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Das Ruhrgebiet ist eine regionalpolitische Dauerbaustelle. Die Transformation der einstigen Bergbau- und Industrieregion hin zu Hochschulbau und Dienstleistungen konnte nicht verhindern, dass die Arbeitslosenzahlen deutlich über dem Landes- und Bundesdurchschnitt liegen. Um die Regionalentwicklung des Ruhrgebiets zu stärken, werden zehn konkrete Vorschläge zur politökonomischen Reaktivierung des Ruhrgebiets durch neue staatliche Institutionen unterbreitet. Angeregt wird, dass die für den Strukturwandel im Ruhrgebiet politisch Verantwortlichen sich künftig bei Land, Bund und EU zwecks Strukturstärkung prioritär um die Ausstattung ihrer Region mit solchen Institutionen bemühen.

„Viel erreicht, wenig gewonnen“, lautete der Titel einer Pu­blikation aus 2012, mit der Kollegen der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum einen „realistischen Blick auf das Ruhrgebiet“, seine Entwicklung und Strukturen sowie die damit verbundenen Probleme geworfen hatten (Bogumil et al., 2012). Mehr als ein Jahrzehnt später könnte man den genannten Befund genauso übertiteln.

In der Abgrenzung des Regionalverbands Ruhr (RVR) besteht das Ruhrgebiet auf einer Fläche von 4.439 km2 aus 53 Kommunen in elf kreisfreien Großstädten und vier Landkreisen mit 5,14 Mio. Einwohner:innen. Im Ruhrgebiet leben 29 % der Bevölkerung auf 13 % der Fläche von Nordrhein-Westfalen (NRW). Es ist damit der hierzulande größte urbane Ballungsraum. In den vergangenen Jahrzehnten hat es einen mehr als tiefgreifenden Strukturwandel vollzogen (van de Loo, 2018). Der einst dominierende Steinkohlenbergbau ist inzwischen vollständig stillgelegt, die Stahlindustrie an der Ruhr hat schwerwiegende Anpassungsprozesse hinter und noch vor sich, die Automobilindustrie kam und ging, die chemische Industrie und die Energiewirtschaft sind mitten im Transformationsprozess. Die einstige Prägung als Industrieregion ist längst Geschichte, der Beschäftigtenteil der Dienstleistungen hat heute mit 77 % höheres Gewicht als in vielen anderen Regionen. Größter Beschäftigungsfaktor im Ruhrgebiet ist inzwischen die Gesundheitsbranche (über 330.000 Arbeitsplätze). Ein maßgeblicher Treiber der regionalen Entwicklung im Ruhrgebiet war und ist weiterhin der Wissenschaftssektor infolge des gezielten Hochschulausbaus (mittlerweile hat das Ruhrgebiet fünf Universitäten und 17 Hochschulen mit rund 290.000 Studierenden – jeder 10. in Deutschland). Das frühere Ruhrrevier ist damit die dichteste Hochschulregion in der EU und kann sich heute berechtigt als „Wissensrevier“ titulieren (RVR, 2015). In jüngerer Zeit geht die Entwicklung einher mit Initiativen zur integrierten Stadtentwicklung („Metropolregion“) und ökologischen Umgestaltung (etwa durch Roll-out der in Bottrop, der letzten Bergbaustadt des Ruhrreviers, gestarteten Initiative für klimagerechten Stadtumbau „InnovationCity“, das nahezu abgeschlossene Großprojekt Emscher-Renaturierung oder das Vorhaben der Neuauflage der IBA Emscherpark). Der RVR hat zuletzt sogar die ehrgeizige Losung ausgegeben, das Ruhrgebiet zur „grünsten Industrieregion der Welt“ zu machen (RVR, 2021).

Regionale Transformation

Der Steinkohlenbergbau nahm zwar insgesamt eine für (West-)Deutschland tragende Rolle ein, jedoch war insbesondere das Ruhrgebiet für seine Industrie und den Bergbau bekannt. Seit Ende der 1950er Jahre zeichnete sich ein Rückgang der Produktion ab, der schließlich nach einem subventionierten Anpassungsprozess in den 2007 beschlossenen sozialverträglichen Ausstieg aus der heimischen Steinkohle mündete. Erfolgt ist dieser dann endgültig mit der Stilllegung des letzten Bergwerks im Ruhrrevier 2018, wodurch sich sowohl das Ruhrgebiet als auch Deutschland in der Phase des sogenannten Nachbergbaus wiederfinden (Tiganj et al., 2023). Doch bereits seit dem Beginn der Krise des Steinkohlenbergbaus, Ende der 1950er Jahre, gab es zahlreiche strukturpolitische Maßnahmen des Landes NRW, die zunächst vielversprechend und teils erfolgreich begannen, wie der Hochschulbau und die Ansiedlung neuer Wirtschaftszweige außerhalb des Montansektors. 1966 gab es ein landesweites Konzept der Inte­grierten Strukturpolitik, 1968 ein vom Land aufgestelltes Entwicklungsprogramm Ruhr, später unter anderem 1987 die vom Bund und Land gemeinsam getragene „Zukunftsinitiative Montanregionen“. Nach der deutschen Einheit 1990 folgten weitere regionalspezifische Maßnahmen aus der Gemeinschafts­aufgabe Regionale Wirtschaftsförderung (GRW) sowie EU-Strukturmitteln, allerdings erheblich abgeschwächt, weil der Fokus der deutschen Regionalpolitik beim „Aufbau Ost“ lag. Eine umfassende Trendwende für das Ruhrgebiet erfolgte nicht (Röhl et al., 2018; Röhl, 2019).

