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Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Hochsteuerland. So liegt die Tarifbelastung deutscher Kapitalgesellschaften mit etwa 30 % um fast 10 Prozentpunkte oberhalb des EU-Durchschnitts. Teilweise wird vermutet, dass die tatsächliche Steuerbelastung von den Unternehmen aufgrund von Steuerplanung und Gewinnverlagerung erheblich reduziert wird. Dieser Beitrag zeigt allerdings auf Basis von Angaben aus der Körperschaft- und der Gewerbesteuerstatistik, dass die tatsächliche Steuerbelastung aufgrund einer unvollständigen Verlustverrechnung, dem eingeschränkten Abzug von Finanzierungsausgaben sowie der (teilweisen) Besteuerung von Dividenden, sogar um 5 bis 12 Prozentpunkte oberhalb der Tarifbelastung liegen kann.

Wie hoch ist die Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften tatsächlich? Diese Frage ist sowohl steuerpolitisch als auch wissenschaftlich von großer Relevanz. Steuerpolitisch wurde in der jüngeren Vergangenheit der Ruf nach einer Absenkung der Steuerbelastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen laut (vgl. z. B. zuletzt die Wahlprogramme von CDU/CSU und FDP zur vergangenen Bundestagswahl). Andererseits wird eine Verschärfung der Anforderungen an die steuerliche Transparenz, wie z. B. die Einführung eines öffentlichen Country-by-Country-Reportings, nicht zuletzt damit begründet, dass multinationale Konzerne Gewinne aus Deutschland herauszuverlagern scheinen und auf diesem Wege ihre effektive Steuerbelastung deutlich senken (BMF, 2021).

Im wissenschaftlichen Diskurs ist insbesondere die Frage nach einer sachgerechten Bestimmung und Interpretation effektiver Steuerbelastungen jüngst in den Fokus gerückt. Üblich ist die Ermittlung von Steuerquoten auf Basis von veröffentlichten Jahresabschlussdaten, indem die Steuerzahlung (Cash-ETR) bzw. der Steueraufwand (GAAP-ETR) ins Verhältnis zum Vorsteuerergebnis gesetzt wird. Der Aussagegehalt dieser effektiven Steuerquoten (Effective Tax Rates, ETR) hängt bereits von der verwendeten Datenbasis ab. Während bei der Verwendung von Konzernabschlüssen die resultierende ETR die durchschnittliche Steuerbelastung der in- und ausländischen Gesellschaften des Konzerns und somit auch die Auswirkungen von Gewinnverlagerungen ins Ausland widerspiegelt, erfassen ETRs auf Basis von unkonsolidierten Abschlüssen isoliert die Steuerbelastung der jeweiligen (deutschen) Gesellschaft.

Janský (2019) sowie Huber und Maiterth (2020) ermitteln effektive Steuerbelastungen auf Basis unkonsolidierter Jahresabschlüsse, um zu zeigen, inwiefern die Belastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland unterhalb der Tarifbelastung von etwa 30 % liegt. Die heterogenen Schlussfolgerungen dieser beiden Papiere zeigen, dass die Interpretation der resultierenden Steuerbelastungen nicht trivial ist. So reflektieren effektive Steuerbelastungen auf Basis unkonsolidierter Jahresabschlüsse gerade nicht die Auswirkungen von Gewinnverlagerungen ins Ausland, da diese gleichermaßen den Zähler und den Nenner der Steuerbelastung beeinflussen. Ferner muss für eine sachgerechte Einordnung der rechnerisch ermittelten Steuerbelastungen danach differenziert werden, ob Einkünfte aufgrund „echter“ Steuervergünstigungen oder aus systematischen Gründen freigestellt werden, wie dies beispielsweise beim Dividendenprivileg (§ 8b KStG) oder der gewerbesteuerlichen Freistellung von Gewinnanteilen aus Personengesellschaften der Fall ist.1 Henry und Sansing (2018) verweisen zudem auf die große Relevanz der Bilanzierung und Bewertung von steuerlichen Verlustvorträgen bei der Einordnung effektiver Steuerbelastungen. Das Ausmaß, in dem derartige Effekte die effektiven Steuerbelastungen beeinflussen, ist den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen regelmäßig nicht in vollem Umfang zu entnehmen. So fehlt es in vielen Fällen an einer detaillierten Aufschlüsselung des Finanzergebnisses sowie einer Offenlegung der exakten bilanziellen Folgen steuerlicher Verlustvorträge. Dieser Beitrag wählt daher einen anderen Ansatz und quantifiziert die durchschnittliche Ertragsteuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften auf Basis der aggregierten Angaben aus der amtlichen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerstatistik für die Jahre 2015 und 2016.

