthalten, der die Risikosensitivität im Verhältnis zum Benchmarkindex misst. Die abnormalen Aktienrenditen werden anschließend mithilfe zweier Testverfahren auf ihre statistische Signifikanz überprüft.

Ereignisstudie: Konstruktion und Bereinigung des Datensatzes zu aktivistischen Kampagnen

Dazu werden in der folgenden Analyse auf Grundlage der Corporate-Governance-Datenbank von Refinitiv öffentliche Auseinandersetzungen zwischen aktivistisch Investierenden und deutschen Unternehmen, sogenannte aktivistische Kampagnen, im Zeitraum zwischen 2010 und 2021 ausgewählt. Der anfängliche Datensatz wird zunächst auf die Identität des aktivistischen Investors überprüft. Im Einklang mit der Definition aktivistisch Investierender als institutionelle Akteure werden Ereignisse mit Einzelpersonen und nicht-finanziellen Unternehmen als Investorenaktivisten ausgeschlossen. Im Datensatz werden ferner solche Unternehmen nicht betrachtet, deren Aktien an mehreren Tagen keinen nennenswerten Handelsumsatz aufweisen. Es werden weiterhin Ereignisse ausgeschlossen, in deren Zeitraum konkurrierende wertbeeinflussende Faktoren fallen. Dies können sowohl unternehmensspezifische Faktoren sein wie die Ankündigung eines bedeutenden Joint-Ventures als auch allgemeine Marktfaktoren wie das Aufkommen der Coronapandemie im Frühjahr 2020.

Nach Bereinigung des Datensatzes enthält die Stichprobe 28 aktivistische Kampagnen im Zeitraum zwischen 2010 und 2021. Die Stichprobe besteht mehrheitlich aus jüngeren aktivistischen Kampagnen der Jahre 2019 bis 2021. Im Nachgang der globalen Finanzkrise agierten aktivistisch Investierende zunächst zurückhaltend. In den Jahren 2010 bis 2015 schwankte die Zahl der aktivistischen Kampagnen in Deutschland auf einem geringen Niveau. Im Vorfeld der Coronapandemie stieg sie 2018 und 2019 an. Von der Pandemie im Jahr 2020 vorerst unterbrochen, markierte die Aktivität der Investorenaktivisten im Jahr 2021 mit acht Kampagnen einen neuen Höchststand.

Die Unternehmen der Stichprobe sind hauptsächlich in vier Sektoren tätig. Auf die Sektoren Industrie, Finanzdienstleistungen, Immobilien und Energieversorgung entfallen 24 der 28 untersuchten Kampagnen. Diese Konzentration auf wenige Sektoren stimmt mit den Eigenschaften aktivistischer Kampagnen überein, die typischerweise auf Unternehmen ausgerichtet sind, die stabile Erträge und geringe relative Kapitalmarktbewertungen aufweisen. Die Marktkapitalisierung der Unternehmen beträgt zwischen 87,07 Mio. Euro (Minimum) und 82,82 Mrd. Euro (Maximum), wobei der Median 5,12 Mrd. Euro beträgt. Es handelt sich bei den Unternehmen vorwiegend um Mid- und Large-Caps.

Abbildung 1 stellt den zeitlichen Verlauf der durchschnittlichen abnormalen Aktienrendite im Untersuchungszeitraum dar (blaue Linie). Die pinke Linie gibt den Ereignistag (Tag 0) an, an dem die aktivistischen Kampagnen erstmals öffentlich bekannt werden. Die kurzfristigen Bewertungseffekte aktivistischer Kampagnen sind positiv und ökonomisch bedeutsam. Die abnormalen Aktienrenditen bewegen sich im Mittel in der Größenordnung von 4 %. Sie treten zuvorderst in zwei Zeiträumen auf: In den letzten zehn Handelstagen vor dem Bekanntwerden der aktivistischen Kampagnen sowie am Ereignistag, an dem die Rendite sprunghaft steigt. Im Nachgang schwankt die kumulierte durchschnittliche abnormale Rendite ohne eindeutigen Trend. Diese Ergebnisse implizieren, dass der Kapitalmarkt den Auseinandersetzungen zwischen aktivistisch Investierenden und Unternehmen eine wertsteigernde Wirkung beimisst. Dieser Effekt wird bereits vor dem definitiven Bekanntwerden der aktivistischen Kampagnen durch den Kapitalmarkt antizipiert, wie die kontinuierlich ansteigende abnormale Rendite zeigt.

Abbildung 1
Verlauf der abnormalen Aktienrenditen im Untersuchungszeitraum
Verlauf der abnormalen Aktienrenditen im Untersuchungszeitraum

Quelle: eigene Berechnung.