Erst 2020 sind die Schwerpunkte der GRW-Förderung bekanntlich wieder unabhängig von der Himmelsrichtung gemacht worden. Seit 2020 gilt zudem das mit dem in Deutschland geplanten Kohleausstieg aufgelegte Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen. Dieses ist zwar in erster Linie an die deutschen Braunkohleregionen adressiert, beinhaltet aber für das Ruhrgebiet auch das mit rund 1 Mrd. Euro dotierte „5-Standorte-Programm“, mit dem fünf vom Kohleausstieg besonders betroffene Standortkommunen gefördert werden sollen (Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne, Kreis Unna) (van de Loo und Tiganj, 2021). Neben Maßnahmen der aktuell bis 2027 laufenden Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)-Förderung ist das nördliche Ruhrgebiet (Bottrop, Dorsten, Gladbeck und Marl) Gegenstand eines EU-geförderten Just-Transition-Plans. Darüber hinaus hat die Landesregierung von NRW 2018 eine „Ruhrkonferenz“ für einen langjährigen gezielten Förderprozess angestoßen. Dazu wurden 74 Einzelprojekte quer durch die Politikfelder Wirtschaft, Mobilität, Kultur, Bildung und grüne Infrastruktur entwickelt, mit denen das Ruhrgebiet in eine „Chancenregion“ verwandelt werden soll. Die Resultate dieser eher kleinteiligen Projekte bleiben abzuwarten. Die Forderung nach einem radikalen Wandel bleibt auf der Tagesordnung (Lehner und Pätzel, 2019).

Probleme am Arbeitsmarkt

Trotz aller Anstrengungen ist es jedenfalls bis heute nicht gelungen, die Wertschöpfungs- und Beschäftigungsverluste in der einst dominierenden Montanindustrie auszugleichen (van de Loo, 2023). Die Arbeitslosenquote ist seit Langem weit überdurchschnittlich – im Juli 2023 bei rund 10 % – mit einem erheblichen Anteil an Langzeitarbeitslosigkeit. Die sozialen Problemlagen sind vielerorts beträchtlich. Die Finanznöte der Kommunen sind enorm und ihre Handlungsfähigkeit bleibt eingeschränkt (nicht zuletzt aufgrund von Altschulden). Jenseits des Wissenschaftssektors, in der schulischen und beruflichen Bildung, ist es um das regionale Humanvermögen nicht gut bestellt. Wie schon im Befund von 2012 ist es auch 2023 trotz vieler Fortschritte nicht gelungen, das Ruhrgebiet zu einer im nationalen Vergleich wirtschaftlich wieder starken und auch – mit Ausnahme einzelner Großunternehmen und Hidden Champions – international wettbewerbsfähigen Region zu machen. Ein häufig erwähntes Beispiel innerhalb des Ruhrgebiets ist hierbei Gelsenkirchen, seit Langem regionaler Spitzenreiter bei der Arbeitslosigkeit und eine der ärmsten Städte in Deutschland. Hier konzentrieren sich die Auswirkungen von Arbeitsplatzverlust, Abwanderung und mangelnden Perspektiven. In der Arbeitslosenstatistik folgen die größten Städte des Ruhrgebiets Duisburg, Dortmund und Essen, aber auch Oberhausen, Herne oder Hagen, allesamt mit zweistelliger Arbeitslosenquote (vgl. Abbildung 1). In den nationalen Armutsberichten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (2023) nimmt das Ruhrgebiet regional Spitzenstellungen ein.

Abbildung 1
Arbeitslosenquote in der Metropole Ruhr, Juli 2023
Arbeitslosenquote in der Metropole Ruhr, Juli 2023

Quelle: RVR (2023), unternehmer.nrw (2023), Statistikportal Ruhr (2023), Bundesagentur für Arbeit.

Hochschulausbau

Hier soll ein neuer Ansatz zur Diskussion gestellt werden, um der Region nachhaltige Impulse zur Überwindung ihrer anhaltenden strukturellen Schwächen zu geben. Aus einer politökonomischen Perspektive wird vorgeschlagen, im Ruhrgebiet neue staatliche Institutionen zu etablieren. Damit sind „Institutionen“ im klassischen Sinn gemeint, d. h. staatliche Einrichtungen und Organisationen, die eine öffentliche Funktion haben und auf Dauer etabliert werden – wie Behörden, staatliche Agenturen, Gerichte oder Einrichtungen der öffentlichen Forschung (Erlei et al., 2016; Klump, 2021). Klar ist, dass derartige staatliche Institutionen private Investitionen und Innovationen als Motoren neuen Wachstums nicht ersetzen können. Doch sie können diese stärken und von schwankender privat­wirtschaftlicher Aktivität unabhängige stetige Impulse setzen. Klar ist auch, dass angesichts des gesellschaftlichen Wandels, zumal mit dem Anspruch der Transformation „Politik … zunehmend weniger im Rahmen bestehender Institutionen gemacht werden kann“ und institutioneller Wandel nötig ist (Kirsch, 2004).