Ansätze zur Messung der Steuerbelastung von Unternehmen und Ergebnisse für Deutschland

Die nominelle Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften ist im internationalen Vergleich hoch. Während die Mehrzahl der EU- und G20-Staaten in den vergangenen Jahren die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften reduziert hat, ist das Steuerniveau in Deutschland seit der Unternehmensteuerreform 2008 nahezu unverändert geblieben bzw. aufgrund leicht ansteigender Gewerbesteuerhebesätze sogar geringfügig gestiegen. Diese im internationalen Vergleich hohe Tarifbelastung deutscher Kapitalgesellschaften beeinträchtigt die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen, kann als Hemmnis für Innovation wirken und die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort herabsetzen (vgl. für den Zusammenhang von Steuern und Direktinvestitionen z. B. die Meta-Studie von Feld und Heckemeyer (2011)).

Diese Entwicklung der tariflichen Belastung von Kapitalgesellschaftsgewinnen in Deutschland und – im Vergleich hierzu – im EU- und OECD-Durchschnitt zeigt Abbildung 1. Während die Mehrbelastung in Deutschland im Vergleich zum EU-Durchschnitt (OECD-Durchschnitt) im Jahr 2011 lediglich 6,79 Prozentpunkte (3,95 Prozentpunkte) betrug, ist diese Steuersatzdifferenz in den vergangenen zehn Jahren auf 9,29 (7,19 Prozentpunkte) angewachsen. Klar ist, dass Tarifsteuersätze nur einen einzelnen Steuerrechtsparameter berücksichtigen und die Aussagekraft dementsprechend begrenzt ist.2

Abbildung 1
Entwicklung tariflicher Steuersätze
Entwicklung tariflicher Steuersätze

Quelle: KPMG, Corporate Tax Rate Tables, https://home.kpmg/xx/en/home/services/tax/tax-tools-and-resources/tax-rates-online/corporate-tax-rates-table.html (26. September 2023).

Effektive Durchschnittsteuerbelastungen auf Basis der neoklassischen Investitionstheorie ermitteln sich als Steuerbelastung für ein fiktives Investitionsobjekt und berücksichtigen neben den tariflichen Steuersätzen ausgewählte relevante Bemessungsgrundlagenvorschriften, wie die steuerliche Abschreibung von materiellem und immateriellem Anlagevermögen, die Vorratsbewertung oder die steuerliche Behandlung von Finanzanlagen (Devereux und Griffith, 1999; Schreiber et al., 2002). Abbildung 2 verdeutlicht die Entwicklung der effektiven Durchschnittsteuerbelastung nach dem Modell von Devereux und Griffith (1998) im Zeitablauf. Für Deutschland liegen die effektiven Durchschnittsteuerbelastungen durchgehend unterhalb der Tarifbelastung. Die (zunehmende) Mehrbelastung gegenüber dem EU-Durchschnitt zeigt sich allerdings auch bei diesem Belastungsmaß deutlich.

Abbildung 2
Entwicklung effektiver Durchschnittsteuersätze
Entwicklung effektiver Durchschnittsteuersätze

Quelle: ZEW (2021), Effective Tax Levels using the Devereux / Griffith methodology – Final Report 2020, Project for the EU Commission TAXUD/2020/DE/308, Mannheim.

Tarifbelastungen und die investitionstheoretischen Belastungsmaße haben den Vorteil, dass sie von den konkreten Eigenschaften der Unternehmen abstrahieren und dementsprechend einen unverfälschten Vergleich der Steuerbelastungen zwischen Ländern in Bezug auf die einbezogenen Steuervorschriften erlauben. Allerdings impliziert die Abstraktion von konkreten Unternehmensmikrodaten, dass die Relevanz und Auswirkung bestimmter Steuervorschriften (z. B. Relevanz von steuerlichen Abschreibungen abhängig von Anlagenintensität, Relevanz der Zinsschranke abhängig von der konkreten Finanzierungsstruktur) nur annahmegestützt berücksichtigt werden kann. Die Berücksichtigung anderer Steuervorschriften (z. B. steuerliche Verlustverrechnung) ist aufgrund der Modellprämissen ausgeschlossen (Schreiber et al., 2002, 17).