Tabelle 1 gibt die kumulierte durchschnittliche abnormale Aktienrendite in unterschiedlichen täglichen Zeitfenstern des Untersuchungszeitraums sowie deren statistische Signifikanz auf Grundlage des t-Tests (t-Wert) sowie des Wilcoxon-Tests (z-Wert) an. Es wird auf eine statistisch signifikante Abweichung gegenüber null getestet. Der Bewertungseffekt im Gesamtzeitraum [-20; +20] in Höhe von 3,97 % (Mittelwert) bzw. 2,89 % (Median) ist statistisch signifikant. Etwas mehr als die Hälfte des Gesamteffekts tritt vor dem Ereignistag im Zeitraum [-20; -10] auf, ein Drittel am Ereignistag selbst. Die Rendite im Vorfeld des Bekanntwerdens der aktivistischen Kampagnen ist geringfügig signifikant für den Mittelwert der abnormalen Renditen im Zeitraum [-20; -10], nicht jedoch für den Median. Beide Renditemaße sind statistisch signifikant, wenn der Betrachtungszeitraum bis zum Ereignistag verlängert wird. Die Aktienrendite bis zum Ende des Untersuchungszeitraums inklusive des Ereignistags im Zeitraum [0; +20] beträgt im Mittel 1,45 % (Median: 1,37 %). Diese Rendite ist nicht statistisch signifikant, weder für den Mittelwert noch für den Median. Um die Ankündigungsrendite am Ereignistag verringert, betragen die abnormalen Renditen im Nachgang des Ereignisses [+1; +20] im Mittel 0,36 % bzw. 0,76 % (Median), sind jedoch ebenso nicht statistisch signifikant. Die höchste tägliche Rendite wird am Ereignistag (Tag 0) verzeichnet. Sie beträgt im Mittel 1,09 % (Median: 0,61 %). Auf den Ereignistag entfällt damit knapp ein Drittel des gesamten Bewertungseffekts. Die abnormalen Renditen am Ereignistag weisen die höchste statistische Signifikanz der untersuchten Teilzeiträume auf.

Tabelle 1
Kumulierte abnormale Renditen (KAR) und deren statistische Signifikanz
Ereignisfenster Mittelwert der KAR (in %) t-Wert Median der KAR (in %) z-Wert
[-20; +20] 3,97 2,14** 2,89 1,87*
[-20; 0] 3,61 2,44** 2,84 2,23**
[-20; -10] 2,11 1,74* 1,32 1,42
[-1; +1] 1,35 1,94* 0,79 1,78*
[0] 1,09 2,19** 0,61 2,10**
[0; +20] 1,45 0,91 1,37 0,89

Signifikanzniveaus: *** für 1 %, ** für 5 % und * für 10 %.

Quelle: eigene Berechnung.

Die Zweiteilung der auftretenden Renditen in einen Zeitraum vor dem Ereignistag und den Ereignistag selbst stimmt mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen überein. Die Höhe der festgestellten Bewertungseffekte ist vergleichbar. Mietzner und Schweizer (2014) weisen einen kurzfristigen Bewertungseffekt in Höhe von 3,4 % in einem sechzigtägigen Ereignisfenster nach. Drerup (2014) beziffert den Bewertungseffekt auf 3,5 %. Für den Zeitraum nach der Finanzkrise demonstrieren Bessler und Vendrasco (2022) einen positiven Bewertungseffekt, der jedoch geringer ausfällt als für den Zeitraum vor der Finanzkrise.

Transaktions- und Informationseffekte

Nach Weber und Zimmermann (2013) kann der gesamte Bewertungseffekt in zwei getrennte Bestandteile zerlegt werden. Demnach reflektiert die abnormale Aktienrendite im Vorfeld des öffentlichen Bekanntwerdens aktivistischer Kampagnen in erster Linie Transaktionseffekte. Diese können einerseits durch aktivistisch Investierende ausgelöst werden, die ihre Aktienposition aufbauen. Trifft deren marginale Nachfrage auf eine unzureichende Aktienliquidität kann dies eine abnormale Preisreaktion hervorrufen. Andererseits können auch weitere Akteure preisbestimmende Transaktionseffekte herbeiführen. Aktivistisch Investierende koordinieren sich wie in einem „Wolfsrudel“ im Vorfeld ihrer Kampagnen mit anderen institutionellen Akteuren, um sich deren Unterstützung zu sichern (Brav et al., 2008). Werden diese Marktgerüchte einem ausgewählten Kreis von Kapitalmarktakteuren bekannt, die eigens eine Aktienposition aufbauen, führt diese zusätzliche Nachfrage zu einem weiteren Preisanstieg. Die Wechselwirkungen von Preiseffekten und Marktgerüchten kann eine sich selbst verstärkende Dynamik eintreten lassen, die weitere „noise“-orientierte Marktteilnehmer anzieht.

In Abgrenzung dazu ist der Bewertungseffekt am Ereignistag selbst auf den Informationseffekt der aktivistischen Kampagne zurückzuführen, von der eine Signalwirkung auf die Kapitalmarktteilnehmer ausgeht. Diese Signalwirkung kann auf die idealtypischen Eigenschaften der Unternehmen bezogen werden, die Ziel aktivistisch Investierender sind. Der Informationseffekt kann die kapitalmarktseitige Erwartung widerspiegeln, dass eine bisherige Unterrendite gegenüber dem Benchmarkindex sowie eine andauernde Unterbewertung des Unternehmens durch künftige Maßnahmen des Managements aufgrund des äußeren Drucks der aktivistisch Investierenden abgestellt wird.