Die staatlichen Hochschulen sind beispielgebende Vorreiter für staatliche Institutionen gewesen, die für die Region viel bewirkt haben. Doch der Hochschulausbau ist kein Patentrezept, er stößt auch im Ruhrgebiet an Grenzen. Zudem hat das Ruhrgebiet zwar viele Hochschulabsolvent:innen ausgebildet, doch bislang zu wenige in der Region gehalten oder gar zu Unternehmensgründungen veranlassen können. Auch in der aufkeimenden Start-up-Szene zeigen sich trotz gewisser Erfolge Tendenzen Richtung Abwanderung in andere Regionen, anstatt einer erhofften Ansiedlung und Verankerung dieses Potenzials im Ruhrgebiet selbst.

Staatliche Institutionen

Sieht man von den Hochschulen ab, ist das Ruhrgebiet gemessen an seiner Bevölkerungszahl sehr arm an staatlichen Institutionen oberhalb der kommunalen Ebene. Abgesehen von kleineren Außenstellen, etwa des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, ist die einzige öffentliche Institution auf Bundesebene die Bundesknappschaft in der gesetzlichen Renten- und Gesundheitsversicherung zu nennen. Als nationale, wenngleich halböffentliche Institutionen bundesweit bekannt sind hingegen nur Kultureinrichtungen, wie das Deutsche Fußball-Museum in Dortmund und das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum. Es gibt keine einzige Spitzenbehörde des Bundes oder ein Bundesgericht im Ruhrgebiet. Ebenso wenig gibt es eine EU-Institution. Selbst im Hinblick auf die Landesebene von NRW ist die institutionelle Ausstattung der Region eher dünn. An Landesbehörden gibt es lediglich das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) in Recklinghausen sowie die als Landes­oberbergamt fungierende Bergbehörde in Dortmund – hier wirkt die montangeschichtliche Prägung der Region nach.

Schon 2016 haben Regionalexperten konstatiert, das Ruhrgebiet brauche möglichst „rasch eine starke und breite Zukunftsdebatte, mit der ein Wandel zu einer Kultur des offenen, konstruktiven und kreativen Umgangs mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angestoßen werden kann.“ Zwar gebe es in dieser Region „eine hohe Wandlungskompetenz und eine große Bereitschaft zu Experimenten“, doch zugleich „viel Schönfärberei oder sogar Fortschrittsangst“ (Lehner und Noll, 2016). Ebenfalls 2016 hat die Zukunftsstudie Ruhr der RAG-Stiftung (2016) in einer auf die Delphi-Methode gestützten Vorhersage der Perspektiven der Region die Schlussfolgerung gezogen, dass das Ruhrgebiet noch rund zehn Jahre Zeit habe, den sozioökonomischen „Turnaround“ zu schaffen, andernfalls drohe ihr, den Anschluss zu verlieren. Seither sind sieben Jahre vergangen und vom Turn­around kann noch nicht die Rede sein.

Ein Grund der mangelhaften Reaktivierung des Ruhrgebiets könnte darin liegen, dass alle bisher diskutierten Konzepte zu sehr auf Szenarien der gewünschten oder als wahrscheinlich erwarteten Regionalentwicklung fokussiert waren. Doch der technische Fortschritt, wirtschaftlicher Strukturwandel, neue gesellschaftliche und politische Entwicklungen können Szenarien und den jeweils aktuellen Zeitgeist schneller als erwartet hinfällig machen. In einer Marktwirtschaft lassen sich die Entwicklungen im privaten Sektor nicht steuern. Die Gründe und Erkenntnisse, weshalb Planwirtschaft bzw. planwirtschaftliche Industriepolitik nicht funktioniert, sind zeitlos gültig (van de Loo, 2018; Bartling et al., 2019; Taylor, 2023). Gleichwohl fehlt im marktwirtschaftlichen Prozess der regionalen Entwicklung das Element der Stetigkeit und Verlässlichkeit, das nur Institutionen zu bieten vermögen. Der vorgeschlagene Ansatz der Regionalförderung durch staatliche Institutionen ist nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zur herkömmlichen Regionalpolitik im Rahmen von entsprechenden Programmen gedacht, die solange erforderlich bleiben, wie die Strukturschwächen des Ruhrgebiets fortbestehen. Sie könnten diese Maßnahmen jedoch effektiver machen. Ausgangspunkt ist dabei das historisch gewachsene sozioökonomische Profil des Ruhrgebiets.