Derartige Einflüsse lassen sich in gewisser Weise über Steuerquoten (ETRs) auf Basis veröffentlichter handelsbilanzieller Daten erfassen. Werden diese auf Basis von Konzernabschlüssen ermittelt, so reflektieren die ETRs auch die Ausnutzung des internationalen Steuerbelastungsgefälles (Huber und Maiterth, 2020). Janský (2019) sowie Huber und Maiterth (2020) ermitteln die Steuerbelastung anhand von empirischen Steuerquoten auf Basis veröffentlichter unkonsolidierter Jahresabschlüsse deutscher Kapitalgesellschaften. Hierbei kommt Janský (2019) für deutsche Kapitalgesellschaften auf eine durchschnittliche Steuerbelastung von knapp 20 %. Huber und Maiterth (2020) und Hentze (2019) zeigen, dass diese geringe Steuerquote insbesondere ein Ergebnis der verwendeten Methodik und der Sample-Auswahl darstellt. Sowohl Huber und Maiterth (2020) als auch Hentze (2019) zeigen anhand eigener Berechnungen, dass bei sachgerechter Berücksichtigung dieser Faktoren die durchschnittliche Steuerbelastung nahe der tariflichen Belastung liegt. Die geringe Steuerquote bei Janský (2019) sollte daher nicht auf Steuervermeidung zurückzuführen sein, sondern vielmehr das Ergebnis von steuerfreien Betriebseinnahmen sowie der unvollständigen steuerlichen Verlustverrechnung sein (vgl. so auch Bräutigam et al., 2019).

Insgesamt verdeutlicht diese Diskussion, dass die Verwendung handelsrechtlicher Daten für die Abschätzung der Steuerbelastung Verzerrungen mit sich bringen kann, die sich final nur durch die Verwendung steuerlicher Daten vermeiden ließe (vgl. auch Hentze, 2019). Hierfür lassen sich insbesondere drei Gründe anführen.

  1. Steuerfreie Betriebseinnahmen (bzw. Kürzungen bei der Gewerbesteuer) führen rechnerisch zu einer Senkung der Steuerquote, unabhängig davon, ob diese „echte Steuervergünstigungen“ darstellen (z. B. Steuerfreistellung von Investitionszulagen) oder systematisch zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung bereits vorbelasteter Gewinne notwendig sind (z. B. Freistellung von Schachteldividenden und von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, Kürzung von Gewinnanteilen aus Personengesellschaften bei der Gewerbesteuer, Freistellung von umwandlungssteuerrechtlichen Übernahmegewinnen bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer). Um eine systematische Unterschätzung der Steuerquoten zu vermeiden, sind entsprechende Korrekturen bei deren Ermittlung vorzunehmen.3 Dieses Problem besteht insbesondere bei Steuerquoten, die auf Basis unkonsolidierter Jahresabschlüsse ermittelt werden, da hier – anders als bei Konzernabschlüssen – konzerninterne Beteiligungserträge nicht konsolidiert werden. Allerdings sind die entsprechenden Informationen nicht immer vollständig aus den Jahresabschlüssen ersichtlich (z. B. Gewinne aus Personengesellschaften, Übernahmeergebnisse), sodass eine vollständige Korrektur in vielen Fällen nicht möglich sein wird.
  2. Eine weitere Unterschätzung der Steuerquote resultiert in vielen Fällen daraus, dass Verlustunternehmen von der Untersuchung ausgeschlossen werden. Dieser Effekt ergibt sich schon allein dadurch, dass Verlustunternehmen steuerlich benachteiligt werden und dieser Effekt durch den Ausschluss von Verlustunternehmen unberücksichtigt bleibt (vgl. so auch Henry und Sansing, 2018). Bleiben Verlustunternehmen nicht vollständig unberücksichtigt, sondern wird lediglich auf eine Berücksichtigung der Verlustjahre verzichtet, kommt ein weiterer Effekt zum Tragen. Werden die entsprechenden Verluste in den Folgejahren verrechnet, mindern diese zukünftige Steuerzahlungen und – soweit im Verlustjahr auf eine Aktivierung latenter Steuern für Verlustvorträge verzichtet wurde4 – auch den Steueraufwand. Eine weitere Unterschätzung der tatsächlichen durchschnittlichen Steuerquote wäre die rechnerische Folge.
  3. Auch die Bilanzierung latenter Steuern selbst kann die tatsächliche Steuerbelastung der berichtenden Unternehmen verschleiern. Werden beispielsweise aktive latente Steuern auf Verlustvorträge gebildet, so wird bei der Ermittlung der Steuerquote der Effekt dieser Verlustvorträge mathematisch vollständig neutralisiert, was allerdings nur bei einer sofortigen Verrechnung gerechtfertigt ist. Schließlich bestehen bei der Bilanzierung aktiver latenter Steuern erhebliche Wahlrechte und Ermessensspielräume. So sieht § 274 Abs. 1 S. 2 HGB ein generelles Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern vor. Da die Bildung aktiver latenter Steuern sowohl nach HGB als auch IAS 12 (International Accounting Standard 12) eine voraussichtliche Nutzbarkeit voraussetzt, hängt die Bildung latenter Steuern ferner stark von der Einschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung ab. Dieser Effekt spielt zumindest bei einjährigen Steuerquoten eine bedeutsame Rolle, weshalb in der Literatur mehrjährige Steuerquoten für aussagekräftiger gehalten werden (Dyreng et al., 2008).

Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften auf Basis der amtlichen Steuerstatistik

Dieser Beitrag verwendet aggregierte Informationen der amtlichen Steuerstatistik, genauer gesagt der Körperschaftsteuer- und der Gewerbesteuerstatistik, zur Abschätzung der durchschnittlichen Ertragsteuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften. Diese Vorgehensweise erlaubt keine Ermittlung von Steuerquoten auf Einzelunternehmensebene, verdeutlicht allerdings gut die Wirkung ausgewählter Bemessungsgrundlagenelemente auf die Höhe der durchschnittlichen Steuerbelastung.5 Im Unterschied zur klassischen ETR werden bei der Ermittlung der Gewinngröße (Nenner der ETR) Korrekturen vorgenommen für Aufwendungen (Erträge), die steuerlich nicht-abziehbar (steuerpflichtig) sind, obwohl sich steuersystematisch eine andere Behandlung rechtfertigen ließe.6 Diese Vorgehensweise vermeidet die oben angesprochenen Verzerrungen der klassischen ETRs.

Technisch wird zur Ermittlung der Steuerquote die Körperschaftsteuer (Gewerbesteuer) durch die Bemessungsgrundlage der jeweiligen Steuer dividiert, die zuvor um entsprechende Korrekturen bereinigt wurde. Es werden also nicht-abziehbare Betriebsausgaben, für die es an einer steuersystematischen Begründung fehlt und die aus diesem Grund zu einer Bruttobesteuerung führen, abgezogen. Ebenso werden Betriebseinnahmen, die unter steuersystematischen Gesichtspunkten freizustellen wären und aus diesem Grund zu einer Doppelbesteuerung führen, abgezogen. Hierbei beschränkt sich die Analyse auf die betragsmäßig bedeutsamsten Regelungen. In einem letzten Schritt werden die so ermittelten Steuerquoten für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer addiert und zu einer Gesamtsteuerbelastung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne zusammengefasst.

Steuerliche Behandlung konzerninterner Dividenden

Die Freistellung von Dividendenzahlungen an eine Kapitalgesellschaft stellt keine Steuervergünstigung dar, sondern ist vielmehr geboten, um eine (wirtschaftliche) Mehrfachbelastung dieser Einkünfte mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf Ebene unterschiedlicher Rechtssubjekte zu vermeiden (Scheffler, 2020, 216). Hierbei ist es grundsätzlich unerheblich, wie hoch die Beteiligungsquote der übergeordneten Kapitalgesellschaft ist. Insofern führt die im Jahr 2013 eingeführte Steuerpflicht auf Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG) zu einer impliziten Steuererhöhung, da diese Änderung zwar europarechtlich geboten war, aber eben nicht steuersystematisch. Gleiches gilt für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Streubesitzdividenden (§ 8 Nr. 5 GewStG), für die in der Literatur haushaltspolitische Gründe angeführt werden (Scheffler, 2020, 294).

Die Höhe der nach § 8b Abs. 4 KStG steuerpflichtigen Dividenden wird erstmals in der Körperschaftsteuerstatistik 2016 explizit ausgewiesen. Sie beträgt bei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften 11,79 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Diese Dividenden sind auch bei der Gewerbesteuer steuerpflichtig. Darüberhinausgehende Hinzurechnungen und Kürzungen halten sich in etwa die Waage.