Prinzipal-Agenten-Theorie

Im Kontext der Prinzipal-Agenten-Theorie deuten die abnormalen Aktienrenditen auf die Antizipation des Kapitalmarkts hin, dass es aktivistisch Investierenden gelingt Agency-Kosten zu senken, die aus der Trennung von Kontrolle und wirtschaftlichem Eigentum der betroffenen Unternehmen resultieren. Diese Kosten bestehen aus Aktionärssicht vorwiegend in Entscheidungen über die Kapitalallokation, die nicht wohlfahrtsoptimierend sind. So kann es beispielsweise im kurzfristigen Interesse des Managements sein, andere Unternehmen zu hohen Preisen zu übernehmen, um die eigene Vergütung mit der gestiegenen Unternehmensgröße zu erhöhen (Jensen und Meckling, 1976). Aktivistisch Investierende erscheinen aufgrund ihrer institutionellen Rahmenbedingungen unter Koordination mit weiteren Anteilseignern besonders geeignet, eine aus Aktionärssicht wirksame Monitoringinstanz des Managements zu bilden. Gelingt es auf diese Weise, das Motivations- und Koordinationsproblem zwischen dem Management und der Aktionärsschaft abzuschwächen, erscheint die positive Kapitalmarktreaktion gerechtfertigt.

Zusammenfassend sind aktivistisch Investierende spezialisierte Kapitalmarktakteure, die wesentliche Unternehmensentscheidungen im Interesse der Aktionärsschaft beeinflussen. Ihre Kampagnen rufen in der kurzen Frist positive abnormale Aktienrenditen bei deutschen Unternehmen in der Größenordnung von 4 % hervor. Diese Reaktion kann durch Transaktions- und Informationseffekte eingeordnet werden. Offen bleibt in dieser Betrachtung die Wirkung aktivistischer Kampagnen auf andere Stakeholder eines Unternehmens sowie die Frage nach deren langfristigen Auswirkungen. Motiviert durch die Erfolge, die aktivistisch Investierende in der jüngeren Vergangenheit bei namhaften deutschen Unternehmen verzeichnen konnten, dürfte der Trend einer zunehmenden Einflussnahme dieser Investorengruppe künftig anhalten.

Literatur

Bebchuk, L., A. Brav und W. Jiang (2015), The Long-Term Effects of Hedge Fund Activism, Columbia Law Review, 05(115), 1085-1155.

Bessler, W. und M. Vendrasco (2022), Corporate control and shareholder activism in Germany: An empirical analysis of hedge fund strategies, International Review of Financial Analysis, 83.

Bluebell Capital Partners (2023), Bayer: the seeds of success. A roadmap to long term value creation, https://www.bluebellcp.com/_files/ugd/affdc3_fe925806b25d4c5cbf7b483bb1d8eddd.pdf (7. September 2023).

Brav, A., W. Jiang und R. Li (2021), Governance by Persuasion: Hedge Fund Activism and Market-based Shareholder Influence, ECGI Working Paper Series in Finance, Working Paper, 797.

Drerup, T. (2014), Long-Term Effects of Hedge Fund Activism in Germany, https://ssrn.com/abstract=1718365 (23. August 2023).

Farr, E.-V., P. Weiss und O. Hirt (2023), Activist investor rallies Bayer shareholders as pressure on CEO mounts – sources, Reuters, https://www.reuters.com/business/activist-investor-rallies-bayer-shareholders-pressure-ceo-mounts-sources-2023-02-06/ (21. August 2023).

Gilson, R. J. und J. N. Gordon (2013), The Agency Costs of Agency Capitalism: Activist Investors and the Revaluation of Governance Rights, Columbia Law Review, 863(113).

Gong, B. (2013), Understanding and Augmenting Institutional Shareholder Activism: A Comparative Study of the UK and China, http://etheses.dur.ac.uk/796/ (31. August 2023).

Gramm, J. (2016), Dear Chairman. Boardroom Battles and the Rise of Shareholder Activism, Harper Business.

Jensen, M. C. und W. H. Meckling (1976), Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, Journal of Financial Economics, 3, 305-360.

Mietzner, M. und D. Schweizer (2009), Shareholder Activism – werden Hedgefonds erst durch Private Equity erfolgreich?, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 8.

Mietzner, M. und D. Schweizer (2014), Hedge funds versus private equity funds as shareholder activists in Germany – differences in value creation, Journal of Economics and Finance, 181-208.

Weber, P. und H. Zimmermann (2013), Hedge Fund Activism and Information Disclosure: the Case of Germany, European Financial Management, 05(19), 1017-1050.

Title:Activist Investors’ Influence on Companies

Abstract:The growing presence of activist investors in Germany challenges companies with a confrontational style and broad demands. This article analyses the Anglo-American capital market phenomenon in the context of companies’ corporate governance and their shareholder structure. We examine the valuation effects of activist campaigns using share price reactions. The short-term announcement returns surrounding activist campaigns are positive and statistically significant. The mean abnormal share price return amounts to 3.96%. The results can be attributed to a combination of transaction and information effects.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0213