Etablierung neuer Institutionen

Ansätze bieten sich auf allen staatlichen Ebenen. Vorgeschlagen wird hier die Etablierung neuer Institutionen, nicht die Abwerbung bestehender in anderen Regionen. Indes könnten ohnehin anstehende Standort­verlagerungen oder -erweiterungen für die Region ebenfalls einen Beitrag leisten. Es geht auch nicht um die Schaffung zusätzlicher Bürokratie, sondern um die Deckung offener Regelungsbedarfe, für die sich wie bei jeder staatlichen Instanz Standortfragen stellen. Zum einen schafft die gegenwärtige wirtschaftspolitische Umbruchphase, die Transformation, neuen Bedarf. Zum anderen haben Institutionen in dem hier gemeinten Sinne einige erhebliche sozioökonomische Vorteile:

  • Die Etablierung von neuen Institutionen stellt sich für die zuständigen Gebietskörperschaften relativ kostengünstig dar, im Vergleich zu einer anhaltenden direkten Förderung durch Finanzhilfen. Sie beanspruchen regional nur sehr begrenzte Ressourcen, wie z. B. Standortflächen, gehen also kaum zulasten anderer wirtschaftlicher Zwecke.
  • Staatliche Institutionen liefern dauerhafte, stetige ökonomische Impulse, die nicht wie die immer befristeten, nicht immer erfolgreichen Sonderprogramme mit der Zeit verpuffen. Und sie haben vom Umfang her nicht zu unterschätzende eigenwirtschaftliche Effekte, auch wenn die mit ihnen direkt zusammenhängende Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen in der Region begrenzt ist. Hinzu kommen indirekte und induzierte Effekte durch kontinuierlich benötigte Dienstleistungen und Auftragsvergabe im regionalwirtschaftlichen Umfeld.
  • Staatliche Institutionen nützen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllen, der Allgemeinheit ebenso wie der Region selbst mit entsprechenden Reputations- und Ausstrahlungseffekten. Auf diese ist gerade das Ruhrgebiet für sein Image und seine Attraktionskraft dringend angewiesen: gesamtwirtschaftlich eine „Win-Win-Lösung“.
  • Überregional wirkende Institutionen schaffen regelmäßige öffentliche Wahrnehmung und Beachtung für die Region, ein Faktor, der in der modernen Politik und Medienlandschaft sowie der damit verbundenen Aufmerksamkeitsökonomie kaum zu unterschätzen ist.
  • Bedeutungsvolle staatliche Institutionen können für das Ruhrgebiet auch einen Beitrag zur besseren Anziehung und Bindung von hochqualifizierten Fachkräften leisten, insbesondere im Hinblick auf die vielen Hochschulabsolvent:innen.
  • Schließlich können Institutionen mit starkem Ausstrahlungseffekt zugleich die Identifikation der Bevölkerung in der Region und den inneren Zusammenhalt ihrer Entscheidungs- und Einflussträger erheblich stärken.

Sozioökonomischer Problemaufriss des Ruhrgebiets

Zu den großen Besonderheiten des Ruhrgebiets gehört, dass es zwar in Außenwahrnehmung und Selbstverständnis als einheitliche Region gilt und einen eigenen Regionalverband besitzt, den RVR, historisch hervorgegangen aus dem 1920 gegründeten Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk als regionaler Zweckverband für Aufgaben der Infrastrukturplanung. Dessen Nachfolgeorganisation wurde mit erweiterten regionalplanerischen Befugnissen 2004 zum RVR umbenannt. Verwaltungstechnisch ist das Ruhrgebiet jedoch nach wie vor aufgeteilt in drei Regierungsbezirke (Arnsberg, Düsseldorf, Münster) und dort stückweise mit Nachbarregionen verbunden. Soziökonomisch mehr als bemerkenswert ist darüber hinaus die seit Jahrzehnten beobachtbare Nord/Süd-Spaltung durch die landläufig als „Sozialäquator“ des Ruhrgebiets bezeichneten Autobahnlinien A40 („Ruhrschnellweg“) und A2. Strukturpolitisch besonders problematische Teilregionen liegen größtenteils dazwischen. Viele Bezirke dort sind zugleich ein bereits im Straßenbild sichtbares Beispiel dafür, welche sozialen Folgen anhaltende Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Deprivation zeitigen und wie auch innerhalb von Ballungsräumen „räumliche Exklusion“ und „institutionelle Exklusion“ wirken können (Fink et al., 2018).