Tabelle 1
Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften laut amtlicher Steuerstatistik
Körperschaftsteuer   2015     2016  
  A   B A   B
(1) Gesamtbetrag der Einkünfte   162,06     174,02  
davon: positiv (1a)   217,44     226,61  
davon: negativ (1b)   -55,38     -52,59  
(2) Dividenden iSv § 8b Abs. 4 KStG   13,601     11,79  
(3) n.a. Zinsaufwand (§ 4h EStG, 8a KStG)   4,38     3,25  
(4) Negatives zvE (laufendes Jahr)   -54,60     -51,83  
(5) Verlustabzug (laufendes Jahr)   24,32     23,46  
(6) Untergegangene Verluste (§ 8c KStG)   7,59     4,27  
(7) Festzusetzende Körperschaftsteuer 28,91     30,45    
(8) Modifizierte Körperschaftsteuer2     25,51     26,84
(9) Modifizierte Einkünfte3   144,09     158,97  
(10) Steuerquote KSt4 20,07%   17,70% 19,16%   16,88%
Gewerbesteuer   2015     2016  
  A   B A   B
(11) Gewerbeertrag   135,97     145,24  
davon: positiv (11a)   189,03     196,06  
davon: negativ (11b)   -53,16     -50,83  
(12) Hinzurechnung Finanzierungsaufwand   13,28     12,96  
(13) Hinzurechnung/Kürzung Dividenden   1,41     -0,14  
(14) Verlustabzug   19,53     20,60  
(15) Gewerbesteuer5 26,46     27,45    
(16) Modifizierte Gewerbesteuer6     22,82     23,82
(17) Modifizierter Gewerbeertrag7   122,84     137,97  
(18) Steuerquote GewSt8 21,54%   18,58% 19,90%   17,26%
Kombinierte Steuerquote9 42,72%   37,25% 40,11%   35,07%

1 Dieser Wert wurde auf Basis der freigestellten Dividenden und dem entsprechenden Verhältnis 2016 geschätzt, da keine Angabe in der Steuerstatistik verfügbar.  2 = (7) + [ (4) + (5) + (6) ] * 0,15.  3 = (1) - (2) - (3).  4 A: (7) / (9); B: (8) / (9).  5 = (11a)*0,035*4.  6 = (15) + [(11b)+(14)+(6)]*0,035*4. Es wird eine analoge Wirkung von § 8c KStG für die Gewerbesteuer unterstellt.  7 = (11) - (2) - (3) - (12) - (13) + (14).  8 A: (15) / (17); B: (16) / (17).  9 = (10) * 1,055 + (18).

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Körperschaftsteuerstatistik und Gewerbesteuerstatistik für die Jahre 2015 und 2016.

Zinsaufwendungen

Steuersystematisch stellen betrieblich veranlasste Finanzierungsaufwendungen unstrittig Betriebsausgaben dar und sind nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich zum Abzug zuzulassen. Ein Versagen des Abzugs von Finanzierungsaufwendungen hat somit eine Bruttobesteuerung zur Folge und führt zu einer (versteckten) Steuermehrbelastung. Bei der Gewerbesteuer wird diese Besteuerungsfolge mit der Ausgestaltung als Objektsteuer begründet und bewusst in Kauf genommen. Die steuerpolitische Begründung der Zinsschrankenregelung ist die Verhinderung von Gewinnverlagerungen ins Ausland. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Wirkung der Vorschrift proaktiv eintritt, da Unternehmen bei ihren Planungen die negativen Folgen aus der Anwendung der Zinsschranke zu umgehen versuchen. Kommt es also zur Nicht-Abziehbarkeit nach § 4h EStG iVm § 8a KStG, so sollte dies vermutlich mehrheitlich auf missglückte Planungen oder unbewusste Gestaltungen zurückzuführen sein.

Die körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Zinsabzugsbeschränkungen sind betragsmäßig bedeutsam. So sind aufgrund der Zinsschrankenregelung im Jahr 2016 Zinsausgaben in Höhe von 3,25 Mrd. Euro und im Jahr 2015 von 4,38 Mrd. Euro nicht abziehbar (vgl. Tabelle 1). In beiden Jahren sind dies mehr als 5 % der gesamten Zins­ausgaben unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften. Ein Blick auf den Gesamtbestand der Zinsvorträge, der Ende 2016 bei 33,6 Mrd. Euro lag, verdeutlicht zudem, dass die Wirkung dieser Vorschrift, ähnlich wie die Verlustverrechnung, nicht lediglich temporär ist. Bei der Gewerbesteuer kommt zusätzlich die Hinzurechnung von Finanzierungsaufwendungen gem. § 8 Nr. 1 GewStG zum Tragen. Dies betrifft 2016 bei Kapitalgesellschaften 12,96 Mrd. Euro und im Jahr 2015 13,28 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1).-