Plakativ im Schaubild darstellen lässt sich die Problematik des Ruhrgebiets besonders an der Kennzahl Arbeitslosenquote. Sie hat sich zwar in ihrem zeitlichen Verlauf mit der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur verändert und ist im letzten Jahrzehnt tendenziell etwas gesunken, sie bleibt aber recht stabil um gut 4 Prozentpunkte höher als im Bund (vgl. Abbildung 2). Von einem signifikanten Aufholprozess kann also kaum die Rede sein. Die IW-Studie zur Zukunft des Ruhrgebiets von 2018 (Röhl et al., 2018) hat die Problemlagen des Ruhrgebiets grob, aber treffend umrissen mit den Merkmalen „unbewältigter Strukturwandel, Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit“ – ein Befund, der sich seither allenfalls graduell verändert hat und sich auch in anderen vom IW seinerzeit untersuchten Regionalindikatoren zeigte. In dem vom IW aufgestellten „Stärke-Schwächen-Profil“ des Ruhrgebiets waren keineswegs alle Entwicklungen negativ zu bewerten. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner war das Ruhrgebiet seit 2000 zumindest gegenüber anderen urbanen Regionen nicht mehr zurückgefallen. Der Auf- und Umbau der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft zu einem führenden Hochschul- und Forschungsstandort zählt zu den herausragenden Stärken des heutigen Ruhrgebiets, wenngleich vom IW noch erhebliche Potenziale bei der Kooperation mit der Wirtschaft der Region gesehen wurden. Speziell bei der Digitalisierung gehört es keineswegs zu den abgehängten Regionen, sondern könnte durch einen zügigen Ausbau zu den Spitzenregionen aufschließen. Den im Ruhrgebiet verbliebenen industriellen Strukturen mit leistungsfähigen Clustern und engen Wertschöpfungsketten maß das IW erhebliche Bedeutung zu. Seine geografische „Lagegunst“ ist unverändert ein Vorteil seiner Logistikbranche. Doch etliche der vom IW analysierten Schwächen und Risiken bestehen auch 2023 fort. Dazu zählen neben der hohen Arbeitslosigkeit demografische Entwicklungen sowie die Gefahr eines zunehmenden „Brain Drain“ qualifizierter Fachkräfte. Trotz des Hochschulausbaus waren der Besatz mit FuE-Personal und Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungen sowie der Anteil von Abiturient:innen oder die Gründungsaktivitäten für einen urbanen Ballungsraum unterdurchschnittlich. Akut besteht das Risiko weiterer Deindustrialisierung und des Aufbrechens von Wertschöpfungsketten. Der Zustand der an sich gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur ist nachweislich schlecht und bedarf umfänglicher Sanierung. Gleiches gilt für die Finanzlage der Kommunen.

Abbildung 2
Entwicklung der Arbeitslosenquote
Entwicklung der Arbeitslosenquote

Quelle: RVR-Regionalstatistik 2023.

Die Business Metropole Ruhr GmbH (BMR) hat 2022 eine Strategie zur intelligenten Spezialisierung für das Ruhrgebiet aufgestellt. Grundlage dafür war eine SWOT-Analyse, in der das schon vom IW ermittelte Profil der Region als weiterhin aktuell bestätigt worden ist (BMR, 2022). Als Schwächen zusätzlich aufgeführt werden unter anderem die unterdurchschnittliche Produktivität (BIP je Arbeitnehmer:in) im Vergleich zu anderen Metropolregionen, ein überdurchschnittlicher Anteil von Schulabbrecher:innen, die insgesamt zu geringe Verfügbarkeit von Gewerbeflächen sowie eine negative externe Wahrnehmung der Region und ihrer Wirtschaftskompetenzen. Als besondere Zukunftsrisiken des Ruhrgebiets wurden mögliche Verwerfungen durch die Energiewende, eine sinkende Bedeutung der für die Region immer noch wichtigen Industriezweige (wie Stahl), zugleich das Risiko von Lock-ins ausgemacht. Gleichzeitig werden auch spezifische Chancen gesehen, so der Erfahrungsvorsprung beim Wandel der Wirtschaft, einzigartig dichte und polyzentrische urbane Räume mit einem breiten Feld zur Anwendung urbaner Innovationen (Digitalisierung, Verkehr etc.), die große Zahl an Fachkräften in Universitäten und Forschungsreinrichtungen, eine gewachsene Wissensbasis im Energiesektor, besondere Chancen gerade in Branchen mit Ausrichtung auf Ressourceneffizienz, Anpassung an den Klimawandel sowie demografische Herausforderungen (insbesondere Gesundheit). Hinzuzufügen wäre noch eine andere regionalwirtschaftliche Stärke: „Size does matter“ (Moretti, 2013) – das Ruhrgebiet hat allein durch seine Größe nutzbare Agglomerationsvorteile.

Reaktivierung des Ruhrgebiets durch neue staatliche Institutionen

Ausgehend von den eher abstrakten Vorüberlegungen zur regionalpolitischen Rolle und Bedeutung staatlicher Institutionen werden nachfolgend zehn konkrete Vorschläge formuliert. Angeregt wird, dass die für den Strukturwandel im Ruhrgebiet politisch Verantwortlichen sich künftig bei Land, Bund und EU zwecks Strukturstärkung prioritär um die Ausstattung ihrer Region mit solchen Institutionen bemühen. Selbstverständlich ist die vorgeschlagene Liste nicht abschließend, sondern offen für weitere Erwägungen. Hier vorgeschlagen werden nur neue staatliche Institutionen mit stichhaltig begründetem gesamtwirtschaftlichem Bedarf, die an die montanwirtschaftliche Prägung des Ruhrgebiets anknüpfen und auf die Nutzung ihrer identifizierten Stärken und Chancen abstellen. Auf diese Weise können staatliche Institutionen zur (Re-)Aktivierung endogener Potenziale für die Regionalentwicklung beitragen, wofür die Regionalökonomik folgende drei Voraussetzungen verlangt: Überwindung von bestehenden Engpässen, Nutzung regionalspezifischer Fähigkeiten und Standortvorteile und Initiierung von regionalen Kreisläufen (Lahner, 2017). Die zehn konkreten Vorschläge beziehen sich auf alle gebietskörperschaftlichen Ebenen und adressieren die Gesamtregion, wenngleich eine Realisierung in allen Fällen auch konkrete kommunale Standortentscheidungen erfordern würde:

Regionale Ebene

  1. Bezirksregierung Ruhrgebiet: Um die hinreichende politische Handlungsfähigkeit des Ruhrgebiets als eigenständige Region mit durchgreifender Initiativkraft für die Bewältigung der Transformation und die Verwirklichung der Leitidee einer Metropolregion herzustellen, bedarf es der vollen eigenen Verwaltungshoheit, d. h. einer eigenen Bezirksregierung. Die Debatte über die Schaffung eines eigenen Regierungsbezirks für das Ruhrgebiet gibt es bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Seit Gründung der Bundesrepublik gab es immer wieder neue Diskussionen und Anläufe dafür, zuletzt 2007. Alle diese Vorstöße wurden bisher abgewehrt mit der Begründung, dass sich das Ruhrgebiet nicht von seinen „Randzonen“ verwaltungsorganisatorisch isolieren dürfe, die regionalen Funktionsräume ausgeglichen sein müssten und die „Polyzentralität“ ein Vorteil sei, der nur besser genutzt werden müsse (Bogumil et al., 2012). Offenkundig hat dies dem Ruhrgebiet aber bisher nicht zum Vorteil gereicht. Wenn Polyzentralität ein regionalpolitischer Vorteil ist, warum dann nicht einen zusätzlichen Regierungsbezirk schaffen in einer Region, die schon über einen eigenen Regionalverband und sogar ein „Ruhrparlament“ verfügt? Mit einem eigenen Regierungsbezirk Ruhr würden sich freilich die Aufgaben des bestehenden RVR in der Regionalplanung verlagern. Seine Aufgaben im Bereich der Wirtschafts- und Tourismusförderung sind davon unbenommen. Er könnte sich noch stärker auf die interkommunale Kooperation in der Flächenentwicklung, in der Kultur und sein Ursprungsthema grüne Infrastruktur konzentrieren. Angeregt sei darüber hinaus, dass der RVR künftig an seiner Spitze einen Sprecher des Ruhrgebiets wählt, der es sichtbar nach außen repräsentiert.
  2. Verkehrsgesellschaft Ruhr: Ebenso seit Jahrzehnten diskutiert und überfällig gerade für eine Region, die sich nicht nur selbst zur Metropolregion erklärt, ist die Schaffung einer einheitlichen Verkehrsgesellschaft Ruhr. Zwar gibt es mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr einen kommunalen Zweckverband für den ÖPNV, der sogar über die Grenzen des Ruhrgebiets hinausragt. Doch sorgt dieser hauptsächlich für ein einheitliches Fahrpreissystem, er hat keine zentrale Steuerungskompetenz. Nach wie vor gilt der Befund von 2012, dass die Fahrverbindungen im Ruhrgebiet vor allem innerstädtisch angelegt sind, im Vergleich zu anderen deutschen Metropolen Verkehrsaufkommen und Taktzeiten relativ niedrig, die Fahrpreise dafür relativ hoch sind (Bogumil et al., 2012), sieht man von dem neuen bundesweiten 49-Euro-Ticket ab. Es ist nur historisch, aber nicht in der Sache zu erklären, dass es im Ruhrgebiet ein Dutzend kommunale Verkehrsgesellschaften mit jeweils eigenen Verwaltungsräten und Administrationen, mit unterschiedlichen Straßenbahn-, Stadtbahn- und U-Bahnsystemen mit vielen Fahrzeugtypen, teils verschiedenen Spurbreiten, uneinheitlicher Leit- und Sicherungstechnik sowie Insellagen gibt. Mit einer Verkehrsgesellschaft Ruhr wären nicht nur endlich regional konzertierte ÖPNV-Planungen möglich, sondern auch Einsparungen in der Verwaltung. Das Ziel der Verkehrswende auch im ÖPNV gibt Anlass genug für eine solche Reform.
  3. Regionalstelle für Qualifizierung und Umschulung: Transformation, Energiewende und Kohleausstieg stellen neue qualitative Anforderungen an den Arbeitsmarkt des Ruhrgebiets mit Blick auf Aus- und Fortbildung sowie Umschulung jenseits des Hochschulbereichs. Der von der EU geförderte Just-Transition-Plan für das nördliche Ruhrgebiet sieht deshalb unter anderem die Einrichtung einer regionalen „Beratungsstelle Arbeit“ vor, die auch Weiterbildungs- und Transferaktivitäten vom Wandel betroffener Unternehmen koordinieren soll. „Matching“, „Skilling“ und „Re-Skilling“ werden von der EU besonders unterstützt. Sinnvoll erscheint es, diesen Ansatz auf das ganze Ruhrgebiet auszudehnen, zu verstetigen und eine Regionalstelle für Qualifizierung und Umschulung zu etablieren.