Verlustverrechnung

Grundsätzlich ist die Wirkung steuerlicher Verluste bei der Ermittlung von handelsrechtlichen Steuerquoten abhängig von der Bilanzierung aktiver latenter Steuern. Während § 274 HGB hier ein generelles Wahlrecht vorsieht, besteht nach IAS (International Accounting Standards) 12 ein Aktivierungsgebot für Verlustvorträge, deren Nutzung wahrscheinlich ist. Diese Einschränkung gewährt auch in IFRS (International Financial Reporting Standards)-Abschlüssen den Unternehmen einen gewissen Ermessensspielraum. Werden aktive latente Steuern auf Verlustvorträge gebildet, so ist sowohl die Verlustentstehung als auch die Nutzung der Vorträge in der Zukunft steuerquotenneutral. Zu einer Erhöhung der Steuerquote kommt es hier lediglich bei Untergang der Verluste oder falls sich die Einschätzung bezüglich der zukünftigen Nutzbarkeit ändert. Unterbleibt eine Bildung aktiver latenter Steuern, so kommt es bei Verlustentstehung zu einem Anstieg der Steuerbelastung, während die spätere Nutzung der Verlustvorträge die Steuerquote senkt.

Bei der empirischen Ermittlung von Steuerquoten werden Verlustunternehmen häufig ausgeblendet, sodass die sich ergebenden Steuerquoten lediglich die Steuerbelastung profitabler Kapitalgesellschaften widerspiegeln. Diese Vorgehensweise sollte die tatsächliche Steuerbelastung aus zwei Gründen unterschätzen. Erstens kommt es bei steuerlichen Verlusten zu einer Mehrbelastung, da diese in den meisten Fällen nicht unmittelbar verrechnet werden können, sondern nur nach Maßgabe der Regelungen zum Verlustrücktrag und Verlustvortrag berücksichtigt werden können.7 Zweitens kann es dazu kommen, dass die Entlastungswirkung von Steuerverlusten einseitig berücksichtigt wird, wenn nur die Jahre der Verlustentstehung unberücksichtigt bleiben.

Ein Blick in die Steuerstatistik verdeutlicht, dass die Begrenzung der steuerlichen Verlustverrechnung mit Blick auf den gesamten Unternehmenssektor zu einer dauerhaften steuerlichen Mehrbelastung führt. So stehen laut Körperschafsteuerstatistik 2016 (2015) neu entstandenen steuerlichen Verlusten in Höhe von 51,8 Mrd. Euro (54,6 Mrd. Euro) Vorteile aus der Nutzung steuerlicher Verluste im Wege des Verlustvor- oder -rücktrags in Höhe von lediglich 23,5 Mrd. Euro (24,3 Mrd. Euro) gegenüber (vgl. Tabelle 1). Anders ausgedrückt beträgt das Verhältnis von verrechneten Verlusten aus früheren oder späteren Jahren und steuerlichen Neuverlusten in beiden Jahren rund 45 %. Als Folge haben sich die körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge zwischen 2015 (108,7 Mrd. Euro) und 2016 (666,4 Mrd. Euro) mehr als verfünffacht. Dieser bedeutsame Effekt wird bei der Ermittlung von effektiven Steuerbelastungen durch die Nichtberücksichtigung von Verlustbeobachtungen häufig außer Acht gelassen.

Selbst wenn sämtliche Verlustvorträge für einbringbar erachtet werden, so ergibt sich für Kapitalgesellschaften eine Definitivbelastung aus steuerlichen Verlusten zumindest in Höhe der aufgrund von § 8c KStG endgültig untergegangenen Verluste.8 Auch wenn 2015 und 2016 im Durchschnitt lediglich 1 % der körperschaftsteuerlichen Verluste (2015: 7,6 Mrd. Euro, 2016: 4,3 Mrd. Euro) auf diesem Wege untergehen, so ist dieser (Mindest-)Effekt bezogen auf das zu versteuernde Einkommen nicht unerheblich.

Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften

In diesem Abschnitt wird – unter Berücksichtigung der vorgenannten Effekte – die durchschnittliche Steuerquote deutscher unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften ermittelt. Ausgangspunkt für die effektive Belastung mit Körperschaftsteuer bildet der Gesamtbetrag der Einkünfte, der kumuliert von deutschen Kapitalgesellschaften 2015 oder 2016 erzielt wird. Nach den vorherigen Ausführungen stellen die Steuerpflicht für Streubesitzdividenden sowie die Nicht-Abzugsfähigkeit bestimmter Zinsaufwendungen eine systematisch nicht gerechtfertigte Mehrbelastung dar; bei Ermittlung der Position „Modifizierte Einkünfte“ werden diese Beträge entsprechend gekürzt. Diese Position geht im Nenner in die Steuerquote für die Körperschaftsteuer ein. Im Zähler der Steuerquote wird die festgesetzte Körperschaftsteuer laut Körperschaftsteuerstatistik verwendet (Spalte A). In Spalte B werden zukünftige Steuervorteile aus den im laufenden Jahr entstandenen Verlusten, entsprechend der Wirkung aktiver latenter Steuern, unterstellt. Dabei wird davon ausgegangen, dass sämtliche Verluste des laufenden Jahres die Körperschaftsteuer mindern und eine Belastung lediglich von den Verlusten ausgeht, die im laufenden Jahr nach § 8c KStG untergehen. Für die Gewerbesteuer wird eine analoge Vorgehensweise gewählt. Für die Berechnung der kombinierten Steuerquote wird auch der Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer berücksichtigt.

Die Ergebnisse in Tabelle 1 verdeutlichen, dass bei Berücksichtigung der oben beschriebenen drei Effekte sich eine kombinierte Ertragsteuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften ergibt, die – in Abhängigkeit von den unterstellten Annahmen für die Nutzung steuerlicher Verlustvorträge – zwischen 37,3 % und 42,7 % (2015) bzw. 35,1 % und 40,1 % (2016) liegt. Für beide Jahre ergibt sich dementsprechend eine Gesamtsteuerbelastung, die deutlich oberhalb der Tarifbelastung liegt. Insbesondere ist die Belastung mit Gewerbesteuer aufgrund der Berücksichtigung substanzsteuerähnlicher Merkmale bei der Definition der Bemessungsgrundlage deutlich höher als die tarifliche Belastung mit 14 %, die sich bei einem hier unterstellten durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 400 % ergibt.

Fazit

Die Berechnungen in diesem Beitrag zeigen, dass die Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften zwischen 5 und 12 Prozentpunkten oberhalb der nominellen Tarifbelastung liegt, wenn die begrenzte Abziehbarkeit von Verlusten berücksichtigt wird und dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Dividenden (und Zinsaufwendungen) entgegen einer systematisch gerechtfertigten Behandlung in Teilen steuerpflichtig (nicht abziehbar) sind. Derartige Beschränkungen bestehen zwar mitunter auch in anderen Ländern, allerdings nicht vollumfänglich (z. B. gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsaufwendungen). In jedem Fall kann gezeigt werden, dass die Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften bei Berücksichtigung dieser Effekte deutlich oberhalb der Tarifbelastung liegt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Ergebnisse die Wirkungen von grenzüberschreitender Steuerplanung nicht wiederspiegeln, da grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen gleichermaßen den Zähler und den Nenner unseres Steuerbelastungsmaßes betreffen. Wie viel Steueraufkommen Deutschland durch Gewinnverlagerungen ins Ausgang gehen und in welchem Ausmaß die Konzernsteuerbelastung hierdurch gesenkt werden kann, kann dementsprechend hier nicht berücksichtigt werden. Ferner dürfte die infolge der Coronapandemie bereits umgesetzte Ausweitung des Verlustrücktrags sowie deren für die Zukunft weiter in Aussicht gestellte Verbesserung die hier beschriebenen Effekte für die Zukunft abmildern.