Landesebene

  1. Kommunale Gebietsreform und Altschuldenregelung: Notwendige Voraussetzung für die Schaffung einer Bezirksregierung Ruhr wäre eine kommunale Gebietsreform auf Landesebene. Unerlässlich ist zudem, die Frage einer Altschuldenregelung nicht nur für die Kommunen des Ruhrgebiets endlich einer Lösung zuzuführen. Vor Kurzem hat die NRW-Landesregierung dafür zusammen mit einem Programm für die kommunale Infrastruktur einen neuen Anlauf genommen (Land NRW, 2023). Gerade das Ruhrgebiet ist darauf für seine künftige Handlungsfähigkeit dringend angewiesen.
  2. Ständige Monitoring-Stelle für Strukturwandel und Beschäftigung: Tempo und Ausmaß des bevorstehenden Strukturwandels sowie die damit verbundenen Konsequenzen für die Beschäftigung werden unzweifelhaft enorm sein, zumal in NRW, dessen Landesregierung das ganze Land in ein „klimaneutrales Industrieland“ verwandeln will. Aus politischer und erst recht aus wissenschaftlicher Sicht erscheint es daher geboten, diesen Wandel kontinuierlich zu beobachten und zu analysieren. Schon die Kohlekommission hatte in Bezug auf den Kohleausstieg in ihrem Abschlussbericht empfohlen, den Ausstiegsprozess mit einem institutionalisierten Monitoring auch von Strukturwandel und Beschäftigung in den betreffenden Regionen zu begleiten (Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, 2019). Eine Empfehlung, die von der Bundesregierung nicht aufgegriffen wurde. Zumindest in NRW könnte dies jedoch zur Begleitung des Transformationsprozesses durch eine Ständige Monitoring-Stelle für Strukturwandel und Beschäftigung umgesetzt werden. Und wo wäre diese besser angesiedelt als in der Region, die mit Strukturwandel so intensive Erfahrungen hat?
  3. Landesfachagentur für Montan- und Industriekultur: Genauso bietet sich das Ruhrgebiet als Sitz für eine auf Ebene des Landes neu einzurichtende Fachinstitution zur Bewahrung und Pflege seines industriegeschichtlichen kulturellen Erbes, eine Landesfachagentur für Montan- und Industriekultur. Ohne staatliche Unterstützung und Koordination wird es im beschleunigten Strukturwandel schwer, die auch auf Landesebene erklärten Hoffnungen auf Stabilisierung der regionalen Identität, industriegeschichtlichen Erinnerungskultur und Attraktivität für den Ruhr-Tourismus dauerhaft erfüllen zu können.

Bundesebene

  1. Bundesgericht für Energie- und Rohstoff-Recht (BERG): Die Energiewende bedeutet zugleich zahllose neue Herausforderungen für das Energierecht. Das klassische deutsche Bergrecht soll ohnehin novelliert werden. Neuartige rechtliche Fragestellungen ergeben sich auch für die Gewinnung sogenannter Zukunftsrohstoffe, künftige neue Gewinnungsorte von Rohstoffen vom Meeres- bis zum Weltraumbergbau sowie das Rohstoffrecycling. Das spricht dafür, den sich daraus ergebenden neuen Aufgaben in der Rechtsprechung auf Bundesebene ein spezielles neues Bundesgericht einzurichten wie das für das Arbeits-, Sozial-, Finanz- oder Verwaltungsrecht der Fall ist. Für ein solches Bundesgericht für Energie- und Rohstoff-Recht (BERG) wäre das Ruhrgebiet mit seiner immensen Energie- und Rohstofftradition eine ideale Wahl.
  2. Bundesamt für Wasserstoffwirtschaft: Wasserstoff nimmt in den Vorhaben der grünen Transformation eine Schlüsselrolle ein. Im Juli 2023 hat die Bundesregierung die Fortschreibung ihrer Nationalen Wasserstoff­strategie beschlossen, darunter den Aufbau einer nationalen Wasserstoffinfrastruktur (BMWK, 2023). Das Ruhrgebiet ist aufgrund seiner Netz- und Industriestruktur einer der Knotenpunkte sowohl des künftigen geplanten Wasserstofftransports als auch der Wasserstoffnutzung. Parallel dazu strebt es an, sich zu einer Modellregion für Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln (RVR, 2023). Da die bisher zuständige Bundesnetznetzagentur aus manchen Perspektiven überdimensioniert erscheint und viele große andere Aufgaben zu erfüllen hat (leistungsgebundene Energieversorgung, Telekommunikation), dürfte es sinnvoll sein, die Wasserstoffaufgaben herauszulösen und einem eigenen Bundesamt zwecks Koordination und Überwachung der deutschen Wasserstoffwirtschaft zu unterstellen, gegebenenfalls verknüpft mit einer künftig zu implementierenden Wasserstoffbörse.
  3. Neue Großforschungseinrichtungen des Bundes im Ruhrgebiet: Trotz der relativ hochentwickelten Wissenschaftslandschaft im Ruhrgebiet gibt es noch Leerstellen und regionale Missverhältnisse. Beides ließe sich mit tatkräftiger Förderung des Bundes und im vollen Einklang mit der Strategie der Region zur intelligenten Spezialisierung überwinden, indem neue Großforschungseinrichtungen im Ruhrgebiet platziert werden. Zwei exemplarische Konkretisierungen wären eine Großforschungseinrichtung für nachhaltige Industrie (einschließlich Kreislaufwirtschaft) und eine Großforschungsrichtung für urbane Transformation.