  • 1 Auf die Probleme im Zusammenhang mit der Erfassung von Beteiligungseinkünften weisen auch Blouin und Robinson (2021) hin. Sie zeigen, dass aus diesem Grund bisherige Schätzungen zur Gewinnverlagerung US-amerikanischer Unternehmen deutlich zu hoch ausfallen.
  • 2 Andererseits wird den tariflichen Steuersätzen z. B. vom Wissenschaftlichen Beirat des BMF (2007, 12) eine besondere Signalwirkung für Investitionsentscheidungen zugesprochen.
  • 3 Huber und Maiterth (2020) nehmen eine entsprechende Korrektur für Beteiligungserträge vor.
  • 4 § 274 HGB gewährt hier ein allgemeines Aktivierungswahlrecht.
  • 5 Im Ergebnis führt die Aggregation der Ergebnisse und Steuern verschiedener Unternehmen dazu, dass die ermittelte Steuerquote dem gewichteten Mittel der Steuerquoten der einzelnen berücksichtigten Unternehmen entspricht.
  • 6 Gemeint ist, dass entsprechende Aufwendungen einen objektiven Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit aufweisen und lediglich aus fiskalischen Gründen nicht abziehbar sind.
  • 7 Dabei ist die Möglichkeit zur Verlustberücksichtigung in Deutschland – auch im Vergleich zu anderen Ländern – relativ stark eingeschränkt. So war ein Verlustrücktrag 2015 und 2016 nur bis zu einem Betrag von einer 1 Mio. Euro und nur bei der Körperschaftsteuer möglich. Beim Verlustvortrag begrenzt die Mindestbesteuerung des § 10d EStG die Nutzbarkeit. Zudem ist die Anwendung der Organschaft in Deutschland aufgrund der Notwendigkeit des Ergebnisabführungsvertrags stark eingeschränkt.
  • 8 Nach § 8c KStG gehen Verlustvorträge einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich unter, wenn – innerhalb von fünf Jahren – mindestens 50 % der Anteile an dieser Kapitalgesellschaft an einen Erwerber veräußert werden. Ausnahmen hiervon werden z. B. in Sanierungsfällen oder bei Bestehen von stillen Reserven gewährt.

Literatur

Blouin, J. und L. Robinson (2021), Double Counting Accounting: How Much Profit of Multinational Enterprises Is Really in Tax Havens?, Working Paper.

BMF – Bundesministerium der Finanzen (2021), Öffentlicher Ertragsteuerinformationsbericht (Öffentliches Country-by-Country Reporting), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Europa/2021-10-01-oeffentlicher-ertragsteuerinformationsbericht.html (19. Juli 2023).

Bräutigam, R., C. Ludwig und C. Spengel (2019), Studie zur Steuervermeidung von Konzernen weist gravierende methodische Mängel auf: Stellungnahme zur Studie im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament, ZEW Expertise, 1-4.

Devereux, M. P. und R. Griffith (1998), The taxation of discrete investment choices, Institute for Fiscal Studies Working Paper, 98/16 (Revision 2).

Dyreng, S., M. Hanlon und E. Maydew (2008), Long-Run Corporate Tax Avoidance, The Accounting Review, 83(1), 61-82.

Feld, L. P. und J. H. Heckemeyer (2011), FDI and Taxation: A Meta-Study, Journal of Economic Surveys, 25(2), 233-272.

Henry, E. und R. Sansing (2018), Corporate tax avoidance: data truncation and loss firms, Review of Accounting Studies, 23(3), 1042-1070.

Hentze, T. (2019), Effektiver Unternehmensteuersatz in Deutschland seit Jahren konstant, IW Kurzbericht, 12, 1-3.

Huber, H.-P. und R. Maiterth (2020), Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften von lediglich 20% – Fakt oder Fake News?, Steuer und Wirtschaft, 97(1), 18.

Janský, P. (2019), Effective Tax Rates of Multinational Enterprises in the EU: A report commissioned by the Greens/EFA group in the European Parliament, https://www.greens-efa.eu/files/doc/docs/356b0cd66f625b24e7407b50432bf54d.pdf (19. Juli 2023).

Scheffler, W. (2020), Besteuerung von Unternehmen, Bd. I, 14. Aufl., C. F. Müller.

Schreiber, U., C. Spengel und L. Lammersen (2002), Measuring the Impact of Taxation on Investment and Financing Decisions, Schmalenbach Business Review, 54(1), 2-23.

Wissenschaftlicher Beirat beim BMF (2007), Einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer in der Europäischen Union, Gutachten.

Title:The Income Tax Burden on Corporations in Germany

Abstract:In an international comparison, Germany is a high-tax country. At around 30 %, the nominal tax burden for German corporations is almost ten percentage points above the EU average. Some assume that corporations‘ actual tax burdens are significantly reduced due to tax planning and profit shifting. However, this article shows, based on information from corporation and trade tax statistics, the real tax burden can be five to twelve percentage points higher than the nominal burden due to incomplete loss offsetting, the limited deduction of financing expenses and the (partial) taxation of corporate dividends.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0212