EU-Ebene

  1. Europäische Agentur für die Gewinnung kritischer Rohstoffe und nachhaltige Transition von Bergbauregionen: Schließlich eignet sich das Ruhrgebiet aus seiner Bergbauprägung heraus für eine Institution, für die auf EU-Ebene Handlungsbedarf konstatiert werden muss. Die EU hat im Kontext ihres „Green Deal“ die Notwendigkeit einer EU-weiten Strategie für kritische Rohstoffe entwickelt. Dies erfordert neben einer Koordination der einzelstaatlichen rohstoffpolitischen Aktivitäten auch quasi-bergamtliche Aufgaben für die damit nötigen neuen bergbaulichen Tätigkeiten etwa zur Gewinnung von Lithium (EU-Kommission, 2023). Da eine Rohstoffpolitik mit dem Anspruch der Nachhaltigkeit von vornherein auch immer das umwelt- und sozialverträgliche Ende der stets zeitlich begrenzten Abbautätigkeiten, also die Rekultivierung und Wiedernutzbarmachung der betreffenden Flächen und Infrastrukturen ins Auge fassen muss (van de Loo, 2021a), sollte dies auch für die kritischen Rohstoffe gelten. Was den Auslauf des Kohleabbaus und seiner regionalen Folgen betrifft, hat die EU ohnehin schon eine Coal-Regions-in-Transition- bzw. mittlerweile Just-Transition-Initiative in Gang gesetzt (van de Loo, 2021b). Diese gilt zunächst bis 2027, wird indessen weit darüber hinaus verfolgt werden müssen. Die daraus gewonnenen Erfahrungen können wiederum für die nachhaltige Gestaltung der neuen Bergbauprojekte im Bereich kritischer Rohstoffe genutzt werden. Aus diesen Gründen wird vorgeschlagen, die damit verbundenen öffentlichen Aufgaben zu bündeln in einer neuen European Agency for Critical Resource Extraction and Sustainable Transition of Mining Regions (EURACREST).

Literatur

Bartling, H., F. Luzius und F. Fichert (2019), Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 18. Aufl.

BMR – Business Metropole Ruhr (2022), Die Strategie der intelligenten Spezialisierung für die Metropole Ruhr, hier 19.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023), Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie, Juli, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/wasserstoff.html (15. September 2023).

Bogumil, J., R. Heinze, F. Lehner und K. P. Strohmeier (2012), Viel erreicht, wenig gewonnen.

Erlei, M. , M. Leschke und D. Sauerland (2016), Institutionenökonomik, 3. Aufl.

EU-Kommission (2023), Kommissionsvorschlag für eine sichere und nachhaltige Versorgung der EU mit kritischen Rohstoffen, Pressemitteilung, 16. März, https://germany.representation.ec.europa.eu/news/kommissions-vorschlag-fur-eine-sichere-und-nachhaltige-versorgung-der-eu-mit-kritischen-rohstoffen-2023-03-16_de (15. September 2023).

Fink, M., G. Titelbach und E. Mürzl (2018), Arbeitslosigkeit – Die sozialen Folgen für Betroffene und Angehörige, Institut für Höhere Studien (IHS), Projektbericht, hier 14, https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/4909/1/2018-ihs-report-fink-titelbach-muerzl-soziale-folgen- arbeitslosigkeit.pdf (15. September 2023).

Kirsch, G. (2004), Neue Politische Ökonomie, 5. Aufl., 14.

Klump, R. (2021), Wirtschaftspolitik. Instrumente, Ziele und Institutionen, 4. Aufl., 297 ff.

Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (2019), Abschlussbericht 2019, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/A/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf (15. September 2023).

Lahner, J. (2017), Entwicklung und Regionalökonomie in der Wirtschaftsförderung, 45 f.

Land NRW (2023), Pressemitteilung, 19. Juni, zu einen Programm für kommunale Altschulden, https://www.land.nrw/pressemitteilung/landesregierung-nordrhein-westfalen-geht-mit-programm-fuer-kommunale-altschulden (15. September 2023).

Lehner, F. und H.-P. Noll (2016), Ruhr: das Zukunftsszenario. Von der eingebildeten zur wirklichen Metropole.

Lehner, F. und U. Pätzel (2019), Die Organisation eines raschen und radikalen Wandels. Eine Denkschrift zur Entwicklung des Ruhrgebiets zu einer international wettbewerbsstarken Region, Emschergenossenschaft & Lippeverband.

Moretti, E. (2013), The New Geography of Jobs, 125.

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Title:The Ruhr Area’s Politico-Economic Reawakening

Abstract:The Ruhr area is not only the former heartland of industry in Germany, but still the largest urban agglomeration and now the region with the highest density of universities. Yet, after decades of deep structural change leading away from coal and steel, the region is still marked by ongoing structural weaknesses and chronically high unemployment rates. At the same time, it has relatively poor public institutions. Therefore, it is time to think outside the box. We propose a new approach with ten concrete ideas for regional support by the establishment of new public institutions in the Ruhr area.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0232